Rede:
ID0712721100

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 17
    1. Ich: 1
    2. danke: 1
    3. dem: 1
    4. Herrn: 1
    5. Bundeskanzler: 1
    6. und: 1
    7. eröffne: 1
    8. die: 1
    9. Aussprache.: 1
    10. —: 1
    11. Das: 1
    12. Wort: 1
    13. hat: 1
    14. Herr: 1
    15. Abgeordneter: 1
    16. Dr.: 1
    17. Carstens.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 127. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 6. November 1974 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Dr. Czaja 8509 A Überweisung von Vorlagen an Ausschüsse 8509 A Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung . . 8509 C Fragestunde — Drucksache 7/2720 vom 31. 10. 74 — Fragen A 3 und 4 — Drucksache 7/2720 vom 31. 10. 74 — der Abg. Frau Dr. Neumeister (CDU/CSU) : Zulassungsbedingungen für das Medizinstudium; Änderung des gegenwärtigen Systems Dr. Glotz, PStSekr (BMBW) . . . 8510 B, D, 8511 A, B, C Frau Dr. Neumeister (CDU/CSU) . 8511 A, B Freiherr von Fircks (CDU/CSU) . . 8511 C Frage A 5 — Drucksache 7/2720 vom 31. 10. 74 — des Abg. Windelen (CDU/ CSU) : Von deutscher Seite amtlich ermittelte Zahl der Vertreibungstoten; Übergabe entgegenstehender polnischer Veröffentlichungen an Journalisten in Warschau Dr. Schmude, PStSekr (BMI) . . . . 8511 D, 8512 A, B, C, D Windelen (CDU/CSU) 8512 A, B Dr. Hupka (CDU/CSU) 8512 B Dr. Czaja (CDU/CSU) 8512 C Frage A 12 — Drucksache 7/2720 vom 31. 10. 74 — des Abg. Windelen (CDU/ CSU) : Dokumentation der Vertreibungsverbrechen; Verweigerung der Einsichtnahme gegenüber einem amerikanischen Wissenschaftler durch das Bundesarchiv Dr. Schmude, PStSekr (BMI) 8513 A, B, C, D, 8514 A, B, C Windelen (CDU/CSU) 8513 B Dr. Hupka (CDU/CSU) 8513 D Freiherr von Fircks (CDU/CSU) . 8514 A Dr. Czaja (CDU/CSU) 8514 A, B Böhm (Melsungen) (CDU/CSU) . 8514 C Ey (CDU/CSU) 8514 C II Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. November 1974 Frage A 13 — Drucksache 7/2720 vom 31. 10. 74 — des Abg. Freiherr von Fircks (CDU/CSU) : Pressemeldungen betreffend Infiltration westlicher polnischer Zentren durch polnische, von kommunistischen Staatsfunktionären ausgebildete Geistliche Dr. Schmude, PStSekr (BMI) 8514 D, 8515 A Freiherr von Fircks (CDU/CSU) . . 8515 A Fragen A 15 und 16 — Drucksache 7/2720 vom 31. 10. 74 — des Abg. Gerster (Mainz) (CDU/CSU) : Vorlage eines Gesetzentwurfs über die Gesamtneugliederung des Bundesgebiets noch vor der Durchführung der Volksentscheide in Rheinland-Pfalz und Niedersachsen Dr. Schmude, PStSekr (BMI) . . . 8515 B, D, 8516 A, B, C Gerster (Mainz) (CDU/CSU) . . 8515 C, D, 8516 A, B Jäger (Wangen) (CDU/CSU) . . . . 8516 C Frage A 17 — Drucksache 7/2720 vom 31. 10. 74 — des Abg. Dr. Hupka (CDU/ CSU) : Auftrag der Stiftung Preußischer Kulturbesitz; Inhalt der Formulierung „gesamtstaatliche Selbstdarstellung" Dr. Schmude, PStSekr (BMI) . . . . 8516 D, 8517 A, B, C, D Dr. Hupka (CDU/CSU) . . 8516 D, 8517 A Böhm (Melsungen) (CDU/CSU) . . . 8517 B Freiherr von Fircks (CDU/CSU) . . 8517 C Jäger (Wangen) (CDU/CSU) . . . . 8517 D Frage A 18 — Drucksache 7/2720 vom 31. 10. 74 — des Abg. Josten (CDU/CSU) : Dokumentation „Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkriegs"; eventuelle Notwendigkeit einer speziellen Dokumentation der an Kriegsgefangenen in Ost und West begangenen Verbrechen Dr. Schmude, PStSekr (BMI) . . 8518 A, C, D Josten (CDU/CSU) . . . . . . 8518 C, D Dr. Czaja (CDU/CSU) 8518 D Fragen A 19 und 20 — Drucksache 7/2720 vom 31. 10. 74 — der Abg. Frau Däubler-Gmelin (SPD) : Unterschiedliche Praxis bei der Erteilung von Fremdenpässen an südvietnamesische Studenten; Differenzierungen auch bei gleichartigen Fällen Dr. Schmude, PStSekr (BMI) . . . 8519 B, C Frau Däubler-Gmelin (SPD) . . . . 8519 C Frage A 21 — Drucksache 7/2720 vom 31. 10. 74 — des Abg. Lagershausen (CDU/CSU) : Rechtsgrundlage für die Arbeit der Grenzkommission Dr. Schmude, PStSekr (BMI) . . . . 8519 D, 8520 A, B, C, D, 8521 A, B Lagershausen (CDU/CSU) 8519 D, 8520 A Dr. Abelein (CDU/CSU) 8520 B Jäger (Wangen) (CDU/CSU) . . . 8520 C Dr. Mertes (Gerolstein) (CDU/CSU) 8520 D Dr. Czaja (CDU/CSU) 8520 D Böhm (Melsungen) (CDU/CSU) . . 8521 A Frage A 22 — Drucksache 7/2720 vom 31. 10. 74 — des Abg. Lagershausen (CDU/CSU) : Gegenstand der Verhandlungen der Grenzkommission Dr. Schmude, PStSekr (BMI) . . . 8521 B, D, 8522 A, B, C, D, 8523 A, B Lagershausen (CDU/CSU) . . . . 8521 C Böhm (Melsungen) (CDU/CSU) . . . 8521 D Dr. Kunz (Weiden) (CDU/CSU) . . . 8522 B Dr. Czaja (CDU/CSU) 8522 B Dr. Mertes (Gerolstein) (CDU/CSU) . 8522 D Dr. Abelein (CDU/CSU) . . . . . 8522 D Dr. I-Iupka (CDU/CSU) 8523 A Jäger (Wangen) (CDU/CSU) . . . . 8523 B Frage A 23 — Drucksache 7/2720 vom 31. 10. 74 — des Abg. Dr. Abelein (CDU/ CSU) : Berichte betreffend Bereitschaft der Bundesregierung, der DDR die Hoheitsgewalt und das Hoheitsrecht auf der Hälfte der Elbe (Strommitte) einzuräumen Dr. Schmude, PStSekr (BMI) 8523 C, 8524 B Dr. Abelein (CDU/CSU) . . . . 8524 A, B Frage A 24 — Drucksache 7/2720 vom 31. 10. 74 — des Abg. Dr. Abelein (CDU/ CSU) : Rechtmäßigkeit der bisher durch die Bundesrepublik Deutschland gehandhabten Rechtsauffassung an der Zonen- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. November 1974 III grenze im Bereich der Elbe zwischen Schnackenburg und Lauenburg Dr. Schmude, PStSekr (BMI) . . . 8524 C, D, 8525 A, B, C Dr. Abelein (CDU/CSU) . . . . 8524 C, D Dr. Mertes (Gerolstein) (CDU/CSU) 8525 A Kunz (Berlin) (CDU/CSU) 8525 A Dr. Czaja (CDU/CSU) 8525 B Frage A 25 — Drucksache 7/2720 vom 31. 10. 74 — des Abg. Dr. Czaja (CDU/ CSU) : Politische Propaganda der Ostblockstaaten in bezug auf Verbrechen der Deutschen; damit beabsichtigte Rechtfertigung ihrer Landnahmen und der Massenvertreibung Deutscher Dr. Schmude, PStSekr (BMI) . . . . 8525 C, 8526 A, B Dr. Czaja (CDU/CSU) 8526 A, B Frage A 26 — Drucksache 7/2720 vom 31. 10. 74 — des Abg. Dr. Franz (CDU/ CSU) : Bestimmungen des Ordensgesetzes betreffend das Tragen ungenehmigt angenommener Orden; Übertretung dieser Bestimmungen durch den früheren KPD-Vorsitzenden Dr. Schmude, PStSekr (BMI) . . . 8526 D Fragen A 28 und 29 — Drucksache 7/2720 vom 31. 10. 74 — des Abg. Thürk (CDU/ CSU) : Auswirkungen des neuen Kindergeldgesetzes für getrennt lebende oder geschiedene Ehegatten und für Bezieher von Erwerbsunfähigkeitsrente, von Berufsunfähigkeitsrente und von Altersruhegeld Haehser, PStSekr (BMF) . . 8527 A, C, D, 8528 B Thürk (CDU/CSU) . . 8527 B, C, 8528 B Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung Schmidt, Bundeskanzler . 8528 C, 8555 A Dr. Carstens (Fehmarn) (CDU/CSU) 8530 D Wehner (SPD) 8533 D Ronneburger (FDP) 8541 A Genscher, Bundesminister (AA) . 8544 C Dr. Jaeger (CDU/CSU) 8546 A Friedrich (SPD) 8548 A Dr. Bangemann (FDP) . . 8549 B, 8553 B Dr. Mertes (Gerolstein) (CDU/CSU) . 8552 D Dr. Wörner (CDU/CSU) 8554 B Mischnick (FDP) 8554 C Dr. Czaja (CDU/CSU) 8554 D Nächste Sitzung 8555 D Anlage Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 8557* A Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. November 1974 8509 127. Sitzung Bonn, den 6. November 1974 Stenographischer Bericht Beginn: 12.30 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adams * 8. 11. Alber ** 8. 11. Dr. Artzinger * 8. 11. Dr. Barzel 8. 11. Behrendt * 8. 11. Frau von Bothmer ** 8. 11. Breidbach 7. 11. Christ 7. 11. Conradi 15. 11. Dr. Ehrenberg 15. 11. Dr. Eppler 8. 11. Flämig * 7. 11. Gerlach (Emsland) * 7. 11. Härzschel * 7. 11. Heyen 7. 11. Immer 8. 11. * Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an Sitzungen der Beratenden Versammlung des Europarats *** Für die Teilnahme an Sitzungen der Versammlung der Westeuropäischen Union Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Jens 12. 11. Kater * 7. 11. Dr. Klepsch ** 8. 11. Krall * 7. 11. Lange * 7. 11. Lautenschlager * 7. 11. Lücker * 7. 11. Maucher 15. 11. Memmel * 7. 11. Müller (Mülheim) * 8. 11. Mursch (Soltau-Harburg) * 7.11. Pawelczyk *** 6. 11. Richter ** 6. 11. Sauer 9. 11. Scheu 14. 11. Schlaga ** 6. 11. Schmidt (München) * 7. 11. Schmidt (Wattenscheid) 15. 11. Dr. Schulz (Berlin) 8. 11. Dr. Schwörer * 7.11. Seefeld * 6. 11. Dr. Starke (Franken) * 7. 11. Strauß 8. 11. Walkhoff * 7. 11. Frau Dr. Walz 6. 11. Dr. Freiherr von Weizsäcker 6. 11. Wienand 15. 11.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gemeinsam mit dem Bundesminister des Auswärtigen habe ich vom 28. bis 31. Oktober eine Reise in die Sowjetunion unternommen. Wir haben damit den Besuch erwidert, den Generalsekretär Breschnew und Außenminister Gromyko im Mai vergangenen Jahres der Bundesrepublik Deutschland abgestattet hatten.
    Die Gespräche in Moskau dienten dazu, der sowjetischen Führung den in der Regierungserklärung vom Mai 1974 erklärten Willen zur Kontinuität zu verdeutlichen. Diese Bundesregierung mißt genau wie ihre Vorgängerin guten Beziehungen zur Sowjetunion eine erhebliche Bedeutung zu, denn ohne die Sowjetunion oder an ihr vorbei lassen sich Fortschritte in Richtung auf einen solchen Zustand des Friedens nicht erreichen, der allein es erlauben wird, die deutschen Interessen zur Geltung zu bringen.
    Über den Ablauf und die Ergebnisse des Besuchs habe ich nach meiner Rückkehr gemeinsam mit dem Außenminister den Führer der Opposition unterrichtet. Herr Kollege Genscher wird außerdem heute im Auswärtigen Ausschuß darüber sprechen. Uns liegt aber auch daran, dem Plenum des Deutschen Bundestages eine Bewertung zu geben.
    Unsere Gastgeber in Moskau haben es nicht an Bemühungen fehlen lassen, den Besuch mit einem glanzvollen protokollarischen Rahmen zu umgeben. Damit meine ich keineswegs nur die Äußerlichkeiten. Mir genügt der Hinweis darauf, daß zum erstenmal ein Bundeskanzler über das Fernsehen direkt und ausführlich zu den Bürgern der Sowjetunion sprechen konnte, um ermessen zu können, welcher Wandel seit 1969 in den deutsch-sowjetischen Beziehungen eingetreten ist.
    In den acht Gesprächsrunden in Moskau wurde eine breite Palette politischer und wirtschaftlicher Themen behandelt. Ich selbst habe knapp fünf Stunden mit Generalsekretär Breschnew gesprochen, der Außenminister hat noch länger mit seinem sowjetischen Kollegen verhandelt. Mit Ministerpräsident Kossygin habe ich, unterstützt von unseren Sachverständigen, vor allem die Wirtschaftsfragen ausführlich erörtert. Ich habe eben in dieser Aufzählung die Plenarsitzungen der beiderseitigen Delegationen nicht mit einbezogen.
    Für den politischen Bereich ist festzustellen, daß beide Seiten im Vertrag vom August 1970, im sogenannten Moskauer Vertrag, eine tragfähige



    Bundeskanzler Schmidt
    Grundlage sehen, auf der die Beziehungen weiter positiv entwickelt werden können. Wir waren uns einig, daß keiner gezwungen werden kann oder soll, sein System zu ändern, seinen Freunden abzuschwören oder seine Ziele zu verleugnen. Bei aller Unterschiedlichkeit muß es aber im Interesse der Festigung des Friedens zu einem besseren gegenseitigen Verständnis und zu mehr Zusammenarbeit in Europa kommen. Darin haben wir gemeinsam in der letzten Woche deutliche Fortschritte gemacht.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich habe dabei gegenüber meinen Gesprächspartnern Wert darauf gelegt, einige der Auffassungen und Ideen zu relativieren, die es dort wie in anderer Form auch bei uns in der Bundesrepublik Deutschland nach einer jahrzehntelangen Konfrontation verständlicherweise immer noch gibt. So habe ich z. B. dem Generalsekretär im einzelnen erläutert, warum die Bundeswehr auf Grund ihrer Gliederung, ihrer Bewaffnung, ihrer Einbindung in die Allianz gar keine Angriffshandlungen begehen könnte, selbst wenn man ihr den Willen dazu fälschlich unterstellen wollte. Wir waren uns einig, daß ein besseres gegenseitiges Kennenlernen auch in diesem Bereich nützlich ist, wenn man ernsthaft Entspannung will.
    Die Probleme Berlins haben bei fast allen Gesprächen eine große Rolle gespielt. Ich habe dem Generalsekretär noch einmal erläutert, daß die volle Anwendung des Viermächteabkommens für uns ebenso wichtig ist wie die strikte Einhaltung. Uns ist bewußt, daß bestimmte Rechtsauffassungen der Sowjetunion nicht übereinstimmen mit denen der Drei Mächte, die wir voll teilen. Sinn des Viermächteabkommens war es ja gerade, praktische Lösungen für Berlin zu erreichen trotz der Verschiedenheit der Rechtspositionen. Uns geht es um die Beseitigung von Schwierigkeiten der praktischen Anwendung auf Teilgebieten, und zwar mit zweifacher Zielrichtung: zum einen Berlin an der deutschsowjetischen Zusammenarbeit voll teilhaben zu lassen und zum anderen die Beziehungen zwischen uns und der Sowjetunion von vermeidbaren Belastungen freizuhalten.
    Die Bundesregierung trägt unter anderem die Verantwortung für die Lebensfähigkeit West-Berlins, so wie sie ihr von den Drei Mächten übertragen worden ist. Dabei ist ein wichtiger Aspekt die Versorgung der Stadt, ihrer Bürger, die Versorgung ihrer Industrie mit Rohstoffen und Energie. Ich habe meinen Gesprächstpartnern dargelegt, welchen Wert die Bundesregierung gerade auf diesen Punkt legt und daß sie auch in diesem Punkt eine enge Zusammenarbeit mit der Sowjetunion begrüßen würde. Diese Darlegungen sind auf fruchtbaren Boden gefallen, wenn auch noch vielerlei weitere Gespräche notwendig bleiben, ehe komplizierte Projekte verwirklicht werden können.
    In den Gesprächen des Bundesministers des Auswärtigen mit Außenminister Gromyko ging es um Einzelheiten der Einbeziehung Berlins in einige beabsichtigte Verträge und Abmachungen zwischen uns und der Sowjetunion. Dabei ist es nicht so, wie gelegentlich behauptet wird oder zu lesen ist, daß die Sowjetunion diese Einbeziehung verweigerte. Es geht um das Wie, es geht nicht um das Ob. Ich möchte dem Kollegen Genscher hier ausdrücklich für seine Verhandlungsführung danken, die mit Geduld und Festigkeit einen Fortschritt erbracht hat, der eine erfolgversprechende Fortsetzung der Verhandlungen möglich macht. Diese letztere Feststellung ist durch den jetzt erreichten Stand gerechtfertigt.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ein anderer zentraler Punkt meiner Gespräche mit dem Generalsekretär wie auch mit dem Vorsitzenden des Ministerrates war die weitere Entwicklung der Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem Gebiet. Hier ist ein Feld, auf dem Fortschritte auch den politischen Beziehungen zugute kommen werden. In Zeiten der Energieverteuerung und der Rohstoffverknappung gewinnt die sowjetische Bereitschaft zur Kooperation gerade in diesen Bereichen für uns ein erhöhtes Interesse.
    Das Ergebnis unserer Gespräche in diesem Punkt fand seinen konkreten Niederschlag in einem Abkommen über die weitere Entwicklung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, das der Bundesminister des Auswärtigen und ich für die Bundesregierung am 30. Oktober in Moskau unterzeichnet haben. Berlin ist in dieses Abkommen voll einbezogen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Dieses neue Abkommen tritt neben das Zehnjahresabkommen über die wirtschaftliche, industrielle und technische Zusammenarbeit vom 19. Mai des vorigen Jahres. Dieses Abkommen betrifft speziell die Förderung der langfristigen Rohstoff- und Energiekooperation und berücksichtigt insbesondere auch die Interessen mittlerer und kleinerer Unternehmen neben der Unterstützung von Großprojekten.
    Zur Finanzierung der Projekte im Einzelfall — diese Projekte müssen natürlich alle im Einzelfall ausgehandelt und zwischen den Behörden der Sowjetunion auf der einen Seite und den Firmen oder Firmenkonsortien auf der deutschen Seite vertraglich geregelt werden stellt das Abkommen klar, daß Kredite nur im Rahmen der Regelungen in Frage kommen, die in jedem der beiden Staaten bestehen. Mit dieser Einschränkung sollen die Kredite zu möglichst günstigen Bedingungen gewährt werden. Ich habe meinen Vertragspartnern eindringlich vor Augen geführt, daß Zinssubventionen für unsere Exporte aus Mitteln des Steuerzahlers nicht in Betracht kommen. Wir bleiben bei der kommerziellen Kreditgewährung.
    Dieser Standpunkt ist auf sowjetischer Seite verstanden worden. Dies wird auch durch die gerade in jüngster Zeit von unseren Wirtschaftsunternehmen abgeschlossenen neuen Verträge eindrucksvoll belegt. Ich erwähne nur das während unseres Aufenthalts in Moskau unterzeichnete Dritte Erdgas/Röhren-Abkommen über die Lieferung von etwa 60 Milliarden Kubikmeter sowjetischen Erdgases in die Bundesrepublik im Zeitraum zwischen 1978 und dem Jahre 2000 im Austausch gegen Großröhren und gegen Ausrüstung für die Erdgasindustrie aus deutscher Produktion. Ich erwähne ferner den Vertrag über die Lieferung von 9 000 Schwerlastkraftwagen



    Bundeskanzler Schmidt
    von Klöckner-Humboldt-Deutz in die Sowjetunion. Auch andere Projekte sind auf der unserer Moskaureise unmittelbar vorangegangenen 4. Tagung der Deutsch-Sowjetischen Wirtschaftskommission weiter gefördert worden, bei der ja die deutsche Delegation unter der Leitung des Bundeswirtschaftsministers gestanden hat. Wir konnten bei unserem Besuch unmittelbar an diese Arbeiten der Kommission anknüpfen und weitere Klärungen, insbesondere auch im Hinblick auf ein wichtiges Projekt, erzielen, im Hinblick auf das Projekt eines Atomkraftwerks in der Sowjetunion, welches Strom über Berlin (West) in die Bundesrepublik Deutschland liefern soll. Soviel zu den Rohstoff- und Energiefragen.
    Ein anderer, uns besonders am Herzen liegender Gegenstand des neuen Abkommens mit der Regierung der Sowjetunion betrifft die Erleichterung von Geschäftskontakten zwischen unseren Firmen und den zuständigen Stellen dort. Die Verschiedenheit der Systeme bringt es mit sich, daß unsere freien Bewegungsspielraum gewöhnten Unternehmen sich in mancherlei Weise beengt fühlen. Deshalb soll das Abkommen künftig auf vielseitige Weise die Geschäftskontakte praktisch erleichtern, und ich hoffe, daß auch kleinere und mittlere Firmen unserer Volkswirtschaft künftig davon Gebrauch machen.
    Im übrigen wahrt natürlich das Abkommen voll die handelspolitischen Zuständigkeiten der Europäischen Gemeinschaft. Es enthält keine handelspolitischen Elemente.
    In einem das Abkommen begleitenden Brief von unserer Seite wird bestätigt, daß auch nach dem 31. Dezember dieses Jahres die Prinzipien des Handelsabkommens von 1958 wie bisher angewandt werden, um die Beibehaltung der derzeit geltenden allgemeinen Prinzipien der wirtschaftlichen Beziehungen in Übereinstimmung mit den internationalen Verpflichtungen beider Seiten sicherzustellen. Ich füge in Klammern das Stichwort „Meistbegünstigung" hinzu und schließe die Klammer wieder. Diese Formulierung, die wir gewählt haben, ist wie auch das ganze Verfahren natürlich vorher mit der Kornmission der Europäischen Gemeinschaft in Brüssel abgestimmt worden. Im übrigen ist in der gemeinsamen Erklärung die Aufnahme formeller Beziehungen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem RGW ausdrücklich begrüßt worden.
    Natürlicherweise haben unsere Gespräche auch viele der internationalen Probleme berührt: SALT, die Genfer Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, Probleme der Wiener Konferenz über die beiderseitige ausbalancierte Verringerung von Streitkräften, die Situation im Nahen Osten, die Situation im Fernen Osten usf. Darüber wird vielleicht im Auswärtigen Ausschuß zu berichten sein.
    Unter den bilateralen Fragen, die hier heute ebenfalls nicht alle ausgebreitet werden können, möchte ich hervorheben, daß das humanitäre Problem der Ausreise von Deutschen aus der Sowjetunion natürlich eine besondere Rolle gespielt hat. Wir können hier für die nächsten Jahre auf die Beibehaltung der zuletzt erfolgten durchschnittlichen jährlichen Ausreisezahlen rechnen.
    Lassen Sie mich abschließend, meine Damen und Herren, dies feststellen: Der Erfolg des Besuchs war befriedigend. Die Gespräche und Verhandlungen waren sachlich und konstruktiv. Keine Seite verschweigt, daß es noch Schwierigkeiten gibt. Aber die beiderseitige Offenheit auch darüber hat nicht nur das gegenseitige Verständnis, sondern auch das gegenseitige Vertrauen in den Friedenswillen der anderen Seite gefördert. Was wir uns vorgenommen hatten, haben wir mit diesem Besuch erreicht. Was wir in Moskau gesagt haben, stand in Übereinstimmung mit den Zielen, die wir uns in der Europäischen Gemeinschaft und im westlichen Bündnis gemeinsam gesetzt haben. Es bleibt dabei, daß unsere Ostpolitik in unserer Westpolitik ihre Grundlagen hat.
    Der heutige Bericht zeigt, was Konzentration und Kontinuität für diese Bundesregierung bedeuten. Regelmäßige gegenseitige Konsultationen und Besuche werden in Zukunft etwas Normales sein, so wie auch dieser Meinungsaustausch dazu beigetragen hat, daß Meinungsaustausch zwischen unseren beiden Staaten als etwas Normales und nicht als etwas Außergewöhnliches angesehen wird.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und der FDP)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich danke dem Herrn Bundeskanzler und eröffne die Aussprache. — Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Carstens.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Karl Carstens


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben die Regierungserklärung des Bundeskanzlers über seine und des Außenministers Gespräche mit den Führern der Sowjetunion in Moskau gehört. Lassen Sie mich dazu einige Bemerkungen machen. Ich möchte mit einigen positiven Bemerkungen beginnen.
    Die CDU/CSU hat gegen die beabsichtigte Reise nach Moskau keine Einwendungen erhoben.

    (Lachen bei der SPD und der FDP)

    — Sie werden es der Opposition nicht verbieten können, meine Damen und Herren, gegen solche Unternehmungen Einwendungen dann zu erheben, wenn sie es für richtig hält.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie ist weiterhin der Meinung, daß es richtig ist, daß die Bundesregierung die Möglichkeit zu Gesprächen mit den Führern der Sowjetunion nutzt, auch wenn — wie in diesem Fall — das Ergebnis mager bleibt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die CDU/CSU begrüßt, daß Bundeskanzler und Außenminister in der Berlin-Frage festgeblieben sind. Dies hat allerdings zur Folge gehabt, daß vier Abkommen, über deren Inhalt seit langer Zeit Einigkeit bestand, mangels einer Einigung über die Berlin-Klausel wiederum nicht abgeschlossen werden konnten.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)




    Dr. Carstens (Fehmarn)

    Ich werde darauf zurückkommen. Schließlich begrüßt es die CDU/CSU-Fraktion, daß der Bundeskanzler die unqualifizierten Angriffe seiner sowjetischen Gesprächspartner gegen unseren Kollegen Franz Josef Strauß zurückgewiesen hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Der Bundeskanzler zeigt sich über das Ergebnis seiner Gespräche befriedigt und verweist dazu auf das, was er die Erfolge nennt, die er aus Moskau mitgebracht habe. Hierzu sind allerdings einige kritische Anmerkungen nötig. Die Vereinbarung über die Errichtung eines nuklearen Kraftwerks in Ostpreußen und damit im Zusammenhang stehende Stromlieferungen nach West-Berlin und in die Bundesrepublik Deutschland stellt, soweit ich sehe, bisher lediglich eine Grundsatzentscheidung dar. Die wichtigsten Einzelheiten, insbesondere die Frage der Trassenführung durch das Gebiet der DDR, bedürfen noch der Klärung. Man kann sich angesichts der Haltung Ostberlins zu den Fragen der Kooperation zwischen beiden Staaten in Deutschland vorstellen und ausmalen, daß es hier noch zu Schwierigkeiten kommen könnte.
    Um bei den wirtschaftlichen Fragen zu bleiben, so ist eine Intensivierung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Sowjetunion und der Bundesrepublik Deutschland auch nach Auffassung der CDU/CSU richtig, wenn drei wichtige Kautelen beachtet werden. Für die Lieferungen aus der Bundesrepublik dürfen weder staatliche Kredite noch staatliche Subventionen für Zinsen bereitgestellt werden.
    Hier muß die Bundesregierung in Einklang mit den Grundsätzen der deutschen Außenwirtschaftspolitik bleiben. Der Herr Bundeskanzler hat soeben gesagt, daß dies auch die Auffassung der Bundesregierung sei.
    Die EWG muß im Rahmen der gemeinsamen Handelspolitik konsultiert werden. Es darf nichts vereinbart werden, was mit den Regeln der EWG nicht im Einklang steht oder was faktisch zu einer Aushöhlung der gemeinsamen Kompetenz für Handelspolitik führen könnte.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Bei den Energielieferungen ist zu beachten, daß, so wünschenswert die Erschließung zusätzlicher Energiequellen ist, eine einseitige Abhängigkeit von den östlichen Partnern vermieden werden muß.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich sage nicht, daß die Bundesregierung bei ihren Verhandlungen in Moskau gegen diese Grundsätze verstoßen hat; ich möchte sie doch nur noch einmal in die Erinnerung rufen.
    Der Bundeskanzler meint, daß die Vereinbarung künftiger regelmäßiger Konsultationen zwischen der Bundesregierung und der sowjetischen Regierung ein weiterer Erfolg seiner Moskaureise gewesen sei. Hier allerdings muß ich darauf hinweisen, daß eine entsprechende Vereinbarung schon bei dem Besuch des damaligen Bundeskanzlers Brandt in Oreanda im September 1971 getroffen wurde. In dem damaligen Kommuniqué heißt es — ich zitiere wörtlich —:
    W. Brandt und L. I. Breschnew vertraten die Ansicht, daß die entstehende Praxis des Meinungsaustauschs und der Konsultationen auf verschiedenen Ebenen zwischen der UdSSR und der Bundesrepublik Deutschland sowohl über bilaterale Beziehungen wie internationale Probleme nützlich ist und fortgesetzt werden soll.
    Konsultationen auf verschiedenen Ebenen! Es ist nichts dagegen einzuwenden, meine Damen und Herren, wenn früher getroffene Absprachen in spateren Kommuniqués wiederholt werden. Aber es ist schwerlich angängig, das jedesmal als einen neuen Erfolg zu feiern.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Auch in einigen anderen Punkten sind kritische Anmerkungen gegenüber dem Moskauer Kommuniqué vom 30. Oktober zu machen. In der Passage, die sich auf die Wiener Verhandlungen über Truppenreduzierung bezieht, fehlt der Hinweis, daß es sich um ausgewogene Reduzierungen handeln muß. Dies ist um so erstaunlicher, als der Bundeskanzler in der Zeit, als er noch Verteidigungsminister war, selbst immer besonders eindringlich für das Prinzip der Ausgewogenheit der Truppenreduzierungen plädiert hat.
    Schließlich fällt auf, daß bei der Behandlung des Nahostkonflikts wohl von den legitimen Rechten des palästinensischen Volkes die Rede ist, aber nicht auf die legitimen Rechte Israels Bezug genommen wird.

    (Sehr wahr! und Hört! Hört! bei der CDU/ CSU)

    Hier handelt es sich um Unausgewogenheiten, um Versäumnisse, die bei der Abfassung der gemeinsamen Erklärung unterlaufen sind.
    Aber alle diese Mängel oder, wenn Sie wollen, Negativposten der Moskauer Bilanz werden bei weitern in den Schatten gestellt durch die Schwierigkeiten, auf welche die deutsche Delegation stieß, als sie sich um die Durchsetzung des Deutschen Standpunkts in der Berlin-Frage bemühte. Hier ist es nicht zu einer Lösung gekommen. Um diese Feststellung kommt man nicht herum, auch wenn der Bundeskanzler hier soeben Hoffnungen auf den Beginn einer solchen Lösung ausgesprochen hat.
    Der sowjetische Parteisekretär Breschnew hat in einer Ansprache während des Besuchs von der Notwendigkeit gesprochen, das Viermächteabkommen von 1971 strikt einzuhalten, aber die vereinbarte zweite Hälfte der Formel, nämlich daß das Abkommen auch voll angewendet werden müsse, hat er weggelassen.
    Es ist richtig — der Bundeskanzler hat es hervorgehoben —, daß das in Moskau unterzeichnete deutsch-sowjetische Abkommen über wirtschaftliche Kooperation eine Berlin-Klausel enthält. Es ist dieselbe Klausel, die sich auch im deutsch-sowjetischen Kulturabkommen findet.
    Aber gerade hier werden die Fallstricke dieser Klausel deutlich. Im deutsch-sowjetischen Kulturaustausch kommt es immer wieder zu Störungen, weil die Sowjets nicht bereit sind, die Klausel im



    Dr. Carstens (Fehmarn)

    Einzelfall so anzuwenden, wie die deutsche Seite es fordert und in Übereinstimmung mit ihrer Interpretation und der Interpretation der drei Westmächte bezüglich des Viermächteabkommens auch fordern muß.
    So treten z. B. bei Ausstellungen oder bei der Zusammensetzung und Zusammenstellung von Delegationen im Bereich des kulturellen Austauschs immer wieder Schwierigkeiten auf. Wir haben keine Gewähr dafür, daß nicht die gleichen Schwierigkeiten bei der praktischen Anwendung des Abkommens über die wirtschaftliche Zusammenarbeit auftreten werden; denn auch dieses Abkommen ist ein reines Rahmenabkommen, welches durch entsprechende weitere Abkommen und Vereinbarungen konkretisiert werden muß.
    Alles dies ereignet sich gegen den Hintergrund fortgesetzter Störungen der DDR-Behörden im Berlin-Verkehr auf den Transitwegen. Deswegen muß an dieser Stelle noch einmal mit großem Nachdruck erklärt werden: Es kann keine Fortsetzung der Entspannungspolitik geben, weder in Genf noch in Wien, noch in Moskau, noch in Ost-Berlin, wenn nicht die osteuropäischen Partner bereit sind, West-Berlin in diese Entspannungspolitik voll mit einzubeziehen

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    und das ihrige dazu beizutragen, daß sich Berlin, seine Bevölkerung, seine Wirtschaft, voll entwickeln und entfalten kann. Ich möchte dies mit allem Ernst sagen.
    Dabei verkenne ich nicht, daß die Chancen für die Durchsetzung dieser Forderung heute schlechter geworden sind, als sie es vor fünf, vier, drei oder zwei Jahren waren. Es bleibt das schwere, nicht wiedergutzumachende Versäumnis der Politik dieser aus SPD und FDP zusammengesetzten Regierung, daß sie im Zuge einer unausgewogenen, übereilten und zeitweilig auf Täuschung der Öffentlichkeit in unserem Lande angelegten Entspannungspolitik

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    die Wahrung der Interessen Berlins vernachlässigt hat.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    SPD und FDP haben bei Abschluß des Berlin-Abkommens 1971 den Eindruck erweckt, als wenn nunmehr die Wahrung der Berliner Interessen gesichert sei. Der damalige Bundeskanzler Brandt erklärte am 3. September 1971 über alle Rundfunk- und Fernsehanstalten:
    Nun, ich meine, die eigentliche Bedeutung liegt darin, daß es in Zukunft keine Berlin-Krisen geben soll. Das wäre viel nach all den Jahren der Unsicherheit .. .
    Zum anderen wird die Zusammengehörigkeit West-Berlins mit unserer Bundesrepublik nicht mehr umstritten sein . . .
    Es bleibt dabei, daß West-Berlin durch die Bundesregierung nach außen vertreten wird, in Zukunft aber auch im Osten.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Hört! Hört!)

    Wenige Tage danach sagte der Regierende Bürgermeister von Berlin, Herr Schütz, vor dem Berliner Abgeordnetenhaus:
    West-Berlins Bindungen an die Bundesrepublik Deutschland sind nunmehr unbestritten und werden weiterentwickelt. Seine Vertretung nach außen wird durch die Bundesrepublik Deutschland wahrgenommen.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    Heute müssen wir erkennen, daß diese damaligen Erklärungen falsch waren, sei es, daß diejenigen, die sie abgaben, sich in Illusionen bewegten, sei es, daß sie die deutsche Öffentlichkeit bewußt täuschen wollten. Jedenfalls hat die Bundesregierung in den entscheidenden Phasen der von ihr zu verantwortenden Ostpolitik die angemessene und nachdrückliche Wahrung der Interessen Berlins unterlassen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Weder bei Abschluß des sogenannten Bahr-Papiers im Mai 1970 noch bei Abschluß des Moskauer Vertrages noch bei Abschluß des Grundvertrages und der sich dann aus dem Grundvertrag ergebenden weiteren Schritte hat die Bundesregierung es für nötig gehalten, ihre östlichen Partner auf diejenige Interpretation des Viermächteabkommens festzulegen, die den Interessen Berlin allein gerecht wird.
    Lassen Sie mich hier noch mit einem Satz auf das Pseudoargument eingehen, das von den Verfechtern der Regierungspolitik zur Entschuldigung ihres Versagens immer wieder ins Feld geführt wird. Sie sagen, man habe Berlin in die Absprachen des Jahres 1970 nicht einbeziehen können, weil das Viermächteabkommen erst 1971 unterzeichnet worden sei. Dieses Argument, meine Damen und Herren, ist haltlos, denn natürlich hätte man in die 1970 geschlossenen Vereinbarungen einen Berlinvorbehalt des Inhalts aufnehmen können, daß die Verwirklichung dieser Vereinbarungen von einer ausreichenden Sicherung der Stellung Berlins abhängig sei.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Statt dessen kommt, wie Sie wissen, im Bahr-Papier von 1970 das Wort Berlin überhaupt nicht vor. Jemand, der nach einigen Jahren dieses Papier liest, wird gar nicht auf die Idee kommen, daß es im Jahre 1970 so etwas wie ein Berlinproblem im Verhältnis der Beziehungen zwischen der Sowjetunion und der Bundesrepublik Deutschland gegeben hat, und das ist ein fundamentaler Fehler und eine fundamentale Unterlassung, für die diese Regierungskoalition von SPD und FDP die alleinige Verantwortung trägt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Als Folge dieser schwerwiegenden Unterlassungen in der Vergangenheit hängen jetzt vier Verträge mit der Sowjetunion und sechs Verträge mit der DDR in der Luft, weil es nicht gelingt, eine Einigung über die Einbeziehung Berlins herbeizuführen. Dazu hören wir, daß sich Jugoslawien neuerdings weigert, in dem Kapitalhilfeabkommen eine Klausel zu akzeptieren, wonach bei Abwicklung des Kredits die



    Dr. Carstens (Fehmarn)

    Berliner Wirtschaft besonders berücksichtigt werden soll.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    Wenn man bedenkt, daß die Bundesregierung hier einen Kredit von einer Milliarde D-Mark

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Kredit?)

    mit 30jähriger Laufzeit und zweiprozentiger Verzinsung gewähren will,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Geschenkt! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    kann man sich, glaube ich, kaum einen stärkeren Beweis für die Unfähigkeit der Bundesregierung vorstellen,

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    die Berliner Interessen sachgerecht wahrzunehmen.
    Ich könnte diese meine Ausführungen ergänzen, wenn ich die anderen Bereiche in die Betrachtung einbeziehen würde, um die es in der Ostpolitik ebenfalls ging, nämlich die humanitären Fragen und die menschlichen Erleichterungen. Was ist das für eine Politik, meine Damen und Herren, die im Warschauer Vertrag 1970 die polnischen Forderungen in bezug auf die Oder-Neiße-Grenze erfüllt, aber die einzige daran geknüpfte Bedingung, nämlich die Aussiedlung von Deutschen aus Polen, nicht so absichert, daß man sich wirklich darauf verlassen kann.

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Das war Scheels Meisterstück!)

    Dazu nur zwei Zahlen, meine Damen und Herren. In den Jahren 1956 bis 1970 sind im Jahresdurchschnitt 22 000 deutsche Aussiedler aus Polen in die Bundesrepublik Deutschland gekommen. Im Jahre 1974 werden es 6 000 sein!

    (Dr. Dregger [CDU/CSU] : Unglaublich!)

    Und jetzt sieht sich die Bundesregierung einem Junktim zwischen polnischen Wiedergutmachungsforderungen und der Aussiedlungsfrage gegenüber.

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Das war Scheels Meisterstück!)

    Ich kann es verstehen, Herr Bundeskanzler, Herr Bundesminister des Auswärtigen, daß Sie es gerne sehen würden, wenn man alle diese Fehler der Ostpolitik Ihren beiden Vorgängern anlasten und Ihnen die Chance geben würde, sozusagen mit einer neuen Stunde Null auf der Grundlage dessen zu beginnen, was bisher geschehen ist.

    (Seiters [CDU/CSU] : Wir sind ja auch bei Null!)

    Aber so leicht können Sie es sich nicht machen, so leicht wird es Ihnen die CDU/CSU nicht machen, und so leicht wird es Ihnen auch der deutsche Wähler nicht machen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie gehörten dem Kabinett an, welches für alle diese Fehler der vergangenen Jahre verantwortlich ist. Sie betonen immer wieder, daß Sie die Politik Ihrer Vorgänger fortsetzen wollen. Sie tragen die volle Mitverantwortung für den gegenwärtigen Zustand.
    Wenn Ihnen und Ihren Parteien die Wähler in Bayern und in Hessen am vorvergangenen Sonntag eine so klare Absage erteilt und der CDU und der CSU einen so klaren Vertrauensbeweis gegeben haben, dann liegt das nicht zuletzt daran, daß ein großer Teil der Menschen in unserem Lande sich durch die Ostpolitik von SPD und FDP schlecht beraten und schlecht vertreten fühlt,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    während immer deutlicher wird, daß die Forderungen der CDU/CSU voll berechtigt waren, nämlich eine ausgewogene Ostpolitik zu betreiben, bei der verbindliche Zusagen der jeweils anderen Seite den von unserer Seite gemachten Konzessionen gegenüberstehen.
    Während der hoffentlich nur noch kurz bemessenen Zeit, in der SPD und FDP die Verantwortung für die Regierungspolitik in unserem Lande tragen,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    wird die CDU/CSU bemüht sein, die in den Ostverträgen liegenden Ansätze für eine deutschen Interessen gerecht werdende Politik zu nutzen. Sie wird aber immer wieder mit großem Nachdruck und großer Beharrlichkeit darauf hinweisen, daß die entscheidenden Fehler, die die Wahrnehmung unserer Interessen jetzt so außerordentlich erschweren, von SPD und FDP und von den von ihnen gestellten Bundesregierungen zu verantworten sind.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU' CSU)