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ID0710102000

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 101. Sitzung Bonn, Montag, den 20. Mai 1974 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Dr. Götz 6625 A Bestellung des Abg. Dr. Häfele zum Vertreter des Abg. Windelen im Vermittlungsausschuß an Stelle des ausscheidenden Abg. Dr. Heck . . . . . . . . . 6625 A Überweisung von Vorlagen an Ausschüsse 6625 B Amtliche Mitteilungen 6625 C Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Dr. Carstens (Fehmarn) (CDU/CSU) 6627 A Wehner (SPD) 6637 A Mischnick (FDP) 6647 A Schmidt, Bundeskanzler . . . . 6655 C Dr. Barzel (CDU/CSU) . . . . . 6658 C Friedrich (SPD) 6666 A Dr. Graf Lambsdorff (FDP) . . . 6669 D Dr. Althammer (CDU/CSU) (Bemerkung nach § 35 GO) . . 6679 C Nächste Sitzung 6679 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 6681* A Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 101. Sitzung. Bonn, Montag, den 20. Mai 1974 6625 101. Sitzung Bonn, den 20. Mai 1974 Stenographischer Bericht Beginn: 15.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Abelein 20. 5. Dr. Aigner * 22. 5. Dr. Artzinger * 22. 5. Batz 22. 5. Dr. Becher (Pullach) 22. 5. Blumenfeld 21. 5. Brandt 6. 6. Damm 20. 5. Erhard (Bad Schwalbach) 20. 5. Dr. Evers 20. 5. Ferrang 22. 5. Flämig * 21.5. Dr. Freiwald 22. 5. Gerlach (Emsland) * 21. 5. Gewandt 19. 6. Dr. Gölter *** 22. 5. Dr. Götz 20. 5. Dr. Gradl 10. 6. Groß 20. 5. Dr. Haenschke 31. 5. Handlos 22. 5. Jäger (Wangen) 1. 6. Dr. Jahn (Braunschweig) * 22. 5. Kahn-Ackermann *** 21. 5. Kiep 20. 5. Dr. Klepsch *** 22. 5. * Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments *** Für die Teilnahme an Sitzungen der Versammlung der Westeuropäischen Union Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Lampersbach 25. 5. Lange * 21.5. Lautenschlager 20. 5. Lemmrich *** 22. 5. Lenders 20. 5. Lenzer *** 22. 5. Dr. Lohmar 22. 6. Lücker * 26. 5. Memmel * 22. 5. Dr. Mende *** 21.5. Müller (Mülheim) * 21. 5. Dr. Müller (München) *** 21. 5. Mursch (Soltau-Harburg) * 22. 5. Frau Dr. Orth * 21. 5. Pawelczyk *** 22. 5. Pohlmann 20. 5. Richter *** 22. 5. Dr. Riedl (München) 20. 5. Schlaga *** 22. 5. Schmidt (Kempten) *** 22. 5. Frau Schroeder (Detmold) 20. 5. Schröder (Wilhelminenhof) 20. 5. Dr. Schwencke *** 22. 5. Seefeld * 21. 5. Dr. Slotta 21. 5. Dr. Freiher Spies von Büllesheim 24. 5. Springorum * 21. 5. Dr. Starke (Franken) 23. 5. Vogel (Ennepetal) 22. 5. Dr. Vohrer *** 21. 5. Walkhoff * 22. 5. Frau Dr. Walz * 22. 5. Frau Dr. Wex 20. 5. Wurbs 20. 5. Zeyer 8. 6.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Rainer Barzel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Aber mit Vergnügen.


Rede von Dr. Herbert Ehrenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Kollege Barzel, wenn Sie schon so lange und ausführlich aus dem Jahre 1969 zitieren: da der Zettelkasten sicher nicht da ist, würden Sie es vielleicht einem Ihrer Nachredner weitergeben, doch bitte vielleicht auch einige Aussagen Ihres Kollegen Strauß damals zur Aufwertung der Deutschen Mark zu zitieren und daran eine Vision anzuschließen, wie es wohl um die außenwirtschaftliche und binnenwirtschaftliche Bilanz dieser Volkswirtschaft ausgesehen hätte, wenn wir damals auf Herrn Strauß gehört hätten?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Rainer Barzel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Lieber Herr Kollege Ehrenberg, ich kann Ihnen die Frage gern beantworten, weil man damals noch etwas netter miteinander umging. Bevor der Bundeskanzler Brandt sich entschloß aufzuwerten, bat er mich ins Palais Schaumburg, unvorbereitet, um welche Frage es ging. Da saß der Kollege Schiller noch dabei. Er sagte mir, in einer halben Stunde werde das Kabinett zusammentreten, er werde um folgenden Prozentsatz aufwerten und fragte, was ich wohl dazu meine. Ich habe ihm gesagt: Sie haben sich den Wählern gegenüber festgelegt. Wenn Sie dies schon aus dem Handgelenk tun, kann ich nur für mich etwas sagen; und da muß ich Ihnen sagen: wenn Sie das nicht begleiten von einem binnenwirtschaftlichen, wirksamen innenpolitischen Stabilitätsprogramm, wird das Ganze nichts nutzen. Dies war der erste Satz des Oppositionsführers, der leider recht gehabt hat, meine Damen und meine Herren.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich möchte mich aber noch in ein paar Sätzen mit dem selbstgeflochtenen Lorbeerkranz des Herrn Bundeskanzlers beschäftigen, der sich nun rühmt der 7 % Preissteigerungen, nur; verzeihen Sie: nicht rühmt — das war nicht korrekt —, sondern feststellt: „Wir sind Gott sei Dank am Schluß des Geleitzuges", und der 2 % Reallohnsteigerung im vergangenen Jahr anpreist. Herr Bundeskanzler, ich möchte Ihnen empfehlen, zur Kenntnis zu nehmen: Bei allem Vorbehalt gegen Durchschnittszahlen — sie geben doch ein Bild über eine 20jährige Regierungszeit: 1,9 % Preissteigerung im Durchschnitt der Jahre von 1949 bis 1969 bei 5,4 % Reallohnsteigerung in diesen Jahren — das sind Daten, an denen Sie gemessen werden. Ich meine, Herr Bundeskanzler, daß wir hier in der Bundesrepublik Deutschland in der Arbeitswelt doch eine Qualität leisten müssen, um uns auf dem Weltmarkt zu behaupten, und daß die Männer und Frauen, die das leisten, denselben Qualitätsanspruch an ihre Regierung bringen; und da soll man sich nicht mit 7,1 % zufriedengeben, sondern den Anspruch höher stellen.
    Wenn Sie sich hier auch loben, im Grunde den größten gesellschaftspolitischen Fortschritt aller Zeiten gemacht zu haben, dann haben Sie den Durchbruch zur sozialen Marktwirtschaft, den sozialen Wohnungsbau, die soziale Partnerschaft, die dynamische Rente, all die großen Dinge verschlafen. Kurzum, ich möchte Ihnen empfehlen, Herr Bundeskanzler, daß Sie mir erlauben — ich habe Ihnen schon manches Buch schenken dürfen —, Ihnen das Buch von Professor Erhard und Müller-Armack über Soziale Marktwirtschaft zu schenken.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

    Da ist die Bilanz bis 1972 gezogen. Ich würde empfehlen, daß Sie Ihren Vorgänger im Amt Ludwig Erhard um ein Autogramm bitten, und er ist dann sicher bereit, Ihnen bei der Gelegenheit auch einen guten Rat zu geben.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

    Noch zur Vermögensbildung zwei Gedanken, weil das auch bei Herrn Mischnick eine große Rolle spielte. Herr Kollege Mischnick, es gibt eine Zeit — sie ist bis 1969 —, da haben wir miteinander beklagt, daß von der sozialdemokratischen Seite dieses Hauses zum Thema Vermögensbildung an Gesetzesinitiativen Null eingegangen sei. Das hat sich dann verändert. Wir haben dann im vergangenen Bundestag den Beteiligungslohn eingebracht. Sie haben



    Dr. Barzel
    ihn abgelehnt, mit allen Folgen für die Eigentumsstruktur in der Bundesrepublik Deutschland. Vergangene Periode haben Sie sich damit delektiert, jeden Tag neue Pläne und Daten zu versprechen. Gemacht haben Sie nichts. Dann haben Sie im Wahlkampf von Vermögensbildung gesprochen. Jetzt haben Sie ein Papier, und da stellt jetzt der Kanzler plötzlich fest — wofür halten Sie uns eigentlich? —, daß eine Bewertungsfrage nicht geklärt sei. Kollege Graf Lambsdorff, es gibt doch ganz andere Gründe als nur diese eine Bewertungsfrage, wegen derer man nun dieses Gesetz nicht vorlegen kann. Und wenn der Kollege Carstens mit Recht von dem 312-Mark- und dem 624-Mark-Gesetz gesprochen hat und dem Kollegen Wehner dies aufgestoßen ist, dann hätte er nur noch hinzufügen können, daß eben vorher seitens der SPD überhaupt nichts war.
    Ich gehe nicht so weit, zu unterstellen, daß dies eine Verbeugung des Kanzlers vor den Jusos ist, die das Ganze ja nicht wollen. Mit denen haben Sie Ärger genug, Herr Bundeskanzler. Ich habe gelesen, was die Juso-Vorsitzende heute gesagt hat. Das ist wieder ein Schuß ins Knie; dafür mein herzliches Beileid und sonst gar nichts.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

    Sie haben sich bemüht, die Umverteilung des Volkseinkommens hier als einen großen Erfolg darzutun. Aber, Herr Bundeskanzler, ein bißchen solider sollte man im Umgang mit Zahlen doch sein, zumal wenn es sich um Zahlen handelt, die allen Kollegen des Hauses durch den Sozialbericht ohnehin bekannt sind. Die berühmte Vermehrung des Anteils des Einkommens aus unselbständiger Arbeit am Volkseinkommen ist zu unser aller Freude in der der sozialen Marktwirtschaft immanenten Tendenz kontinuierlich weitergegangen. Das fing 1950 an: Einkommen aus unselbständiger Arbeit 58,6 %, Unternehmertätigkeit und Vermögen 41,4 %. 1969 — der politische Einschnitt —: aus Arbeitnehmertätigkeit 65,2 %, aus Unternehmertätigkeit nur noch 34,8 %. Wenn sich die Zahlen jetzt so fortentwickelt haben, wie Sie sagen, Herr Bundeskanzler, dann ist das ein Punkt, wo man nicht mit einem Trick arbeiten darf; diese Umverteilung ist der Sozialen Marktwirtschaft immanent und gehört von Anfang an zu den politischen Punkten unseres Programms. Das ist nicht eine Erfindung der gegenwärtigen Koalition.
    Meine Damen und Herren, ich höre von Ihnen öfter den Ruf nach der Alternative. Ich sitze da ja jetzt ein bißchen weiter bei Ihnen, was mir ein großes Vergnügen macht, natürlich nur gelegentlich, nicht immer, Ihnen wahrscheinlich auch nicht; das kann ich gut verstehen. Auch Herr Mischnick hat eigentlich nach der Alternative gerufen. Ich würde uns alle gern einmal einladen — das ist ein Punkt, den sicher mein Kollege Katzer im Laufe der Debatte deutlicher machen wird —, zu überlegen, warum eigentlich die Bundesregierung z. B. ihren ganzen ideologischen Ballast in Sachen berufliche Bildung über Bord geworfen hat. Da muß es doch eine Alternative zum Thema gegeben haben. Unser Antrag liegt hier vor.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wenn Sie, meine Damen und Herren, uns — und ich füge hinzu, Herr Bundeskanzler: mit Recht — auch nach der wirtschaftspolitischen Alternative fragen, dann ist das natürlich so lange komisch, wie Sie selber in Ihrer Regierungserklärung kein Wort darüber sagen, wie Sie Ihre ökonomischen Ziele zu erreichen die Absicht haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Das ist sicherlich so lange merkwürdig, wie durch diese Rede, die Sie gehalten haben, die Inflation natürlich weiter verniedlicht wird. Zumindest erkennt man keinen Stopp und keinen Beginn des nötigen Entwöhnungsprozesses, der doch am Anfang eines Stabilitätskurses stehen müßte.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir sehen kein Stück, daß Sie aufhören, zugleich expansive Haushaltspolitik und restriktive Bundesbankpolitik zu machen.
    Sie sollten das doch weitgehende Angebot des Kollegen Carstens überdenken. Er hat hier etwas ganz Konkretes für die Opposition gesagt. Aber das heißt: Zuerst eine solide Bestandsaufnahme und eine wirkliche Zwischenbilanz.
    Ich sehe Sie hier, Herr Kollege Möller. Wir hatten schon einmal einen sehr führenden Politiker — Sie wissen, wen ich meine —, der nicht gleich verstand, was die Opposition in diesem Hause gesagt hatte. Dann sind Sie zu dem führenden Mann gegangen. Vielleicht machen Sie einen solchen Weg über Nacht, damit man hier wirklich ernsthaft begreift, was der Kollege Carstens gesagt hat. An dieser Opposition scheitert es nicht, wenn hier ein konstruktives, aber solides, auf Fakten gegründetes, ernsthaftes Gespräch über die Wiederherstellung der Stabilität herbeigeführt werden soll, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich möchte noch eine Frage aus dem rechtspolitischen Bereich aufgreifen, weil ich mir dies freilich vorgenommen hatte heute zu tun. Der Herr Bundeskanzler hat mit Recht ein Wort aufgenommen, das wir früher als erste von dieser Stelle aus in die Debatte geworfen haben, das Wort vom inneren Frieden. Ich möchte dieses Wort mit dem Blick auf die Diskussion und die laufende Gesetzgebungsarbeit bei der Reform des § 218 des Strafgesetzbuchs in Erinnerung rufen. Herr Bundeskanzler, Sie können doch nicht die Augen davor verschließen, daß hier Gewissenskonflikte im Volk sind, nicht nur bei Ärzten und Krankenschwestern, sondern inzwischen auch bei Angestellten und Beamten von Krankenkassen. Dies ist nicht etwas, was man reformieren kann wie den § 87 Abs. 4 Satz 3 Buchstabe soundso der Reichsversicherungsordnung. Dies ist eine fundamentale Frage. Ich möchte an Sie appellieren, hier doch einen Weg zu suchen, wie wir alle miteinander bei dieser Sache aus den Konflikten herauskommen. Es ist doch die Regierung gewesen, der Sie angehört haben. Ich kann nicht glauben, daß Sie in einer solch fundamentalen Frage die Sätze überlesen haben, die in Drucksache VI/3434 aus der vorigen Wahlperiode vom 15. Mai 1972, einer Vorlage der dama-
    Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 101. Sitzung, Bonn, Montag, den 20. Mai 1974 6665
    Dr. Barzel
    Ligen Regierung, zu lesen sind. Da heißt es ich
    zitiere drei Sätze —:
    Die Fristenlösung würde dazu führen, daß das allgemeine Bewußtsein von der Schutzwürdigkeit des ungeborenen Lebens während der ersten drei Schwangerschaftsmonate schwindet. Sie würde der Ansicht Vorschub leisten, daß der Schwangerschaftsabbruch — jedenfalls im Frühstadium der Schwangerschaft — ebenso dem freien Verfügungsrecht der Schwangeren unterliegt wie die Verhütung der Schwangerschaft. Eine solche Auffassung ist mit der Wertordnung der Verfassung unvereinbar.

    (Abg. Dr. Marx: Hört! Hört! kann man da nur sagen!)

    Das sind die Worte der letzten Bundesregierung. Darüber kann man doch nicht mit Opportunismus hinweggehen, auch nicht dann, wenn es so sein sollte, daß hier die Kleineren in der Koalition gesagt haben sollen: Entweder besorgt ihr hier eine Mehrheit, oder es platzt hier etwas. Das kann man doch in diesen letzten Gewissensfragen nicht machen. Herr Bundeskanzler, hier ist Platz für eine Initiative eines neuen Kanzlers.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich will es mir jetzt versagen, auf die außenpolitischen Fragen zu sprechen zu kommen, mit zwei Ausnahmen. Der Kollege Wehner hat hier eine Rede gehalten, die an manchen Stellen — nun, ich will sie nicht kritisieren — nicht gleich auf den ersten Blick verständlich war. Man muß sie wahrscheinlich lesen. Vielleicht ist sie eine Änderung. Wir haben hier vor sieben oder acht Wochen durch den Mund des früheren Bundeskanzlers Kiesinger gesagt: Wollen wir nicht wenigstens einmal anfangen, über europapolitische Elemente miteinander zu reden? Das wurde damals kalt abgelehnt. Nun, vielleicht gibt es hier über Europapolitik etwas zu reden, das wollen wir doch sehen! Aber wir würden natürlich auch gern — nicht nur mit den allgemeinen Worten der Regierungserklärung und denen von Herrn Wehner — über das Konkrete in Wien reden: Kommt dort etwa zustande eine Verabredung, an deren Schluß die Sowjetunion ein Mitspracherecht über die Größe der Bundeswehr hätte? Dies wäre doch eine schreckliche Geschichte. Und kommt vielleicht in Genf etwas zustande, was etwas anderes beinhaltet als die Freizügigkeit für Menschen, Informationen und Meinungen — und wenn dies in Stufen geht — als die Basis für reale Entspannungspolitik? Das gehört hier — neben den Punkten, die der Kollege Carstens hier genannt hat — herein.
    Meine Damen und Herren, es war erstaunlich und eigentlich eine Offenbarung, daß sich der Kollege Wehner auf die kritischen Vorhaltungen des Kollegen Carstens zu geistig-politischen Dingen half, indem er Kurt Schumacher zitierte. Nun, nichts dagegen. Aber ich muß hier doch an die Adresse des Herrn Bundeskanzlers noch ein Wort auch aus diesem Zusammenhang sagen.
    Meine Damen und Herren, ich habe — dies ist ein ganz persönliches Wort, Herr Bundeskanzler - gesagt — damit waren nicht alle meine Freunde gleich einverstanden —, als Sie gewählt waren: Ein „respektabler Gegner", eine „Herausforderung", auf die wir uns einstellen müssen. Und ich habe nach Ihrer Regierungsbildung und Ihrer Regierungserklärung ebenso öffentlich gesagt, ich sei „enttäuscht". Ich habe einige der Punkte genannte, deretwegen ich enttäuscht bin. Ich will noch einen — und das ist fast der wichtigste — hinzufügen.
    Ich verstehe die Lage, in der Sie, Herr Bundeskanzler, die Amtsgeschäfte übernommen haben, sehr gut. Aber wenn Sie dann eine Regierungserklärung abgeben und sich das ganze Programm im Grunde auf einen Teil reduziert, dann möchte ich Ihnen noch sagen: In unserem demokratischen Gemeinwesen muß nicht nur die Kasse stimmen, so wichtig die Kasse ist!
    Sie reden vom Machbaren und vom Möglichen, ohne zu sagen, möglich wozu und machbar warum. Sie reden nirgendwo von einer Perspektive, von einer Konzeption, vom Sinngehalt von Einschränkungen und Opfern — zu all dem — warum Verzicht, wofür — kommt kein Wort. Kein kulturrelevantes Wort kommt in Ihrer Regierungserklärung über Ihre Lippen. Und der Stabilitätsbegriff schrumpft auf den rein materiellen Stabilitätsbegriff zusammen. Herr Bundeskanzler, wenn Ihr Vorgänger das nach der anderen Seite übertrieben hat, müssen Sie doch nun nicht in das andere Extrem fallen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Und ich muß Ihnen sagen: Ich hatte eigentlich — und dies ist eben das persönliche Wort — vom ersten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, der wie ich zur Kriegsgeneration gehört, etwas mehr erwartet: ein Wort zu den geistigen Spannungen dieser Zeit, zu unseren Erfahrungen, zu dem, was wir jungen Menschen hier und in der DDR über den Vorrang von Menschlichkeit vor jeder Politik zu sagen haben. Denn wir haben doch miteinander gelernt, daß einer der Punkte, an denen es mit der ersten Republik nicht so gut ist, die leider berechtigte Mahnung von Max Scheler aus dem Jahre 1925 war, wo er vom „konstitutiven Gegensatz von Macht und Geist" sprach. Herr Bundeskanzler, ich glaube, hier müssen Sie noch etwas nachholen.
    Ich komme darauf, weil ich schon von Ihrem Zitat in der „Zeit" sprach. „Die Zeit" zitiert Sie, Sie haben dort nicht mitgearbeitet. Aber Sie haben dort von „Gift" gesprochen, wenn man Unsicherheit und Zweifel säe, Sie haben nach der „Zeit" vom 17. Mai in dieser Studie, die dort abgedruckt wird, folgendes gesagt — ich zitiere —:
    Die Ölkrise war Beginn des ersten Aktes. ... Der zweite Akt könnte von weitgehendem Rückfall in handelspolitischen Bilateralismus ..., in Autarkieversuche, von Stagnation ... gekennzeichnet sein. Bei einem solchen Verlauf würden in einem dritten Akt die parlamentarischen Strukturen in der Industriegesellschaft zerbrechen.
    Mit Verlaub, dieser letzte Satz stört mich. Ich glaube
    — und ich meine, Sie auch, Herr Bundeskanzler —



    Dr. Barzel
    an die Überlegenheit dieses Systems in jedweder Not, in jedweder materiellen Bedrängnis. Ich glaube daran, daß hier nur kämpferische Demokraten, die davon überzeugt sind, solche Situationen meistern können und nicht Zweifel an der Überlegenheit dieser Ordnung, die der Kanzler selbst auch noch äußert, meine Damen und meine Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Im französischen Wahlkampf, dessen Zeugen wir waren, spielte, wie man uns sagt, das Argument eine ausschlaggebende Rolle, ein politischer Führer dürfe nicht nur verwalten, er müsse auch Anregungen geben und Anlehnung ermöglichen; er müsse auch „inspirateur" und „orienteur" sein. Mit Ihrem Einstand, Herr Bundeskanzler, so wie er bisher vorliegt, haben Sie, so fürchte ich, die Führung abgegeben. Und auf diese Weise werden Sie die politische Führung verlieren, denn die behält nur, wer die geistige Führung behält.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU.)