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    Deutscher Bundestag 91. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 28. März 1934 Inhalt: Amtliche Mitteilungen 6051 B Entwurf eines Gesetzes der Fraktion der CDU/CSU über die Wahl der deutschen Mitglieder in das Europäische Parlament (Drucksache 7/1352) — Erste Beratung —in Verbindung mit Antrag der Fraktion der CDU/CSU betr. Europapolitik (Drucksache 7/1353), Antrag der Fraktionen der SPD, FDP betr. Stärkung des Europäischen Parlaments (Drucksache 7/1688) Amrehn (CDU/CSU) 6052 D Schmidt (München) (SPD) . . . . 6058 D Dr. Carstens (Fehmarn) (CDU/CSU) . 6063 D Dr. Apel (SPD) . . . . . . . . 6071 C Dr. Bangemann (FDP) 6076 A Scheel, Bundesminister (AA) . . . 6080 D Strauß (CDU/CSU) . . . . . . 6087 D Brandt, Bundeskanzler 6096 B Dr. h. c. Kiesinger (CDU/CSU) . . 6123 A Ertl, Bundesminister (BML) . . . 6126 D Wischnewski (SPD) . . . . . . 6130 B Dr. Barzel (CDU/CSU) . . . . . 6133 A Fellermaier (SPD) . . . . . . 6139 C Dr. Narjes (CDU/CSU) . . . . . 6141 A Dr. Schachtschabel (SPD) . . . . 6146 D Kahn-Ackermann (SPD) . . . . . 6148 D Gallus (FDP) . . . . . . . . . 6150 C Dr. Aigner (CDU/CSU) 6152 B Dr. Schmitt-Vockenhausen (SPD) . 6153 D Fragestunde (Drucksachen 7/1867, 7/1889) Dringliche Fragen 1 und 2 — Drucksache 7/1889 — des Abg. Dr. Wittmann (München) (CDU/CSU) : Amtsbezeichnung für den Vertreter der Bundesrepublik Deutschland in Ost-Berlin im Beglaubigungsschreiben; Wortlaut des Beglaubigungsschreibens für den Ständigen Vertreter der DDR Gaus, Staatssekretär (BK) . 6101 B,C, D, 6102 A Dr. Wittmann (München) (CDU/CSU) 6101 B, C, 6102 A Schröder (Lüneburg) (CDU/CSU) . . 6101 D Dringliche Frage 3 — Drucksache 7/1889 - des Abg. Graf Stauffenberg (CDU/ CSU) : Bezeichnung des Ständigen Vertreters der DDR bei der Bundesregierung als „Botschafter" und „bevollmächtigter Minister" Gaus, Staatssekretär (BK) . 6102 B, C, D, 6103 A Graf Stauffenberg (CDU/CSU) . . 6102 B, C Wehner (SPD) . . . . . . . . . 6102 D Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) . . 6102 D II Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 28. März 1974 Frage A 79 — Drucksache 7/1867 — des Abg. Dr. Fuchs (CDU/CSU) : 7 b-Abschreibung und Investitionssteuer Hermsdorf, Parl. Staatssekretär (BMF) 6103 A, C, D Dr. Fuchs (CDU/CSU) . . . . . . 6103 C Fragen A 33 und 34 — Drucksache 7/1867 — des Abg. Dr. h. c. Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) : Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in Ost-Berlin; ungehinderte Vorsprache aller Deutschen; ungehinderte Einreise aller dort nicht Aufenthalt nehmenden Deutschen Gaus, Staatssekretär (BK) 6104 A, B, C, D, 6105 A, B Dr. h. c. Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) 6104 B, C Dr. Slotta (SPD) . . . . . . . 6104 D Dr. Mertes (Gerolstein) (CDU/CSU) . 6104 D Graf Stauffenberg (CDU/CSU) . . . 6105 A Niegel (CDU/CSU) . . . . . . . 6105 A Dr. Czaja (CDU/CSU) . . . . . . 6105 B Frage A 36 — Drucksache 7/1867 — des Abg. Graf Stauffenberg (CDU/CSU) : Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in Ost-Berlin; Liste für ausländische Diplomaten Gaus, Staatssekretär (BK) . . . 6105 C, D Graf Stauffenberg (CDU/CSU) . . 6105 C, D Conradi (SPD) 6105 D Dr. Jaeger, Vizepräsident . . . 6106 A Fragen A 43 und 44 — Drucksache 7/1867 — des Abg. Mursch (Soltau-Harburg) (CDU/CSU) : Erstattung der Transportkosten für Flüchtlinge nichtdeutscher Staatsangehörigkeit aus Chile; Belastung deutscher Staatsangehöriger mit den Kosten der Rückführung aus Ägypten bei Ausbruch des Nahostkrieges; aus Ägypten evakuierte deutsche Staatsangehörige; f eh-lende Unterbringung auf der Zwischenstation Kreta Moersch, Parl. Staatssekretär (AA) . 6106 B, D, 6107 A, C, D, 6108 B, C Mursch (Soltau-Harburg) (CDU/CSU) 6106 D, 6107 A, 6108 A, B Brück (SPD) 6107 B Dr. Müller (München) (CDU/CSU) 6107 C Frage A 47 — Drucksache 7/1867 — des Abg. Coppik (SPD) : Pressemeldungen über den Aufbau einer Spezialeinheit zur Abwehr von Angriffen auf amerikanische Einrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland Moersch, Parl. Staatssekretär (AA) . 6108 D, 6109 A Coppik (SPD) . . . . . 6108 D, 6109 A Fragen A 48 und 49 — Drucksache 7/1867 — des Abg. Dr. Marx (CDU/CSU) : Begründung für die Verhaftung des Wirtschaftsjournalisten Werner Gengenbach durch die tschechoslowakischen Behörden und Gewährleistung der journalistischen Arbeit deutscher Berichterstatter in der Tschechoslowakei Moersch, Parl. Staatssekretär (AA) . 6109 A, B, C, D Dr. Marx (CDU/CSU) 6109 B, D Frage A 50 — Drucksache 7/1867 — des Abg. Dr. Hupka (CDU/CSU) : Maßnahmen der Bundesregierung anläßlich der Verhaftung des Journalisten Werner Gengenbach Moersch, Parl. Staatssekretär (AA) . 6110A, C, D Dr. Hupka (CDU/CSU) . . . . . 6110 B, C Dr. Czaja (CDU/CSU) . . . . . . 6110 D Frage A 51 — Drucksache 7/1867 — des Abg. Dr. Hupka (CDU/CSU) : Behandlung der deutschen Volksangehörigen in der Sowjetunion nach Demonstrationen wegen Aussiedlungsbegehrens Moersch, Parl. Staatssekretär (AA) . 6110 D, 6111 A, B Dr. Hupka (CDU/CSU) . . . . 6111 A, B Frage A 53 — Drucksache 7/1867 — des Abg. Seefeld (SPD) : Einsatz von Rettungshubschraubern in der Bundesrepublik Deutschland Genscher, Bundesminister (BMI) . 6111 C, 6112 A, B Seefeld (SPD) 6112 A Fragen A 54 und 55 — Drucksache 7/1867 — des Abg. Stahl (Kempen) (SPD) : Wissenschaftliche Vorarbeiten für die neuen Richtlinien zur Reinhaltung der Luft und Konsequenzen dieser Richt- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 28. März 1974 III linien für die Errichtung neuer Kohlekraftwerke Genscher, Bundesminister (BMI) . . 6112 B, C, D, 6113 A, B, C, D Stahl (Kempen) (SPD) 6112 C, D, 6113 A, B Dr. Hirsch (FDP) . . . . . . . . 6113 B Reuschenbach (SPD) . . . . . 6113 C Dr. Gruhl (CDU/CSU) 6113 D Frage A 56 — Drucksache 7/1867 — des Abg. Dr. Wernitz (SPD) : Aufteilung der im Verfassungsschutzbericht 1972 genannten Angehörigen links- und rechtsradikaler Organisationen auf die Bundeswehr, den Bundesgrenzschutz und die Polizei der Länder Genscher, Bundesminister (BMI) . . 6113 D, 6114 B, C Dr. Wernitz (SPD) 6114 B, C Frage A 57 — Drucksache 7/1867 — des Abg. Dr. Wernitz (SPD) : Verfügung des Bundesamts für zivilen Bevölkerungsschutz betr. Einladung von Parlamentariern zu Veranstaltungen und Berichterstattung über Abgeordnetenbesuche Genscher, Bundesminister (BMI) . . 6114 D, 6115 A,B Dr. Wernitz (SPD) 6115 A, B Fragen A 58 und 59 — Drucksache 7/1867 — des Abg. Pensky (SPD) : Erfahrungen mit den Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Waffengesetz und Konkretisierung des Rechtsbegriffs „Bedürfnis" Genscher, Bundesminister (BMI) . . 6115B,C,D, 6116B Pensky (SPD) . . . . . . . . . 6115 C, 6116 A Fragen A 62 und 63 — Drucksache 7/1867 — des Abg. Dr. Böhme (Freiburg) (SPD) : Internationale Vereinbarungen über thermische Belastung des Rheins Genscher, Bundesminister (BMI) . 6116 B, D, 6117 A, B, C Dr. Böhme (Freiburg) (SPD) . . . . 6116 D, 6117 B, C Frage A 20 — Drucksache 7/1867 — der Abg. Frau Schleicher (CDU/CSU) : Auswirkungen der erkennbaren Tendenzen der Entwicklung von Geburten-und Sterbeziffern Genscher, Bundesminister (BMI) . . 6117 D Fragen A 87 und 88 — Drucksache 7/1867 — des Abg. Dr. Luda (CDU/CSU) : Auswirkungen des Entwurfs einer Rechtsverordnung zum Bundesimmissionsschutzgesetz auf den Bau neuer Steinkohlekraftwerke Genscher, Bundesminister (BMI) . . 6118 C, 6119 A, B Dr. Luda (CDU/CSU) . . . . 6119 A, B Fragen A 85 und 86 — Drucksache 7/1867 — des Abg. Wolfram (SPD) : Quantitative Erfolgskontrolle der sektoralen Strukturpolitik Grüner, Parl. Staatssekretär (BMWi) 6119 D, 6120 A, B Wolfram (SPD) . . . 6119 D, 6120 A, B Fragen A 91 und 92 — Drucksache 7/1867 — des Abg. Niegel (CDU/CSU) : Mengen und Preise der aus der „DDR" eingeführten Polstermöbel; Auswirkungen auf die heimische Polstermöbelbranche Grüner, Parl. Staatssekretär (BMWi) 6120 C, 6121 A, B Niegel (CDU/CSU) . . . 6120 D, 6121 A Frage A 95 — Drucksache 7/1867 — des Abg. Josten (CDU/CSU): Kreditmöglichkeiten für die mittelständische Wirtschaft und das Fremdenverkehrsgewerbe Grüner, Parl. Staatssekretär (BMWi) 6121 C, 6122 A Josten (CDU/CSU) . . . 6121 D, 6122 A Frage A 96 — Drucksache 7/1867 — des Abg. Gerster (Mainz) (CDU/CSU) : Äußerung eines Referenten des Bundeswirtschaftsministeriums zum Verdrängungswettbewerb zu Lasten des Einzelhandels Grüner, Parl. Staatssekretär (BMWi) 6122 B, C, D Gerster (Mainz) (CDU/CSU) . . . 6122 C, D Entwurf eines Zweiten Steueränderungsgesetzes 1973 (Drucksache 7/1509), Bericht des Haushaltsausschusses gem. § 96 GO (Drucksache 7/1893), Bericht und Antrag des Finanzausschusses (Drucksachen 7/1860, 7/1871) — Zweite und dritte Beratung Bremer (CDU/CSU) . . . 6154 D, 6162 B Dr. Köhler (Duisburg) (CDU/CSU) . 6155 C Dr. Böhme (Freiburg) (SPD) . . . . 6156 D IV Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 28. März 1974 Dr. Wagner (Trier) (CDU/CSU) . . . 6157 D Frau Funcke (FDP) . . . . . . . 6158 B von Bockelberg (CDU/CSU) . . . . 6159 A Schinzel (SPD) 6159 D, 6161 A Kiechle (CDU/CSU) . . . . . . 6160 B Halfmeier (SPD) . . . . . . . 6160 C Dr. Vohrer (FDP) . . . . . . 6163 D Nächste Sitzung 6165 C Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 6167* A Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hauff (BMFT/BMP) auf die Fragen A 22 und 23 — Drucksache 7/1867 — des Abg. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim (CDU/ CSU) : Streikbedingte Ausfallzeiten bei der Deutschen Bundespost 6167' C Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Moersch (AA) auf die Frage A 40 — Drucksache 7/1867 — des Abg. Rainer (CDU/CSU) : DDR-Meldungen über eine angebliche Ausbildung der Berliner Polizei durch die Bundeswehr 6167* D Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Moersch (AA) auf die Frage A 41 — Drucksache 7/1867 — des Abg. Rainer (CDU/CSU) : Inhaftierung des deutschen Journalisten Gengenbach durch tschechoslowakische Behörden 6168' A Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Moersch (AA) auf die Frage A 42 — Drucksache 7/1867 — des Abg. Dr. Schmitt-Vockenhausen (SPD) : Europa-Kolleg in Brügge 6168* C Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Moersch (AA) auf die Fragen A 45 und 46 — Drucksache 7/1867 — des Abg. Walkhoff (SPD) : Regelung der Mitbestimmung im Akademischen Rat des Europäischen Hochschulinstituts in Florenz . . . . . . 6168* D Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Moersch (AA) auf die Frage A 52 — Drucksache 7/1867 — des Abg. Gerlach (Obernau) (CDU/CSU) : Gründe für die Bezeichnung der Bundesrepublik Deutschland als „araberfreundlich" und Auswirkungen dieser Einstufung auf das deutsch-israelische Verhältnis . . . . . . . . . . . 6169* A Anlage 8 Antwort des Bundesministers Genscher (BMI) auf die Frage A 67 — Drucksache 7/1867 — des Abg. Hussing (CDU/CSU) : Gleichberechtigung der ausländischen Arbeitnehmer in Zeiten zurückgehenden wirtschaftlichen Wachstums . . . 6169' C Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf (BMF) auf die Frage A 80 — Druck- sache 7/1867 — des Abg. Dr. Holtz (SPD) : Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität durch das Bundesamt für Finanzen 6169' C Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf (BMF) auf die Frage A 81 — Drucksache 7/1867 — des Abg. Dr. Dollinger (CDU/CSU) : Mehrwertsteuer beim Verkauf von gebrauchten Autos durch Gebrauchtwagenhändler . . . . . . . . . . 6170' A Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf (BMF) auf die Frage A 82 — Drucksache 7/1867 — des Abg Dr. Riedl (München) (CDU/CSU) : Stellungnahme der Bundesregierung zu dem vom Federal Reserve Board vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Beschränkung der Tätigkeit ausländischer Banken in den USA 6170* B Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf (BMF) auf die Frage A 83 — Drucksache 7/1867 — des Abg. Memmel (CDU/ CSU) : Auswirkungen der Beibehaltung einer Währungsparität von 3,66 DM pro Dollar 6170' C Anlage 13 Antwort des Staatssekretärs Eicher (BMA) auf die Frage A 98 — Drucksache 7/1867 — des Abg. Dr. Franz (CDU/CSU) : Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 28. März 1974 V Frist zur Einlegung eines Einspruchs gegen ein Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts 6170* D Anlage 14 Antwort des Staatssekretärs Eicher (BMA) auf die Frage A 99 — Drucksache 7/1867 — des Abg. Dr. Slotta (SPD) : Aufklärungsmaßnahmen zur Verhütung von Kinderunfällen 6171* A Anlage 15 Antwort des Staatssekretärs Eicher (BMA) auf die Fragen A 100 und 101 — Druck- sache 7/1867 — des Abg. Conradi (SPD) : Erhebung des Beitrags zur gesetzlichen Unfallversicherung beim Eigentümer des Grundstücks im Falle der Verpachtung an einen landwirtschaftlichen Betrieb; Beitragspflicht der Nebenerwerbslandwirte 6171* B Anlage 16 Antwort des Staatssekretärs Eicher (BMA) auf die Fragen A 102 und 103 — Drucksache 7/1867 — des Abg. Maucher (CDU/ CSU) : Verordnung zu § 48 des Bundesversorgungsgesetzes 6171' D Anlage 17 Antwort des Staatssekretärs Eicher (BMA) auf die Frage A 105 — Drucksache 7/1867 — des Abg. Franke (Osnabrück) (CDU/ CSU) : Erstattung von Lehrgangsgebühren durch die Bundesanstalt für Arbeit nach der vom Verwaltungsrat geänderten Anordnung „Fortbildung und Umschulung" 6172* B Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar (BMV) auf die Frage A 106 — Drucksache 7/1867 — des Abg. Wüster (SPD) : Parken von Wohnwagenanhängern ohne Zugwagen . . . . . . . . . 6172* C Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar (BMV) auf die Frage A 107 — Drucksache 7/1867 — des Abg. Ey (CDU/CSU) : Erfahrungen über Ortsausgangsschilder ohne Hinweise auf die Fahrtrichtungen 6172* D Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar (BMV) auf die Frage A 108 — Drucksache 7/1867 — des Abg. Dr. Eyrich (CDU/CSU): Fahrpreisermäßigungen für kinderreiche Familien auf den von der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Bundespost bedienten Busstrecken . . 6173* A Anlage 21 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar (BMV) auf die Fragen A 110 und 111 — Drucksache 7/1867 — des Abg. Dr. Jobst (CDU/CSU) : Disziplinarverfahren gegen Fluglotsen 6173* B Anlage 22 Antwort des Bundesministers Dr. von Dohnanyi (BMBW) auf die Frage A 123 — Drucksache 7/1816 — des Abg. Milz (CDU/ CSU) : Maßnahmen zur Behebung des Mangels an Lehrstellen in den Ausbildungsbetrieben 6174' A Anlage 23 Antwort des Bundesministers Dr. von Dohnanyi (BMBW) auf die Frage A 124 — Drucksache 7/1816 — des Abg. Dr. Dübber (SPD) : Möglichkeiten zur Überprüfung des Wissensstandes der Stipendiaten nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz 6174* B Anlage 24 Antwort des Bundesministers Dr. von Dohnanyi (BMBW) auf die Fragen A 125 und 126 — Drucksache 7/1816 — des Abg. Wolfram (SPD) : Meldungen aus Kreisen der Arbeitsverwaltungen über rückläufige Zahl der Lehr- und Ausbildungsplätze in Wirtschaft, Handel und Handwerk . . . . 6l74* D Anlage 25 Antwort des Bundesministers Dr. von Dohnanyi (BMBW) auf die Frage A 129 — Drucksache 7/1816 — des Abg. Dr. Enders (SPD) : Zunehmende öffentliche Kritik an der Mengenlehre . . . . . . . . . . 6175* D Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 28. März 1974 6051 91. Sitzung Bonn, den 28. März 1974 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 28. März 1974 6167* Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Adam* 29. 3. Dr. Ahrens** 5.4. Anbuhl 29. 3. Dr. Artzinger* 29. 3. Baum 18.5. Dr. Böger 29.3. Dr. Burgbacher* 29. 3. Burger 29. 3. Dr. Corterier 29. 3. Frau Däubler-Gmelin 29.3. van Delden 28. 3. Eckerland 29. 3. Engelsberger 29. 3. Engholm 28. 3. Fellermaier* 29. 3. Dr. Fischer 29.3. Flämig* 29.3. Frehsee 29.3. Dr. Freiwald 30. 3. Dr. Früh' 29. 3. Geldner 29. 3. Gerlach (Emsland)* 29. 3. Gerlach (Obernau) 29.3. Groß 29.3. Dr. Heck 29.3. Herold 29. 3. Dr. Jahn (Braunschweig)* 29. 3. Junghans 30. 3. Kater 29. 3. Dr. Kempfler** 28. 3. Kirst 29. 3. Dr. Klepsch* 28. 3. Krall' 29. 3. Lagershausen* 28. 3. Lange' 29. 3. Lautenschlager ** 29. 3. Dr. Lohmar 18.5. Lücker* 28. 3. Matthöfer 14.4. Müller (Mülheim)** 29. 3. Müller (Remscheid) 29. 3. Frau Dr. Orth* 29.3. Ravens 2.4. Richter** 28. 3. Schäfer (Appenweier) 28. 3. Scheu 29. 3. Schlaga 29. 3. Schmidt (Wattenscheid) 29. 3. Schmöle 29. 3. Frau Schuchardt 29. 3. Schwabe 29. 3. Dr. Schweitzer 29.3. Dr. Schwörer* 28. 3. Springorum* 28. 3. Dr. Starke (Franken) 29. 3. Todenhöfer 13.4. * Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an Sitzungen der Beratenden Versammlung des Europarates Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hauff vom 28. März 1974 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Freiherr Spies von Büllesheim (CDU/CSU) (Drucksache 7/1867 Fragen A 22 und 23) : Wann ist die Vereinbarung zwischen dem Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen und allen bei der Deutschen Bundespost vertretenen Gewerkschaften über die Gesamterstattung der streikbedingten Ausfallzeiten abgeschlossen worden, und welches ist konkret (welche Summe wird wann gezahlt, und beschränkt sie sich auf die Vergütung für nach dem Streik notwendig gewordene Überstunden) ihr Inhalt? Ist die mir auf die Frage Nr. 21 Drucksache 7/1700 am 20. Februar 1974 erteilte Antwort noch richtig, daß bei der Deutschen Bundespost streikbedingte Ausfallzeiten für jeden einzelnen Arbeitnehmer ab Streikbeginn aufgezeichnet wurden, wieviel Arbeitsstunden sind bei Beamten, Angestellten und Arbeitern durch den Streik ausgefallen, und hat die Deutsche Bundespost einen Überblick darüber, welche Dienstleistungen infolge des Streiks für die Postkunden nicht oder nur zu spät erbracht werden konnten? Die Vereinbarung zwischen dem Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen und allen bei der Deutschen Bundespost vertretenen Gewerkschaften über die Gesamterstattung der streikbedingten Ausfallzeiten bzw. die zur Beseitigung der Arbeitsrückstände aufgekommenen Überstunden sind am 15. bzw. 26. Februar 1974 abgeschlossen worden. Ein unbestrittener Grundsatz dieser Regelung ist, daß der streikbedingte Arbeitsausfall nicht von der DBP getragen wird. Sobald die Meldungen von den Mittelbehörden vollständig vorliegen, werde ich die Erstattung der entsprechenden Beträge durch die Gewerkschaften betreiben. Die auf die Frage Nr. 21 - Drucksache 7/1700 - am 20. Februar 1974 erteilte Antwort ist nach wie vor richtig, daß bei der DBP streikbedingte Ausfallzeiten für jeden einzelnen Arbeitnehmer ab Streikbeginn aufgezeichnet wurden. Zur Frage, wieviel Arbeitsstunden im einzelnen ausgefallen sind, haben die Mittelbehörden zur Zeit noch nicht alle die entsprechenden Zusammenstellungen vorgelegt. Von Schwerpunktstreiks in einigen Städten abgesehen, sind gravierende Behinderungen des Betriebsablaufs mit erheblichen Verzögerungen nicht eingetreten. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Moersch vom 28. März 1974 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Rainer (CDU/CSU) (Drucksache 7/1867 Frage A 40): Kann die Bundesregierung bestätigen, daß die Behauptung in der Zeitschrift des Ostberliner Außenministeriums „Horizont", die Berliner Polizei werde in der Bekämpfung der Schwerstkriminalität von der Bundeswehr geschult, eine aus der Luft gegriffene böswillige Erfindung ist, und welche Schlußfolgerungen zieht sie aus diesem erneuten Versuch Ost-Berlins, die Bindungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Land Berlin entgegen dem Viermächte-Abkommen anzugreifen, indem auf Grund falscher und unvollständiger Zitate aus dem Abkommen der Bundesregierung und dem Senat von Berlin ständig vorgeworfen wird, gegen das Abkommen zu verstoßen? 6168* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 28. März 1974 In der Ostberliner Zeitschrift „Horizont" aufgestellte Behauptungen, wonach die Spezialeinheit der Berliner Polizei im Zusammenwirken mit der Bundeswehr eingerichtet und ausgebildet wurde, entbehren jeder Grundlage. Versuche der DDR, die Bindungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Berlin unter wie auch immer gearteten Vorwänden anzugreifen, werden zurückgewiesen. Die Bundesregierung ist sich mit den Signataren des Viermächte-Abkommens darüber einig, daß das Viermächte-Abkommen strikt eingehalten und vollständig angewandt wird. Das schließt ein, daß den Bindungselementen des Viermächte-Abkommens bei dessen Anwendung gegenüber anderen Elementen des Berlin-Abkommens gleichermaßen Rechnung getragen wird. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Moersch vom 28. März 1974 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Rainer (CDU/CSU) (Drucksache 7/1867 Frage A 41): Was hat die Bundesregierung unternommen, damit der von den tschechoslowakischen Behörden festgenommene deutsche Journalist Gengenbach freigelassen wird, und welche Auswirkungen wird das Verhalten der tschechoslowakischen Behörden, die den Betroffenen durch Erteilung des Einreisevisums erst ins Land reisen ließen und ihn dann festnahmen auf das deutschtschechoslowakische Verhältnis haben? Die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Prag ist auf Weisung des Auswärtigen Amts am 7 und 18. März 1974 im tschechoslowakischen Außenministerium vorstellig geworden. Sie hat um Klärung der Angelegenheit, Freilassung von Herrn Gengenbach sowie um die Erlaubnis gebeten, daß ein Botschaftsangehöriger Herrn Gengenbach unverzüglich besuchen kann. Nachdem der Botschaft Prag am 15. März die beantragte Besuchsgenehmigung nur in allgemeiner Form, d. h. ohne Terminnennung, erteilt und ihr am 21. März als Besuchstermin der 10. April — also ein sehr spätes Datum — genannt worden war, wurde der tschechoslowakische Geschäftsträger am 22. März 1974 ins Auswärtige Amt gebeten. Er wurde dabei mündlich nachdrücklich auf die der Wiener Konvention über konsularische Beziehungen nicht entsprechende Verzögerung der Besuchserlaubnis durch die tschechoslowakischen Behörden hingewiesen und um einen spätestens in der Woche vom 25. bis 29. März liegenden Besuchstermin gebeten. Die tschechoslowakischen Behörden haben daraufhin den Besuchstermin auf den 29. März vorverlegt. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die Festnahme von Herrn Gengenbach, gegen den nach ihrer Auffassung nach den von tschechoslowakischer Seite dargelegten Einzelheiten zum Sachverhalt keine begründeten Spionagevorwürfe erhoben werden können, den deutsch-tschechoslowakischen Beziehungen nicht förderlich ist. Die Bundesregierung wird sich weiter um die umgehende Freilassung von Herrn Gengenbach bemühen. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Moersch vom 27. März 1974 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Schmitt-Vockenhausen (SPD) (Drucksache 71867 Frage A 42) : Ist die Bundesregierung bereit, dafür einzutreten, daß dem Europa-Kolleg in Brügge ein dem Europäischen Hochschulinstitut in Florenz vergleichbarer internationaler Status zugebilligt wird, der u. a. zur Verleihung akademischer Grade berechtigt, und teilt sie die Auffassung, daß eine Anhebung des Zuschusses für das Europa-Kolleg unabhängig davon erforderlich ist? Das 1952 unter der Schirmherrschaft des Europarats ins Leben gerufene Europa-Kolleg Brügge ist ein privatrechtlicher Verein belgischen Rechts. Sein Zweck ist die Fortbildung von Graduierten in Materien, die für die europäische Integration relevant sind. Der Herr Bundesminister des Auswärtigen hat im Mai 1973 in einem Schreiben an Don Salvador de Madariaga in dessen Eigenschaft als Mitglied des Verwaltungsrats des Europa-Kollegs hervorgehoben, daß das Europa-Kolleg eine wichtige Funktion bei der Fortbildung junger Führungskräfte für Aufgaben im Rahmen der europäischen Integration zu erfüllen habe. Angesichts der positiven Entwicklung des Lehrbetriebes am Europa-Kolleg beabsichtigt die Bundesregierung, die bereits jetzt nach Belgien den höchsten Beitrag leistet, ihren Zuschuß zum Budget des Europa-Kollegs im Jahre 1975 vorbehaltlich der parlamentarischen Zustimmung beträchtlich zu erhöhen. Die Bundesregierung hat bereits 1973 und 1974 die Zahl ihrer Stipendien zum Studium am Europa-Kolleg wesentlich erhöht. Dies hat dazu geführt, daß auch der Stifterverband für die deutsche Wissenschaft die Zahl der von ihm gewährten Stipendien aufgestockt hat. Überlegungen, dem Europa-Kolleg einen dem Europäischen Hochschulinstitut in Florenz vergleichbaren Status einzuräumen, der u. a. zur Verleihung akademischer Grade berechtigt, könnten nur gemeinsam mit den übrigen am Europa-Kolleg Brügge interessierten und beteiligten Regierungen unter Einschaltung der Bundesländer erfolgen. Da das Europa-Kolleg die ihm gestellten Aufgaben zufriedenstellend erfüllt, besteht für die Bundesregierung keine Veranlassung, von sich aus eine Statusänderung anzuregen. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Moersch vom 28. März 1974 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Walk- hoff (SPD) (Drucksache 7'1867 Fragen A 45 und 46): Hält die Bundesregierung die Regelung der Mithestimmung im Akademischen Rat des Europäischen Hochschulinstituts in Florenz, wie sie in Artikel 9 des Übereinkommens vorgesehen ist, für ausreichend? Falls nein, beabsichtigt die Bundesregierung, durch ihren Vertreter im Obersten Rat des Europäischen Hochschulinstituts zu gegebener Zeit darauf hinzuwirken, daß die Gruppen der Abteilungsleiter, der Professoren der sonstigen Mitglieder des Lehrkörpers und der Forscher dem Akademischen Rat zu gleichen Teilen angehören und daß jedes Mitglied des Akademischen Rats bei allen Entscheidungen eine Stirnure hat und Beschlüsse mit Mehrheit gefaßt werden, wie es das Europäische Parlament am 15. März 1974 in einem Entschließungsantrag gefordert hat? Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 28. März 1974 6169* Die Bundesregierung sieht in der Bestimmung des Art. 9 des Übereinkommens über die Gründung eines Europäischen Hochschulinstituts, die einen Kompromiß der beteiligten Staaten der Europäischen Gemeinschaft darstellen, eine hinreichende Grundlage für die weiteren vom Obersten Rat des Hochschulinstituts noch zu erlassenden Bestimmungen. Die Bundesregierung wird nach Abschluß des Ratifikationsverfahrens prüfen, welche konkreten Maßnahmen sie im Obersten Rat für „das Funktionieren des Instituts" vorschlagen wird. In der Frage der Mitwirkung der verschiedenen Gruppen wird sie sich, soweit die Frage nicht bereits entschieden ist (Artikel 9 Absatz 5 Buchstabe d), darum bemühen, zusammen mit den anderen Staaten Regelungen zu finden, die der besonderen Qualifikation ihrer Mitglieder und der Arbeitsfähigkeit des Hochschulinstituts Rechnung tragen. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Moersch vom 28. März 1974 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Gerlach (Obernau) (CDU/CSU) (Drucksache 7/1856 Frage A 52) : Welche Handlungen der Bundesregierung haben im einzelnen die arabischen Staaten bewogen, der Bundesrepublik Deutschland das Prädikat „araberfreundlich" zu verleihen, und welche Auswirkungen auf das deutsch-israelische Verhältnis sind aufgrund dessen bereits eingetreten und noch zu befürchten? In dem Presse-Kommuniqué der Ministerkonferenz der arabischen Erdölländer in Wien vom 16. März 1974 wird der Beschluß bekanntgegeben. Italien und der Bundesrepublik Deutschland eine Behandlung zukommen zu lassen, die befreundeten Ländern bei der Deckung ihres Ölbedarfs vorbehalten sei. Gleichzeitig wurde das gegen die USA verhängte Öl-Embargo aufgehoben. Eine Überprüfung dieser Entscheidung soll anläßlich der Tagung der arabischen Ölminister am 1. Juni 1974 in Kairo erfolgen. Das Kommuniqué führt weiter aus, die Minister hätten sich zuvor mit dem Ergebnis der Reisen des saudiarabischen und algerischen Ölministers in europäische Länder beschäftigt. Dabei hätten sie festgestellt, daß sich die internationale öffentliche Meinung der legitimen Anliegen der arabischen Nation bewußt sei. Insbesondere werden die Erklärung der neun europäischen Staaten vom 6. November 1973 sowie die Haltung Belgiens, Italiens, der Bundesrepublik Deutschland und Japans erwähnt. Der Beschluß der arabischen Ölminister, die Bundesrepublik Deutschland als befreundetes Land zu betrachten, hat nach Kenntnis der Bundesregierung keine Auswirkungen auf das deutsch-israelische Verhältnis gehabt. Die Bundesregierung sieht dafür auch keinen Anlaß. Es ist gerade das Ziel ihrer ausgewogenen Nahostpolitik, zu allen Staaten der Region freundschaftliche Beziehungen zu unterhalten. Das gilt für die arabischen Staaten und für Israel gleichermaßen. Anlage 8 Antwort des Bundesministers Genscher vom 28. März 1974 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Hussing (CDU/CSU) (Drucksache 7/1867 Frage A 67) : Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß von einer Gleichberechtigung der ausländischen Arbeitnehmer solange nicht gesprochen werden kann, wie vor allem in Zeiten zurückgehenden wirtschaftlichen Wachstums die formal gleichen Rechte im arbeits- und sozialrechtlichen Bereich unter der Bedingung des ungewissen weiteren Aufenthalts stehen? Ein Rückgang des wirtschaftlichen Wachstums läßt die Aufenthaltserlaubnis der ausländischen Arbeitnehmer unberührt, und zwar selbst dann, wenn er zur Arbeitslosigkeit des Ausländers führt. Auch der arbeitslose Ausländer kann daher in der Bundesrepublik Deutschland bleiben und erhält dort ebenso wie deutsche Arbeitslose Arbeitslosengeld. Daneben stehen ihm auch die anderen Leistungen der Arbeitslosenversicherung zu, wie Arbeitslosenhilfe und Kranken- und Unfallversicherung. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf vom 27. März 1974 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Holtz (SPD) (Drucksache 71867 Frage A 80) : Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, urn das Bundesamt für Finanzen, das durch seine Arbeit zur Aufdeckung von Steuerllucht und -mißbrauch beiträgt, in die Lage zu versetzen, einen stärkeren Beitrag zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität zu leisten? Die Bundesregierung sieht in der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, zu der auch Steuerflucht und Steuermißbrauch zählen, einen der Schwerpunkte ihrer Politik. Das Bundesamt für Finanzen leistet hierbei einen wichtigen Beitrag, indem es einerseits an Betriebsprüfungen der Landesfinanzbehörden mitwirkt und andererseits Unterlagen über steuerlich relevante Auslandsbeziehungen sammelt, auswertet und die Auswertungsergebnisse den Landesfinanzbehörden zur Verfügung stellt. Diese Tätigkeiten sollen intensiviert werden. Hierzu ist vorgesehen, den Betriebsprüfungsdienst des Bundesamtes für Finanzen zu verstärken, insbesondere um Bedienstete, die sich speziell mit steuerlichen Auslandsbeziehungen befassen. Außerdem soll die Arbeit durch weitere Schulung des Personals verbessert werden. Die Zusammenarbeit des Bundesamtes für Finanzen mit den Landesfinanzbehörden soll so verstärkt werden, daß alle für die Finanzverwaltung in Betracht kommenden Erkenntnisquellen über steuerliche Auslandsbeziehungen auch tatsächlich genutzt werden. Die zur Zeit in verschiedenen Karteien geführten Unterlagen über Auslandsbeziehungen sollen mit Hilfe der Automation in einem Gesamtinformationssystem zusammengefaßt werden; in der Endstufe soll es den Steuerbehörden der Länder möglich sein, jede gewünschte Auskunft über steuerlich bedeutsame Auslandsbeziehungen eines Steuerpflichtigen 6170' Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 28. März 1974 im Wege der Datenfernübertragung beim Bundesamt für Finanzen abrufen zu können. Dies wird die Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen über steuerliche Auslandsbeziehungen erheblich erleichtern. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf vom 27. März 1974 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Dollinger (CDU/CSU) Drucksache 7/1867 Frage A 81): Beabsichtigt die Bundesregierung, sich den Vorschlag des Verbands der Automobilindustrie zu eigen zu machen, den Gebrauchtwagenhändlern zu gestatten, beim Verkauf eines gebrauchten Autos von der Mehrwertsteuer auf den Verkaufspreis einen im Ankaufpreis enthaltenen Vorsteuerbetrag von 11"/o abzuziehen, und welche Erwägungen sind für die Haltung der Bundesregierung maßgebend? Bei der Einführung der Mehrwertsteuer in der Bundesrepublik im Jahre 1968 hat der Gesetzgeber eine begünstigende Sonderregelung für den Gebrauchtwagenhandel ausdrücklich abgelehnt. Die seither wiederholt erhobenen Forderungen nach einer Ausnahmeregelung sind aus grundsätzlichen und praktischen Erwägungen, aber auch aus haushaltsmäßigen Gründen stets zurückgewiesen worden. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat dem Ministerrat im Juni 1973 den Vorschlag einer 6. Richtlinie zur Harmonisierung der Umsatzsteuer vorgelegt. Dieser Richtlinienvorschlag enthält auch eine Sonderregelung für Gebrauchtgegenstände, die weitgehend dem von Ihnen erwähnten Vorschlag der Automobilindustrie entspricht. Der Kommissionsvorschlag wird von der Bundesregierung nicht befürwortet. Er läßt nicht nur steuerliche Mißbräuche beim Ankauf von Privat, sondern auch eine erhebliche Komplizierung der Steueranwendung erwarten. Die Bundesregierung beabsichtigt unter den gegebenen Umständen, zunächst die weitere Behandlung des Kommissionsvorschlags in den europäischen Gremien abzuwarten. Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf vom 27. März 1974 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Riedl (München) (CDU/CSU) (Drucksache 7/1867 Frage A 82) : Wie nimmt die Bundesregierung zu dem vom Federal Reserve Board vorgelegten Entwurf eines Gesetzes Stellung, der die Tätigkeit ausländischer Banken in den USA auf einen Bundesstaat beschränkt, ist sie insbesondere der Auffassung, daß der freie internationale Austausch und Wettbewerb dadurch beeinträchtigt werden, und erwägt sie, im Wege der Retorsion die Tätigkeit amerikanischer Banken in der Bundesrepublik Deutschland auf ein Bundesland zu beschränken bzw. in der Europäischen Gemeinschaft darauf hinzuwirken, daß amerikanische Banken nur in jeweils einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft zugelassen werden? Nach den der Bundesregierung vorliegenden Informationen ist es das Ziel des Gesetzentwurfs des Federal Reserve Board, zur Zeit bestehende Wettbewerbsvorteile ausländischer Banken gegenüber den US-Banken abzubauen. Neben diesem Entwurf liegen dem Repräsentantenhaus noch zwei andere Gesetzentwürfe vor, die ähnliche Ziele verfolgen. Die amerikanische Regierung hat meines Wissens zu den Entwürfen noch keine Meinung geäußert. Ich bitte Sie deshalb um Verständnis, daß ich in diesem frühen Stadium des amerikanischen Gesetzgebungsverfahrens noch nicht zu den Entwürfen Stellung nehmen möchte. Ich kann Ihnen aber versichern, daß wir die weitere Behandlung der Entwürfe in den USA aufmerksam beobachten werden. Zu gegebener Zeit werden wir überlegen, ob es angebracht wäre, daß die Bundesregierung — allein oder zusammen mit ihren europäischen Partnern — bei der amerikanischen Regierung Gegenvorstellungen erhebt. Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf vom 28. März 1974 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Memmel (CDU/CSU) (Drucksache 7/1856 Frage A 83) : Wie beurteilt die Bundesregierung die Auswirkungen auf den Geldwert, wenn der Rat Prof. Köhlers befolgt worden wäre, die Währungsparität von 3,66 DM pro Dollar beizubehalten und den DM-Kurs nicht freizugeben? Welchen Verlauf die Geldwertentwicklung genommen hätte, wenn die Währungsparität von 3,66 DM zum Dollar seinerszeit beibehalten worden wäre, läßt sich im Nachhinein nicht exakt sagen. Anlage 13 Antwort des Staatssekretärs Eicher vom 28. März 1974 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Franz (CDU/CSU) (Drucksache 7/1867 Frage A 98): Sieht sich die Bundesregierung durch die Gründe zu dem Ur. teil des Bundesverfassungsgerichts, durch das die Frist von drei Tagen für verfassungsmäßig erklärt wird, innerhalb derer gegen ein Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Einspruch eingelegt werden kann, veranlaßt, den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitsgerichtsgesetzes vorzulegen, durch das die Einspruchsfrist der für die Versäumnisurteile von Amtsgerichten geltenden Frist von einer Woche angepaßt wird, und welche Erwägungen sind für die von der Bundesregierung eingenommene Haltung maßgebend? Das Bundesverfassungsgericht hat am 15. Januar 1974 entschieden, daß die kurze Notfrist von drei Tagen für den Einspruch gegen ein Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts angesichts des Grundsatzes der besonderen Beschleunigung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens verfassungsgemäß ist. Zugleich hat das Gericht aber in den Gründen zum Ausdruck gebracht, daß eine Frist von einer Woche der Forderung des Artikels 103 Abs. i des Grundgesetzes auf rechtliches Gehör in besserer Weise gerecht werde. Die Bundesregierung ist ebenfalls der Meinung, daß die dreitätige Frist heute nicht Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 28. März 1974 6171* immer mehr praktikabel und angemessen ist. Sie wird daher in dem Entwurf eines Gesetzes zur Vereinfachung und Beschleunigung gerichtlicher Verfahren dem Gesetzgeber eine Verlängerung der Frist auf eine Woche vorschlagen. Der Gesetzentwurf, für den innerhalb der Bundesregierung der Bundesjustizminister zuständig ist, wird voraussichtlich noch vor der Sommerpause vom Kabinett verabschiedet werden. Anlage 14 Antwort des Staatssekretärs Eicher vom 28. März 1974 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Slotta (SPD) (Drucksache 7/1867 Frage A 99) : Sind Zeitungsmeldungen zutreffend, wonach in der Bundesrepublik Deutschland jährlich etwa eine halbe Million Kinder verunglücken, 80 %o aller Unfälle sich zu Hause, beim Spielen, in der Freizeit oder in den Ferien, nur 20 % sich auf dem Weg in den Kindergarten oder in die Schule und 20 °/o in Gegenwart aufsichtspflichtiger Eltern ereignen, und welche verstärkten Aufklärungsmaßnahmen kann und will die Bundesregierung kurzfristig einleiten? Amtliche statistische Angaben über Kinderunfälle liegen der Bundesregierung bisher nur aus dem Bereich der Unfallversicherung der Schüler und Studenten sowie der Kinder in Kindergärten vor. Hier wurden im Jahre 1972 über 525 000 Unfälle, davon 14 Prozent Wegeunfälle, registriert. Zu Kinderunfällen in anderen Bereichen sind bisher nur Schätzungen von Versicherungsunternehmen und privaten Organisationen bekanntgeworden. Um einen genaueren Überblick über das Unfallgeschehen im häuslichen und im Freizeitbereich zu erhalten, prüft die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Unfallforschung auf Anweisung des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung z. Z. die Möglichkeiten einer repräsentativen Erhebung. Die Bundesregierung mißt einer umfassenden Unfallaufklärung eine große Bedeutung bei. Sie hat insbesondere auch im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Gesetzes über die Unfallversicherung der Schüler, Studenten und Kinder in Kindergärten und bei der Vorlage der Unfallverhütungs- und der Gesundheitsberichte ständig auf die Bedeutung einer wirksamen Unfallaufklärung hingewiesen. Wichtige Aufklärungsarbeit wird bei den Gewerbeaufsichtsämtern der Länder und den Unfallversicherungsträgern, aber auch von privaten Organisationen geleistet. Sie werden von der Bundesregierung und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Unfallforschung finanziell und fachlich unterstützt. Anlage 15 Antwort des Staatssekretärs Eicher vom 28. März 1974 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Conradi (SPD) (Drucksache 7/1867 Fragen A 100 und 101): Teilt die Bundesregierung meine Auffassung, daß die Regelung (I des § 815 RVO, nach der die Berufsgenossenschaften den Beitrag zur gesetzlichen Unfallversicherung der Landwirte beim Eigentümer des Grundstücks erheben, insofern systemwidrig ist, als dies in der Praxis gelegentlich dazu führt, daß ein Eigentümer, der selbst nicht Landwirt ist, aber an einen landwirtschaftlichen Betrieb verpachtet, einen Beitrag zu einer Versicherung zahlen muß, die er selbst nicht in Anspruch nimmt, und ist die Bundesregierung bereit, hier Abhilfe zu schaffen? Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die Eigentümer von Nebenerwerbsbetrieben, die ebenso wie die landwirtschaftlichen Unternehmer zur gesetzlichen Unfallversicherung der Landwirte beitragspflichtig sind, damit zu einer Versicherung herangezogen werden, die sie — da sie in aller Regel durch ihren Hauptberuf entsprechend versichert sind — faktisch nicht in Anspruch nehmen, und ist die Bundesregierung bereit, diesem unbefriedigenden Zustand durch die Herausnahme der Nebenerwerbslandwirte aus der Beitragspflicht ein Ende zu setzen? Die Vorschrift des § 815 Reichsversicherungsordnung steht im Zusammenhang mit einigen anderen Vorschriften, die den landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften einen gewissen Spielraum hinsichtlich der Beitragsmaßstäbe und des Erhebungsverfahrens einräumen. Auf diese Weise können sie die besonderen Strukturen der landwirtschaftlichen Betriebe berücksichtigen und den Beitragseinzug verbilligen. Im übrigen muß der Verpächter den Beitrag zwar entrichten, er braucht ihn aber nicht zu tragen. Das Gesetz verpflichtet den Pächter ausdrücklich, dem Grundstückseigentümer den Unfallversicherungsbeitrag zu erstatten. Einzelheiten können im Pachtvertrag vereinbart werden. Vergleichbare Vorschriften wie im § 815 Reichsversicherungsordnung gibt es übrigens auch in der allgemeinen Unfallversicherung. Ungeachtet dessen prüft die Bundesregierung zur Zeit, ob diese Regelung heute noch notwendig ist. Sie hat darüber Gespräche mit den Beteiligten aufgenommen. Zu Ihrer zweiten Frage möchte ich folgendes bemerken: Es würde soziale Probleme aufwerfen, wenn die Nebenerwerbslandwirte aus dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung herausgenommen würden. Die Versicherung aus der hauptberuflichen Tätigkeit deckt nämlich die Nebentätigkeit in der Landwirtschaft nicht mit ab. Bei Herausnahme dieses Personenkreises aus der landwirtschaftlichen Unfallversicherung bliebe also ein ungeschützter Tätigkeitsbereich übrig, dessen Unfallgefährdung nicht gering einzuschätzen ist. Die Bundesregierung ist deshalb nicht der Auffassung, daß das Gesetz in dieser Frage zu ändern ist. Anlage 16 Antwort des Staatssekretärs Eicher vom 28. März 1974 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Maucher (CDU/CSU (Drucksache 7/1867 Fragen A 102 und 103) : Ist der Bundesregierung bekannt, wieviel Anträge auf Grund der Neufassung des § 48 des Bundesversorgungsgesetzes bei den Versorgungsämtern eingegangen sind und wieviel von den eingegangenen Anträgen positiv bzw. negativ entschieden worden sind? Ist die Bundesregierung bereit, die Verordnung zu § 48 des Bundesversorgungsgesetzes dahin gehend zu ändern, daß in mehreren Fällen als bisher eine positive Entscheidung ermöglicht wird? 6172* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 28. März 1974 Die von Ihnen angesprochene neue Regelung betrifft die Versorgung der Hinterbliebenen von Beschädigten mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 50 oder 60 v. H., die nicht an den Folgen einer Schädigung gestorben sind. Aktuelle statistische Angaben über die Durchführung dieser mit dem Vierten Anpassungsgesetz — KOV — eingeführten, also erst seit dem 1. Januar 1973 geltenden Neuregelung liegen nicht vor. Die vorliegenden Statistiken stammen aus dem vergangenen Jahr, sind jedoch für eine realistische Beurteilung nicht mehr verwertbar. Aussagefähige Zahlen stehen etwa im Herbst dieses Jahres zur Verfügung. Zu Ihrer zweiten Frage möchte ich bemerken, daß die Leistungsvoraussetzungen für die von Ihnen angesprochenen Versorgungsfälle im Gesetz abschließend geregelt sind. Lediglich für die praktische Durchführung können Empfehlungen ausgesprochen oder in allgemeinen Verwaltungsvorschriften Richtlinien gegeben werden. Auch hierdurch sind keine Regelungen möglich, die über das Gesetz hinausgehen. In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, daß — wie sich auch aus der Begründung des Vierten Anpassungsgesetzes — KOV — ergibt — an eine Regelung für besonders gelagerte Einzelfälle gedacht war. Dies ergibt sich auch aus dem geschätzten Mehraufwand, der mit nur „bis zu 3 Millionen DM" jährlich beziffert wurde. Anlage 17 Antwort des Staatssekretärs Eicher vom 28. März 1974 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Franke (Osnabrück) (CDU/CSU) (Drucksache 7/1867 Frage A 105) : Hält die Bundesregierung die vom Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Arbeit am 19. Dezember 1973 beschlossene Änderung der Anordnung „Fortbildung und Umschulung" für richtig, wonach mit Wirkung vom 1. April 1974 die Lehrgangsgebühren bis zu einer Höhe von 2 DM je Unterrichtsstunde und je Studierenden von der Bundesanstalt erstattet werden, jedoch für die Teilnehmer, denen bereits vor dem 1. April 1974 Leistungen nach altem Recht bewilligt worden sind, nur 1,25 DM erstattet werden? Fortbildungs- und Umschulungsverträge, die nach dem 1. April 1974 mit den Trägern von Bildungsmaßnahmen abgeschlossen werden, gehen — entsprechend der allgemeinen Kostenentwicklung — von höheren Lehrgangsgebühren aus als früher abgeschlossene Verträge. Die Gebühren werden nach den Erfahrungen der Praxis in der Regel für die ganze Laufzeit des Vertrages fest vereinbart. Es wäre deshalb problematisch, denjenigen, die früher zu günstigeren Bedingungen mit der Bildungsmaßnahme begonnen haben, dieselben Erstattungssätze zuzugestehen wie den Teilnehmern, die nach dem 1. April 1974 beginnen. 'Aber auch bei vor dem 1. April beginnenden Bildungsmaßnahmen kommen die neuen Erstattungssätze in Betracht, wenn die Maßnahme in mehrere selbständige Einzelelemente zerlegt ist, wie z. B. bei der Vorbereitung auf die Meisterprüfung, die sich in vier möglicherweise zeitlich auseinanderliegende Teilabschnitte gliedert. In diesen Fällen wird der nach dem 1. April beginnende Abschnitt als Neueintritt in eine Maßnahme behandelt und auf Grund der neuen Erstattungssätze gefördert. Die von Ihnen angesprochene Übergangsregelung stimmt auch mit der Entscheidung des Gesetzgebers im Gesetz zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes vom 14. November 1973 überein. Dort ist vorgesehen, daß die erhöhten Freibeträge den laufenden Fällen erst bei einer späteren Weiterbewilligung für die Zukunft zu Grunde gelegt werden. Im übrigen hätte die Umrechnung der rd. 170 000 laufenden Fälle auf die neuen Erstattungssätze zu einer kaum vertretbaren Belastung der Dienststellen der Bundesanstalt für Arbeit geführt, die bei der augenblicklichen Arbeitsmarktlage ohnehin stark in Anspruch genommen sind. Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar vom 28. März 1974 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Wüster (SPD) (Drucksache 7/1867 Frage A 106) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts unter dem Aktenzeichen VII C 58/72 Caravaner, die auf der Durchreise eine fremde Stadt besichtigen wollen, nicht mehr den Wohnwagenanhänger für einige Stunden abkoppeln und parken können und dadurch das Gespann den Innenstadtverkehr einer fremden Stadt unnötig belastet, und ist die Bundesregierung bereit, die Straßenverkehrs-Ordnung dahin gehend zu ändern, daß auch das vorübergehende Parken eines zugelassenen Wohnwagenanhängers' ohne Zugwagen ermöglicht wird? Der Bundesregierung ist das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. November 1973 bekannt, wonach ein Wohnwagenanhänger nur dann als parkendes Fahrzeug am ruhenden Verkehr teilnimmt, wenn er mit dem Zugfahrzeug verbunden ist. Ob und gegebenenfalls welche Konsequenzen aus diesem Urteil zu ziehen sind, soll in Kürze mit den Vertretern der zuständigen obersten Landesbehörden erörtert werden. Vom Ergebnis dieser Erörterung werde ich Sie gern unterrichten. Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar vom 28. März 1974 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Ey (CDU/ CSU) (Drucksache 7/1867 Frage A 107): Liegen der Bundesregierung Erfahrungen über Vor- und Nachteile mit den neu eingeführten Ortsausgangsschildern vor, die nunmehr keine Hinweise auf die Fahrtrichtungen beinhalten? Der Bundesregierung liegen keine derartigen Erfahrungsberichte vor. Ich darf jedoch bemerken, daß überall dort, wo es — wegen fehlender sonstiger Wegweisung — notwendig ist, die Kraftfahrer auf den nächsten Ort hinzuweisen, dies durch eine kleine Zusatztafel unter dem Wegweiser geschehen kann. Das ist auch den Straßenverkehrsbehörden der Länder bekannt. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 28. März 1974 6173* Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar vom 28. März 1974 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Eyrich (CDU/CSU) (Drucksache 7/1867 Frage A 108) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß auf den von der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Bundespost bedienten Busstrecken vorwiegend dort keine Fahrpreisermäßigungen für kinderreiche Familien gewährt werden, wo es sich um Strecken handelt, die von der Deutschen Bundesbahn im Schienenverkehr nicht oder nicht mehr bedient werden und die vorwiegend in Naherholungsgebiete führen, und wenn ja, ist die Bundesregierung bereit, diesen für die erholungssuchenden kinderreichen Familien höchst unbefriedigenden Zustand dadurch zu beseitigen, daß sie darauf hinwirkt, daß die auf Eisenbahnstrecken geltenden Fahrpreisermäßigungen auch auf allen Busstrecken gewährt werden? Die Fahrpreisermäßigung für kinderreiche Familien wurde von der Deutschen Bundesbahn im Jahre 1956 aus dem familienpolitischen Gesichtspunkt eingeführt, diesem Personenkreis gemeinsame Reisen auf der Schiene über größere Entfernungen, insbesondere zu Urlaubs-, Erholungs- und Besuchszwekken, zu erleichtern. Diese Zielsetzung erklärt es, daß von der Vergünstigung der Bahnbusverkehr nur insofern erfaßt wird, als er eine frühere Schienenverbindung ersetzt. Soweit dagegen kein Schienenersatzverkehr vorliegt, sondern typischer StraßenPersonennahverkehr betrieben wird, entspricht das Verkehrsangebot des Bahnbusverkehrs den vergleichbaren Bedingungen der übrigen Nahverkehrsträger. Daher ist es erforderlich und entspricht der übereinstimmenden Auffassung aller Verkehrsträger, daß die hier in Rede stehende Vergünstigung über den jetzigen Anwendungsbereich hinaus nicht einseitig im Bahnbusverkehr eingeführt werden kann. Anlage 21 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar vom 28. März 1974 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Jobst (CDU/CSU) (Drucksache 7/1867 Fragen A 110 und 111): Warum wurde bzw. wird nicht gegen alle Fluglotsen disziplinarrechtlich vorgegangen, die Teilzusammenbruch und Beeinträchtigung des Flugverkehrs in Deutschland verursacht haben, und von welchen Maßstäben hat sich die Bundesregierung bei dieser unbefriedigenden Reaktion auf eine schwerwiegende Herausforderung von Bundesregierung und gesetzgebenden Körperschaften leiten lassen, die geeignet war, das verfassungsrechtlich geschützte Institut des Berufsbeamtentums in seinen Grundfesten zu erschüttern? Trifft die Meldung der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 16. März 1974 zu, gegen lediglich 95 Fluglotsen seien wegen Beteiligung an den rechtswidrigen Arbeitsverweigerungen Disziplinarverfahren eingeleitet worden, wovon über die Hälfte (49) eingestellt worden seien, während nur gegen sieben Fluglotsen Geldbußen verhängt worden seien und 39 Verfahren noch andauerten, und wie erklärt — bejahendenfalls — die Bundesregierung, daß ein Zwölftel aller Fluglotsen den Flugverkehr in Deutschland erheblich beeinträchtigen und zu einem wesentlichen Teil lahmlegen konnten? Zu Frage A 110: Die in der FAZ angegebenen Zahlen über Disziplinarverfahren sind unvollständig. Der gegenwärtige Stand ist folgender: a) — Förmliche Disziplinarverfahren 39 — Geldbußen 7 — Einstellungen und „Mißbilligungen" 49 — Vorermittlungen mit Anhörung der Betroffenen 48 Das sind insgesamt 143 Disziplinarverfahren b) Daneben laufen — überwiegend auf Grund von Meldungen und Anzeigen von dritter Seite weitere rd. 300 betriebliche Vorermittlungen. Erfahrungsgemäß bestätigt sich in vielen Fällen nicht der Verdacht eines Dienstvergehens. Andererseits können in einen Vorfall mehrere Bedienstete verwickelt sein. Schließlich können mehrere Bedienstete an mehreren Vorfällen beteiligt sein. Aus diesen Gründen läßt sich vor Abschluß der betrieblichen Vorermittlungen auch keine schätzungsweise Angabe über die Zahl der betroffenen Beamten machen. Zum zweiten Teil dieser Frage ist zu bemerken, daß, wie sich aus Vorstehendem ergibt, gegen mehr als 1/12 der Fluglotsen Verfahren laufen. Sie unterstellen mit dieser Frage auch, daß sich in allen Fällen von Verzögerungen auch feststellen läßt, ob sie mutwillig begangen und von wem sie vorsätzlich begangen wurden. Dessen ungeachtet: Angesichts der bei einer Flugbewegung bestehenden gegenseitigen fachlichen Abhängigkeiten der Lotsen — an einer Flugbewegung wirken durchschnittlich 10 bis 20 Lotsen mit -könnte auch schon 1/12 der Lotsen durch bewußte Verzögerungen den Luftverkehr ganz empfindlich stören. Zu Frage A 111: Die Bundesregierung hat und wird in allen Fällen, in denen sich der Verdacht eines Dienstvergehens bestätigt, angemessene disziplinarrechtliche Maßnahmen treffen. Ich muß aber auch an dieser Stelle noch einmal betonen, mit welchen großen Schwierigkeiten betrieblicher und personeller Art diese Ermittlungsverfahren verbunden sind. Die einzelnen Gründe hierfür, die in der Besonderheit der betrieblichen Aufbereitung des Sachverhalts liegen, bitte ich meinem Bericht an den Innenausschuß des Deutschen Bundestages vom 22. Januar 1974 zu entnehmen, der auch dem Verkehrsausschuß vorliegt. Diese Gründe sind insbesondere: — Zeitraubende Detailarbeiten für die Rekonstruktion der Luftlage zu einem bestimmten Zeitpunkt (1 Std. Verkehrsaufkommen zu analysieren bindet einen Mann 6 bis 8 Wochen), — Analysen lassen sich nur von wenigen Spezialisten der Bundersanstalt für Flugsicherung erstellen. Die Bundesregierung läßt sich bei der Behandlung dieser Fälle von dem Maßstab leiten, daß eine solche Aktion eine Herausforderung an den Rechtsstaat darstellt, der mit allen, diesem Rechtsstaat zur Ver- 6174' Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 28. März 1974 fügung stehenden Mitteln begegnet werden muß. Auf Anregung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages prüft der dafür zuständige Bundesminister des Innern zur Zeit, ob zur Bekämpfung derartiger kollektiver Aktionen wirksamere rechtsstaatliche Instrumente geschaffen werden müssen. Anlage 22 Antwort des Bundesministers Dr. von Dohnanyi vom 21. März 1974 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Milz (CDU/CSU) (Drucksache 7/1816 Frage A 123) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß der Mangel an Lehrstellen in allen Ausbildungsbereichen sich ständig in besorgniserregendem Maße entwickelt, daß dies in ländlichen Gebieten besonders deutlich wird, und welche Maßnahmen hat die Bundesregierung getroffen bzw. welche Maßnahmen wird sie einleiten, um diese Entwicklung zu bremsen, und welche Möglichkeiten werden gesehen, den Ausbildungsbetrieben Anreize zu bieten? Der Bundesregierung ist die seit den sechziger Jahren zu beobachtende Entwicklung des Ausbildungsplatzangebotes bekannt. Sie beobachtet diese Entwicklung mit Sorge. Die durch Arbeitsämter angebotenen Ausbildungsstellen verringerten sich vom Jahre 1965/66 von 632 500 auf 371 400 im Jahre 1972/73. Von den 1965/66 angebotenen Stellen der Arbeitsämter blieben 42,2 % unbesetzt. Im Jahre 1972/73 waren es 27,4 %. Aufgrund des bisher vorliegenden, jedoch unvollständigen Datenmaterials ist eine weiter anhaltende rückläufige Tendenz erkennbar. Diese Tendenz ist mit Sicherheit nicht auf eine Ursache zurückzuführen. Sie ist eher die Folge einer Vielzahl gleichzeitig wirkender Bedingungen, die sowohl durch konjunkturelle und strukturelle als auch durch regionale und bildungspolitische Entwicklungen beeinflußt sind. Um die Situation und Entwicklung des außerschulischen Ausbildungsangebotes eingehend beraten zu können, habe ich den Bundesausschuß für Berufsbildung für den 26. März 1974 zu einer Sondersitzung nach Bonn gebeten. Sobald detailliertes Datenmaterial vorliegt, wird zu prüfen sein, welche Maßnahmen die Bundesregierung treffen kann angesichts einer heute allein in die Zuständigkeit von Betrieben und Kammern fallenden Entwicklung. Hier Anreize zu schaffen wird schwierig sein, solange die Wirtschaft Finanzierungssysteme pauschal ablehnt. Hier wird die Bundesregierung um Aufklärung bemüht sein. Anlage 23 Antwort des Bundesministers Dr. von Dohnanyi vom 21. März 1974 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Dübber (SPD) (Drucksache 7/1816 Frage A 124) : Ist eine Interpretation des Bundesausbildungsförderungsgesetzes in der Weise richtig, daß es bei Studenten im Hauptstudium den Hochschullehrern nur gestattet ist, die Tatsache der Rückmeldung festzustellen, sich aber nicht vom Wissensstand der Stipendiaten zu überzeugen, und falls dies so ist, sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, diesen Zustand gesetzlich zu ändern? Ausbildungsförderung wird für den Besuch der in § 2 BAföG genannten Ausbildungsstätten vom Beginn des Monats an geleistet, in dem die Ausbildung aufgenommen wird (§ 15 Abs. 1 Satz 1 BAföG). Sie wird in der Regel für 1 Jahr bewilligt (§ 50 Abs. 3 BAföG). Nach diesen Vorschriften ist die Tatsache, daß sich der Auszubildende in einer förderungsfähigen Ausbildung befindet, Voraussetzung für die Leistung von Ausbildungsförderung. Diese Tatsache ist vom Auszubildenden bei Antragstellung für jeden Bewilligungszeitraum zu belegen (z. B. durch Immatrikulations- oder Rückmeldevermerk — § 46 BAföG). Darüber hinaus macht das Gesetz die Leistung von Ausbildungsförderung für den Besuch einer Höheren Fachschule, Akademie oder Hochschule von einem Eignungsnachweis abhängig: Vom 5. Fachsemester an wird die Förderung nur fortgesetzt, wenn der Auszubildende eine Bescheinigung der Ausbildungsstätte vorgelegt hat, aus der sich seine Eignung ergibt (§ 48 Abs. 1 BAföG). Entstehen während der ersten vier Fachsemester Zweifel an der Eignung, so kann nach heutigem Recht das Amt für Ausbildungsförderung eine gutachtliche Stellungnahme der Ausbildungsstätte einholen (§ 48 Abs. 2 BAföG). Wird erst nach dem 5. Semester erstmals Ausbildungsförderung geleistet, so bezieht sich die Bescheinigung auf den dem jeweiligen Semester entsprechenden Leistungsstand. Im Rahmen des § 48 BAföG — und nur hier — äußert sich der Hochschullehrer in einer für die Leistung von Ausbildungsförderung maßgeblichen Weise. Seine Äußerung hat als Leistungsbeurteilung selbstverständlich wertenden Charakter. Dabei ist allerdings die Entscheidung des Gesetzgebers zu beachten, der mit dem Bundesausbildungsförderungsgesetz Chancengleichheit der wirtschaftlich Schwächeren sicherstellen will. Die Förderung allein besonderer Begabungen oder herausragender Leistungen und besondere Anforderungen an die überdurchschnittliche Eignung des Auszubildenden 'erscheint unberechtigt, da die Kinder wohlhabender Eltern ebenfalls ohne diesen besonderen Leistungsnachweis Schule und Hochschule besuchen dürfen. Für den Eignungsnachweis des Auszubildenden ist daher regelmäßig eine Feststellung des Hochschullehrers bzw. der Ausbildungsstätte des Inhalts erforderlich, aber auch ausreichend, daß der Auszubildende bisher die von jedem Studenten geforderten Leistungen erbracht hat und zu erwarten ist, daß er das angestrebte Ausbildungsziel erreicht. Anlage 24 Antwort des Bundesministers Dr. von Dohnanyi vom 21. März 1974 auf die Mündlichen Fragen des Ab- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 91, Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 28. März 1974 6175* geordneten Wolfram (SPD) (Drucksache 7/1816 Fragen A 125 und 126) : Treffen Meldungen aus Kreisen der Arbeitsverwaltungen zu, daß die Wirtschaft, Handel und Handwerk von Jahr zu Jahr weniger Lehr- und Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen, und es dadurch immer schwieriger wird, allen die Schule verlassenden interessierten Jugendlichen einen Lehrplatz zu vermitteln? Ist anzunehmen, daß die rückläufige Zahl der Lehrstellen auf ein „abgestimmtes Verhalten" zurückzuführen ist, und welche Konsequenzen gedenkt die Bundesregierung zu ziehen um sicherzustellen, daß nicht nur Schul- und Studienplätze, sondern auch Lehr- und Ausbildungsplätze in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen und eine nennenswerte Jugendlichenarbeitslosigkeit verhindert wird? Zu Frage A 125: Die durch die Arbeitsämter angebotenen Ausbildungsstellen sind vom Jahre 1965/66 von 632 500 auf 371 400 im Jahre 1972/73 zurückgegangen. Während von den 1965/66 angebotenen Stellen der Arbeitsämter 42,2% unbesetzt blieben, waren es 1972/73 27,4%. Dagegen ist jedoch die Gesamtzahl der Ausbildungsverhältnisse von 1 270 120 im Jahre 1970 auf 1 302 750 im Jahre 1972 gestiegen, während sich im gleichen Zeitraum die Zahl der Jugendlichen ohne Ausbildungsvertrag (Jungarbeiter), gemessen an der Gesamtzahl der Auszubildenden, von 18,3 % auf ca. 17,3 % verringerte. Hinzu kommt, daß die Zahl der Jugendlichen in beruflichen Vollzeitschulen (z. B. Berufsfachschulen, Berufsaufbauschulen, Fachoberschulen) von 255 000 im Jahre 1969 über 356 000 im Jahre 1971 auf 381 000 im Jahre 1972 gestiegen ist. Eine zunehmende Begrenzung des Angebots an Ausbildungsmöglichkeiten ist erkennbar. Dem entspricht eine Zunahme der Schwierigkeiten; einen Ausbildungsplatz in einer gewünschten Sparte und dies in einer ganz bestimmten Region zu erhalten. Gleichzeitig ist nicht zu leugnen, daß zahlreiche Branchen immer noch Nachwuchssorgen haben und offene Lehrstellen nicht besetzen können. Diese Entwicklung hat in einem Zeitraum stattgefunden, in dem das Angebot an betrieblichen Ausbildungsstätten keinerlei unmittelbaren staatlichen Eingriffen unterlag; für die Entwicklung des Angebotes sind Betriebe und Kammern allein zuständig. Zu Frage A 126: Es gibt Einzelfälle, die die Gefahr einer Ausbildungsverweigerung erkennen lassen. Unsachliche Äußerungen gegen beabsichtigte Verbesserungen der beruflichen Bildung haben zur Verunsicherung in Kreisen des Handwerks und der mittleren Unternehmen beigetragen. Zahlreiche Kammern haben die Betriebe jedoch auch aufgefordert, in ihren Ausbildungsbemühungen nicht nachzulassen. Für den Rückgang kommen nach Auffassung der Bundesregierung eine Reihe gleichzeitig wirkender Bedingungen in Frage. Diese können sein: 1. Veränderungen in der Berufsstruktur, durch Aussterben traditioneller Berufe und das starke Anwachsen anderer Berufe; Veränderung der Relation gelernter und angelernter Tätigkeiten. 2. Die auf der Grundlage des Berufsbildungsgesetzes von 1969 erhöhten Ausbildungsanforderungen an Betriebe und Ausbilder. 3. Steigende Ausbildungskosten in den Betrieben. 4. Die regionale und allgemeinwirtschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik. Die Bundesregierung beobachtet das Zusammenwirken dieser Faktoren mit Sorge. Ich habe das durch Gesetz dafür zuständige Beratungsgremium der Bundesregierung in Fragen beruflicher Bildung — den Bundesausschuß für Berufsbildung — zu einer Sondersitzung für den 26. März 1974 nach Bonn gebeten, um mit ihm die Situation und Entwicklung des Ausbildungsangebotes eingehend zu erörtern. Bei der Einleitung von Gegenmaßnahmen ist zu berücksichtigen, daß in unserem Berufsbildungssystem die Vorhaltung von betrieblichen Lehrstellen allein in der Verantwortung der Betriebe und Kammern liegt. Angesichts dieser Zuständigkeit war auch die rückläufige Entwicklung der vergangenen Jahre nur durch die Betriebe und Kammern aufzufangen. Anlage 25 Antwort des Bundesministers Dr. von Dohnanyi vom 21. März 1974 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Enders (SPD) (Drucksache 7/1816 Frage A 129): Ist die Bundesregierung auf Grund der in der Öffentlichkeit zunehmenden Kritik an der Mengenlehre bereit, eine Stellungnahme zu den Problemen der neuen Mathematik an Schulen und hei Schülern und Eltern abzugeben? Im Bildungsgesamtplan kommt der Reform der Lerninhalte im Bereich der Grundschule eine besondere Bedeutung zu. Die Bundesregierung fördert dazu Modellversuche, die sich unter anderem auch mit der Reform des Mathematikunterrichts befassen. Dabei wird die aktuelle Diskussion in den Gremien der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung laufend berücksichtigt. Von einer ausdrücklichen Stellungnahme zu der gegenwärtigen Diskussion zur Mengenlehre muß die Bundesregierung aufgrund der gegebenen Kompetenzlage absehen.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Man wird das aus diplomatischen Kommuniqués nie entnehmen können.
    Natürlich hat Staatssekretär Apel recht und gleichzeitig unrecht — das ist ja das Schreckliche an solchen Äußerungen —, wenn er sagt, daß es zwischen den USA und der Bundesrepublik Deutschland keine bilateralen Probleme gebe, die nur diese beiden betrafen. Aber unsere Verpflichtung als Bundesrepublik Deutschland sowohl mit unserer wirtschaftlichen Kraft wie mit unserer geographisch gefährdeten Lage wie mit unserer demgemäß bestehenden, von den Fakten her gezeichneten größeren Abhängigkeit — wäre es gewesen, darauf hinzuwirken, daß diese atlantische Konfrontation zwischen den USA und den Europäern entweder nicht zustande kommt oder gemildert wird. Unsere Pflicht wäre es gewesen, darauf hinzuwirken, daß sich die Europäische Gemeinschaft in Zeiten der Krise nicht in zunehmendem Maße auf dem niedrigsten Nenner antiamerikanischer Tendenzen, auf ziemlich faul formulierte Kompromisse einigen kann.

    (Abg. Dr. Carstens [Fehmarn]: Sehr richtig!)

    Natürlich wird, wie das in den letzten Tagen in der Presse auch geschah, die Frage gestellt: Soll man eigentlich diesen ganzen transatlantischen Disput ernst nehmen oder mit Gelassenheit betrachten nach dem Motto „Das geht schon wieder vorüber, so schlimm wird es nicht werden"?
    Ich möchte hier meine Meinung und die Meinung meiner politischen Freunde zum Ausdruck bringen — ich sage es in einer Paraphrase —: Nach meiner festen Überzeugung werden Historiker des nächsten Jahrzehnts oder der nächsten Generationen mit höchster Wahrscheinlichkeit das Jahr 1973 als einen tiefgreifenden Einschnitt in der Nachkriegsgeschichte, als eine historische Zäsur bewerten. Man soll nicht glauben, daß große geschichtliche Verschiebungen, große geschichtliche Gesteinsverschiebungen, immer mit einem Donnerkrach erfolgen. Es
    sind die leisen Vorgänge, die sozusagen auf Zehenspitzen durch das Land gehen, es sind die millimeterweisen, von Tag zu Tag kaum merkbaren Veränderungen, die, über Jahre hinweg fortgesetzt, uns auf einmal zu der schrecklichen Feststellung bringen, daß sich die europäische Welt, die atlantische Welt und das ganze Kräfteverhältnis auf der Welt entscheidend verändert haben.
    Hier gilt es nicht, jähen Katastrophen vorzubeugen - die werden uns voraussichtlich, wie wir alle hoffen, nicht unterlaufen —, sondern hier gilt es, geschichtlichen Änderungsprozessen zuvorzukommen, an deren Ende die Europäer gar nicht einmal mehr die Möglichkeit haben werden, ihre politische Einigung ohne Zustimmung des Moskauer Kräftezentrums zu vollziehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die ganze transatlantische Diskussion und die damit verbundenen Schwierigkeiten haben eine lange Vorgeschichte und werden ein schicksalhaftes, vielleicht ein schicksalentscheidendes Nachspiel haben.
    Wenn ich vorher sagte — das darf ich auch im Zusammenhang mit dieser Debatte zum Ausdruck bringen, weil in diesem Bundestag die Themen ja wohl nicht mehr so einschränkend ausgelegt werden, wie es gelegentlich schon unterlaufen ist --, daß das Jahr 1973 eher ein Jahr der Sowjetunion als etwa ein Jahr der Europäer war, so möchte ich nur in Stichworten darlegen, was ich meine. Zu Beginn dieses Jahres ist der Generalvertrag — der Grundvertrag, der Grundlagenvertrag -- in Kraft getreten, der den Sowjets die Erreichung ihrer strategischen Nachkriegsziele rechtlich abgesichert hat. Der Grundlagenvertrag war für die Sowjets die Voraussetzung dafür, in der jetzigen Phase der Genfer Konferenz diese zunächst bilateral erfolgte Absicherung nunmehr auf alle europäischen Konferenzteilnehmer zu erstrecken und dies als gesichertes Ergebnis nach Hause zu tragen.
    Schaue ich auf das Ende dieses Jahres, dann darf ich einige Tatsachen oder Zahlen erwähnen, die — für sich selber genommen manchen gar nicht so erschrecken mögen, die aber in der Gesamtheit zeigen, daß schon eine tiefgreifende Änderung begonnen hat.
    Die Ölverknappung — oder richtiger gesagt: die drastische Steigerung der Einstandspreise für Rohöl — hat die wirtschaftliche Welt Europas noch stärker durcheinandergebracht, als es vorher schon andere Faktoren nach dem Ende des ehemaligen Weltwährungssystems getan hatten. Die Tatsache, daß nach einer Schätzung der OECD Japan, die Vereinigten Staaten und Kanada — diese beiden noch am wenigsten davon betroffen —, die europäischen ölverbrauchenden Länder und die Entwicklungsländer für dasselbe Quantum Rohöl nach den Preisen des ersten Halbjahres 1974, die nur bis zum 30. Juni fixiert sind — dann beginnt die Preisfestsetzung von neuem —, zusammen etwa 50 Milliarden Dollar mehr zahlen müssen als nach den Preisen des ersten Halbjahres 1973, die Tatsache, daß die Bundesrepublik allein davon wird beim Jahreswirtschaftsbericht zu reden sein — 15 bis 20 Milliarden DM



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    mehr für ihr Quantum Öl nach diesem Preis wird aufbringen müssen, all diese Tatsachen belasten nicht nur uns, sondern belasten auch die Zahlungsbilanz Großbritanniens, Frankreichs, Italiens und der anderen Mitglieder der Europäischen Gemeinschaft.
    Dieser Zustand hat in Verbindung mit der Entwicklung des Goldpreises als Folge des Weltwährungsverfalles der Sowjetunion ungeheure wirtschaftliche Vorteile verschafft. Die Verdoppelung des Goldpreises innerhalb kurzer Zeit hat dem zweitgrößten Goldproduzenten der Welt, der auch heute noch täglich auf dem Züricher Markt Gold verkauft, Vorteile verschafft, die heute noch nicht quantitativ ausgedrückt werden können. Dasselbe gilt auch für das Rohöl. Denn die Sowjetunion hat sich selbstverständlich den arabischen Ölpreisen angeschlossen und sie zum Teil noch übertroffen.
    Wenn man — ich sage es hier ohne jede Emotion — am Ende des Jahres vom Kremel nach Westen geblickt hat, erkannte man die Entfremdung zwischen USA und Europa, nicht als Folge nur der europäischen Verhaltensweise — die Schuld liegt nie allein bei einem —, und ferner die Uneinigkeit der Europäer in den wesentlichen Fragen, das Entschwinden der Wirtschafts- und Währungsunion in heute nicht mehr nennbare Fernen.
    All das hat doch ohne jeden Zweifel für uns die Frage aufgerollt: welchen Charakter wird denn das Europa von morgen haben? Es ist doch nicht so, als ob die Gestaltung der europäischen Gesellschaft und der europäischen Staatenwelt nur ein innenpolitisches Problem der europäischen Gemeinschaft wäre, in dem wir uns für unbegrenzte Zeit entweder abwartend verhalten, halb entscheiden oder nicht entscheiden können. Um uns herum geht die Welt ja weiter. Wir sind hier in einem dynamischen historischen Prozeß, in dem wir entweder Objekte bleiben — und in noch größerem Maße werden — oder durch zu treffende Maßnahmen und nicht nur durch schöne Reden wieder Mitgestaltende werden können, wenn wir das Selbstbestimmungsrecht über uns behalten und das Mitbestimmungsrecht in uns lebenswichtig berührenden Fragen wieder — zum Teil jedenfalls — bekommen wollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir unterstützen selbstverständlich — das darf ich an die Adresse der Bundesregierung sagen — alles, was Sie unternehmen auf dem Wege zur Wirtschafts-und Währungsunion, zur Agrarunion, zur Sozialunion, auf dem Wege zu einer gemeinsamen Entwicklungspolitik. Das sind nicht die Fragen, in denen sich Regierung und Opposition in verschiedenen Meinungen oder gar etwa in harter Konfrontation gegenüberstehen. Nur erweckt die Regierung hier mit ihren Reden den Eindruck, als ob sie aus dem geschichtlichen Prozeß ausgetreten sei, einen Logenplatz einnehme und von da aus mehr oder minder interessiert zuschaue, wie das Weitere sich in der Welt abwickeln werde. Die Frage: wird dieses Europa ein amerikanisches Europa, soll es ein französisches Europa werden, oder wird es ein sowjetrussisches Europa?, ist doch nicht auf unbegrenzte Dauer hinauszuschieben. Die Antwort, die wir alle
    geben — so habe ich auch die Reden der Kollegen aus anderen Fraktionen verstanden --: was wir wollen, ist doch ein europäisches Europa, das kooperativ nach dem Osten schaut, aber in Lebens- und Wesensgemeinschaft und militärischer Sicherheitsgemeinschaft mit den USA, dem großen Partner jenseits des Ozeans in langfristiger Dauerverbindung stehen muß.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Hier — nicht in falschen Entscheidungen, sondern in den Versäumnissen — liegt das Hauptversagen dieser Bundesregierung, die sich so gerne darauf beruft: „Deutsche, wir können stolz sein auf unser Land", die nach dem Motto redet: „Wir sind wieder was geworden, wir haben wieder politische Handlungsfreiheit". — Ja, wo ist sie denn, diese politische Handlungsfreiheit? Sie ist sehr eingeschränkt, diese politische Handlungsfreiheit. Man hat die Ostpolitik damit begründet, daß sie uns die Handlungsfreiheit gebe, weil damit eine ganze Menge Ballast abgeworfen werden könne. Das wäre nur richtig, wenn es sich hier um die Liquidation der Vergangenheit handelte. Das wäre nur richtig, wenn diese Politik auf dem Hintergrund eines konsolidierten Westens, sowohl der europäischen Einheit als auch einer wieder konsolidierten atlantischen Gemeinschaft, getrieben werden könnte. Ich verstehe auch — ich weiß, das wird Protest und Widerspruch auslösen —, daß diese Bundesregierung nicht in der Lage ist, sich im Westen immer so zu verhalten, wie es vielleicht sogar ihrer Überzeugung, jedenfalls der sachlichen Notwendigkeit entsprechen würde; denn wer angesichts der immer mehr schwindenden Attraktivität, der fragwürdigen Methoden und der schrumpfenden Ergebnisse der Ostpolitik, der innenpolitisch gefährdeten Ostpolitik, weiterhin handlungsfähig sein will, der muß im Westen dann sehr, sehr kurze Schritte machen.
    Wenn ich das für mich allein sagen würde, könnte man sagen: typisch. Aber wir bekommen ja in letzter Zeit eine ganze Reihe höchstinteressanter Bundesgenossen, wenn z. B. nicht nur Professor Steinbuch sich in der diesem Hause bekannten Weise öfter äußert, sondern einer der echten Bewunderer, der intellektuellen Förderer und der geistigen Multiplikatoren der Regierungspolitik Brandt/Scheel — auch ihrer Ostpolitik --, Herr Golo Mann, jetzt auf einmal das entdeckt. Wir danken ihm sehr dafür, daß er den Mut hat, herauszutreten, den andere nicht haben, die zur gleichen Erkenntnis gekommen sind, den Mut, das zu sagen, was wir von Anbeginn in diesem Hause seit Veränderung der Mehrheitsverhältnisse im Herbst 1969 gesagt haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Er hat in diesen Zusammenhang von „Ost-Locarno" gesprochen und hat geschrieben:
    Wußte man in Bonn genau und klar, was man mit den Ostverträgen wollte? Verfolgte man ambivalente, schwankende Ziele? Dies will ich gestehen: Hätte ich zur rechten Zeit den großen Plan Egon Bahrs gekannt, jene sogenannte Fallstudie, jenes historisch unsagbar unwissende Projekt eines Ost-Locarno, demzufolge nach



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    Auflösung der beiden Militärblöcke die Russen der Bundesrepublik hätten zur Hilfe kommen müssen, wenn sie von den Polen angegriffen worden wären und umgekehrt, hätte ich dieses Knabenwerk gekannt, meine Befürwortung der Ostverträge wäre noch vorsichtiger umschrieben gewesen, als sie es war. Keine Außenpolitik kann beliebig viele Energien in beliebig vielen Richtungen verbrauchen.

    (Abg. Dr. Carstens [Fehmarn] : Ein vernichtendes Urteil ist das!)

    Im Zusammenhang mit diesem Thema, das uns heute gestellt ist, möchte ich nicht die „Kriegsgeschichte" der letzten Jahre schreiben, sondern sagen, daß die Regierung die ganze Priorität, die ganze Kraft — soweit man bei dieser Regierung und ihrem Anhang im Volke heute noch von Kraft reden kann, aber dafür können Sie dann die Opposition als Hilfstruppe heranziehen heute auf die Konsolidierung des Westens konzentrieren muß, auf die Wiedererlangung von Fortschritten in Richtung europäischer Einheit und auf die Konsolidierung der Atlantischen Allianz.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Das ist ein großer Unterschied: West-Locarno oder Ost-Locarno! Aber das würde in die Geschichte führen.
    In dieser Zeit, in der größte europäische Einigkeit und stärkste atlantische Solidarität notwendig wären und praktisch das Gegenteil der Fall ist, laufen die Verhandlungen über SALT II, über die Beschränkung der strategischen Waffen zwischen USA und Sowjetunion, Verhandlungen, die für unsere zukünftige Sicherheit und für die Frage, ob dieses Europa europäisch werden wird und werden kann, von entscheidender Bedeutung sind. Wo ist die Stimme der Europäer? Auf militärischem Gebiet ist sie noch am ehesten zu hören. Es laufen aber auch die Verhandlungen über das, was man MBFR nennt — gegenseitige, ausgewogene Truppenreduzierung. „Gegenseitig" ist übriggeblieben. Von „ausgewogen' kann angesichts der Verhältnisse, in denen wir militärisch leben, ohnehin schon keine Rede mehr sein. Wenn es hier nicht wieder zu einem vollen Konsensus zwischen den Vereinigten Staaten und Europa kommt,

    (Bundesminister Scheel: Was heißt „wieder" ?)

    wird dieses Europa kein europäisches Europa mehr werden können, wird dieses Europa nicht über sich selbst und seine Zukunft bestimmen können.
    Ich kann deshalb auch nicht den französischen Außenminister verstehen bei allem Respekt vor seiner intellektuellen Brillanz und seiner rhetorischen Effizienz — wie er bei dieser Lage die Meinung vertreten kann, daß die Aufrechterhaltung der amerikanischen Truppenpräsenz keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung sei.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Denn die Sonderrolle, die Frankreich — ihm jedenfalls von allen zugestanden und von ihm beansprucht — in der Atlantischen Gemeinschaft spielen kann - eine Sonderrolle außerhalb der Militärorganisation —, kann angesichts der gegebenen militärischen Verhältnisse — Kollege Wörner hat gestern ja eingehend darüber gesprochen — doch nur weiterhin ohne tödliches Risiko für alle fortgesetzt werden, wenn amerikanische Truppen in der Masse auf deutschem Boden stationiert bleiben mit allen Konsequenzen, die damit verbunden sind. Sonst hört dieser Traum auch auf.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich darf eine für manchen vielleicht etwas selbstgefällig klingende Bemerkung machen. Ich habe im Juni 1966 in „US News and World Reports" ein Interview gegeben Interviews haben ja ihre
    eigenen Schicksale: habent sua fata libelli und habe damals eine ganze Menge Gegenwind geerntet, um noch den mildesten Ausdruck zu gebrauchen. Ich habe mir damals die Behauptung erlaubt, daß die moralischen und materiellen Konsequenzen des erst in den Höhepunkt tretenden Vietnam-Krieges die amerikanischen Reserven, die amerikanischen Möglichkeiten in einem Ausmaß strapazieren werden, daß die unausbleibliche Folge der immer stärkere Druck von amerikanischer Seite auf teilweisen Abzug ihrer Truppen sein würde.
    Ich habe vorher gesagt, ich hätte dafür viel Gegenwind bekommen. Man sagte, das wäre eine Beleidigung des amerikanischen Bundesgenossen, das wäre eine Störung der transatlantischen Beziehungen, das wäre eine Vergiftung der Verhältnisse. Wer damals die Dinge so beurteilt hat, daß der Vietnam-Krieg lange Zeit vor seinem Höhepunkt steht, lange Zeit kein Ende nehmen wird, entgegen den damals offiziellen Prognosen, wer im Jahre 1968 in den USA erlebt hat, wie sich dort das feeling of overcommitment, das Gefühl des Überlastetseins und zugleich das Gefühl des Alleingelassenwerdens zum ersten Mal stärker bemerkbar gemacht hat, der hat die ersten Anfänge des Problems erlebt, das uns heute gestellt ist und das gelöst werden muß, wenn diese europäische Gesellschaft in Freiheit überleben will.
    Sicherlich sind die Amerikaner keine Engel der Nächstenliebe, die nur um ihrer europäischen Freunde willen das Opfer bringen, Truppen in Europa zu stationieren; sicherlich vertreten sie ihre eignen massiven Sicherheitsinteressen, auch in Europa. Sie sind auch um ihrer selbst willen da und nicht um unserer blauen Augen oder der gemeinsamen Ideale willen. Aber es gibt in der Außenpolitik auch für parlamentarisch kontrollierte Regierungen keine unbeschränkte Handlungsfreiheit. Auch sie können nicht das, was sie sachlich für richtig halten, in unbegrenztem Maße fortsetzen.
    Ich meine damit etwas, was im amerikanischen Parlament — in beiden Häusern immer stärker aufkommt, in der amerikanischen Bevölkerung immer stärkere Resonanz findet: einen wachsenden Zug zum Isolationismus: Raus aus diesen Welthändeln, wir waren viel zu lange drin, haben uns viel zu sehr engagiert, haben viel zu viele Opfer gebracht. Die Frage, warum sie reingegangen sind, ob



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    sie es richtig gemacht haben, entzieht sich unserer Beurteilung, ist auch hier nicht gestellt. Jedenfalls: heraus! Kein amerikanischer Präsident kann sich auf die Dauer diesem Druck des Parlaments und der Öffentlichkeit entziehen, wenn nicht das Verhältnis zwischen den beiden Partnern zu beiden Seiten des Ozeans wieder in ein vernünftiges Gleichgewicht gebracht wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Gerade die Entwicklung der strategischen Waffen — wobei ich in der Hauptsache nicht etwa auf Waffen abstellen will — wird es den Amerikanern immer noch erlauben, ihre Selbstverteidigung durchzuführen, wenn wir bereits den Glückszustand genießen werden, von der Breschnew-Doktrin gegen jede gesellschaftliche Abweichung geschützt werden; zumindest was den außenpolitischen Einfluß anbetrifft.
    In dieser Zeit, wo die Verhandlungen über die strategischen Waffen, über den Truppenabzug laufen, sind die Europäer uneiniger denn je und schauen sich die Amerikaner und die Europäer mißmutig und manchmal gelegentlich sogar fast feindselig gegenseitig ins Gesicht. Daran ist die Bundesregierung nicht ganz unschuldig, weil sie den Part, den sie hätte spielen können und spielen sollen, aus einer Reihe von Rücksichtnahmen — ich habe sie vorher nur angedeutet nicht spielen wollte, jedenfalls nicht gespielt hat. Wenn ich das in einem Satz zusammenfassen darf: Die Bundesrepublik hat leider aufgehört, ein wirtschaftspolitischer, gesellschaftspolitischer und außenpolitischer Stabilisierungsfaktor in Europa und in der atlantischen Welt zu sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU!)

    Und von dieser Verantwortung und dieser Teilschuld kann die Bundesregierung nicht freigesprochen werden.
    Die Regierung ist für alles. Sie ist selbstverständlich für einen guten Waffenstillstand im Nahen Osten. Dafür sind wir auch. Die Regierung ist dafür, daß alle Beteiligten in der Sicherheit anerkannter Grenzen leben dürfen. Da ist nur noch die unbedeutende Frage zu lösen, was anerkannte sichere Grenzen sind. Die Regierung ist auch so das Telegramm des Bundeskanzlers an den algerischen Präsidenten — für eine gerechte Regelung in der Sache der Palästinenser. Das sind auch wir. Da ist nur noch die unbedeutende Frage zu lösen, was man angesichts der wirklich gegebenen, tatsächlichen Verhältnisse darunter versteht. Die Regierung spricht in Brüssel meisterhaft für die europäische Einheit, und sie versichert die Franzosen der absolut treuen und loyalen Erfüllung des deutsch-französischen Vertrages und einer weitgehenden Konkordanz. Sie ist jetzt, durch die Wahlergebnisse in Großbritannien, wenn auch nur teilweise wieder beglückt, auch in der Lage, ihren britischen Partnern zu sagen, wie sehr unser Herz für die englischen Sorgen schlägt. Und es gibt keine rührenderen Sachwalter der atlantischen Allianz als die hohen Herren der Regierung, wenn sie das Weiße Haus betreten.
    Aber in dieser Zeit kann man nicht für alles sein, sondern in dieser Zeit muß man auch sagen, welche Prioritäten man hat und welche Aktionen und Initiativen man ergreift, auch wenn es dem einen oder anderen in dem Spiel nicht paßt, wenn man die eigenen Prioritäten wenigstens schrittweise durchsetzen will. Das ist die Aufgabe einer Regierung.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Herr Kollege Amrehn hat heute eine Reihe von Beispielen gebracht, welch schöne Pläne angekündigt und welche Initiativen verheißen worden sind, und es war die Rede davon, daß da und dort großartige Erklärungen abgegeben und faszinierende Reden gehalten worden sind. Das ist ohne Zweifel eine Stärke des Bundeskanzlers, daß er durch verbale Kraftakte auch heute noch, wenn auch in schwindendem Maße, in der Lage ist, das Vakuum zu überdecken, das heute seine Politik darstellt und das er um sich geschaffen hat. Aber auf die Dauer geht das nicht; denn es ist nicht der geschichtliche Nachruf dieser Regierung zu schreiben, sondern es sind die Lebensgrundlagen wenigstens des freien Deutschland zu sichern und die Chancen dafür, daß der andere Teil Aussicht hat, nach Ende eines geschichtlichen Prozesses wieder mit dem freien Europa ver- einigt zu werden.
    Ich bin nicht der Meinung, daß am deutschen We- sen die Welt genesen kann. Ich bin nicht der Meinung, daß wir uns etwa die Rolle anmaßen könnten, wie sie Bismarck 1877 beim russisch-türkischen Krieg und bei 'der Drohung eines englisch-russischen Krieges damals in der Berliner Konferenz als „ehrlicher Makler" gespielt hat. Aber die Bundesrepublik Deutschland hat sowohl in der Europäischen Gemeinschaft wie, was ihre frühere Glaubwürdigkeit in der atlantischen Allianz anbetrifft, eine Position, die, wenn sie sich nicht von falschen Rücksichtnahmen leiten läßt, eingesetzt werden kann, sich einsetzen läßt, um den Zug wieder in Bewegung zu setzen, den Zug zur europäischen Einheit und das Schiff zur Konsolidierung der atlantischen Allianz. Aber das ist im Laufe der letzten Jahre und Monate schlechterdings ignoriert worden.
    Ein amerikanischer Abgeordneter, der sich durch einen Entwurf eines in Europa mit großer Kritik beurteilten Gesetzes einen Namen gemacht hat — ich meine Wilbert Mills —, hat am 21. März 1973 im US-Repräsentantenhaus folgenden Ausspruch getan: „Es besteht die ernste Gefahr, daß die Bemühung um ein stabiles, friedliches, zivilisiertes System in der Welt nicht durch Kriege zwischen alten Feinden, sondern durch Streitigkeiten zwischen alten Freunden bedroht wird." Am 21. März 1973, also mehr als ein halbes Jahr vor der Krise, die im Nahen Osten Anfang Oktober ausgebrochen ist!
    Wenn wir uns an den Fortgang der Dinge erinnern, dann können wir — und das möchte ich an ,die Adresse des Bundeskanzlers sagen — die Zusammengehörigkeit von drei Problemen nicht einseitig leugnen oder außer Kraft — ich hätte beinahe gesagt: außer Tatsache — setzen, nämlich die Zusammengehörigkeit der Währungsprobleme, der Handelsprobleme und der Verteidigungsprobleme. Ich



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    bin nicht der Meinung, daß, wenn man von einem redet, die beiden anderen immer ebenfalls einer gründlichen Analyse unterziehen und gleichzeitig verhandeln muß. Aber wenn man ein Teilproblem behandelt — eines der drei —, muß man in der Gesamtschau immer gleichzeitig die beiden anderen im Auge haben; denn unsere amerikanischen Partner lassen nicht den leisesten Zweifel daran, daß das Auseinanderklaffen der Politik auf diesen drei Gebieten, die Nichtanerkennung der Zusammengehörigkeit dieser drei Probleme und die Unauflöslichkeit in einem Paket, eine der schweren Belastungen des europäisch-amerikanischen Verhältnisses gewesen ist, lange bevor es den Höhepunkt im Herbst letzten Jahres durch das Verhalten der Europäer bei diesem kriegerischen Konflikt zugestrebt ist.
    Ich erinnere hier an das, was damals Staatssekretär Peterssen als der Sonderbotschafter des Weißen Hauses allen, auch Ihnen, Herr Bundeskanzler, auch den Politikern der Opposition, auf deren Information man dort — im echten Sinn des Wortes — wirklich Wert legt, zur Begründung der Einheit dieser drei Probleme gesagt hat. Wir hätten Herrn Peters-sen sicherlich nicht haben müssen, um die Einheit zu begreifen; aber die Bundesregierung hat ihn gehabt und hat es trotzdem nicht begriffen, jedenfalls nicht anerkannt.
    Die Wurzel des Übels ist der Verfall der amerikanischen Zahlungsbilanz. Ohne eine Wiederherstellung einer aktiven amerikanischen Zahlungsbilanz ist an eine Reform des Weltwährungssystems nicht zu denken. Die Gesundung der amerikanischen Zahlungsbilanz und die Ansammlung von Währungsreserven ist die Voraussetzung dafür, daß die USA auch auf wirtschaftlichem Gebiet wieder voll funktionsfähig werden.
    Warum ist die amerikanische Zahlungsbilanz in Verfall geraten? Daran sind nicht speziell wir schuld — das möchte ich auch in dieser analytischen Darstellung nicht behaupten —, sondern es ist einmal die Tatsache, daß diese EWG ihre Entwicklung genommen hat, was ihr gutes Recht war, und dabei niemals nach außen geblickt hat. Man hat uns doch entgegengehalten: Die EWG hat heute sechs Länder, sie wird bald neun Länder haben, sie hat ihre assoziierten Gebiete, sie hat ihre Vorzugsbereiche, sie hat ihre Entwicklungsländer, mit denen sie Sonderabkommen schließt, die Länder des Jaunde-Abkommens. Das heißt, wo immer die Europäer Handel in diesem Bereich treiben, vertreiben sie den amerikanischen Export. Wir sind über diesen Export glücklich, im Gegensatz zur Bundesregierung, die seit langer Zeit seine Minderung als ein volkswirtschaftlich wichtiges Ziel vertritt.
    Außenpolitisch sieht die Sache doch so aus, daß die Außenhandelspolitik dieser Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft die Vereinigten Staaten von Amerika schwer getroffen hat. Die Amerikaner sind ohne jeden Zweifel bereit, das hinzunehmen, aber nicht um den Preis, daß die Europäer wirtschaftlich harte Konkurrenten und militärisch nicht ausreichend genug kooperative Partner sind. Das Auseinanderklaffen zwischen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit und der Bereitschaft zu weltpolitischer
    Verantwortung mit entsprechender militärischer Gemeinschaftsleistung hat zu einer Spannung geführt, die auch ohne den Ausbruch des Nah-Ost-Krieges bestanden hätte. Sie hätte nur vielleicht nicht so schnell so hitzige Reifegrade erreicht, wie es der Fall ist.
    Zu den Problemen der Agrarmärkte hat sich erst gestern Präsident Nixon in dem Sinn sehr bitter geäußert, daß hier eine Lösung gefunden werden müßte. Das wird ein sehr schwieriges Problem sein. Da werden andere europäische Partner wahrscheinlich mehr Schwierigkeiten machen, als wir sie etwa auf Grund unserer Lage machen würden. Aber die Tatsache, daß die EWG introvertiert war, auf ihre Innenpolitik geblickt hat und auch ihre handelspolitische Ausdehnung immer unter dem Gesichtspunkt der Binnenwirtschaft und nicht der außenpolitischen Verpflichtungen gesehen hat, hat das Verhältnis zwischen den USA und Europa in diesen notleidenden Zustand gebracht.
    Das zweite, was die Amerikaner in dem Zustand natürlich sagen, ist: Nicht nur die starke Konkurrenz der wirtschaftlich erstarkten Europäer, sondern die ungleiche Verteilung — wie soeben erwähnt — der Verteidigungslasten führt dazu, daß wir so nicht mehr weitermachen können. Darum ist eine Neufassung der Grundlagen der atlantischen Gemeinschaft durch keine verbale Leistung mehr etwa hinauszuschieben oder überhaupt als Problem etwa zu beseitigen" darüber soll man sich endlich einmal im klaren sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Dann werden die bitteren Konsequenzen kommen, daß manche unserer, uns allen am Herzen liegenden innenpolitischen Ziele nicht verwirklicht werden können, weil die Europäer, wenn sie die volle Kooperation der Amerikaner auf sicherheitspolitischem Gebiete weiterhin haben wollen, wieder einen größeren Teil ihres Sozialprodukts für weltpolitische Verantwortung werden aufbringen müssen, als sie es bisher getan haben oder in Zukunft offensichtlich tun wollen. Wenn das nicht aus der Welt geschafft wird — ich habe auch kein Patentrezept dafür, aber das muß einmal angesprochen werden —, gibt es keine Konsolidierung der Atlantischen Allianz.
    Dabei muß ich der Bundesregierung zugestehen, daß sie die Tradition ihrer Vorgänger, nicht nur guten Willen zu zeigen, sondern auch materielle Leistungen für die Stationierung amerikanischer Truppen zu erbringen, auch durch den Abschluß des letzten Abkommens bewiesen hat.

    (Abg. Wischnewski: Aha! — Zuruf von der FDP: Na also!)

    — Ich habe nie etwas anderes gesagt, Herr Kollege Wischnewski. Die Präsenz der amerikanischen Truppen ist nicht eine Frage, die allein zwischen den USA und Deutschland liegt; die Präsenz der amerikanischen Truppen - wie von vielen Rednern erwähnt und von mir in einem Zusammenhang auch vorhin besonders herausgestellt - ist eine Sache, die ganz Europa angeht.

    (Abg. Stücklen: Sehr richtig!)




    Strauß
    Wenn die Amerikaner 320 000 Mann auf europäischem Boden haben — davon 200 000 auf deutschem Boden, wobei die Bundesrepublik der einzige Staat ist, der Devisenausgleichsbeträge zahlt, zum Teil auch Stationierungskosten, wenn auch in verkleideter Form; ich sage ja nichts dagegen —, dann muß dieses Problem einmal der deutsch-amerikanischen Bilateralität entkleidet werden.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Das ist ein Gemeinschaftsproblem der europäischen Gruppe der NATO und muß als gemeinschaftliche Verpflichtung angesehen werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Natürlich wird der mit den größten Währungsreserven das sind wir, nicht zuletzt infolge unseres hohen Exports — hier am stärksten auch herangezogen werden müssen. Doch muß der Grundsatz, daß es ein europäisches Problem ist, eine europäische Verpflichtung sein muß, auch in Zukunft stärker zur Geltung kommen, Bebst wenn die materielle Last in der Hauptsache bei uns liegt.
    Heute ist schon die Rede Kissingers vorn April letzten Jahres erwähnt worden. Die Antwort, die die Europäer darauf am Anfang gegeben haben, reichte von ironischer Abwertung bis hin zu offener Feindseligkeit und nur gelegentlich objektiver Würdigung. Wer die Verhältnisse kennt, wie sie sich zwischen Amerika und Europa entwickelt haben, konnte zwar nicht den Tag wissen, aber die Tat- sache voraussagen, daß eine solche Stellungnahme erfolgen würde — von Kissinger formuliert, aber hinter dem Namen war Nixon, war der amerikanische Präsident zu sehen. Und das war nicht etwa ein Ablenkungsmanöver für innenpolitische Vorgänge, sondern das war und ist bitter ernst gemeint.
    Herr Kollege Wehner, Sie würden das Wort vom Monstrum — Sie haben es heute in einer Frage noch einmal gebraucht — lieber auch nicht gesagt haben, das Sie verwendeten, als Sie damals in Schweden Ihren Groll äußerten, so wie die Bundesregierung ja ihre Stellungnahme geändert hat: von der Zustimmung der beiden Regierungssprecher — allerdings nicht legitimiert, dann zurückgepfiffen — hin zu einer sehr höflichen oder weniger höflichen Distanzierung.
    Eines werfe ich dieser Bundesregierung vor: daß sie nichts getan hat — über Monate hinweg —, um eine würdige, den geschichtlichen Notwendigkeiten entsprechende Antwort der Europäer zustande zu bringen.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Carstens [Fehmarn] : Sehr richtig! Zuruf des Bundesministers Scheel.)

    Wenn Sie mich hier, Herr Kollege Scheel, auf die Kopenhagener Antwort verweisen, dann ist das ungefähr die billigste Formulierung auf dem Boden des niedrigsten Nenners geringer gemeinsamer Überzeugungen. Diese Antwort ist auf der anderen Seite des Ozeans überhaupt nicht gehört, geschweige denn ernst genommen worden. Die Antwort steht immer noch aus, und die Antwort muß kommen.
    Wenn der eine oder andere europäische Partner noch nicht so weit sein sollte, dann muß die Bundesregierung ganz klar sagen, wo ihre Prioritäten lie- gen. Selbstverständlich: Fortsetzung des Gemeinsamen Marktes, der Wirtschafts- und Währungsunion, selbstverständlich Bemühungen um eine gemeinsame Außenpolitik. Aber man darf sich nicht hinter Europas Uneinigkeit als Gemeinschaftsleistung verstecken, wenn man einer Antwort an die USA ausweichen will; das ist hierbei das entscheidende Problem.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Was in der Zwischenzeit gesagt worden ist, gerade nach diesem Kriege mit seinen schrecklichen Verlusten und Opfern, hätte normalerweise alarmierend wirken sollen, wenn die Europäer sich weniger mit ihrem Seelenleben und mehr mit ihrem außenpolitischen Schicksal befassen würden. Ich meine die Äußerungen Kissingers, daß die Europäer in der Krise eine destruktive Rolle gespielt hätten, die Sowjetunion eine konstruktive Rolle, oder die Äußerungen vor kurzem: „Die USA werden leichter mit den Gegnern fertig, als daß sie mit ihren Verbündeten zurechtkommen", oder was der amerikanische Präsident sagte: „Man kann nicht Konfrontation in der Wirtschaft und in der Politik machen und bei der Verteidigung nach Kooperation rufen. Man muß Kooperation bei Wirtschaft, Politik und Verteidigung von Europa aus betreiben."
    Wo der eine oder andere europäische Partner vielleicht in anderer Bewertung seiner interessen — obwohl wir alle Gemeinschaftsinteressen höher stellen sollten als nationale Interessen — eine andere Meinung vertritt, sollten wir keinen Hehl daraus machen, was wir mit erster Priorität ausstatten würden. Wir sollten keinen Hehl daraus machen, was wir im europäischen Interesse — und nicht als deutscher Alleingang — im Sinne geschichtlicher Lebensnotwendigkeit für erforderlich halten. Denn — ich glaube, auch meine Vorredner, vor allem Kollege Carstens, haben das gesagt so kann es nicht weitergehen. Hier kann die Bundesregierung nicht innerhalb der Gemeinschaft eine Rolle spielen, die etwa der von Luxemburg entspricht, aber gleichzeitig für sich eine Würdigung beanspruchen, die der einer Großmacht zukommt.
    Als Kissinger letztes Jahr in seiner Rede von der „globalen Verantwortung der drei Weltmächte" sprach — USA, Sowjetunion und Volksrepublik China — und von der regionalen Verantwortung anderer Staatengruppen — er nannte die Europäer und meinte sicherlich auch die Japaner —, da war große Empörung. Ich weiß noch, als der Bundeskanzler damals nach den USA fuhr, da kamen, wenn man auch nicht alle Artikel gleich für bare Münze nehmen soll, schon sehr große Töne aus hohem Munde und vor allen Dingen aus dem Munde der Schleppenträger darum herum,

    (Abg. Dr. Carstens! [Fehmarn] : Richtig! So ging das!)

    man habe die Amerikaner einmal ordentlich zur
    Brust genommen, um sie in ihrem Leid zu trösten;
    aber man müsse jenseits des Ozeans verstehen, daß



    Strauß
    die Europäer nunmehr eine werdende Großmacht seien.

    (Abg. Dr. Carstens [Fehmarn] : Das war die Politik!)

    Sie hätten zwar noch nicht die staatliche Einheit vollendet, aber man solle endlich einmal zur Kenntnis nehmen, daß das emanzipierte Europa in eigener Sprache spreche und seine eigenen Interessen vertrete.

    (Zuruf des Abg. Kroll-Schlüter.)

    Meine Damen und Herren, ich bin auch in der internen Auseinandersetzung in diesen Jahren — ich habe auch meine Meinung dazu nicht geändert — immer mehr als ein sogenannter Gaullist bezeichnet worden denn als ein Atlantiker. Alle solche Ausdrücke sind natürlich Übertreibungen und Verzerrungen, aber der Einfachheit halber sei es hier einmal erwähnt. Ich habe auch nie einen Zweifel daran gelassen, daß mir die Abhängigkeit der Europäer von der amerikanischen Innenpolitik - ich sage es jetzt in Kurzfassung — auf die Dauer unerträglich erscheint, daß die Notwendigkeit, sich von Amerika stärker unabhängig zu machen, für uns ein lebensnotwendiges geschichtliches Gebot ist. Aber wer mehr Unabhängigkeit will, wer ein europäisches Europa schaffen will, der kann nicht die Vorposten eines Kraftzentrums zum Abzug bringen und selbst kein Kraftzentrum aufbauen, weil er sonst die todsichere Gefahr läuft, zum Opfer des anderen Kraft- und Gravitationszentrums zu werden, nämlich Moskaus.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Carstens [Fehmarn] : Sehr gut!)

    Die Rede Kissingers vorn 23. April letzten Jahres war nur der Auftakt; der Höhepunkt waren die Vorgänge um die Krise. Kollege Carstens hat es gesagt. Die Vorgänge sind so bedeutsam und tiefgreifend, daß sie nicht oft genug erwähnt werden können. Was heißt denn europäische Großmacht? Was heißt denn europäische Politik, was heißt denn europäisches Selbstbestimmungs- und Mitbestimmungsrecht, wenn wir außer verbalen Beschwichtigungsphrasen mit Gemeinplatzcharakter nichts aufzubringen hatten, um die Ausdehnung eines Brandes vor unserer Haustüre durch unseren politischen Einfluß verhindern zu können? Was heißt da noch „europäische Politik"?
    Hier tritt wiederum dieser unerträgliche Gegensatz zwischen ökonomischer Starke — 50 % der Währungsreserven, über 40 °/o des Welthandels in europäischen Händen und weltpolitischer Verantwortungsunfähigkeit und Partnerschaftsunfähigkeit zutage. Wenn wir das nicht hier sagen — und was ich sage, ist keine Anklage polemischer Art oder bissiger Art — und wenn wir jenseits des Ozeans nicht zu erkennen geben, daß wir das Problem kennen und bereit sind, es als deutsche Parlamentarier offen anzusprechen, dann versäumen wir die Chancen der Ansätze zur Wiederherstellung einer Vertrauensbasis zwischen den beiden großen Gruppen dieser atlantischen Gemeinschaft.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich darf zusammenfassen, was ich vorzuwerfen habe und was ich vorzuschlagen habe.
    Die Bundesregierung hat versagt.

    (Beifall bei der CDU/CSU. Lachen bei der SPD.)

    — Sic können durch Ihr Gelächter die Meinung der Wähler nicht ändern.

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Sie können durch Ihre Unfähigkeit zur Einsicht nicht
    das Davonlaufen führender Träger des deutschen
    Geisteslebens etwa ausgleichen. Sie sowieso nicht.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die Bundesregierung hat versagt. Ich fasse hier zusammen:
    Erstens. Sie hat keine Pläne für die politische Union Europas vorgelegt, nur angekündigt.
    Zweitens. Sie hat nichts getan, um eine würdige, vor der Geschichte vertretbare Antwort auf das Angebot Kissingers vom April letzten Jahres herbeizuführen.
    Drittens. Sie hat sich in der Krise, da Europa gewogen wurde, des Ernstes der Situation unwürdig und ihr nicht gewachsen gezeigt.
    Viertens. Sie hat versagt, als sie es versäumte, das volle Gewicht der Bundesrepublik Deutschland
    auf das man sich ja immer beruft — in die Wang-schale zu werfen, um die atlantische Konfrontation, den Zusammenstoß zwischen USA und Europa zu verhindern.
    Und sie hat nichts getan, um den wuchernden europäischen Antiamerikanismus durch ihre Haltung zu überspielen. Da müssen Sie auch in die Reihen Ihrer eigenen Partei tief hineingreifen.
    Man traut der deutschen Regierung weder in Washington noch in Paris, offensichtlich auch in Moskau nicht ganz, und noch weniger in Peking. Sie haben sich so ziemlich zwischen alle Stühle gesetzt. Daran ändern auch alle diplomatischen Höflichkeitsformulierungen nichts.
    Die Bundesregierung hat versagt, als sie es versäumte, Farbe zu bekennen, wo man von uns verlangte, uns zwischen Paris und Washington zu entscheiden. Die großen Probleme sind jedenfalls nicht gegen USA lösbar. Und sie hat versagt, als sie es versäumte, durch eigene Initiativen die Lähmung der Beziehungen zwischen USA und Europa und in Europa zu überwinden.
    Wir fordern die Bundesregierung auf, erstens unverzüglich das so lange vernachlässigte Instrument des deutsch-französischen Vertrages zu benutzen, nicht nur um zu konsultieren in schönen Gesprächen mit Communiqués, sondern mit dem Ziel, zu einer gemeinsamen Politik zu gelangen, das heißt, notfalls auch harte Verhandlungen zu führen, auch wenn man am Ende eines solchen Treffens nicht immer zu einer dann in der Substanz nicht wahren schönen Formulierung der wie immer erzielten Einigung gelangen kann.



    Strauß
    Zweitens. Wir schlagen die sofortige Wiederaufnahme der vor 13 Jahren, im April 1961, gescheiterten Verhandlungen über den Fouche-Plan vor; darüber ist heute schon gesprochen worden. Wir fordern die Bundesregierung auf, die Vollendung der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion mit allem Nachdruck zu betreiben. Wirtschaftliche Leistungen nach dem Osten hin haben so lange keine Berechtigung, als nicht das wirtschaftliche Gewicht der Bundesrepublik eingesetzt wird, um in Europa die Voraussetzungen zu schaffen, die Einheit dieses westeuropäischen Teils des Kontinents zu schaffen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir fordern die Bundesregierung auf, den von der CDU/CSU seit Jahren befürworteten Vorschlag nicht mehr zu verhindern — was Sie jetzt doch wieder tun wollen -, nämlich die deutschen Abgeordneten zum Europäischen Parlament mit Direktwahl zu entsenden. Wir fordern die Bundesregierung auf, dafür zu sorgen,

    (Abg. Fellermaier: Fragen Sie dazu doch mal Ihre Kollegen in Ihrer eigenen Fraktion!)

    daß die Vereinigten Staaten endlich eine würdige Antwort auf das Angebot einer Neuformulierung der atlantischen Kooperation erlangen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Und wir fordern die Bundesregierung auf, mit aller Klarheit und allem Nachdruck dafür einzutreten, daß hier nicht die Wahl zwischen amerikanischem oder französischem Europa — mit der Wahrscheinlichkeit eines russischen Europa — steht. Der, der in größerem Maße unabhängig von Amerika werden will, muß für ein europäisches Europa sorgen. Das ist die geschichtliche Forderung, die heute an alle politisch verantwortlichen Kräfte in der Bundesrepublik gestellt ist. Wenn heute von dieser parlamentarischen Debatte auf beiden Seiten des Atlantiks — und sie wird beachtet, das wissen wir, und davon sind wir überzeugt — die Gewißheit ausgeht, daß die Bundesrepublik zu ihrer geschichtlichen Funktion zurückfindet, daß sie nicht unter den Schatten der Vergangenheit leidend, aus der Geschichte austretend die Alternative zur Vergangenheit in der Flucht in die Unpolitik von morgen sieht, dann kann aus dieser Debatte, aus einer der vielen Debatten, die wir geführt haben und von denen dies die vorläufig letzte ist, wieder ein Ansatz zur Heilung der Probleme erwachsen, ohne deren Lösung der freie Teil Europas nicht unbegrenzt in Freiheit wird überleben können.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen meines Herrn Vorredners können mich nicht davon abhalten festzustellen, daß auch aus meiner Sicht das Geschehen der letzten Monate in Europa und in der Welt besorgniserregend genannt werden muß.
    Es erfüllt mich mit Sorge, daß das westliche Europa nicht fähig war, auf die Energiekrise einheitlich zu reagieren, ja, daß die in 15 Jahren, wenn auch widersprüchlich gewachsene Europäische Gemeinschaft selbst angesichts der neuen Probleme nicht frei war und nicht frei ist von der Gefahr der Rückentwicklung.

    (Abg. Wehner: Sehr wahr!)

    Ich sehe mit Sorge, daß zwischen Europäern und Amerikanern unangenehme, peinliche Kontroversen, auch kleinliche Sticheleien ausgetragen wurden und ausgetragen werden. Anlaß zur Sorge ist auch das Mißtrauen, Herr Kollege Strauß, mit dem mancherorts der Dialog unserer amerikanischen Hauptverbündeten mit der Führung der Sowjetunion begleitet wurde und begleitet wird.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Lassen Sie mich zu diesen Punkten folgendes in aller Deutlichkeit feststellen:
    Erstens. Die Organisation der europäischen Einigung bleibt unser geschichtlicher Auftrag. Jeder Versuch aber, dieses Europa gegen Amerika organisieren zu wollen, würde unsere Zustimmung nicht finden können,

    (Beifall bei der SPD.)

    Zweitens. Ausgleich und Freundschaft mit unseren französischen Nachbarn bleiben das Kernstück des europäischen Einigungswerkes. Eine Wahl zwischen Washington und Paris wollen und werden wir uns dabei nicht aufzwingen lassen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Drittens. Das Bemühen um Entspannung, um Kooperation zwischen den Staaten in Ost und West, um zunehmende Friedenssicherung steht nicht im Gegensatz zur atlantischen Zusammenarbeit und zur westeuropäischen Einigung, im Gegenteil, unsere Ostpolitik oder das, was man so nennt,

    (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    hat im Westen begonnen und wird immer im Westen verankert bleiben,' meine Damen und Herren.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Daran ändert auch nichts, daß die CSU, deren Vorsitzender hier gesprochen hat, und ein beträchtlicher Teil der CDU,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Lesen Sie mal Conrad Ahlers! — Abg. Seiters: Sprüche!)

    was diesen ganzen Sektor der Politik angeht, wieder bei ihrem sterilen Nein gelandet sind. Damit müssen Sie fertig werden.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf von der CDU/CSU: Lesen Sie mal Conrad Ahlers! Abg. Dr. Carstens [Fehmarn] : Lesen Sie mal die Papiere von Herrn Bahr durch! Abg. Haase [Kassel] : Sie müssen mehr Zeitung lesen, Herr Kanzler! Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

    Viertens. Europa wird nicht von allein.

    (Anhaltende Zurufe von der CDU/CSU.)




    Bundeskanzler Brandt
    Schon als Wirtschaftsgemeinschaft bedarf es immer wieder neuer Impulse.

    (Abg. Haase [Kassel] : Das hat ihm die Firma Harprecht aufgeschrieben!)

    Ein automatischer Übergang von der wirtschaftlichen zur politischen Organisation hat nicht stattgefunden, und es wird ihn nicht geben.
    Europa braucht aber nicht nur Ungeduld, Europa braucht auch Zeit.

    (Abg. Damm: Hat aber nicht mehr viel!)

    Mit Pathos und Beschwörungen und sogar mit Verfassungsentwürfen werden wir die vor uns liegenden Schwierigkeiten nicht meistern.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Was uns abverlangt wird, ist tägliche zähe Arbeit.

    (Abg. Seiters: Alles Sprüche!)

    Dabei darf man das Ziel ganz gewiß nicht aus dem Auge verlieren.
    Es sind nicht spezifisch 'deutsche, sondern allgemein westliche und allgemein europäische Sorgen, die mich heute an diesen Platz geführt haben. Unsere :Beziehungen zu den einzelnen Hauptstädten sind ungetrübt, vielfach ausgezeichnet. Aber so unangebracht es wäre, dies in Zweifel ziehen zu wollen, so angebracht ist es, hinzuzufügen: Die Tatsache, daß unsere bilateralen Beziehungen in Ordnung und, wie ich nochmals sage, weithin ausgezeichnet sind — so hat es der amerikanische Außenminister bei beiden Besuchen im Laufe eines Monats in Bonn von sich aus gesagt —,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Er hat auch etwas anderes gesagt!)

    kann uns nicht befriedigen; denn der Hintergrund, auf dem sich die bilateralen Beziehungen abspielen, ist alles andere als befriedigend. Es ist notwendig, dies in aller Deutlichkeit festzuhalten.
    Ich füge ohne Schärfe, jedoch mit Nachdruck hinzu: Die in den Ländern der Europäischen Gemeinschaft politisch Verantwortlichen werden im Laufe dieses Jahres, also 1974 — nicht irgendwann —, nicht nur gerade noch rechtzeitig erkennen, sondern auch handeln müssen. Sie würden ihren Völkern viel schuldig bleiben, wenn sie 'die Dinge weiter treiben ließen, wie es in der letzten Zeit auf vielen Gebieten geschehen ist.
    Was die Völker in diesem Teil in der Welt und darüber hinaus nicht brauchen können, ist der Rückfall in Denkgewohnheiten und Verhaltensweisen des vergangenen Jahrhunderts oder jene Zersetzung, zu der übertriebenes Mißtrauen und engstirniger Nationalismus zwangsläufig führen. Was die Staatengemeinschaft braucht, meine Damen und Herren, ist eine Wiederbelebung der gut en Praktiken — ich unterstreiche: 'der gut en Praktiken —, die nach dem zweiten Weltkrieg entwickelt wurden, ergänzt um die Erfahrungen, die aus dem kalten Krieg abgeleitet werden konnten und mußten und die aus den die gesamte Menschheit, nicht nur die
    akut hungernden Völker, bedrohenden Gefahren zusätzlich abgeleitet werden müssen.
    Es geht also um die Lösung der vielfach neuen Probleme im Innern und um die Behauptung nach außen in der sich so rasch verändernden Welt.
    Ich nehme in Kauf, mit dem, was ich dazu jetzt sagen will, dem einen oder anderen aufdringlich zu erscheinen. Aber mir kommt es darauf an, dringlich und eindringlich hierzu zu sprechen. Ich hoffe, daß dies bei unseren Freunden draußen gehört wird.
    Die Vertreter der Bundesrepublik Deutschland überschätzen und übernehmen sich nicht, aber sie entziehen sich auch keiner der Pflichten, die sie als Europäer, als loyale Bündnispartner, als Verfechter einer konstruktiven Friedenspolitik haben, und sie werden diesen ihren Pflichten nachgehen, auch wenn eine Debatte wie diese sie dabei nicht sonderlich unterstützt.

    (Beifall bei der SPD. — Widerspruch bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich hier nach vielen aufgeregten und verwirrenden Meldungen der letzten Wochen zum europäisch-amerikanischen Verhältnis folgendes feststellen:
    Es gibt aus unserer Sicht und Verantwortung und aus unserer Überzeugung keine europäische Einheit, die auf die atlantische Sicherheit verzichten könnte. Ein lebensfähiges atlantisches Bündnis kann auf die Einigung Europas nicht verzichten. Andererseits: Ein, wie man sagt — und warum nicht? —, europäisches Europa ist nicht die Alternative zur atlantischen Allianz, sondern — wie man ebenfalls sagt, und zwar kürzlich auch in Paris — der zweite starke Pfeiler, den diese atlantische Allianz braucht, wenn sie die Prüfungen dieses Jahrzehnts bestehen will.
    Ich 'begrüße es, daß der Präsident der Vereinigten Staaten die europäisch-amerikanische Allianz wiederum als wichtig für den Weltfrieden und für die Vereinigten Staaten von Amerika bezeichnet hat. Das ist auch unsere Überzeugung. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Europa und Amerika muß über das offensichtlich gemeinsame Interesse auf dem Gebiet der Sicherheit hinaus alle wesentlichen Bereiche der gegenseitigen Beziehungen umfassen. Und zu dem nicht Überwiegenden aus den Ausführungen meines Vorredners — womit ich mich ausdrücklich einverstanden erkläre — gehört der in diesem Zusammenhang gebrachte Hinweis auf die unlösliche Verbindung der währungs-, handels- und sicherheitspolitischen Fragen in diesem Zusammenhang. Dabei gilt es, darauf zu achten, daß die Eigenständigkeit der europäischen Entscheidungen und der Gleichklang von Amerika nebeneinander gewahrt bleiben.
    Wenn Amerika und Europa die beiden 'Pfeiler der atlantischen Zusammenarbeit 'bilden, dann darf es weder ständige Konfrontationen noch kann es Unterordnung geben. Ich scheue mich nicht, in diese Betrachtung den altmodischen Begriff der Rücksichtnahme einzuführen und füge gleich hinzu, daß dies natürlich keine Einbahnstraße ist. Gegenseitige Achtung und Rücksicht auf die jeweiligen Stand-



    Bundeskanzler Brandt
    punkte sind erforderlich und möglich, wenn Information und Konsultation gut funktionieren.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Barmherzigkeit mit der Sowjetunion!)

    Ich habe vor Jahr und Tag den organischen Dialog zwischen Europa und Amerika gefordert und immer wieder Vorschläge dazu gemacht, Vorschläge, von denen heute schon zu Recht gesagt wurde, daß sie zunächst nicht überall viel Zustimmung gefunden haben. Ein solcher Dialog muß zu einem Ausgleich verschiedener Interessen und zur Annäherung unterschiedlicher Meinungen führen. Es liegt auf der Hand, daß die Europäer dabei nicht immer den amerikanischen Standpunkt übernehmen können. Aber noch sicherer ist es für mich, daß sie diesen Standpunkt nicht durchweg abzulehnen haben werden.
    Im übrigen irrt mein Herr Vorredner mit dem, was er über die Antwort — und wie er es nennt, eine angemessene Antwort — auf die Rede des jetzigen amerikanischen Außenministers vom 23. April 1973 gesagt hat. Eine Woche, nachdem diese Rede gehalten wurde, haben der Bundesaußenminister und ich, nämlich am 30. April und am 1. Mai vergangenen Jahres, als die ersten Partner aus Westeuropa hierüber mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten und seinem damaligen Sicherheitsbeauftragten und dem damaligen amerikanischen Außenminister gesprochen. Seitdem — darüber können sich doch die Mitglieder des Auswärtigen Ausschusses im einzelnen informieren, wenn sie es nicht längst wissen — ist doch kein Monat, nein, keine Woche vergangen, in der nicht, weithin gestützt auf deutsche Initiativen, auf deutsche Vorschläge, über zwei Dokumente zwischen der amerikanischen Regierung und den europäischen Regierungen verhandelt worden ist — nein, nicht nur den europäischen Regierungen, denn bei dem einen Dokument, dem, das eigentlich direkt anknüpft an die damalige Kissinger-Rede in New York, geht es ja um eine Neubeschreibung, eine Bestätigung, eine Weiterführung der atlantischen Allianz.
    Da sind neben den Neun der erweiterten Gemeinschaft noch andere Europäer beteiligt, wie wir wissen, außerdem jenseits des Atlantik noch die Kanadier. Aber es lag aus unserer Sicht und nicht von vornherein gleichermaßen — was ich niemandem übelnehme — nicht so sehr auch im Sinne der amerikanischen Anregung, daß parallel dazu das Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und den neun Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft politisch, aber auch daraus herauswachsend zusätzlich sicherheitspolitisch beschrieben werden müßte.
    Es kann doch nun wirklich niemand bestreiten, das dies Gegenstand intensiver Beratungen während all dieser Monate gewesen ist. Niemand, der sich die Mühe macht, sich zu informieren, wird auch sagen können, die Bundesregierung habe sich hierum nicht intensiv und energisch bemüht. Man kann uns alles mögliche vorwerfen — das ist das gute Recht der Opposition —, aber man soll nicht auf diese Weise,
    wie es hier eben geschehen ist, die Wahrheit auf den Kopf stellen, meine Damen und Herren!

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich habe eben schon darauf hingewiesen, daß westeuropäische Einigung und Zusammenarbeit zwischen Ost- und Westeuropa sich nicht widersprechen. Im Gegenteil, wir sehen die westliche Einigung als gute Voraussetzung für die allmähliche Entwicklung einer gesamteuropäischen Zusammenarbeit dort, wo diese von der Sache her möglich ist. Auf diesem Gebiet hat es Erwartungen, natürlich auch Enttäuschungen gegeben, aber doch auch unverkennbare erste Ergebnisse. Sie gilt es konsequent weiterzuverfolgen und auszubauen.

    (Abg. Breidbach: Bla, bla!)

    Ist es nun, so möchte ich fragen, aus europäischer Sicht geboten, dem amerikanisch-sowjetischen Dialog mit Mißtrauen oder gar mit Feindseligkeit zu begegnen? Nein, ich meine, dies sei nicht nur nicht geboten, sondern es sei auch in keiner Weise berechtigt. Gewiß, die Europäer müssen aufpassen, daß ihre aktuellen und künftigen Interessen gewahrt bleiben; aber sie müssen auch achtgeben, daß sie selbst und andere nicht durch mißverständlichen europäischen Eifer zu unvernünftigen Aktivitäten gedrängt werden.
    Nehmen wir die Mittelmeer- und Nahostpolitik: Es bedarf keiner näheren Begründung, wie starke Interessen hier aus europäischer Sicht im Spiel sind. Zweifellos wäre es gut und läge es im Sinne einer friedensstabilisierenden Politik, wenn Europa in dieser Nachbarregion am anderen Ufer des Mittelmeers politisch stärker präsent wäre und wirksamer sein könnte, als das heute der Fall ist. Niemand kann es auch den Europäern verübeln, wenn sie gewissermaßen vor der eigenen Haustür — besser, wie ich eben zu sagen versuchte, von dieser Seite des Mittelmeeres aus — bemüht sind um den Frieden, um wirtschaftlichen Austausch, ja auch um 01, um die Zusammenarbeit mit den arabischen Staaten, mit Israel, mit allen Völkern dieser großen und bedeutenden Region.

    (Abg. Breidbach: Einerseits — andererseits!)

    Nur: Europa darf seine Aufgabe natürlich nicht darin sehen, die Friedensbemühungen anderer, schwer wie sie sind, noch schwerer zu machen oder zu komplizieren.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Nebenbei gesagt: mein Vorredner hat die Frage gestellt, ob es nicht an der Zeit sei, die europäischen und die amerikanischen — oder in umgekehrter Reihenfolge: die amerikanischen und die europäischen — Auffassungen und Positionen zu den Verhandlungen über die Begrenzung strategischer Waf-ten — das, was man SALT nennt, SALT II — und über den möglichen Abbau von Truppenstärken in Europa — das, was man MBFR nennt — wieder auf einen Nenner zu bringen. Diese Frage geht an der Wirklichkeit vorbei. Auch hier kann ich wiederum nur empfehlen, daß die im einzelnen interessierten Kollegen die Regierung im Auswärtigen Ausschuß



    Bundeskanzler Brandt
    befragen. Dann werden sie erfahren, wie auch bei dem zweiten Besuch des amerikanischen Außenministers, der erst wenige Tage zurückliegt — vor seiner Reise in die Sowjetunion —, zusätzlich zu dem, was im NATO-Rat besprochen wird, die Positionen zu SALT erneut miteinander verglichen und à jour geführt worden sind, und daß im NATO-Rat die Positionen für die Verhandlungen in Wien über den möglichen gegenseitigen ausgewogenen Abbau von Truppenstärken bis ins einzelne miteinander abgestimmt sind. Auch hier ist es nicht richtig, wenn es auch mehr in der Form einer Frage geschah, der Öffentlichkeit, die uns zuhört, einen Eindruck zu vermitteln, der ganz und gar von der tatsächlichen Lage abweicht.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Gemeinsam mit unseren europäischen Partnern werden wir immer wieder zu prüfen haben, wie wir solchen Gefahren, von denen ich eben sprach, als ich die mögliche Erschwerung von Friedensbemühungen anderer erwähnte, ausweichen und doch das tun können, was in dieser Zeit auf dem Wege zu stärkerer europäischer Interessenwahrung und größerer europäischer Weltgeltung möglich ist.
    Was den gegenwärtigen Zustand der Europäischen Gemeinschaft selber angeht, so ist es schwer — davon war schon die Rede —, diesen Zustand anders als kritisch zu nennen. Allerdings bezieht sich diese meine Bemerkung nicht darauf, daß Herr Kollege Strauß meinte, seine negative Beurteilung dieses Zustandes Europas in erster Linie aus dem ableiten zu können, was er für die Mängel und Schwächen der Bundesregierung hält.

    (Abg. Wehner: Sehr wahr!)

    Ich habe mich gefragt, als er so sprach, von welchem Europa er eigentlich spricht, in welcher Welt er eigentlich lebt.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wenn man sich umschaut in Europa und miteinander vergleicht, wer was für Europa tut in dieser Zeit, dann kann man nur, wenn man durch eine dicke parteipolitische Brille sieht, zu dem Urteil kommen, zu dem Herr Strauß hier gekommen ist.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wenn ich etwas spitzer formulieren würde, würde ich sagen: Es war ein nicht gelungener Versuch, einer antifranzösischen Rede einen Drall gegen die eigene Regierung zu geben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Was im übrigen den Zustand der Gemeinschaft angeht, will ich sagen: Die Erweiterung, für die wir uns nachdrücklich einsetzten, hat noch nicht — wer wollte es leugnen — zu dem erhofften neuen Auftrieb geführt. Großbritannien wünscht eine Reihe von Fragen zu diskutieren. Das wird also geschehen. Die Grundlagen der Römischen Verträge dürfen nicht erschüttert und ihre Ziele nicht in Frage gestellt werden.

    (Abg. Kroll-Schlüter: Strauß ... Gaullist!)

    In der Errichtung der Wirtschafts- und Währungsunion hat es in den vergangenen Monaten bedauerliche Rückschläge gegeben. Das dämpft zwar zu hohe Erwartungen, kann uns aber nicht von der Zielsetzung abbringen. Die politische Zusammenarbeit hat gewisse Fortschritte gemacht, steckt aber in ähnlichen Schwierigkeiten, wie wir sie bei der Definition des Verhältnisses zu Amerika erleben.
    Die Europäische Union, die durch die Pariser Konferenz vom Oktober 1972 als übergreifende und umfassende Aufgabe bis zum Ende dieses Jahrzehnts bezeichnet wurde, hat auch begrifflich noch kaum konkretisiert werden können. Aber den Beginn hat die deutsche Regierung damit gemacht, wie der Außenminister hier in seiner Rede darlegte.
    Die Institutionen der Gemeinschaft sind noch nicht eigentlich auf ihre Schwächen abgeklopft worden, jedenfalls nicht von den Regierungen. Und besonders unbefriedigend bleibt es, daß die Rechte des Europäischen Parlaments nicht angemessen erweitert worden sind. Deshalb begrüße auch ich so sehr den Antrag, den hierzu die Koalitionsfraktionen eingebracht haben.
    Für mehr als bedenklich halte ich es, daß der Versuch, der auf der Kopenhagener Konferenz im Dezember unternommen wurde, eine europäische Energie- und Rohstoffpolitik zu entwickeln, zunächst zu wenig mehr als nichts geführt hat.

    (Abg. Dr. Carstens [Fehmarn]: Ja. ja!)

    Es hat nun, meine Damen und Herren, meiner Meinung nach keinen Sinn, sich nicht bewußt zu machen, daß die unterschiedliche Situation in den Mitgliedstaaten eine gemeinsame Wirtschafts- und Währungspolitik auf kürzere Sicht leider sehr schwierig erscheinen läßt. Keine verbalen Aktionen bringen uns aus dieser Unterschiedlichkeit der ökonomischen Lage in den verschiedenen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft heraus.

    (Abg. Damm: Sehr richtig!)

    Weitreichende Initiativen — ich muß dies so offen sagen, wie es gesagt werden muß — auf diesem Gebiet sind zur Zeit kaum durchführbar.

    (Abg. Dr. Marx: Das wird eine Schlagzeile in der Zeitung!)

    Hier mit dem Kopf durch die Wand zu wollen, ist so, wie es auf anderen Gebieten auch wäre: daß das der Wand zur Not noch besser bekommt als dem Kopf.

    (Heiterkeit. — Abg. Haase [Kassel] : Es kommt auf das Köpfchen an!)

    Meine Damen und Herren, das sagt sich leicht, aber darin steckt zugleich der Hinweis — und auf den kommt es mir an —, wie schwierig es ist, zur gemeinsamen Abwehr der Geldentwertung vorzustoßen. Meine Damen und Herren, die Sie für die Opposition sprechen: Wer dies in diesem Augenblick der Öffentlichkeit nicht auch sagt, sondern so tut, als ob Reden zur Wirtschafts- und Währungsunion heute und morgen zu etwas führen könnten, der lenkt die Aufmerksamkeit ab von der bitteren Tat-



    Bundeskanzler Brandt
    sache, daß wir uns mit der Geldentwertung leider
    noch eine ganze Weile auseinandersetzen müssen,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Aha! — Weitere lebhafte Zurufe von der CDU/CSU)

    ohne zu der gebührenden gemeinsamen europäischen Aktion kommen zu können. So sieht es praktisch aus.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Haase [Kassel] : Das erzählen Sie seit vier Jahren! Seit vier Jahren klopfen Sie diesen Spruch! Wie haben wir es dahin ge-. bracht, von 2 auf 10%? Diplom-Inflationist! Sie machen doch die Inflation! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

    Wie muß eine Konsolidierungsphase aussehen, die diese Bezeichnung verdient? Ich nenne einige Schwerpunkte:
    Erstens: Sicherung und, wo möglich, Ausbau des Gemeinsamen Marktes in allen seinen Bestandteilen, insbesondere also des freien Warenverkehrs und auch der gemeinsamen Agrarpolitik.
    Zweitens. Struktur- und Ausgleichsmaßnahmen auch auf regional- und sozialpolitischem Gebiet. Aber ich füge auch hier der Ehrlichkeit halber, auf die unsere Mitbürger Anspruch haben, gleich hinzu: ohne daraus unrealistische finanzielle Verpflichtungen abzuleiten.
    Drittens. Formulierung einer gemeinsamen Energiepolitik, wobei eine Energieagentur nach dem Modell anderer nachgeordneter Gemeinschaftsbehörden in Betracht kommen könnte, Bei der Gestaltung der gemeinschaftlichen Außenbeziehungen auf diesem Gebiet werden die Arbeiten der Washingtoner Energiekonferenz zu beachten sein.
    Viertens. Wenn gemeinsame wirtschafts- und währungspolitische Maßnahmen, wie sie für die eigentliche zweite Phase der Wirtschafts- und Währungsunion in Betracht kämen, jetzt nicht anstehen, sollte doch eingehend geprüft werden, ob nicht im Bereich der Steuerharmonisierung konkrete Fortschritte erzielt werden können.
    Fünftens. Weiterhin unbeirrtes Bemühen, die Arbeitsweise der Institutionen der Gemeinschaft zu verbessern, besonders die Befugnisse des Europäischen Parlaments auszubauen und auch — so wie es der Herr Bundesaußenminister heute vormittag entwickelt hat — die politische Zusammenarbeit weiterzuentwickeln.
    Ich fordere den Rat und die Kommission der Gemeinschaft sowie die Mitgliedsregierungen auf, unverzüglich die Formulierung eines derartigen, zwar begrenzten, aber realistischen Programms aufzunehmen.
    Im übrigen habe ich mir entsprechend dem Beschluß von Kopenhagen die Entscheidung vorbehalten, ob ich meinen Kollegen eine neue Präsidentschaftskonferenz Ende Mai in Bonn vorschlagen werde. Im Augenblick spricht mehr dafür, hierauf
    zu verzichten; denn ich meine, ein derartiges Treffen sollte nur dann stattfinden,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Kurz vor der Niedersachsen-Wahl!)

    wenn zuvor in einigen wichtigen Fragen die Vorbereitungen so weit gediehen sind, daß Impulse oder Leitlinien der Staats- und Regierungschefs normalen Ratsentscheidungen den Weg ebnen können. Die vertraulichen Aussprachen bei Treffen zwischen den Staats- und Regierungschefs erachte ich aus meiner bisherigen Erfahrung als ein nützliches Element, das dem Einigungsprozeß insgesamt dienlich sein kann. Aber wir sind nicht darauf aus, bei uns eine Konferenz durchzuführen, wenn die Wahrscheinlichkeit nicht für ein mindestens bescheidenes positives Ergebnis spricht.
    Es wäre überhaupt verfehlt und unglaubwürdig, wenn die Regierungen ihre Aufmerksamkeit den Zukunftsbildern zuwendeten, statt die konkreten Aufgaben zu lösen.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Das Ideal von übermorgen darf nicht zur Entschuldigung werden, die Mühsal des Tages zu ignorieren.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Beifall und Bravo-Rufe bei der CDU/CSU. — Abg. Hasse [Kassel] : Das hat Herr Gaus mal gesagt!)

    Zur europäischen Union sagen wir unverdrossen j a.

    (Abg. Seiters: Sprüchemacher!)

    Ich meine, ihre Kraft wird sich stärker erweisen

    (Abg. Haase [Kassel] : Jetzt kommt es wieder!)

    als die Rebellion nationaler Egozentrik.

    (Abg. Dr. Mertes auch Egon Bahr? — Abg. Haase [Kassel] : Jetzt kommt noch die „Barmherzigkeit"!)

    Denn das sind Versuche zur Flucht aus der Wirklichkeit. Die Wirklichkeit aber gebietet, sich auf Europa als das Feld neuer Vitalität einzustellen.
    Die nächste deutsch-französische Konsultation hat aus Gründen, die ich nicht näher zu beschreiben brauche, um einen Monat auf Anfang Mai verschoben werden müssen. Ich sehe dieser neuen Begegnung in der Hoffnung und in der Überzeugung entgegen, daß der Wunsch auf beiden Seiten gleich groß ist, die Zeit der Ungewißheit in der europäischen Szene und im europäisch-amerikanischen Verhältnis bald zu beenden. Für beide Völker, in diesem Fall Frankreich und uns, steht zuviel auf dem Spiel. Die intensive und umfassende Verständigung mit unseren französischen Nachbarn bleibt für uns — ich unterstreiche es — das Fundament unserer Europapolitik. Und an die Adresse meines Vorredners noch einmal: Es kann überhaupt keine Rede davon sein, sondern es wäre auch hier eine völlige Verzeichnung der Wirklichkeit, davon zu sprechen, daß diese Regierung es nicht als eine wichtige Aufgabe betrachtet hätte, das Instrument des deutsch-französischen Vertrags zu nutzen. Wir



    Bundeskanzler Brandt
    haben es genutzt, wir werden es nutzen. Wir werden den Verrtag in den Dienst der gemeinsamen europäischen Sache stellen. Was ich nicht akzeptiere — und ich sage das mit Betonung nach der Rede, die wir vorhin gehört haben —, ist jene politische Schwarzweißmalerei, zu der die Vorstellung einer Wahl zwischen Europa und der Atlantischen Allianz dann schließlich immer wieder gehört.
    Ich muß es — wie ich hier noch einmal klargemacht habe — auch ablehnen, die Politik der westlichen Partnerschaft und Einigung in Frontstellung zum Bemühen um Kooperation zwischen Ost und West zu bringen oder sie von der zunehmend bedrückenden Problematik im Nord-Süd-Verhältnis abzukapseln.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Dies ,darf, meine sehr verehrten Anwesenden, nicht die Zeit der schrecklichen Vereinfacher sein,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wer tut denn das?)

    auch nicht die Zeit derer, die Gefangene der Vergangenheit sind, ohne sich dessen bewußt zu sein.
    Vielleicht kann von dieser Aussprache trotz allem auch etwas ausgehen, was denjenigen unserer europäischen Mitbürger hilft, die Vernunft und Sicherheit und Zukunft meinen, wenn sie Europa sagen.

    (Anhaltender Beifall bei den Regierungsparteien.)