Rede von
Anton
Pfeifer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Unsere Stellungnahme zu diesem Gesetzentwurf der Bundesregierung möchte ich mit einer grundsätzlichen Beschreibung unserer Position beginnen. Die Reformposition der CDU/ CSU in der Hochschulpolitik und in der Hochschulgesetzgebung ist klar in den Grundsätzen, eindeutig in der Argumentation, im Unterschied zur Bundesregierung seit Jahren kontinuierlich und orientiert an den Anforderungen, die unser Staat und unsere Gesellschaft an die Hochschulen stellen.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion will ein Gesetz, das dem einzelnen chancengerecht optimale Ausbildungs- und Bildungsmöglichkeiten eröffnet, das die Freiheit von Forschung, Lehre und Studium sichert, das die Qualität und Leistung der Hochschulen steigert, das die Studienreform und die Reform der Personalstruktur als zentrale Reformanliegen
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 71 . Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Dezember 1973 4439
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voranbringt und das die künftigen Hochschulstrukturen für eine dynamische Entwicklung offenhält.
Diese Maximen der Hochschulreformpolitik der CDU/CSU haben wir in Bund und Ländern konsequent und zielstrebig verfolgt, seit in der Bundesrepublik überhaupt über Hochschulreform gesprochen wird, und nicht nur das: in cien Ländern, in denen CDU und CSU Hochschulreform verwirklichen, haben wir diese Ziele in erfolgreiche Hochschulpolitik und anerkannte Landesgesetze umgesetzt.
SPD und FDP sind in den letzten Monaten nicht müde geworden in der Wiederholung ihrer Behauptung, das Hochschulrechtsgesetz sei in der 6. Legislaturperiode am Widerstand von CDU und CSU gescheitert. Obwohl davon heute in der Begründung durch die Bundesregierung nicht mehr die Rede war, möchte ich doch hierzu zwei Dinge feststellen: Verantwortlich für das Scheitern des Gesetzentwurfs in der letzten Periode war -- so sehe ich es wenigstens — zunächst, daß von Januar bis Juni 1972 die Beratungen im Wissenschaftsausschuß nicht abgeschlossen werden konnten, weil die Mehrheit dieses Ausschusses über Monate hinweg nicht in der Lage war, zu Kernpunkten des Gesetzes, etwa zur Mitbestimmung oder zum Verhältnis von Hochschule und Staat, abschließende Formulierungen vorzulegen,
was ausschließlich auf die Auseinandersetzung innerhalb der SPD-Fraktion zurückzuführen ist, die, wie meist, auch hier keine Konzeption, sondern viele Konzepte vertritt.
Hieraus ist für die Zukunft eine Lehre zu ziehen: Solange die SPD nicht in der Lage ist, sich in der Hochschulpolitik intern auf ein gemeinsames Konzept zu einigen, solange beispielsweise Herr Minister von Dohnanyi hier im August einen Gesetzentwurf für ein Hochschulrahmengesetz präsentiert und dann im Oktober der sozialdemokratische Wissenschaftsminister und die sozialdemokratische Landtagsfraktion im größten deutschen Bundesland Thesen zur Novellierung des Hochschulgesetzes und des Gesamthochschulgesetzes von Nordrhein-Westfalen vorlegen, die in Kernpunkten, nämlich bei der Personalstruktur und bei der Mitbestimmung, gänzlich andere Wege gehen als dieser Rahmengesetzentwurf, werden Sie, Herr Minister, mit Ihrem Gesetz immer wieder scheitern und, meine ich, auch scheitern müssen. Denn welchen Schluß sollen wir aus diesem Vorgang — oder auch aus dem Beitrag, der von Herrn Wichert heute in einer großen deutschen Tageszeitung veröffentlicht worden ist überhaupt ziehen, wenn nicht den, daß es in Ihren Reihen eine ganze Zahl von maßgeblichen Bildungspolitikern gibt, die dieses Rahmengesetz überhaupt nicht wollen, weil es ihre landesgesetzgeberische Zukunft hemmend festlegt?
Dieser Vorgang in Nordrhein-Westfalen zwingt uns, hier am Anfang der Gesetzesberatungen ohne jede Schärfe, aber mit aller Deutlichkeit eines zu sagen: Klären Sie, Herr Minister, zunächst einmal die Dinge im eigenen Hause, und versuchen Sie nicht länger, sich selbst mit der Erklärung, das Hochschulrahmengesetz sei bisher an der CDU/CSU gescheitert und drohe wieder an der CDU/CSU zu scheitern, über die Tatsache hinwegzutäuschen, daß in Ihren eigenen Reihen mehr als nur einer ganz offensichtlich das Scheitern Ihres Gesetzentwurfes - und ich habe den Eindruck, nicht nur des Gesetzentwurfes — gar nicht ungern sähe.
Meine Damen und Herren, es gibt noch eine zweite Ursache für das Scheitern des Rahmengesetzes in der letzten Periode. Wir, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, haben im 6. Deutschen Bundestag eine Reihe von gemeinsamen Beschlüssen im Innenausschuß und im Rechtsausschuß erlebt. Die CDU/ CSU-Bundestagsfraktion hat diese gemeinsamen Beschlüsse im federführenden Wissenschaftsausschuß vertreten. SPD und FDP haben sie in diesem federführenden Ausschuß meist nicht befürwortet und als indiskutabel abgelehnt. Und selbst Kompromißformulierungen, die von Ihrer Seite vorgeschlagen worden waren und die wir beantragt haben, haben Sie mit einer Handbewegung vom Tisch gefegt!
In der Schlußphase der Gesetzesberatung in der 6. Legislaturperiode hat sich eindeutig der linke Flügel der SPD-Fraktion durchgesetzt. Die Fraktion hat dies nicht verhindert; der Minister war zu schwach, um es zu verhindern. Ich sage Ihnen eines: Wenn dies diesmal wieder so wird, dann wird es kein Hochschulrahmengesetz geben, denn — davon bin ich überzeugt die Mehrheit dieses Hauses, und zwar weit über die Zahl der Abgeordneten von CDU und CSU hinaus, will kein Hochschulrahmengesetz, wie es beispielsweise Herr Kollege Wichert heute in seinem erwähnten Beitrag in einer deutschen Tageszeitung fordert.
Meine Damen und Herren, im übrigen will ich aber auch dies sagen: Sowohl der Regierungsentwurf als auch der von der Mehrheit des Wissenschaftsausschusses verabschiedete Entwurf aus der letzten Legislaturperiode waren eindeutig verfassungswidrig.
Sie hätten beide einen Prozeß in Karlsruhe, der ja ins Haus stand, nicht überlebt.
Ich finde es schlichtweg grotesk und unverständlich, wenn Bundesregierung, SPD und FDP, nachdem sie hier in der letzten Periode einen verfassungswidrigen Gesetzentwurf vertreten haben, uns jetzt verübeln, daß dieser Entwurf nicht auch noch Gesetz geworden ist.
Ich stelle die Frage, weil sie für die Beratungen in dieser Periode von Bedeutung sein wird: Wäre
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Ihnen denn das Inkrafttreten eines verfassungswidrigen Gesetzes lieber gewesen?
Oder, anders gefragt: Ist Ihnen das Durchsetzen Ihrer politischen Ziele inzwischen wichtiger geworden als die verfassungsrechtliche Absicherung der hochschulpolitischen Zielsetzung dieses Hauses?
Meine Damen und Herren, im Augenblick will ich deshalb folgendes feststellen. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat in der letzten Legislaturperiode des Bundestages als einzige Fraktion dieses Hauses bis zu den Schlußberatungen im Wissenschaftsausschuß einen Gesetzentwurf vertreten, der den Grundsätzen und Maßstäben des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Mai 1973 entsprochen hat. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird auch in dieser Legislaturperiode darauf bestehen, daß nur ein Gesetz verabschiedet wird, das diesen Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts glasklar und unzweideutig entspricht.
Wir sind um so entschiedener für diesen Grundsatz eingetreten und werden dies auch in Zukunft tun, weil dieses Urteil des Bundesverfassungsgerichts doch überhaupt nur notwendig wurde, nachdem in einigen SPD-regierten Bundesländern die sozialdemokratische Hochschulgesetzgebung und Hochschulpolitik immer mehr zum Spielball und Vollstrecker linksradikalen Drucks geworden ist.
Die Protestbewegung an den Hochschulen war weltweit, aber in keinem Land der freien Welt hat man während dieser Protestbewegung radikalen Gruppen den Zugang zu den Entscheidungsgremien der Hochschulen in solchem Maße geöffnet wie in einigen sozialdemokratischen Hochschulgesetzen. In keinem Land der freien Welt sind deshalb als Folge dieser Protestbewegung Leistungsfähigkeit und Freiheit von Forschung und Lehre durch radikale Gruppen auch nur annähernd so bedroht wie in manchen Fachbereichen in Berlin, Bremen, Niedersachsen oder Hessen, wo man zum Teil selbst den absurdesten Forderungen nachgegeben hat.
— Sehen Sie, der Unterschied ist eben der: In Baden-Württemberg gibt es einen Kultusminister, der in solchen Dingen auf der Seite der Sicherung der Freiheit steht. Ich habe den Eindruck, daß das in manchen anderen Ländern nicht der Fall ist.
Ich erinnere beispielsweise an die drittelparitätische Besetzung von Konzil und Konvent in Berlin und Hessen, was zur Folge hat, daß Personen wie Johano Strasser zum Hochschulpräsidenten gewählt werden, obwohl der Berliner Wissenschaftsenator Stein zuvor festgestellt hat, daß eine Übernahme Strassers in das Beamtenverhältnis aus zwingenden Gründen nicht möglich ist.
Ich erinnere z. B. an jenen § 6 des hessischen Universitätsgesetzes, der jeden Studenten ausdrücklich ermächtigt, die Öffentlichkeit gegen ihm unliebsame Hochschullehrer aufzuwiegeln unter dem Vorwand mangelnden gesellschaftlichen Bezugs seiner Forschungsarbeiten. Ich erinnere z. B. an die Zusammensetzung von Prüfungskommissionen in Berlin, die — ich zitiere hier zwei Mitglieder der SPD, die Herren Professoren Winkler und Schwan — teilweise zu katastrophalen Prüfungsverhältnissen geführt hat — ein Urteil, das niemanden wundert, wenn, um auch nur ein Beispiel zu nennen, in einer Prüfung, in der es um die Gewerkschaft in der DDR ging, bei der Frage eines Prüfers, was der Prüfling vom Streikverbot der DDR halte, die beiden anderen Prüfer mit dem Bemerken intervenierten, diese Frage sei innerhalb einer Prüfung für das Vordiplom wohl zu schwer.
Dies alles ließe sich beliebig verlängern und führt zu dem Schluß: In vielen Hochschulbereichen, für welche SPD-Minister und SPD-Mehrheiten die Verantwortung tragen und in denen die Mitbestimmungsfragen zur zentralen Frage der Hochschulreform hochstilisiert wurden, wurde in Wahrheit mit schematischen Paritäten zuallererst die Gruppenpolarisierung gefördert und als Folge davon qualifizierte wissenschaftliche Forschung und Lehre durch politische Engstirnigkeit und Aufblähung der Universitätsbürokratie abgelöst.
In manchen Universitäten bestehen heute mehr als 150 Selbstverwaltungsgremien. Dies macht doch wohl deutlich genug, daß aus mehr Demokratie nichts anderes wurde als mehr Bürokratie. Das macht allerdings auch deutlich, daß an die Stelle von wissenschaftlich qualifizierten, sachlich legitimierten und demokratisch orientierten Autoritäten zum Teil neue Autoritäten getreten sind, die in ihrer Intoleranz und ihrem Herrschaftsanspruch alles Bisherige in den Schatten stellen.
Wen wundert es da, wenn angesehene Wissenschaftler den Universitäten in diesen Bundesländern den Rücken kehrten und dies mit deutlichen Worten begründeten? Zur Begründung zitiere ich beispielsweise Professor Nipperdey beim Verlassen der Freien Universität Berlin:
Der Anspruch der Gesellschaft auf freie, effiziente Forschung und Lehre bleibt — in dieser Universität — unerfüllt. Statt dessen wird ein roter Elfenbeinturm, wird der Kampf gegen die Gesellschaft in der Universität organisiert, und der Steuerzahler muß die Machtansprüche ideologischer Cliquen mit horrend steigenden Beiträgen finanzieren.
Es ist bezeichnend, daß vom Präsidenten der Freien Universität Berlin in einer Stellungnahme dieser Begründung von Herrn Nipperdey als ein „nicht besonderes Vorkommnis in der fortschreitenden Reformentwicklung der Freien Universität" bezeichnet worden ist.
Meine Damen und Herren, zu dieser Gesamtentwicklung hat der Kongreß des Internationalen Rates
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„Universität in Not" in diesem Oktober in Venedig folgendes Resümee gezogen, das ich hier doch zitieren möchte:
Wir sind besonders besorgt und erschrocken über die Zustände in Deutschland und Dänemark, wo die gesetzgebenden Körperschaften Vorschriften für die Leitung und Verwaltung der Universitäten erlassen oder gebilligt haben, die, wenn sie lange genug in Kraft sind, diese Länder nach unserer Meinung zu geistiger Enthauptung verurteilen.
Meine Damen und Herren, angesichts dieser Entwicklung, die man in ihren Details noch weiter schildern könnte, sind wir von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion den Kultusministern von Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und dem Saarland dankbar, daß sie mit dem Willen zur Reform gleichzeitig auch die Grenzen der Reform markiert haben, daß sie sich jeder Bewegung nicht nur verbal, sondern auch in der Tat widersetzt haben, welche Institutionen der Forschung und Lehre zu Basen für den politischen Kampf gegen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung umfunktionieren will, und wir sind ihnen dankbar dafür, daß sie ihre Hochschulpolitik ausschließlich und mit Erfolg am System der Freiheit und der Leistung und an der Verantwortung des Staates für die Hochschulen und deren freiheitliche Grundstruktur orientiert haben.