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    Deutscher Bundestag 51. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 20. September 1973 Inhalt: Begrüßung der in den Deutschen Bundestag eingetretenen Abg. Frau Lüdemann . 2863 A Erweiterung der Tagesordnung 2863 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Heimarbeitsgesetzes und anderer arbeitsrechtlicher Vorschriften (Heimarbeitsänderungsgesetz) (Drucksache 7/975) — Erste Beratung — Arendt, Bundesminister (BMA) . . 2863 B Dr. Nölling (SPD) . . . . . . . 2864 C Gerlach (Obernau) (CDU/CSU) . . 2865 C Schmidt (Kempten) (FDP) . . . . 2867 B Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung des Schwerbeschädigtenrechts (Drucksache 7/656) - Erste Beratung Arendt, Bundesminister (BMA) . 2868 B Maucher (CDU/CSU) 2871 A Glombig (SPD) . . . . . . . 2873 C Hölscher (FDP) . . . . . . . 2877 A Frau Hürland (CDU/CSU) . . . 2878 B Entwurf eines Gesetzes über die laufende Anpassung der Altersgelder in der Altershilfe für Landwirte (Siebentes Änderungsgesetz GAL) (Drucksache 7/934) — Erste Beratung - Arendt, Bundesminister (BMA) . 2878 D Wolf (SPD) 2879 D Horstmeier (CDU/CSU) . . . . 2880 D Ronneburger (FDP) 2882 B Logemann, Parl. Staatssekretär (BML) 2883 C Entwurf eines Sozialgesetzbuchs — Allgemeiner Teil — (Drucksache 7/868) — Erste Beratung — in Verbindung mit Antrag betr. Schaffung eines einheitlichen und umfassenden Jugendgesetzbuches (Abg. Rollmann, Kroll-Schlüter und Fraktion der CDU/CSU) (Drucksache 7/1019) Arendt, Bundesminister (BMA) . . 2884 C Müller (Remscheid) (CDU/CSU) . . 2886 B Müller (Berlin) (CDU/CSU) . . . . 2886 C Gansel (SPD) . . . . . . . . 2887 D Spitzmüller (FDP) 2890 D Rollmann (CDU/CSU) . . . . . 2892 A Westphal, Parl. Staatssekretär (BMJFG) . . . . . . . . . . 2892 C II Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. September 1973 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes — Drucksache 7/861 — Erste Beratung — Arendt, Bundesminister (BMA) . . 2894 C Dr. Arnold (CDU/CSU) 2895 C Glombig (SPD) 2896 A Groß (FDP) 2896 C Fragestunde (Drucksache 7/1004) Frage A 64 des Abg. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim (CDU/CSU) : Konsequenzen aus dem SchliekerBericht betr. Mängel in der Flugsicherung und bei den Arbeitsbedingungen der Fluglotsen Ravens, Parl. Staatssekretär (BK) . 2897 C, D, 2898 A, B, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim (CDU/CSU) 2897 C, D Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . 2898 A Börner (SPD) 2898 A Dr. Schmitt-Vockenhausen, Vizepräsident 2898 A Frage A 65 des Abg. Schulte (Schwäbisch Gmünd) (CDU/CSU) : Schlieker-Empfehlungen und Zusagen des ehemaligen Verkehrsministers Leber an die Fluglotsen Ravens, Parl. Staatssekretär (BK) . . 2898 B, C, D, 2899 A Schulte (Schwäbisch Gmünd) (CDU/CSU) 2898 C, D Dr. Schmitt-Vockenhausen, Vizepräsident . . . . . . . . 2898 C Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . . 2899 A Fragen A 66 und 67 des Abg. Dr. Miltner (CDU/CSU) : Äußerungen des Bundeskanzlers zum Bummelstreik der Fluglotsen und Verhalten des Bundeskabinetts in dieser Frage Ravens, Parl. Staatssekretär (BK) . . 2899 A, B, C, D, 2900 A, B, C, D, 2901 A, B, Dr. Miltner (CDU/CSU) . . . . 2899 B, C Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . 2899 D Schulte (Schwäbisch Gmünd) (CDU/CSU) 2900 A Dr. Freiherr Spies von Büllesheim (CDU/CSU) 2900 A Hoffie (FDP) 2900 B Breidbach (CDU/CSU) 2900 B Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) . . 2900 C Dr. Hirsch (FDP) 2900 D Pfeffermann (CDU/CSU) 2900 D Müller (Nordenham) (SPD) . . . 2901 A Dr. Jenninger (CDU/CSU) . . . 2901 B Dr. Schmitt-Vockenhausen, Vizepräsident . . . . . . . . 2901 B Frage A 68 des Abg. Sick (CDU/CSU) : Feststellung des Bundeskanzlers betr. Disziplinarmaßnahmen gegen Teilnehmer am Bummelstreik der Fluglotsen Ravens, Parl. Staatssekretär (BK) . . 2901 C, D, 2902 A Sick (CDU/CSU) 2901 C, D Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . 2902 A Straßmeir (CDU/CSU) 2902 A Fragen A 69 und 70 des Abg. Dr. Müller- Hermann (CDU/CSU) : Auffassung des Bundeskanzlers betr. das Verhalten des Bundesverkehrsministers im Falle des Bummelstreiks der Fluglotsen Ravens, Parl. Staatssekretär (BK) . . 2902B,C,D 2903A,B,C,D 2904 B, C, D, 2905 A, B, C Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . 2902 B, C 2903 D, 2904 B Dr. Schmitt-Vockenhausen, Vizepräsident 2902 C Börner (SPD) . . . . . . . . 2902 D Dr. Waffenschmidt (CDU/CSU) . 2903 A Schulte (Schwäbisch Gmünd) (CDU/CSU) . . . . . 2903 B, 2905 A Breidbach (CDU/CSU) . . . . . . 2904 C Liedtke (SPD) . . . . . . . . . 2904 D Dr. Freiherr Spies von Büllesheim (CDU/CSU) . . . . . . . . . 2905 A Tillmann (CDU/CSU) . . . . . 2905 B Straßmeir (CDU/CSU) 2905 B Berger (CDU/CSU) 2905 C Frage A 4 des Abg. Zebisch (SPD) : Einräumung besonderer Präferenzen für die Schwerpunktorte des Rahmenplans zur Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" bei der Förderung überbetrieblicher beruflicher Ausbildungszentren Zander, Parl. Staatssekretär (BMBW) 2905 D, 2906 A, B, Zebisch (SPD) . . . . . . . . 2906 A, B Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. September 1973 III Frage A 5 des Abg. Dr. Haenschke (SPD) : Möglichkeiten der finanziellen Förderung für Arbeitnehmer, die sich als Berufsausbilder qualifizieren wollen Zander, Parl. Staatssekretär (BMBW) 2906 B Frage A 40 des Abg. Möllemann (FDP) : Belästigung und Gefährdung der Bürger in den Tiefflugzonen Berkhan, Parl. Staatssekretär (BMVg) 2906 D 2908 A, C, D 2907 C, D 2909 A Möllemann (FDP) 2907 C Köster (CDU/CSU) 2907 D van Delden (CDU/CSU) 2908 A Hoffie (FDP) 2908 C Tönjes (SPD) 2908 D Dr. Kraske (CDU/CSU) 2908 D Fragen A 41 und 42 des Abg. Dr. Enders (SPD) : Einberufung von Lehrern zur Bundeswehr Berkhan, Parl. Staatssekretär (BMVg) 2909 B, D Dr. Enders (SPD) 2909 D Fragen A 45 und 46 des Abg. Dr. Franz (CDU/CSU) : Maßnahmen gegen die Einschleppung der Cholera Westphal, Parl. Staatssekretär (BMJFG) 2910A, C Frage A 47 des Abg. Kiechle (CDU, /CSU) : Überprüfung des Gutachtens über die ernährungsphysiologische Bedeutung von Butter und Margarine Westphal, Parl. Staatssekretär (BMJFG) . . . . . . 2910D, 2911 A Kiechle (CDU/CSU) 2911 A Frage A 48 des Abg. Kiechle (CDU/CSU) : Aussage des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit über die Bekömmlichkeit und Preiswürdigkeit von Pflanzenfett und Margarine Westphal, Parl. Staatssekretär (BMJFG) . . . . . 2911 B, D, 2912 A Kiechle (CDU/CSU) . . . 2911 D, 2912 A Zur Geschäftsordnung Seiters (CDU/CSU) 2912 B Aktuelle Stunde Bummelstreik der Fluglotsen Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . . 2912 C Börner (SPD) . . . . . . . . . 2913 D Hoffie (FDP) . . . . . . . . . 2914 C Dr. Lauritzen, Bundesminister (BMV) 2915 C Dr. Freiherr Spies von Büllesheim (CDU/CSU) . . . . . . . . . 2917 A Wiefel (SPD) . . . . . . . . . 2918 B Groß (FDP) . . . . . . . . . 2919 C Genscher, Bundesminister (BMI) . . 2920 B Berger (CDU/CSU) . . . . . . . 2921 B Engholm (SPD) . . . . . . . . 2922 A Ollesch (FDP) . . . . . . . . . 2922 D Sick (CDU/CSU) . . . . . . . . 2923 C Dr. Hirsch (FDP) . . . . . . . . 2924 C Brandt, Bundeskanzler . . . . . 2925 A Dr. Waffenschmidt (CDU/CSU) . . . 2925 D Entwurf eines Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre (Drucksache 7/820) — Erste Beratung —Kunz (Berlin) (CDU/CSU) 2926 C, 2927 D Dürr (SPD) . . . . . . . . . . 2927 C Liedtke (SPD) . . . . . . . . . 2928 C Dr. Hirsch (FDP) 2929 C Wehner (SPD) . . . . . . . 2930 B Entwurf eines Gesetzes über Umweltstatistiken (Drucksache 7/988) — Erste Beratung — 2930 D Entwurf eines Gesetzes zu dem Europäischen Übereinkommen vom 7. Juni 1968 betreffend Auskünfte über ausländisches Recht (Drucksache 7/992) — Erste Beratung — . . . . . . . . . . . 2930 D Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung des Europäischen Übereinkommens vom 7. Juni 1968 betreffend Auskünfte über ausländisches Recht (Drucksache 7/993) — Erste Beratung — 2931 A Entwurf eines Gesetzes zur Bereinigung von Verfahrensmängeln beim Erlaß einiger Gesetze (Drucksache 7/1000) — Erste Beratung — 2931 A Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Maßnahmen zur Förderung des deutschen Films (Drucksache 7/974) — Erste Beratung — . . . 2931 A IV Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. September 1973 Antrag betr. Schiffahrtsenquete (Abg. Orgaß, Rollmann, Werner, Dr. Unland, Müller [Remscheid], Bremer, Damm, Geisenhofer, Müller [Berlin], Frau Tübler, Schröder [Lüneburg], van Delden, Dr. Frerichs, Sick, Dr. von Bismarck, Katzer, Dr. Waffenschmidt und Fraktion der CDU/CSU) (Drucksache 7/963) Orgaß (CDU/CSU) . . . . . . . 2931 B Ollesch (FDP) . . . . . . . . 2936 D Ewen (SPD) 2938 B Dr. Meinecke (Hamburg) (SPD) . 2939 D, 2940 C Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Nr. 11/73 — Besondere Zollsätze gegenüber Norwegen — EGKS) (Drucksache 7/987) . . . . . . . . 2940 C Verordnung zur Änderung des Teil-Zolltarifs (Nr. 14/73 — Waren der EGKS —2. Halbjahr 1973) (Drucksache 7/999) . . 2940 C Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Bundeseigenes Restgelände des ehemaligen Flugplatzes Paderborn; hier: Veräußerung an die Stadt Paderborn (Drucksache 7/998) . . . . . . . 2940 D Nächste Sitzung 2940 D Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 2941 A Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner (BMWi) auf die Frage A 1 — Drucksache 7/1004 — des Abg. Dr. Köhler (Wolfsburg) (CDU/CSU) : Streichung der Förderungsbeträge für Messebeteiligungen deutscher Firmen in Südafrika und in den portugiesischen Kolonien in Afrika . . 2941 C Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Herold (BMB) auf die Frage A 3 — Drucksache 7/1004 — des Abg. Pieroth (CDU/CSU) : Zahlenmaterial über Besucherreisen von DDR-Bürgern in die Bundesrepublik Deutschland und über die Entwicklung nach Abschluß des Grundvertrags . . . 2941 D Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Berkhan (BMVg) auf die Frage A 44 — Drucksache 7/1004 — des Abg. Dr. Beermann (SPD) : Ungenügende Unterrichtung in den USA über die finanziellen Verteidigungsleistungen der Bundesrepublik Deutschland 2942 C Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. September 1973 51. Sitzung Bonn, den 20. September 1973 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr Präsident 'Frau Renger: Die Sitzung ist eröffnet. Ich begrüße die für den verstorbenen Abgeordneten Flach in den Bundestag eingetretene Abgeordnete Frau Lüdemann sehr herzlich und wünsche ihr eine erfolgreiche Arbeit in diesem Hause. (Beifall.) Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die Tagesordnung erweitert werden um die Beratung des Antrags der Abgeordneten Rollmann, Kroll-Schlüter und Genossen und der Fraktion der CDU/ CSU betr. Schaffung eines einheitlichen und umfassenden Jugendgesetzbuches, Drucksache 7/1019. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen. Die Vorlage wird bei Punkt 5 der Tagesordnung aufgerufen. Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Heimarbeitsgesetzes und anderer arbeitsrechtlicher Vorschriften (Heimarbeitsänderungsgesetz) — Drucksache 7/975 —Zur Begründung hat der Herr Bundesminister Arendt das Wort. Arendt, Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf, den die Bundesregierung Ihnen vorgelegt hat, befaßt sich außer mit dem Heimarbeitsgesetz auch mit dem Tarifvertragsgesetz, dem Seemannsgesetz und dem Bundesurlaubsgesetz. Die eigentlichen Schwerpunkte liegen in den Änderungen des Heimarbeits- und des Tarifvertragsgesetzes. Zu den Zielen der hier vorgeschlagenen Änderungen möchte ich einige Ausführungen machen. In der Bundesrepublik leben rund 300 000 Personen, die dem Schutz des Heimarbeitsgesetzes unterliegen. Dieses Gesetz stammt aus dem Jahre 1951 und ist in den mehr als zwanzig Jahren bis heute im wesentlichen unverändert geblieben. Es kann daher niemanden verwundern, wenn dieses Gesetz heute seine Schutzfunktionen zugunsten der in der Heimarbeit Beschäftigten nur noch unvollkommen entfalten kann. Hinzu kommt, daß es sich bei dem betroffenen Personenkreis um eine Randgruppe handelt, die weder im Mittelpunkt des Interesses starker Verbände steht noch aus sich selbst heraus die eigenen Interessen wirksam vertreten kann. Die Bundesregierung betrachtet es daher als eine dringliche soziale Verpflichtung, den Schutz der in Heimarbeit Beschäftigten wirksamer zu gestalten und die Arbeits- und Lebensbedingungen dieser Personen zu verbessern. Auch sie sollen Anschluß an die sozialen Verbesserungen erhalten, die wir für die übrigen Arbeitnehmer schon erreicht oder eingeleitet haben. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich kurz die wichtigsten Verbesserungen aufzählen, die der Gesetzentwurf zur Verwirklichung des genannten Ziels vorsieht. Die Entgelte in der Heimarbeit werden in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen durch die paritätisch besetzten Heimarbeitsausschüsse neu festgesetzt. Diesen Ausschüssen fallen damit praktisch diejenigen Aufgaben zu, die für die Arbeitnehmer von den Tarifvertragsparteien wahrgenommen werden. Dieses Verfahren hat sich in der Vergangenheit grundsätzlich bewährt und ist erst kürzlich durch das Bundesverfassungsgericht als mit dem Grundgesetz in Einklang stehend bestätigt worden. Leider ist jedoch festzustellen, daß die Entgelte in der Heimarbeit unter den Löhnen für gleiche oder gleichwertige Betriebsarbeit liegen und sich dieser Abstand laufend vergrößert. Der Entwurf soll hier dadurch Abhilfe schaffen, daß für die Entgelterhöhungen in der Heimarbeit künftig stärker als bisher der Tariflohn für gleiche oder gleichwertige Betriebsarbeit als Maßstab herangezogen wird. Der Kündigungsschutz für die Beschäftigungsverhältnisse in der Heimarbeit kann angesichts der für die Arbeitnehmer eingetretenen Verbesserungen nicht mehr als ausreichend angesehen werden. Der Gesetzentwurf baut den bestehenden Kündigungsschutz durch Verlängerung der Kündigungsfristen entsprechend der Beschäftigungsdauer und durch Verbesserungen der Entgeltsicherung während der Kündigungsfristen aus. Der Entwurf stellt sicher, daß auch die in der Heimarbeit Beschäftigten vermögenswirksame Leistungen erhalten können. 2864 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. September 1972 Bundesminister Arendt Weiterhin ist vorgesehen, daß die Auftraggeber, also die Personen, die Heimarbeit ausgeben, verpflichtet werden, bei der Ausgabe von Heimarbeit auf mögliche Unfall- und Gesundheitsgefahren und auf die Maßnahmen zu deren Verhütung hinzuweisen. Außerdem sollen die Auftraggeber verpflichtet werden, auf Verlangen die Berechnung und Zusammensetzung des Entgelts zu erläutern. Schließlich soll die in letzter Zeit stark zunehmende „Büroheimarbeit" in den Schutzbereich des Heimarbeitsgesetzes einbezogen werden. Meine Damen und Herren, auch bei dem zweiten Schwerpunkt des Gesetzentwurfs, der Änderung des Tarifvertragsgesetzes, ist auf eine verhältnismäßig kleine Personengruppe abgestellt, nämlich die sogenannten arbeitnehmerähnlichen Personen. Konkret sind dies vor allem die freien Mitarbeiter bei Rundfunk- und Fernsehanstalten, die freien Journalisten bei Tageszeitungen und Zeitschriften, Schriftsteller und Künstler. Die Bezeichnung „freier Mitarbeiter" stellt sich dabei leider allzuoft als eine positiv klingende Umschreibung dafür heraus, daß diese Personen wirtschaftlich von ihren Auftraggebern absolut abhängig sind, ein notwendiger sozialer Schutz aber weitgehend fehlt. Durch die vorgesehene Änderung des Tarifvertragsgesetzes soll die Möglichkeit eröffnet werden, daß auch für diese Personen künftig Tarifverträge abgeschlossen werden können. Damit soll es auch den arbeitnehmerähnlichen Personen offenstehen, ihre Arbeitsbedingungen wie Entgelt, Urlaub, Kündigungsschutz usw. durch kollektive Vereinbarungen festzulegen und abzusichern. Für diese Ausdehnung der Tarifautonomie auf arbeitnehmerähnliche Personen steht dem Bundesgesetzgeber seine Kompetenz auf dem Gebiet des Arbeitsrechts zur Verfügung. Dabei stellt die Arbeitnehmerähnlichkeit die Grenze dar, bis zu der Personen auf der Arbeitnehmerseite in das Tarifvertragsgesetz einbezogen werden können. Von daher ergaben sich zwangsläufig Mindestanforderungen an den bei der vorgesehenen Änderung des Tarifvertragsgesetzes verwendeten Begriff der Arbeitnehmerähnlichkeit. Ich möchte hier auf die damit verbundenen rechtstechnischen Schwierigkeiten nicht weiter eingehen. Bei den Ausschußberatungen wird hierzu noch Gelegenheit sein. Die Bundesregierung sieht jedoch in der von ihr vorgeschlagenen Änderung eine Lösung, bei der dem sozialen Schutzbedürfnis des angesprochenen Personenkreises Rechnung getragen wird, ohne daß die arbeitsrechtliche Gesetzgebungskompetenz überschritten wird. Die Öffnung der Tarifautonomie für die arbeitnehmerähnlichen Personen schafft die Voraussetzungen für den Abschluß entsprechender Tarifverträge. Ob und in welchem Umfang von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wird, liegt in der Hand dieser Personen selbst, der Gewerkschaften, in denen sie sich organisieren, und der Verbände ihrer Auftraggeber. Befürchtungen, der genannte Personenkreis werde gegen seinen Willen — gleichsam automatisch — tarifvertraglichen Regelungen unterworfen, treffen daher nicht zu. Auch der Status dieser Personen als Selbständige wird durch die vorgeschlagene Lösung grundsätzlich nicht angetastet. Meine Damen und Herren, das Heimarbeitsänderungsgesetz stellt einen weiteren Schritt auf dem Wege zu dem Ziel dar, dem sich diese Bundesregierung in besonderem Maße verpflichtet fühlt: mehr sozialer Schutz und größere soziale Sicherheit für die Menschen in unserem Land. (Beifall bei den Regierungsparteien.)
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    Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. September 1973 2941* Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Achenbach * 21. 9. Adams * 21. 9. Dr. Aigner ' 21. 9. Dr. Apel 21. 9. Dr. Arndt (Berlin) * 21. 9. Dr. Artzinger * 21. 9. Dr. Bangemann * 21. 9. Behrendt * 20. 9. Blumenfeld * 21. 9. Brandt (Grolsheim) 21. 9. Dr. von Bülow 21. 9. Dr. Burgbacher * 21. 9. Dr. Corterier * 21. 9. Damm 22. 9. Dr. Dollinger 21. 9. Fellermaier * 21. 9. Flämig * 21. 9. Franke (Osnabrück) 21. 9. Frehsee 21. 9. Dr. Früh * 20. 9. Gerlach (Emsland) * 21. 9. Härzschel * 21. 9. Handlos 20. 9. Dr. Jahn (Braunschweig) * 21. 9. Kater * 21. 9. Dr. Klepsch * 21. 9. Dr. Kliesing 12. 10. Dr. Köhler (Wolfsburg) 21. 9. Krall * 21. 9. Lange * 21. 9. Lautenschlager * 21. 9. Lücker * 21. 9. Memmel * 21. 9. Möller (Lübeck) 21. 9. Müller (Mülheim) * 20. 9. Mursch (Soltau-Harburg)* 21. 9. Frau Dr. Orth 21. 9. Richter ** 20. 9. Schäfer (Appenweier) 21. 9. Schmidt (München) * 21. 9. Schröder (Wilhelminenhof) 21. 9. Dr. Schulz (Berlin) * 21. 9. Schwabe * 21. 9. Dr. Schwörer * 21. 9. Seefeld * 21. 9. Springorum * 21. 9. Dr. Starke (Franken) * 21. 9. Graf Stauffenberg 5. 10. Walkhoff * 21. 9. Frau Dr. Walz * 21. 9. Dr. Wendig 21. 9. Wilhelm 21. 9. Dr. Zeitel 21. 9. * Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments **Für die Teilnahme an Sitzungen der Beratenden Versammlung des Europarates Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner vom 19. September 1973 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Köhler (Wolfsburg) (CDU/CSU) (Drucksache 7/1004 Frage A 1) : Unter Anführung welcher Gründe beabsichtigt die Bundesregierung künftig, die Förderungsbeträge für Messebeteiligungen deutscher Firmen in Südafrika und in den portugiesischen Kolonien in Afrika zu streichen? Die Planung des amtlichen Auslandsmesseprogramms, für das Mittel des BMWi und BML eingesetzt werden, wird in enger Abstimmung mit den diplomatischen Auslandsvertretungen der Bundesrepublik, den deutsch-ausländischen Handelskammern und der an Auslandsmessen und -ausstellungen interessierten deutschen Wirtschaft festgelegt. Für 1974 sind Beteiligungen an je einer Messe in Johannesburg und Pretoria in der Südafrikanischen Republik vorgesehen. Ob die deutsche Wirtschaft darüber hinaus auch an Beteiligungen auf den internationalen Messen in Luanda und Lourenco Marques interessiert ist, steht noch nicht fest, wird aber bis November d. J. geklärt werden. Die diesjährige Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland in Lourenco Marques und Luanda haben gezeigt, daß der kommerzielle Erfolg dieser Veranstaltungen, die nur regionale Bedeutung haben, so gering ist, daß bei der angespannten Lage der Auslandsmessetitel des Bundesministeriums für Wirtschaft und des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten eine Durchführung der Beteiligung kaum noch möglich sein wird. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Herold vom 19. September 1973 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Pieroth (CDU/CSU) (Drucksache 7/1004 Frage A 3) : Steht der Bundesregierung Zahlenmaterial über Besucherreisen von DDR-Bürgern in die Bundesrepublik Deutschland zur Verfügung, und ergibt sich gegebenenfalls daraus ein Ansteigen oder Abfallen dieser Reisen nach Abschluß des Grundvertrags? Nach den bisher vorliegenden Erkenntnissen ist die Zahl der Reisen von Bewohnern der DDR in die Bundesrepublik Deutschland nach Inkrafttreten des Vertrages über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR am 21. Juni 1973 gestiegen. Die Zahl der Personen im gesetzlichen Rentenalter, d. h. Frauen ab Vollendung des 60. und Männer ab Vollendung des 65. Lebensjahres, die aus der DDR in das Bundesgebiet einschließlich Berlin (West) reisen durften, ist in den Monaten Juni bis einschließlich August 1973 im Vergleich zu den ge- 2942* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. September 1973 nannten Monaten des Vorjahres um mehr als 40 000 gestiegen (= 9,9 %). Hinzu kommen rd. 8 500 jüngere DDR-Bewohner, die während der genannten drei Monate des Jahres 1973 in dringenden Familienangelegenheiten in das Bundesgebiet — ohne Berlin (West) — reisen konnten. In den Vergleichsmonaten des Vorjahres gab es für DDR-Bewohner noch keine Möglichkeit, anläßlich dringender Familienangelegenheiten in das Bundesgebiet zu reisen. Bei dieser Gelegenheit weise ich darauf hin, daß die Verbesserung des Reiseverkehrs zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR nicht erst mit dem Grundlagenvertrag, sondern bereits beim Inkrafttreten des Verkehrsvertrages am 17. Oktober 1972 einsetzte. Bekanntlich wurden nicht nur die Reisemöglichkeiten für Deutsche aus dem Bundesgebiet in die DDR verbessert. Erstmalig erhielten auch jüngere DDR-Bewohner, d. h. solche, die noch nicht das gesetzliche Rentenalter erreicht haben, die Möglichkeit, bei dringenden Familienangelegenheiten in das Bundesgebiet zu reisen. Von November 1972 bis einschließlich August 1973 haben auf diese Weise mehr als 38 000 DDR-Bewohner ihre Angehörigen im Bundesgebiet anläßlich dringender Familienangelegenheiten besuchen können. In dieser Zahl sind die Besucher aus den genannten Anlässen in Berlin (West) nicht enthalten, da von den Senatsdienststellen keine Ermittlungen hierüber angestellt werden. Die Zahl der Personen im Rentenalter, die das Bundesgebiet einschließlich Berlin (West) seit Inkrafttreten des Verkehrsvertrages besucht haben, ist ebenfalls erheblich gestiegen: Von November 1972 bis einschließlich August 1973 sind im Vergleich zu dem entsprechenden Zeitraum vor Inkrafttreten des Verkehsvertrages (November 1971 bis einschließlich August 1972) rd. 160 000 Personen im Rentenalter mehr eingereist (= 20,3 %). Aus diesen Zahlen ergibt sich ein erfreuliches Ansteigen der Besuche aus der DDR seit dem Inkrafttreten des Verkehrsvertrages im Oktober vergangenen Jahres. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Berkhan vom 20. September 1973 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Beermann (SPD) (Drucksache 7/1004 Frage A 44) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß selbst führende Mitglieder des amerikanischen Kongresses weitgehend über den militärischen und finanziellen Beitrag der Bundesrepublik Deutschland zur Verteidigung Westeuropas und zum Ausqleich der Stationierungskosten ungenügend unterrichtet sind, und teilt sie meine Autfassung, daß dieser Zustand jenen politischen Strömungen in den USA Auftrieb gibt, die den einseiligen Abzug der amerikanischen Streitkräfte aus Europa fordern, und in welcher Form hat die Bundesregierung bislang versucht, hier aufklärend zu wirken bzw. welche Maßnahmen wird sie in Zukunft ergreifen, um diese Unkenntnis zu beseitigen? Der Bundesregierung ist nicht bekannt, daß führende Mitglieder des amerikanischen Kongresses weitgehend über den militärischen und finanziellen Beitrag der Bundesrepublik Deutschland zur Verteidigung Westeuropas und zum Ausgleich der Stationierungskosten ungenügend unterrichtet sind. Sie ist vielmehr der Auffassung, daß alle relevanten Tatsachen auf diesem Gebiet seitens der Bundesregierung und seitens der amerikanischen Regierung und auch durch die internationalen Organe des Atlantischen Bündnisses den Mitgliedern des amerikanischen Kongresses fortlaufend zur Verfügung gestellt werden. Die Bundesregierung kann daher auch nicht die Schlußfolgerung ziehen, daß der ungenügende Kenntnisstand politischen Strömungen im amerikanischen Kongreß Auftrieb für die Forderung nach einseitigem amerikanischen Truppenabzug aus Europa gibt. Die Bundesregierung wird auch in Zukunft auf diplomatischem Wege und mittels geeigneter informationspolitischer Maßnahmen Sorge dafür tragen, daß den Mitgliedern des amerikanischen Kongresses alle relevanten Kenntnisse über die deutsche Verteidigungspolitik und unseren militärischen sowie finanziellen Beitrag zum Bündnis vermittelt werden. In diesem Zusammenhang ist festzustellen, daß die amerikanische Regierung die amerikanische Öffentlichkeit und den amerikanischen Kongreß seit längerem umfassend über den europäischen, insbesondere auch über den deutschen Beitrag zum Bündnis unterrichtet.
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    Rede von Gerhard Kunz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Ich glaube, Herr Kollege Erhard, gerade dieses Gesetz ist im gesamten so angelegt, daß diese Problematik verschleiert wird. Ich kann Ihnen aus diesem Grunde nur zustimmen, daß es notwendig ist, diese Probleme hier zu behandeln, weil sie im Kern, Herr Dürr, nicht juristisch sind. Auf dieses Gleis werden Sie mich nicht leiten können.

    (Abg. Dürr: Meine Zwischenfrage kam, als Sie davon gesprochen hatten, wann welcher Staatssekretär wo reden darf!)

    — Herr Dürr, dies hängt mit dem Gesamtproblem zusammen. Aber ich freue mich schon jetzt — um mich insoweit zu wiederholen—, daß wir in die Materie einsteigen werden, und ich hoffe auf Ihre Mitwirkung bei dem Versuch, diese unmöglichen Dinge zu ebnen und insbesondere zu einer politisch sauberen Lösung zu gelangen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Lassen Sie mich bitte noch eine letzte Frage an- schneiden. Es wird auch zu klären sein, inwieweit die Parlamentarischen Staatssekretäre Weisungsrecht gegenüber den Verwaltungen besitzen. Ich spreche dies deshalb an, weil sich eine Wirklichkeit herausgebildet hat, in der zu beobachten ist, daß beamtete Staatssekretäre in vielen Fällen gerade wegen ihres Einflußschwundes im wahrsten Sinne des Wortes zu bemitleiden sind.
    Unter der Regierung Brandt hat es eine beachtliche Vermehrung der Zahl der Parlamentarischen Staatssekretäre gegeben.

    (Abg. Dr. Hauser [Sasbach] : Eine Inflation!)

    Diese Entwicklung war und ist mit einer allgemeinen Aufblähung der Verwaltung verbunden. Wenn man einmal zusammenzählt, wer dem Kabinett im weiteren Sinne angehört, kommt man auf eine Zahl, die in der Nähe von 40 liegt. Das ist wirklich eine Reform, die bisher ihresgleichen nicht gesehen hat.
    Ich glaube, bei der Beratung der Grundkonzeption
    — und dies müssen wir im Ausschuß eingehend tun
    — müssen wir uns klar sein, daß es unabdingbar ist, daß die Parlamentarischen Staatssekretäre von ihrer Funktion her an das Parlament gebunden bleiben müssen — ohne Ausnahme, in einer politisch und rechtlich einwandfreien Lösung. Wir müssen uns auch klar sein, daß wir zur Grundkonzeption finden müssen gegenüber einer Entwicklung, von der Friedrich Karl Fromme gesagt hat, daß sich immer mehr Alltags- und Versorgungsroutine in dieses Gebiet einschleicht. Einer solchen Konzeption wird dieser Entwurf, der uns vorgelegt worden ist, nicht gerecht. Ich wiederhole, daß ich den Sinn dieser Vorlage nur darin sehen kann, durch Rückwirkung das zu verschleiern, was vorliegt, nämlich einer der eklatantesten Rechtsbrüche, der sich im Zusammenhang mit der Auflösung des Bundestages vollzogen
    hat. Was Sie uns vorgelegt haben, ist also eine Art Indemnitätsvorlage.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Liedtke.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Karl Liedtke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor Tisch liest es sich oft anders als hinterher. Ich erinnere mich noch, wie wir im Jahre 1967 mit Ihnen als Koalitionspartner das erste Gesetz über die Parlamentarischen Staatssekretäre verfaßten und damit Neuland betraten. Es bestand Übereinstimmung darin, dieses Gesetz bewußt nicht zu scharf zu fassen, um Erfahrungen zu sammeln und unnötige Einengungen von vornherein nicht zu fixieren. Wer sich dieses alte Gesetz ansieht, findet dort im wesentlichen nichts anderes als erstens die Aufgabenstellung: die Parlamentarischen Staatssekretäre unterstützen ihre Minister, und zweitens die Feststellung: sie bleiben im wesentlichen Abgeordnete; folglich ist es ein Ehrenamt, das mit einer Entschädigung versehen wird.
    Inzwischen sind sechs Jahre ins Land gegangen. Erfahrungen sind gemacht worden, und es stellte sich heraus, daß diese vereinbarte Großzügigkeit in der Gesetzesfixierung im nachhinein, als Sie in die Opposition rutschten, zu Streitpunkten führte. Lesen Sie das alte Gesetz: die Parlamentarischen Staatssekretäre unterstützen die Minister. Und schon gab es ein Florettgefecht auf einem Nebenkriegsschauplatz, als Sie plötzlich zu erkennen glaubten, daß das aufhört, wenn sich der Bundestag auflöst, und daß es nicht an die Tätigkeit des Ministers gebunden ist.
    Es gibt durchaus genügend Beispiele dafür, daß man, wenn ein ursprünglich gemeinsamer Gesetzentwurf hinterher strittig ausgelegt wird, im nachhmein bei einem neuen Gesetz die Bestimmungen so fixiert, daß diese unnötigen und völlig wirkungslosen Streitereien nun nicht zusätzlich zu Reibungsverlusten im Parlament führen. Und wenn ich Sie berichtigen darf: Auch im Statusrecht der Beamten gibt es selbstverständlich rückwirkende Gültigkeit.

    (Abg. Dr. Hauser [Sasbach] : Die Meinung des Bundesrechnungshofes!)

    So schwarz-weiß ist diese Welt nicht.
    Nun, das ist der eine Teil. Es lohnt im Grunde nicht, darüber groß zu streiten.

    (Abg. Dr. Hauser [Sasbach] : 0 doch, mein Herr! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

    -- Machen Sie es im Rechtsausschuß bis drei Stellen hinter dem Komma, aber verschonen Sie das Parlament jetzt mit einer gemischten politischrechtlichen Debatte!

    (Abg. von Bockelberg: Mehr Transparenz! — Abg. Reddemann: Möglichst alles verschleiern!)

    — Auch wenn Sie ein noch so böses Gesicht machen, wird es nicht klarer. Glauben Sie mir das.

    (Abg. von Bockelberg: Alles hinter verschlossenen Türen!)




    Liedtke
    – Lassen Sie mich doch einmal ausreden. Es kommt doch alles wieder hierher. Die Regierung bringt doch erst ihren Entwurf ein. Hier ist keine verschlossene Tür. Die zweite Lesung wird in ganz spezifizierter Weise dann zu klären haben, was in der ersten Lesung in dieser Akribie das wissen Sie selbst — in diesem Hause nicht üblich ist.

    (Abg. Reddemann: Am besten schaffen wir die öffentliche Debatte ab!)

    Die zweite Veränderung, gegen die Sie auch Sturm laufen, beruht auf folgender Erfahrung. Es ist, nachdem also sechs Jahre lang Erfahrungen gesammelt worden sind, festzustellen, daß nach der Einfahrzeit nun die Belastung der Parlamentarischen Staatssekretäre so groß ist, daß die Ausübung eines Berufes und die Wahrnehmung dieser Tätigkeit nicht in einen zeitlichen und physischen Einklang zu bringen sind. Aus dieser Erkenntnis heraus erfolgt die Überleitung in ein Amtsverhältnis, folglich auch die Zahlung von Amtsbezügen mit einem Versorgungsanspruch, dies aber gekoppelt mit einem Berufsverbot.

    (Abg. Erhard [Bad Schwalbach]: Rückwirkend?)

    Nun mögen wir im Ausschuß darüber streiten, ob das mit Beginn dieser Regierung der Fall ist — die Rückwirkung ist möglich — oder ob Sie es also vom nächsten Ersten an machen. Das ist nicht der Kern dieser Sache. — Bitte schön!