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    Deutscher Bundestag 51. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 20. September 1973 Inhalt: Begrüßung der in den Deutschen Bundestag eingetretenen Abg. Frau Lüdemann . 2863 A Erweiterung der Tagesordnung 2863 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Heimarbeitsgesetzes und anderer arbeitsrechtlicher Vorschriften (Heimarbeitsänderungsgesetz) (Drucksache 7/975) — Erste Beratung — Arendt, Bundesminister (BMA) . . 2863 B Dr. Nölling (SPD) . . . . . . . 2864 C Gerlach (Obernau) (CDU/CSU) . . 2865 C Schmidt (Kempten) (FDP) . . . . 2867 B Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung des Schwerbeschädigtenrechts (Drucksache 7/656) - Erste Beratung Arendt, Bundesminister (BMA) . 2868 B Maucher (CDU/CSU) 2871 A Glombig (SPD) . . . . . . . 2873 C Hölscher (FDP) . . . . . . . 2877 A Frau Hürland (CDU/CSU) . . . 2878 B Entwurf eines Gesetzes über die laufende Anpassung der Altersgelder in der Altershilfe für Landwirte (Siebentes Änderungsgesetz GAL) (Drucksache 7/934) — Erste Beratung - Arendt, Bundesminister (BMA) . 2878 D Wolf (SPD) 2879 D Horstmeier (CDU/CSU) . . . . 2880 D Ronneburger (FDP) 2882 B Logemann, Parl. Staatssekretär (BML) 2883 C Entwurf eines Sozialgesetzbuchs — Allgemeiner Teil — (Drucksache 7/868) — Erste Beratung — in Verbindung mit Antrag betr. Schaffung eines einheitlichen und umfassenden Jugendgesetzbuches (Abg. Rollmann, Kroll-Schlüter und Fraktion der CDU/CSU) (Drucksache 7/1019) Arendt, Bundesminister (BMA) . . 2884 C Müller (Remscheid) (CDU/CSU) . . 2886 B Müller (Berlin) (CDU/CSU) . . . . 2886 C Gansel (SPD) . . . . . . . . 2887 D Spitzmüller (FDP) 2890 D Rollmann (CDU/CSU) . . . . . 2892 A Westphal, Parl. Staatssekretär (BMJFG) . . . . . . . . . . 2892 C II Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. September 1973 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes — Drucksache 7/861 — Erste Beratung — Arendt, Bundesminister (BMA) . . 2894 C Dr. Arnold (CDU/CSU) 2895 C Glombig (SPD) 2896 A Groß (FDP) 2896 C Fragestunde (Drucksache 7/1004) Frage A 64 des Abg. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim (CDU/CSU) : Konsequenzen aus dem SchliekerBericht betr. Mängel in der Flugsicherung und bei den Arbeitsbedingungen der Fluglotsen Ravens, Parl. Staatssekretär (BK) . 2897 C, D, 2898 A, B, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim (CDU/CSU) 2897 C, D Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . 2898 A Börner (SPD) 2898 A Dr. Schmitt-Vockenhausen, Vizepräsident 2898 A Frage A 65 des Abg. Schulte (Schwäbisch Gmünd) (CDU/CSU) : Schlieker-Empfehlungen und Zusagen des ehemaligen Verkehrsministers Leber an die Fluglotsen Ravens, Parl. Staatssekretär (BK) . . 2898 B, C, D, 2899 A Schulte (Schwäbisch Gmünd) (CDU/CSU) 2898 C, D Dr. Schmitt-Vockenhausen, Vizepräsident . . . . . . . . 2898 C Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . . 2899 A Fragen A 66 und 67 des Abg. Dr. Miltner (CDU/CSU) : Äußerungen des Bundeskanzlers zum Bummelstreik der Fluglotsen und Verhalten des Bundeskabinetts in dieser Frage Ravens, Parl. Staatssekretär (BK) . . 2899 A, B, C, D, 2900 A, B, C, D, 2901 A, B, Dr. Miltner (CDU/CSU) . . . . 2899 B, C Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . 2899 D Schulte (Schwäbisch Gmünd) (CDU/CSU) 2900 A Dr. Freiherr Spies von Büllesheim (CDU/CSU) 2900 A Hoffie (FDP) 2900 B Breidbach (CDU/CSU) 2900 B Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) . . 2900 C Dr. Hirsch (FDP) 2900 D Pfeffermann (CDU/CSU) 2900 D Müller (Nordenham) (SPD) . . . 2901 A Dr. Jenninger (CDU/CSU) . . . 2901 B Dr. Schmitt-Vockenhausen, Vizepräsident . . . . . . . . 2901 B Frage A 68 des Abg. Sick (CDU/CSU) : Feststellung des Bundeskanzlers betr. Disziplinarmaßnahmen gegen Teilnehmer am Bummelstreik der Fluglotsen Ravens, Parl. Staatssekretär (BK) . . 2901 C, D, 2902 A Sick (CDU/CSU) 2901 C, D Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . 2902 A Straßmeir (CDU/CSU) 2902 A Fragen A 69 und 70 des Abg. Dr. Müller- Hermann (CDU/CSU) : Auffassung des Bundeskanzlers betr. das Verhalten des Bundesverkehrsministers im Falle des Bummelstreiks der Fluglotsen Ravens, Parl. Staatssekretär (BK) . . 2902B,C,D 2903A,B,C,D 2904 B, C, D, 2905 A, B, C Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . 2902 B, C 2903 D, 2904 B Dr. Schmitt-Vockenhausen, Vizepräsident 2902 C Börner (SPD) . . . . . . . . 2902 D Dr. Waffenschmidt (CDU/CSU) . 2903 A Schulte (Schwäbisch Gmünd) (CDU/CSU) . . . . . 2903 B, 2905 A Breidbach (CDU/CSU) . . . . . . 2904 C Liedtke (SPD) . . . . . . . . . 2904 D Dr. Freiherr Spies von Büllesheim (CDU/CSU) . . . . . . . . . 2905 A Tillmann (CDU/CSU) . . . . . 2905 B Straßmeir (CDU/CSU) 2905 B Berger (CDU/CSU) 2905 C Frage A 4 des Abg. Zebisch (SPD) : Einräumung besonderer Präferenzen für die Schwerpunktorte des Rahmenplans zur Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" bei der Förderung überbetrieblicher beruflicher Ausbildungszentren Zander, Parl. Staatssekretär (BMBW) 2905 D, 2906 A, B, Zebisch (SPD) . . . . . . . . 2906 A, B Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. September 1973 III Frage A 5 des Abg. Dr. Haenschke (SPD) : Möglichkeiten der finanziellen Förderung für Arbeitnehmer, die sich als Berufsausbilder qualifizieren wollen Zander, Parl. Staatssekretär (BMBW) 2906 B Frage A 40 des Abg. Möllemann (FDP) : Belästigung und Gefährdung der Bürger in den Tiefflugzonen Berkhan, Parl. Staatssekretär (BMVg) 2906 D 2908 A, C, D 2907 C, D 2909 A Möllemann (FDP) 2907 C Köster (CDU/CSU) 2907 D van Delden (CDU/CSU) 2908 A Hoffie (FDP) 2908 C Tönjes (SPD) 2908 D Dr. Kraske (CDU/CSU) 2908 D Fragen A 41 und 42 des Abg. Dr. Enders (SPD) : Einberufung von Lehrern zur Bundeswehr Berkhan, Parl. Staatssekretär (BMVg) 2909 B, D Dr. Enders (SPD) 2909 D Fragen A 45 und 46 des Abg. Dr. Franz (CDU/CSU) : Maßnahmen gegen die Einschleppung der Cholera Westphal, Parl. Staatssekretär (BMJFG) 2910A, C Frage A 47 des Abg. Kiechle (CDU, /CSU) : Überprüfung des Gutachtens über die ernährungsphysiologische Bedeutung von Butter und Margarine Westphal, Parl. Staatssekretär (BMJFG) . . . . . . 2910D, 2911 A Kiechle (CDU/CSU) 2911 A Frage A 48 des Abg. Kiechle (CDU/CSU) : Aussage des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit über die Bekömmlichkeit und Preiswürdigkeit von Pflanzenfett und Margarine Westphal, Parl. Staatssekretär (BMJFG) . . . . . 2911 B, D, 2912 A Kiechle (CDU/CSU) . . . 2911 D, 2912 A Zur Geschäftsordnung Seiters (CDU/CSU) 2912 B Aktuelle Stunde Bummelstreik der Fluglotsen Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . . 2912 C Börner (SPD) . . . . . . . . . 2913 D Hoffie (FDP) . . . . . . . . . 2914 C Dr. Lauritzen, Bundesminister (BMV) 2915 C Dr. Freiherr Spies von Büllesheim (CDU/CSU) . . . . . . . . . 2917 A Wiefel (SPD) . . . . . . . . . 2918 B Groß (FDP) . . . . . . . . . 2919 C Genscher, Bundesminister (BMI) . . 2920 B Berger (CDU/CSU) . . . . . . . 2921 B Engholm (SPD) . . . . . . . . 2922 A Ollesch (FDP) . . . . . . . . . 2922 D Sick (CDU/CSU) . . . . . . . . 2923 C Dr. Hirsch (FDP) . . . . . . . . 2924 C Brandt, Bundeskanzler . . . . . 2925 A Dr. Waffenschmidt (CDU/CSU) . . . 2925 D Entwurf eines Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre (Drucksache 7/820) — Erste Beratung —Kunz (Berlin) (CDU/CSU) 2926 C, 2927 D Dürr (SPD) . . . . . . . . . . 2927 C Liedtke (SPD) . . . . . . . . . 2928 C Dr. Hirsch (FDP) 2929 C Wehner (SPD) . . . . . . . 2930 B Entwurf eines Gesetzes über Umweltstatistiken (Drucksache 7/988) — Erste Beratung — 2930 D Entwurf eines Gesetzes zu dem Europäischen Übereinkommen vom 7. Juni 1968 betreffend Auskünfte über ausländisches Recht (Drucksache 7/992) — Erste Beratung — . . . . . . . . . . . 2930 D Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung des Europäischen Übereinkommens vom 7. Juni 1968 betreffend Auskünfte über ausländisches Recht (Drucksache 7/993) — Erste Beratung — 2931 A Entwurf eines Gesetzes zur Bereinigung von Verfahrensmängeln beim Erlaß einiger Gesetze (Drucksache 7/1000) — Erste Beratung — 2931 A Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Maßnahmen zur Förderung des deutschen Films (Drucksache 7/974) — Erste Beratung — . . . 2931 A IV Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. September 1973 Antrag betr. Schiffahrtsenquete (Abg. Orgaß, Rollmann, Werner, Dr. Unland, Müller [Remscheid], Bremer, Damm, Geisenhofer, Müller [Berlin], Frau Tübler, Schröder [Lüneburg], van Delden, Dr. Frerichs, Sick, Dr. von Bismarck, Katzer, Dr. Waffenschmidt und Fraktion der CDU/CSU) (Drucksache 7/963) Orgaß (CDU/CSU) . . . . . . . 2931 B Ollesch (FDP) . . . . . . . . 2936 D Ewen (SPD) 2938 B Dr. Meinecke (Hamburg) (SPD) . 2939 D, 2940 C Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Nr. 11/73 — Besondere Zollsätze gegenüber Norwegen — EGKS) (Drucksache 7/987) . . . . . . . . 2940 C Verordnung zur Änderung des Teil-Zolltarifs (Nr. 14/73 — Waren der EGKS —2. Halbjahr 1973) (Drucksache 7/999) . . 2940 C Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Bundeseigenes Restgelände des ehemaligen Flugplatzes Paderborn; hier: Veräußerung an die Stadt Paderborn (Drucksache 7/998) . . . . . . . 2940 D Nächste Sitzung 2940 D Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 2941 A Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner (BMWi) auf die Frage A 1 — Drucksache 7/1004 — des Abg. Dr. Köhler (Wolfsburg) (CDU/CSU) : Streichung der Förderungsbeträge für Messebeteiligungen deutscher Firmen in Südafrika und in den portugiesischen Kolonien in Afrika . . 2941 C Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Herold (BMB) auf die Frage A 3 — Drucksache 7/1004 — des Abg. Pieroth (CDU/CSU) : Zahlenmaterial über Besucherreisen von DDR-Bürgern in die Bundesrepublik Deutschland und über die Entwicklung nach Abschluß des Grundvertrags . . . 2941 D Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Berkhan (BMVg) auf die Frage A 44 — Drucksache 7/1004 — des Abg. Dr. Beermann (SPD) : Ungenügende Unterrichtung in den USA über die finanziellen Verteidigungsleistungen der Bundesrepublik Deutschland 2942 C Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. September 1973 51. Sitzung Bonn, den 20. September 1973 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr Präsident 'Frau Renger: Die Sitzung ist eröffnet. Ich begrüße die für den verstorbenen Abgeordneten Flach in den Bundestag eingetretene Abgeordnete Frau Lüdemann sehr herzlich und wünsche ihr eine erfolgreiche Arbeit in diesem Hause. (Beifall.) Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die Tagesordnung erweitert werden um die Beratung des Antrags der Abgeordneten Rollmann, Kroll-Schlüter und Genossen und der Fraktion der CDU/ CSU betr. Schaffung eines einheitlichen und umfassenden Jugendgesetzbuches, Drucksache 7/1019. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen. Die Vorlage wird bei Punkt 5 der Tagesordnung aufgerufen. Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Heimarbeitsgesetzes und anderer arbeitsrechtlicher Vorschriften (Heimarbeitsänderungsgesetz) — Drucksache 7/975 —Zur Begründung hat der Herr Bundesminister Arendt das Wort. Arendt, Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf, den die Bundesregierung Ihnen vorgelegt hat, befaßt sich außer mit dem Heimarbeitsgesetz auch mit dem Tarifvertragsgesetz, dem Seemannsgesetz und dem Bundesurlaubsgesetz. Die eigentlichen Schwerpunkte liegen in den Änderungen des Heimarbeits- und des Tarifvertragsgesetzes. Zu den Zielen der hier vorgeschlagenen Änderungen möchte ich einige Ausführungen machen. In der Bundesrepublik leben rund 300 000 Personen, die dem Schutz des Heimarbeitsgesetzes unterliegen. Dieses Gesetz stammt aus dem Jahre 1951 und ist in den mehr als zwanzig Jahren bis heute im wesentlichen unverändert geblieben. Es kann daher niemanden verwundern, wenn dieses Gesetz heute seine Schutzfunktionen zugunsten der in der Heimarbeit Beschäftigten nur noch unvollkommen entfalten kann. Hinzu kommt, daß es sich bei dem betroffenen Personenkreis um eine Randgruppe handelt, die weder im Mittelpunkt des Interesses starker Verbände steht noch aus sich selbst heraus die eigenen Interessen wirksam vertreten kann. Die Bundesregierung betrachtet es daher als eine dringliche soziale Verpflichtung, den Schutz der in Heimarbeit Beschäftigten wirksamer zu gestalten und die Arbeits- und Lebensbedingungen dieser Personen zu verbessern. Auch sie sollen Anschluß an die sozialen Verbesserungen erhalten, die wir für die übrigen Arbeitnehmer schon erreicht oder eingeleitet haben. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich kurz die wichtigsten Verbesserungen aufzählen, die der Gesetzentwurf zur Verwirklichung des genannten Ziels vorsieht. Die Entgelte in der Heimarbeit werden in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen durch die paritätisch besetzten Heimarbeitsausschüsse neu festgesetzt. Diesen Ausschüssen fallen damit praktisch diejenigen Aufgaben zu, die für die Arbeitnehmer von den Tarifvertragsparteien wahrgenommen werden. Dieses Verfahren hat sich in der Vergangenheit grundsätzlich bewährt und ist erst kürzlich durch das Bundesverfassungsgericht als mit dem Grundgesetz in Einklang stehend bestätigt worden. Leider ist jedoch festzustellen, daß die Entgelte in der Heimarbeit unter den Löhnen für gleiche oder gleichwertige Betriebsarbeit liegen und sich dieser Abstand laufend vergrößert. Der Entwurf soll hier dadurch Abhilfe schaffen, daß für die Entgelterhöhungen in der Heimarbeit künftig stärker als bisher der Tariflohn für gleiche oder gleichwertige Betriebsarbeit als Maßstab herangezogen wird. Der Kündigungsschutz für die Beschäftigungsverhältnisse in der Heimarbeit kann angesichts der für die Arbeitnehmer eingetretenen Verbesserungen nicht mehr als ausreichend angesehen werden. Der Gesetzentwurf baut den bestehenden Kündigungsschutz durch Verlängerung der Kündigungsfristen entsprechend der Beschäftigungsdauer und durch Verbesserungen der Entgeltsicherung während der Kündigungsfristen aus. Der Entwurf stellt sicher, daß auch die in der Heimarbeit Beschäftigten vermögenswirksame Leistungen erhalten können. 2864 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. September 1972 Bundesminister Arendt Weiterhin ist vorgesehen, daß die Auftraggeber, also die Personen, die Heimarbeit ausgeben, verpflichtet werden, bei der Ausgabe von Heimarbeit auf mögliche Unfall- und Gesundheitsgefahren und auf die Maßnahmen zu deren Verhütung hinzuweisen. Außerdem sollen die Auftraggeber verpflichtet werden, auf Verlangen die Berechnung und Zusammensetzung des Entgelts zu erläutern. Schließlich soll die in letzter Zeit stark zunehmende „Büroheimarbeit" in den Schutzbereich des Heimarbeitsgesetzes einbezogen werden. Meine Damen und Herren, auch bei dem zweiten Schwerpunkt des Gesetzentwurfs, der Änderung des Tarifvertragsgesetzes, ist auf eine verhältnismäßig kleine Personengruppe abgestellt, nämlich die sogenannten arbeitnehmerähnlichen Personen. Konkret sind dies vor allem die freien Mitarbeiter bei Rundfunk- und Fernsehanstalten, die freien Journalisten bei Tageszeitungen und Zeitschriften, Schriftsteller und Künstler. Die Bezeichnung „freier Mitarbeiter" stellt sich dabei leider allzuoft als eine positiv klingende Umschreibung dafür heraus, daß diese Personen wirtschaftlich von ihren Auftraggebern absolut abhängig sind, ein notwendiger sozialer Schutz aber weitgehend fehlt. Durch die vorgesehene Änderung des Tarifvertragsgesetzes soll die Möglichkeit eröffnet werden, daß auch für diese Personen künftig Tarifverträge abgeschlossen werden können. Damit soll es auch den arbeitnehmerähnlichen Personen offenstehen, ihre Arbeitsbedingungen wie Entgelt, Urlaub, Kündigungsschutz usw. durch kollektive Vereinbarungen festzulegen und abzusichern. Für diese Ausdehnung der Tarifautonomie auf arbeitnehmerähnliche Personen steht dem Bundesgesetzgeber seine Kompetenz auf dem Gebiet des Arbeitsrechts zur Verfügung. Dabei stellt die Arbeitnehmerähnlichkeit die Grenze dar, bis zu der Personen auf der Arbeitnehmerseite in das Tarifvertragsgesetz einbezogen werden können. Von daher ergaben sich zwangsläufig Mindestanforderungen an den bei der vorgesehenen Änderung des Tarifvertragsgesetzes verwendeten Begriff der Arbeitnehmerähnlichkeit. Ich möchte hier auf die damit verbundenen rechtstechnischen Schwierigkeiten nicht weiter eingehen. Bei den Ausschußberatungen wird hierzu noch Gelegenheit sein. Die Bundesregierung sieht jedoch in der von ihr vorgeschlagenen Änderung eine Lösung, bei der dem sozialen Schutzbedürfnis des angesprochenen Personenkreises Rechnung getragen wird, ohne daß die arbeitsrechtliche Gesetzgebungskompetenz überschritten wird. Die Öffnung der Tarifautonomie für die arbeitnehmerähnlichen Personen schafft die Voraussetzungen für den Abschluß entsprechender Tarifverträge. Ob und in welchem Umfang von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wird, liegt in der Hand dieser Personen selbst, der Gewerkschaften, in denen sie sich organisieren, und der Verbände ihrer Auftraggeber. Befürchtungen, der genannte Personenkreis werde gegen seinen Willen — gleichsam automatisch — tarifvertraglichen Regelungen unterworfen, treffen daher nicht zu. Auch der Status dieser Personen als Selbständige wird durch die vorgeschlagene Lösung grundsätzlich nicht angetastet. Meine Damen und Herren, das Heimarbeitsänderungsgesetz stellt einen weiteren Schritt auf dem Wege zu dem Ziel dar, dem sich diese Bundesregierung in besonderem Maße verpflichtet fühlt: mehr sozialer Schutz und größere soziale Sicherheit für die Menschen in unserem Land. (Beifall bei den Regierungsparteien.)
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    Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. September 1973 2941* Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Achenbach * 21. 9. Adams * 21. 9. Dr. Aigner ' 21. 9. Dr. Apel 21. 9. Dr. Arndt (Berlin) * 21. 9. Dr. Artzinger * 21. 9. Dr. Bangemann * 21. 9. Behrendt * 20. 9. Blumenfeld * 21. 9. Brandt (Grolsheim) 21. 9. Dr. von Bülow 21. 9. Dr. Burgbacher * 21. 9. Dr. Corterier * 21. 9. Damm 22. 9. Dr. Dollinger 21. 9. Fellermaier * 21. 9. Flämig * 21. 9. Franke (Osnabrück) 21. 9. Frehsee 21. 9. Dr. Früh * 20. 9. Gerlach (Emsland) * 21. 9. Härzschel * 21. 9. Handlos 20. 9. Dr. Jahn (Braunschweig) * 21. 9. Kater * 21. 9. Dr. Klepsch * 21. 9. Dr. Kliesing 12. 10. Dr. Köhler (Wolfsburg) 21. 9. Krall * 21. 9. Lange * 21. 9. Lautenschlager * 21. 9. Lücker * 21. 9. Memmel * 21. 9. Möller (Lübeck) 21. 9. Müller (Mülheim) * 20. 9. Mursch (Soltau-Harburg)* 21. 9. Frau Dr. Orth 21. 9. Richter ** 20. 9. Schäfer (Appenweier) 21. 9. Schmidt (München) * 21. 9. Schröder (Wilhelminenhof) 21. 9. Dr. Schulz (Berlin) * 21. 9. Schwabe * 21. 9. Dr. Schwörer * 21. 9. Seefeld * 21. 9. Springorum * 21. 9. Dr. Starke (Franken) * 21. 9. Graf Stauffenberg 5. 10. Walkhoff * 21. 9. Frau Dr. Walz * 21. 9. Dr. Wendig 21. 9. Wilhelm 21. 9. Dr. Zeitel 21. 9. * Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments **Für die Teilnahme an Sitzungen der Beratenden Versammlung des Europarates Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner vom 19. September 1973 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Köhler (Wolfsburg) (CDU/CSU) (Drucksache 7/1004 Frage A 1) : Unter Anführung welcher Gründe beabsichtigt die Bundesregierung künftig, die Förderungsbeträge für Messebeteiligungen deutscher Firmen in Südafrika und in den portugiesischen Kolonien in Afrika zu streichen? Die Planung des amtlichen Auslandsmesseprogramms, für das Mittel des BMWi und BML eingesetzt werden, wird in enger Abstimmung mit den diplomatischen Auslandsvertretungen der Bundesrepublik, den deutsch-ausländischen Handelskammern und der an Auslandsmessen und -ausstellungen interessierten deutschen Wirtschaft festgelegt. Für 1974 sind Beteiligungen an je einer Messe in Johannesburg und Pretoria in der Südafrikanischen Republik vorgesehen. Ob die deutsche Wirtschaft darüber hinaus auch an Beteiligungen auf den internationalen Messen in Luanda und Lourenco Marques interessiert ist, steht noch nicht fest, wird aber bis November d. J. geklärt werden. Die diesjährige Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland in Lourenco Marques und Luanda haben gezeigt, daß der kommerzielle Erfolg dieser Veranstaltungen, die nur regionale Bedeutung haben, so gering ist, daß bei der angespannten Lage der Auslandsmessetitel des Bundesministeriums für Wirtschaft und des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten eine Durchführung der Beteiligung kaum noch möglich sein wird. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Herold vom 19. September 1973 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Pieroth (CDU/CSU) (Drucksache 7/1004 Frage A 3) : Steht der Bundesregierung Zahlenmaterial über Besucherreisen von DDR-Bürgern in die Bundesrepublik Deutschland zur Verfügung, und ergibt sich gegebenenfalls daraus ein Ansteigen oder Abfallen dieser Reisen nach Abschluß des Grundvertrags? Nach den bisher vorliegenden Erkenntnissen ist die Zahl der Reisen von Bewohnern der DDR in die Bundesrepublik Deutschland nach Inkrafttreten des Vertrages über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR am 21. Juni 1973 gestiegen. Die Zahl der Personen im gesetzlichen Rentenalter, d. h. Frauen ab Vollendung des 60. und Männer ab Vollendung des 65. Lebensjahres, die aus der DDR in das Bundesgebiet einschließlich Berlin (West) reisen durften, ist in den Monaten Juni bis einschließlich August 1973 im Vergleich zu den ge- 2942* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. September 1973 nannten Monaten des Vorjahres um mehr als 40 000 gestiegen (= 9,9 %). Hinzu kommen rd. 8 500 jüngere DDR-Bewohner, die während der genannten drei Monate des Jahres 1973 in dringenden Familienangelegenheiten in das Bundesgebiet — ohne Berlin (West) — reisen konnten. In den Vergleichsmonaten des Vorjahres gab es für DDR-Bewohner noch keine Möglichkeit, anläßlich dringender Familienangelegenheiten in das Bundesgebiet zu reisen. Bei dieser Gelegenheit weise ich darauf hin, daß die Verbesserung des Reiseverkehrs zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR nicht erst mit dem Grundlagenvertrag, sondern bereits beim Inkrafttreten des Verkehrsvertrages am 17. Oktober 1972 einsetzte. Bekanntlich wurden nicht nur die Reisemöglichkeiten für Deutsche aus dem Bundesgebiet in die DDR verbessert. Erstmalig erhielten auch jüngere DDR-Bewohner, d. h. solche, die noch nicht das gesetzliche Rentenalter erreicht haben, die Möglichkeit, bei dringenden Familienangelegenheiten in das Bundesgebiet zu reisen. Von November 1972 bis einschließlich August 1973 haben auf diese Weise mehr als 38 000 DDR-Bewohner ihre Angehörigen im Bundesgebiet anläßlich dringender Familienangelegenheiten besuchen können. In dieser Zahl sind die Besucher aus den genannten Anlässen in Berlin (West) nicht enthalten, da von den Senatsdienststellen keine Ermittlungen hierüber angestellt werden. Die Zahl der Personen im Rentenalter, die das Bundesgebiet einschließlich Berlin (West) seit Inkrafttreten des Verkehrsvertrages besucht haben, ist ebenfalls erheblich gestiegen: Von November 1972 bis einschließlich August 1973 sind im Vergleich zu dem entsprechenden Zeitraum vor Inkrafttreten des Verkehsvertrages (November 1971 bis einschließlich August 1972) rd. 160 000 Personen im Rentenalter mehr eingereist (= 20,3 %). Aus diesen Zahlen ergibt sich ein erfreuliches Ansteigen der Besuche aus der DDR seit dem Inkrafttreten des Verkehrsvertrages im Oktober vergangenen Jahres. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Berkhan vom 20. September 1973 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Beermann (SPD) (Drucksache 7/1004 Frage A 44) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß selbst führende Mitglieder des amerikanischen Kongresses weitgehend über den militärischen und finanziellen Beitrag der Bundesrepublik Deutschland zur Verteidigung Westeuropas und zum Ausqleich der Stationierungskosten ungenügend unterrichtet sind, und teilt sie meine Autfassung, daß dieser Zustand jenen politischen Strömungen in den USA Auftrieb gibt, die den einseiligen Abzug der amerikanischen Streitkräfte aus Europa fordern, und in welcher Form hat die Bundesregierung bislang versucht, hier aufklärend zu wirken bzw. welche Maßnahmen wird sie in Zukunft ergreifen, um diese Unkenntnis zu beseitigen? Der Bundesregierung ist nicht bekannt, daß führende Mitglieder des amerikanischen Kongresses weitgehend über den militärischen und finanziellen Beitrag der Bundesrepublik Deutschland zur Verteidigung Westeuropas und zum Ausgleich der Stationierungskosten ungenügend unterrichtet sind. Sie ist vielmehr der Auffassung, daß alle relevanten Tatsachen auf diesem Gebiet seitens der Bundesregierung und seitens der amerikanischen Regierung und auch durch die internationalen Organe des Atlantischen Bündnisses den Mitgliedern des amerikanischen Kongresses fortlaufend zur Verfügung gestellt werden. Die Bundesregierung kann daher auch nicht die Schlußfolgerung ziehen, daß der ungenügende Kenntnisstand politischen Strömungen im amerikanischen Kongreß Auftrieb für die Forderung nach einseitigem amerikanischen Truppenabzug aus Europa gibt. Die Bundesregierung wird auch in Zukunft auf diplomatischem Wege und mittels geeigneter informationspolitischer Maßnahmen Sorge dafür tragen, daß den Mitgliedern des amerikanischen Kongresses alle relevanten Kenntnisse über die deutsche Verteidigungspolitik und unseren militärischen sowie finanziellen Beitrag zum Bündnis vermittelt werden. In diesem Zusammenhang ist festzustellen, daß die amerikanische Regierung die amerikanische Öffentlichkeit und den amerikanischen Kongreß seit längerem umfassend über den europäischen, insbesondere auch über den deutschen Beitrag zum Bündnis unterrichtet.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Fritz Logemann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister Arendt hat Ihnen die Schwerpunkte der 7. Novelle zum Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte dargelegt. Ich möchte dies nicht wiederholen. Gestatten Sie mir bitte nur eine Ergänzung durch einen Hinweis auf die agrarpolitischen Wirkungen, die von dem Gesetzentwurf ausgehen werden.
    Wenn wir uns als Ziel der Agrarpolitik gesetzt haben, daß die in der Landwirtschaft Tätigen an der allgemeinen Einkommens- und Wohlstandsentwicklung teilnehmen sollen, ist hierin eingeschlossen das Bemühen um eine soziale Sicherung der Landwirte und ihrer Familien, die unter Berücksichtigung der speziellen Situation eines selbständig erwerbstätigen Personenkreises ebenso umfassend und wirkungsvoll ist wie der soziale Versicherungsschutz der übrigen Bevölkerung. Hierin ist auch für uns die Forderung nach sozialer Parität eingeschlossen. Seit Bestehen der sozialliberalen Koalition haben wir dieses Ziel konsequent verfolgt. Der heute eingebrachte Gesetzentwurf stellt mit der Dynamisierung des Altersgeldes und seiner Staffelung nach der Beitragsdauer einen weiteren wesentlichen Schritt zur Herstellung der sozialen Parität dar. Nicht nur die Altersgeldempfänger selbst werden dies dankbar begrüßen, auch für die aktiven Landwirte sind dies Neuregelungen von wesentlicher Bedeutung; denn das Bewußtsein einer gesicherten Altersversorgung erleichtert es ihnen, die gestellten Aufgaben mit ganzer Kraft zu erfüllen.
    Agrarpolitisch besonders bedeutsam sind die vorgesehenen Änderungen im Landabgabenrecht und die Neuregelung des Nachentrichtungszuschusses. Herr Minister Arendt hat schon darauf hingewiesen, daß das Recht der Landabgaberente an die Vorschriften der EWG-Richtlinie Nr. 72/160 angepaßt werden muß. Strukturpolitisch bedeutet dies, daß künftig die Abgabe des frei werdenden Landes an



    Parl. Staatssekretär Logemann
    solche Betriebe Priorität erhält, die einzelbetriebliche Förderung in Anspruch nehmen. Sind derartige Betriebe jedoch nicht vorhanden, soll auch in Zukunft nach den bisher geltenden Bestimmungen abgegeben werden können. Mit diesen neuen Vorschriften wird also eine gewisse Steuerung mobilisierter Flächen erreicht, ohne daß andererseits das bisherige Abgaberecht eingeschränkt wird. Wesentlich ist ferner, daß die zur Zeit noch mögliche Lücke zwischen sozialem Ergänzungsprogramm und einzelbetrieblichem Förderungsprogramm durch den Gesetzentwurf geschlossen werden wird. Künftig sollen auch Betriebe über der fünffachen Mindesthöhe der oberen Betriebsgrößengrenze für die Anspruchsberechtigung Landabgaberente erhalten können, wenn sie nachweisbar nicht entwicklungsfähig sind.
    Beim Nachentrichtungszuschuß geht der Gesetzentwurf einen neuen Weg. Grundsatz soll künftig sein: Jeder Landwirt, der sich hauptberuflich aus der Landwirtschaft löst, soll diesen Schritt auch hinsichtlich seiner Alterssicherung tun können. Doppelversicherung mit zweifacher Beitragsbelastung soll künftig nicht mehr erforderlich sein. Dieser neuen Konzeption folgend, sollen die Bedingungen, unter denen der Zuschuß zur Nachentrichtung gewährt wird, wesentlich erleichtert werden. Es soll auch nicht mehr in allen Fällen erforderlich sein, den Betrieb strukturverbessernd abzugeben. Von Bedeutung wird die Neuregelung vor allem für unsere Nebenerwerbslandwirte sein, die den Zuschuß auch ohne Abgabe des Betriebes erhalten sollen, wenn sie auf Antrag aus der Altershilfe ausscheiden.
    Meine Damen und Herren, es gibt noch eine Reihe von Änderungen im Recht der Altershilfe, die Ihnen mit diesem Gesetzentwurf zur Beratung und Beschlußfassung vorgelegt werden. Ich kann hierauf aus zeitlichen Gründen nicht mehr eingehen. Lassen Sie mich nur noch ein Wort sagen. Die Verbesserungen im Leistungsrecht der Altershilfe kosten sehr viel Geld, das nur zum kleineren Teil von unseren Landwirten selbst aufgebracht werden kann. Ich bin glücklich, daß es gelungen ist, die benötigten Bundesmittel für diesen Zweck bereitzustellen. Die Bundesregierung ist sich, wie an diesem Gesetzesvorhaben deutlich wird, ihrer Verantwortung gegenüber der landwirtschaftlichen Bevölkerung bewußt. Sie wird dies auch künftig unter Beweis stellen. Im übrigen schließe ich mich der Bitte von Herrn Minister Arendt an, die zeitliche Dringlichkeit des Gesetzentwurfs bei seiner weiteren Behandlung zu berücksichtigen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Claus Jäger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren, wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache.
Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung — federführend —, an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — mitberatend — und an den Haushaltsausschuß gem. § 96 der Geschäftsordnung zu überweisen. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Sozialgesetzbuchs (SGB) — Allgemeiner Teil —— Drucksache 7/868 —
Weiter rufe ich den Zusatzpunkt auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Rollmann, Kroll-Schlüter und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU betr. Schaffung eines einheitlichen und umfassenden Jugendgesetzbuches
- Drucksache 7/1019 —
Zur Begründung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Sozialgesetzbuches hat der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Walter Arendt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Entwurf des Allgemeinen Teils eines Sozialgesetzbuchs legt Ihnen die Bundesregierung den ersten Abschnitt eines Gesetzgebungswerks vor, das der Herr Bundeskanzler in den Regierungserklärungen vom 28. Oktober 1969 und 18. Januar 1973 angekündigt hat.
    Ziel dieses Vorhabens ist es, das gesamte Sozialrecht grundlegend zu vereinfachen und dadurch für den Bürger überschaubarer und verständlicher zu machen. Die Schaffung eines Sozialgesetzbuches ist daher sozial- und rechtspolitisch von größter Bedeutung.
    Die Forderung nach einer Vereinfachung und größeren Überschaubarkeit des Sozialrechts wird nicht nur in der Praxis und Wissenschaft, sondern seit langem auch im politischen Raum erhoben. Wenn auch unsere Sozialordnung in ihrem Leistungssystem eine imponierende Geschlossenheit aufweist, so ist doch ihre rechtliche Form in einer fast unüberschaubaren Zahl von Gesetzen und Verordnungen zersplittert. Der Bürger steht vielfach verständnis- und hilflos diesem Dschungel von Gesetzen und Verordnungen gegenüber. Ich meine, daß dieses Paragraphen- und Gesetzesdickicht endlich gelichtet werden muß, um das Vertrauen des Bürgers in das Recht und damit in den Staat und seine sozialen Institutionen zu fördern. Das Vertrauen in das Recht ist eine der Grundvoraussetzungen lebendiger Demokratie. Das kann jedoch nur durch eine größtmögliche Verständlichkeit des Rechts erhalten werden.
    Gerade im sozialen Bereich darf das Recht nicht eine Geheimwissenschaft der Experten sein. Es muß vielmehr auch in dem Sinne sozial werden, daß es von möglichst a 11 e n Bürgern verstanden und als i h r Recht empfunden wird.
    Die Bundesregierung ist davon überzeugt, daß sich eine optimale Vereinfachung und Überschaubarkeit des Sozialrechts nicht durch eine Überarbeitung der einzelnen Sozialgesetze erreichen läßt. Erforderlich ist vielmehr die Zusammenfassung aller Sozialleistungsbereiche in einem Gesetzeswerk. Nur durch eine solche Kodifikation kann sichergestellt



    Bundesminister Arendt
    werden, daß Fragen, die in den verschiedenen Bereichen in gleicher Weise entstehen, nach einheitlichen Grundsätzen geregelt werden; daß Regelungen, die unterschiedlich bleiben müssen, so weit wie möglich harmonisiert und aufeinander abgestimmt werden und daß der innere Zusammenhang zwischen den verschiedenen Sozialleistungsbereichen mehr als bisher bei der Gesetzgebung und Rechtsanwendung beachtet wird.
    In diesem Zusammenhang möchte ich hervorheben, daß Schematisierungen nicht beabsichtigt sind. Jedoch müssen wir im Rahmen unserer gegliederten Sozialrechtsordnung die vielfältigen Differenzierungen dahin überprüfen, ob sie dazu dienen, mit der im Rechtsstaat erforderlichen Genauigkeit unterschiedliche Tatbestände angemessen zu regeln.
    Um in der genannten Weise die äußere und innere Transparenz des Sozialrechts herzustellen, müssen in das Sozialgesetzbuch alle auf Dauer angelegten Sozialleistungsbereiche einbezogen werden. Demgemäß soll das Sozialgesetzbuch folgende Rechtsbereiche umfassen: die Ausbildungs- und Arbeitsförderung, die gesamte Sozialversicherung, die soziale Entschädigung bei Gesundheitsschäden, das Kindergeld- und Wohngeldrecht sowie die Sozial-und Jugendhilfe.
    Meine Damen und Herren, eine so umfassende Kodifikation kann allerdings nur stufenweise und nicht in e in er Gesetzesvorlage realisiert werden. Der heute vorgelegte Allgemeine Teil enthält als erste Stufe die Regelungen, die teils als Grundlagen-und Einweisungsvorschriften übergreifende Bedeutung haben, teils in allen Sozialleistungsbereichen einheitlich gelten sollen.
    Bereits dabei wird deutlich, daß das Sozialgesetzbuch nicht ausschließlich zur Vereinfachung des Rechts beitragen soll, sondern zugleich begrenzte Sachreformen, die von aktueller Bedeutung sind, verwirklichen wird.
    Zu Beginn des Allgemeinen Teils wird erstmals im deutschen Sozialrecht ein Katalog sozialer Rechte formuliert, die die Entscheidung des Grundgesetzes für den sozialen Rechtsstaat konkretisieren. Diese sozialen Rechte sprechen die Leitideen unserer Sozialordnung aus, die von der Verwaltung und Rechtsprechung bei der Rechtsanwendung berücksichtigt werden müssen und Grundlage für die Rechtsfortbildung sein werden. Sie machen deutlich, daß unser Staat sich für die soziale Gerechtigkeit und soziale Sicherheit seiner Bürger verantwortlich fühlt. Zugleich enthalten sie eine Sozialcharta für den Bürger, indem sie ihm seine Teilhabe an den verschiedenen sozialen Förderungs- und Sicherungseinrichtungen unserer Gesellschaft aufzeigen.
    Einen Schwerpunkt des Gesetzentwurfs bildet die Verbesserung der Information der Bevölkerung über ihre Rechte und Pflichten im sozialen Bereich. Die Aufklärung und Beratung des Bürgers ist eine der wesentlichen sozialpolitischen Aufgaben unserer Zeit.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wir dürfen es nicht länger mehr hinnehmen, daß
    Bürger ihre Rechte aus Unwissenheit, Unerfahren-
    heit oder Unsicherheit nicht wahrnehmen. Wer Rat oder Auskunft in sozialen Angelegenheiten benötigt, soll einen Anspruch darauf bekommen, daß die zuständige Stelle der Sozialverwaltung ihn umfassend und schnell berät. Dieser Anspruch darf nicht daran scheitern, daß für eine Sozialleistung mehrere Stellen in Betracht kommen und der Bürger nicht weiß, an wen er sich wenden soll. Deshalb ist vorgesehen, daß bürgernahe Verwaltungsstellen Auskünfte über alle sozialen Angelegenheiten erteilen. Darüber hinaus gibt der Gesetzentwurf selbst einen umfassenden Überblick über die wichtigsten Sozialleistungen und die für sie zuständigen Leistungsträger.
    Die Auffassung der Bundesregierung, daß Sozialleistungen heute nicht mehr so „von oben herab gewährt" werden, sondern eine selbstverständliche Aufgabe des sozialen Rechtsstaates sind, liegt allen Vorschriften des Gesetzentwurfs zugrunde. So ist festgelegt, daß auf Sozialleistungen in der Regel ein Rechtsanspruch besteht und hierauf Vorschüsse und vorläufige Leistungen zu erbringen sind, wenn sich die Feststellung der Leistungshöhe oder des zuständigen Leistungsträgers verzögert. Folgerichtig wird auch bestimmt, daß Geldleistungen, mit denen ein Leistungsträger im Rückstand ist, unter bestimmten Voraussetzungen verzinst werden müssen und im Falle des Todes an seine Angehörigen auszuzahlen sind.

    (Beifall bei der SPD.)

    Andererseits erscheint es der Bundesregierung geboten, Sozialleistungen nicht mehr länger völlig dem Rechtsverkehr zu entziehen, sonder im sozialpolitisch vertretbaren Maße übertragbar und pfändbar zu machen.
    Ein weiteres Grundanliegen des Gesetzentwurfs ist es, das Vertrauensverhältnis zwischen Bürger und Sozialverwaltung zu verbessern. Dieses Ziel kann nicht allein durch eine Vereinfachung und größere Überschaubarkeit des Sozialrechts erreicht werden. Erforderlich sind vielmehr Vorschiften, die sicherstellen, daß der Bürger sich bei der Verwirklichung seiner sozialen Rechte als Partner der Sozialverwaltung versteht. Insoweit verweise ich auf die Vorschriften über die Mitwirkung des Bürgers bei der Ausgestaltung von Rechten und Pflichten sowie bei der Geltendmachung von Sozialleistungen, über die Anhörung Beteiligter und über die Geheimhaltungspflicht der Leistungsträger.
    Den vorliegenden Geestzentwurf, meine Damen und Herren, hat die Bundesregierung in engem Zusammenwirken mit der von ihr berufenen Sachverständigenkommission erarbeitet. Dieser Kommission gehören namhafte Vertreter der Wissenschaft, der Rechtsprechung, der Sozialpartner, der Spitzenverbände und der Länder an. Ihnen möchte ich auch an dieser Stelle meinen Dank für die geleistete Arbeit aussprechen.
    Weitere Abschnitte des Sozialgesetzbuchs werden bereits vorbereitet und Ihnen noch im Laufe dieser Legislaturperiode zugeleitet werden. Diesen Arbeiten liegt eine Gesamtkonzeption zugrunde, die sicherstellt, daß das Sozialgesetzbuch die immer wieder erhobene Forderung nach einem „Sozialrecht
    2886 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Donnerstag; den 20. September 1973
    Bundesminister Arendt
    aus einem Guß" so weit wie möglich in die Tat umsetzt.
    Schon heute kann gesagt werden, daß die Kodifikation des Sozialrechts zu einer erheblichen Verringerung der sozialrechtlichen Vorschriften führen wird. Das Sozialgesetzbuch wird für die Regelung aller Sozialleistungsbereiche sehr wahrscheinlich nicht mehr Vorschriften benötigen, als sie heute in der Reichsversicherungsordnung allein für die Krankenversicherung, die Unfallversicherung und die Rentenversicherung der Arbeiter bestehen.
    Außerdem möchte ich betonen, daß die Arbeiten am Sozialgesetzbuch die Dynamik unseres Sozialrechts in keiner Weise behindern oder gar hemmen werden. Vielmehr erwarte ich, daß die systematische Durchdringung des Sozialrechts im Zuge seiner Kodifikation den Blick für notwendige und zukunftsweisende Verbesserungen schärfen wird.
    Eine solche Kodifikation, meine Damen und Herren, kann nur bei intensiver Mithilfe dieses Hohen Hauses gelingen. Um diese Unterstützung möchte ich Sie bitten, damit wir für die Bürger in unserem Lande möglichst bald ein einfacheres und verständlicheres Sozialrecht erreichen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)