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ID0703004300

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 30. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1973 Inhalt: Überweisung von Vorlagen an Ausschüsse 1543 A Amtliche Mitteilungen 1543 B Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 21. Dezember 1972 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik (Drucksache 7/153); Bericht und Antrag des Ausschusses für innerdeutsche Beziehungen (Drucksachen 7/500, 7/516) — Fortsetzung der zweiten Beratung ,— in Verbindung mit Entwurf eines Gesetzes zum Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zur Charta der Vereinten Nationen (Drucksachen 7/154, 7/503); Bericht des Haushaltsausschusses gem. § 96 GO (Drucksache 7/520), Bericht und Antrag des Auswärtigen Ausschusses (Drucksache 7/502) — Fortsetzung der zweiten Beratung — Scheel, Bundesminister (AA) . . . 1544 A Dr. Gradl (CDU/CSU) 1548 C Höhmann (SPD) . . . . . . . 1553 D Ronneburger (FDP) . . . . . . 1558 B Franke, Bundesminister (BMB) . . 1560 D Dr. Abelein (CDU/CSU) . . . . 1565 A Wischnewski (SPD) . . . . . . 1569 D Dr. Bangemann (FDP) 1573 A Dr. Klein (Göttingen) (CDU/CSU) . 1601 C Dr. Kreutzmann (SPD) 1605 B Eppler, Bundesminister (BMZ) . . 1608 A Graf Stauffenberg (CDU/CSU) . . 1609 D Flach (FDP) 1614 C Mattick (SPD) 1618 B Bahr, Bundesminister 1622 A Fragestunde (Drucksache 7/511) Frage A 83 des Abg. Engelsberger (CDU/CSU) : • Verkauf von Butter an die Sowjetunion und Weiterverkauf nach Chile Ertl, Bundesminister (BML) . . . . 1578 D, 1579 A, B Engelsberger (CDU/CSU) . . . . 1579 A, B Frage A 84 des Abg. Dr. Kunz (Weiden) (CDU/CSU) : Änderungen des einzelbetrieblichen Förderungsprogramms für die Landwirtschaft auf Grund des Einspruchs der EG-Kommission Ertl, Bundesminister (BML) . . . . 1579 C, 1580 A, C Dr. Kunz (Weiden) (CDU/CSU) . 1580 A, C II Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1973 Frage A 85 des Abg. Niegel (CDU/CSU) : Auswirkungen der Preisbeschlüsse des EG-Ministerrates auf die Entwicklung der Betriebskosten und der Einkommen der deutschen Bauern Ertl, Bundesminister (BML) . . . 1580 C, D, 1581 A Niegel (CDU/CSU) . . . 1580 D, 1581 A Frage A 8 des Abg. Dr. Müller (München) (CDU/CSU) : Äußerung des Bundeskanzlers über Gäste als Belastung für den Besuch Breschnews Ravens, Parl. Staatssekretär (BK) . 1581 B, C Dr. Müller (München) (CDU/CSU) 1581 B, C Höcherl (CDU/CSU) . . . . . . 1581 C Fragen A 9 und 10 der Abg. Dr. Müller (München) und Engelsberger (CDU/CSU) : Äußerung des Bundeskanzlers in Pula über die Einstellung der Wähler der CDU und der CSU zum Frieden Ravens, Parl. Staatssekretär (BK) . . 1581 D, 1582 A, B, C, D, 1583 A Dr. Müller (München) (CDU/CSU) . 1581 D, 1582 A, D Engelsberger (CDU/CSU) . . . 1582 B, C Müller (Berlin) (CDU/CSU) . . . . 1582 D Frage A 62 des Abg. Dr. Geßner (SPD) : Irreführende Angaben in Prospekten und anderen Veröffentlichungen von Reiseveranstaltern Dr. Bayerl, Parl. Staatssekretär (BMJ) 1583 B, C, D, 1584 A Dr. Geßner (SPD) 1583 C, D Hansen (SPD) 1583 D Dr. de With (SPD) 1584 A Frage A 63 des Abg. Gallus (FDP) : Änderung der Jugendarrestvollzugsordnung Dr. Bayerl, Parl. Staatssekretär (BMJ) 1584 B, D, 1585 A Gallus (FDP) 1584 C, D Höcherl (CDU/CSU) 1585 A Fragen A 77 und 78 des Abg. Dr. Meinecke (Hamburg) (SPD) : Aufnahme einer berührungssicheren Glühlampenfassung in die VDE-Vorschriften Grüner, Parl. Staatssekretär (BMW) 1585 B, C, D, 1586 A, B, C Dr. Meinecke (Hamburg) (SPD) . 1585 C, D, 1586 A, B, C Lemp (SPD) 1586 C Fragen A 79 und 80 des Abg. Höcherl (CDU/CSU) : Konsequenzen aus dem Jahresbericht 1972 der Deutschen Bundesbank Grüner, Parl. Staatssekretär (BMW) 1587 A, B, C, D Höcherl (CDU/CSU) . . . 1587 B, C, D Fragen A 86 und 87 des Abg. Bremm (CDU/CSU) : Krankenversicherungsbeiträge freiwillig weiterversicherter Angestellter, die zugleich landwirtschaftliche Unternehmer sind Eicher, Staatssekretär (BMA) 1588 A, B, C Bremm (CDU/CSU) 1588 C, D Frage A 88 des Abg. Dr. Schäuble (CDU/ CSU) : Berücksichtigung der Inhaftierung durch eine Besatzungsmacht auf Grund einer Denunziation als Ersatzzeit im Sinne des § 28 AVG Eicher, Staatssekretär (BMA) . . 1589 A, C Dr. Schäuble (CDU/CSU) 1589 B Fragen A 89 und 90 des Abg. Geisenhofer (CDU/CSU) : Anmeldung von Schwerbehinderten zur freiwilligen Versicherung nach dem Rentenreformgesetz 1972 Eicher, Staatssekretär (BMA) . . 1589 C, D Fragen A 95 und 96 des Abg. Müller (Berlin) (CDU/CSU) : Forderungen des Deutschen Familienverbands betr. eine Übergangslösung zum Familienlastenausgleich Westphal, Parl. Staatssekretär (BMJFG) 1590 B, C, D, 1591 A, B, C, D Müller (Berlin) (CDU/CSU) . . . 1590 B, C, 1591 B, C Frau Stommel (CDU/CSU) . . . 1590 D Baier (CDU/CSU) 1591 D Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung Brandt, Bundeskanzler . . . . . 1592 A Dr. Narjes (CDU/CSU) 1594 B Dr. Schachtschabel (SPD) 1596 C Dr. Graf Lambsdorff (FDP) . . . 1598 B Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 1. Oktober 1971 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über die Rechtshilfe in Strafsachen (Drucksache 7/371) — Erste Beratung — . . . . . . . . . . . . 1626 A Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 26. November 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über die Auslieferung (Drucksache 7/372) — Erste Beratung — . . . 1626 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes vom 14. Januar 1969 zu dem Übereinkommen vom 7. September 1967 zwischen Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und den Niederlanden über gegenseitige Unterstützung ihrer Zollverwaltungen und zu dem Protokoll über den Beitritt Griechenlands zu diesem Übereinkommen (Drucksache 7/470) — Erste Beratung — 1626 A Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 7. Juni 1972 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Marokko zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (Drucksache 7/471) — Erste Beratung — 1626 B Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 25. November 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Liberia zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (Drucksache 7/472) — Erste Beratung — 1626 B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Kostenermächtigungsvorschriften des Seemannsgesetzes (Drucksache 7/482) — Erste Beratung — 1626 B Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung der Wirtschaftspläne des ERP-Sondervermögens für das Jahr 1973 (ERPWirtschaftsplangesetz 1973) (Drucksache 7/479) — Erste Beratung — 1626 C Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen Nr. 120 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 8. Juli 1964 über den Gesundheitsschutz im Handel und in Büros (Drucksache 7/414) — Erste Beratung — 1626 C Entwurf eines Gesetzes zu dem Internationalen Olivenöl-Übereinkommen von 1963 (Drucksache 7/413) — Erste Beratung — 1626 C Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über forstwirtschaftliche Zusammenschlüsse (SPD, CDU/CSU, FDP) (Drucksache 7/400) — Erste Beratung — 1626 D Entwurf eines Gesetzes über eine Statistik des grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrs (Drucksache 7/426) — Erste Beratung — 1626 D Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 15. Februar 1966 über die Eichung von Binnenschiffen (Drucksache 7/481) — Erste Beratung — . . . . . 1626 D Entwurf eines Gesetzes über das Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Reform des Strafrechts (Drucksache 7/506) — Erste Beratung — . . . . . . . . . 1626 D Entwurf eines Gesetzes zur Abwicklung der Reichsärztekammer (Reichsärztekammer-Abwicklungsgesetz) (Drucksache 7/507) — Erste Beratung — . . . . 1627 A Nächste Sitzung 1627 C Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 1629* A Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Bayerl (BMJ) auf die Fragen A 64 Und 65 — Drucksache 7/511 — des Abg. Dr. Schneider (CDU/CSU) betr. Begünstigung krimineller Ausschreitungen bei Demonstrationen durch die Liberalisierung des Demonstrationsstrafrechts und Maßnahmen gegen die Verschlechterung der inneren Sicherheit . . . . . . . 1629* B Anlage 3 Antwort des Staatssekretärs Eicher (BMA) auf die Frage A 91 — Drucksache 7/511 — des Abg. Lenzer (CDU/CSU) betr. Beschäftigung von Jugendlichen mit Akkordoder Fließarbeit 1630* A Anlage 4 Antwort des Staatssekretärs Eicher (BMA) auf die Frage A 92 — Drucksache 7/511 — des Abg. Spranger (CDU/CSU) betr. Behandlung der Schwerkriegsbeschädigten in der Krankenversicherung der Landwirte 1630* B IV Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1973 Anlage 5 Antwort des Staatssekretärs Eicher (BMA) auf die Frage A 93 — Drucksache 7/511 — des Abg. Peiter (SPD) betr. technische Unzulänglichkeiten eines bestimmten Baggermodells . . . . . . . . . . 1630* D Anlage 6 Antwort des Staatssekretärs Eicher (BMA) auf die Frage A 94 — Drucksache 7/511 — des Abg. Zebisch (SPD) betr. Meldungen über ein Ansteigen des Krankenstandes 1631* B Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Herold (BMB) auf die Frage A 129 — Drucksache 7/511 — des Abg. Ernesti (CDU/CSU) betr. Protest der drei westlichen Stadtkommandanten zu dem Zwischenfall an der Sektorengrenze in der Nähe des Reichstags 1631* D Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1973 1543 30. Sitzung Bonn, den 10. Mai 1973 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 29. Sitzung, Seite 1415 A: Die Verordnung (Euratom) des Rates zur Änderung der Bedingungen für die Besoldung und die soziale Sicherheit der Atomanlagenbediensteten der Gemeinsamen Forschungsstelle, die in Belgien dienstlich verwendet werden — Drucksache 7/492 —überwiesen an den Innenausschuß (federführend), Haushaltsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat ist zu streichen. Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Achenbach * 12.5. Adams * 12. 5. Dr. Aigner * 12. 5. Dr. Arndt (Berlin) * 12. 5. Dr. Artzinger * 12. 5. Dr. Bangemann * 12. 5. Barche 26. 5. Behrendt * 12. 5. Dr. Dr. h. c. Birrenbach 26. 5. Blumenfeld * 12. 5. Dr. Burgbacher * 12. 5. Coppik 26. 5. Dr. Corterier * 12. 5. Eckerland 26. 5. Fellermaier * 12. 5. Flämig * 12. 5. Frehsee * 12. 5. Dr. Früh * 12. 5. Gerlach (Emsland) * 12. 5. Graaff 12. 5. Härzschel * 12. 5. Dr. Jahn (Braunschweig) * 12. 5. Kater * 12. 5. Dr. Klepsch * 12. 5. Krall * 12. 5. Freiherr von Kühlmann-Stumm 24. 5. Lange * 12. 5. Lautenschlager * 12. 5. Lücker * 12.5. Dr. Martin 26. 5. Memmel ' 12. 5. Müller (Mülheim) * 12. 5. Mursch (Soltau-Harburg) * 12.5. Frau Dr. Orth 26.5. Picard 12.5. Schmidt (München) * 12. 5. Dr. Schulz (Berlin) * 12. 5. Schwabe * 12. 5. Dr. Schwörer * 12. 5. Seefeld * 12. 5. Springorum * 12. 5. Dr. Starke (Franken) * 12. 5. Walkhoff * 12. 5. Frau Dr. Walz * 12. 5. Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Bayerl vom 10. Mai 1973 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten * Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments Anlagen zum Stenographischen Bericht Dr. Schneider (CDU/CSU) (Drucksache 7/511 Fragen A 64 und 65) : Inwieweit hat nach den Feststellungen der Bundesregierung die Liberalisierung des Demonstrationsstrafrechts mit dem dritten Strafrechtsreformgesetz kriminelle Ausschreitungen bei Demonstrationen der letzten Zeit in Frankfurt und Bonn begünstigt sowie die präventive Unterbindung von Gewaltakten erschwert bzw. verhindert? Ist die Bundesregierung bereit, aus der bedrohlichen Verschlechterung der inneren Sicherheit Konsequenzen zu ziehen, und welche Maßnahme gedenkt sie gegebenenfalls zu ergreifen? Zu Frage A 64: Bereits in meiner Antwort auf eine Anfrage des Abgeordneten Höcherl vom 12. August 1971 - zu Drucksache VI/2492 - habe ich darauf hingewiesen, daß es eines der Ziele des Dritten Gesetzes zur Reform des Strafrechts vom 20. Mai 1970 (BGBl. I Seite 505) war, die friedliche Meinungsäußerung und den gewalttätigen Mißbrauch des Demonstrationsrechts klar voneinander abzugrenzen. Dieses Ziel ist auch erreicht worden. Der durch das Dritte Reformgesetz neugefaßte Tatbestand des Landfriedensbruchs (§ 125 StGB) ist gerade gegen Gewaltakte geschaffen worden, wie sie in letzter Zeit in Bonn und Frankfurt vorgekommen sind. Die Lockerung der Strafdrohung des § 125 StGB gegenüber dem alten Rechtszustand besteht nur darin, daß solche Personen straffrei gestellt sind, die im Rahmen einer Demonstration weder Gewaltakte begangen noch solche Handlungen im Sinne des § 125 StGB gefördert haben. Sie betrifft die Teilnahme an den Ausschreitungen in Bonn und Frankfurt nicht. Im übrigen stellt das Strafgesetzbuch eine Reihe sonstiger Vorschriften zur Verfügung, die bei Gewaltakten - je nach Sachlage zur Anwendung kommen. Ich nenne hier nur die Tatbestände der Körperverletzung, Sachbeschädigung, Nötigung und ähnlicher Delikte. Von einer Begünstigung von Gewaltakten durch das 3. Strafrechtsreformgesetz kann also überhaupt keine Rede sein. Dies wird auch bestätigt durch statistische Erhebungen, die der Bundesminister des Innern seit dem Jahre 1968 bei den Innenverwaltungen der Länder durchführt und die auf Polizeiberichten beruhen. Danach ging seit 1969 sowohl die Anzahl der Demonstrationen überhaupt als auch besonders der Anteil der unfriedlichen Demonstrationen fast kontinuierlich zurück. Während 1969 noch etwa jede zweite bis dritte der 2 253 erfaßten Demonstrationen unfriedlich verlief, war es 1972 nur etwa jede zwanzigste bei einer Gesamtzahl von 1 547 Demonstrationen. Zu Frage A 65: Aus der Verbindung dieser Frage mit Ihrer ersten Frage schließe ich, daß Sie offensichtlich dann auch davon ausgehen, die Reform des Demonstrationsstrafrechts habe zu einer bedrohlichen Verschlechterung der inneren Sicherheit geführt. Das trifft wie ich bereits ausgeführt habe - nicht zu. Deshalb sehe ich aus der Sicht meines Geschäftsbereichs keinen Anlaß, erneut eine Änderung des Demonstrationsstrafrechts in Erwägung zu ziehen. 1630* Deutscher Bundestag -- 7. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1973 Anlage 3 Antwort des Staatssekretärs Eicher vom 10. Mai 1973 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Lenzer (CDU/CSU) (Drucksache 7/511 Frage A 91): Wie beurteilt die Bundesregierung die im § 38 des Jugendarbeitsschutzgesetzes eingeräumte Möglichkeit, für Jugendliche über 16 Jahre durch die Gewerbeaufsichtsämter Akkord- bzw. Fließarbeit in Ausnahmefällen zuzulassen, und ist sie gegebenenfalls der Auffassung, daß der Gesetzestext so geändert werden sollte, daß grundsätzlich für Jugendliche unter 18 Jahren die Beschäftigung mit Akkord- oder Fließarbeit verboten wird? Wie Herr Minister Arendt bereits in der Debatte über die Regierungserklärung am 24. Januar 1973 angekündigt hat, bereitet mein Haus eine Reform des Jugendarbeitsschutzes vor. Im Rahmen der Vorarbeiten hierzu wird auch die Vorschrift des § 38 des Jugendarbeitsschutzgesetzes über die Akkord- und Fließarbeit überprüft. Die Prüfung ist jedoch noch nicht abgeschlossen, insbesondere sind noch einige Rückfragen bei den Gewerbeaufsichtsämtern erforderlich. Ich bitte um Verständnis, wenn ich dem Ergebnis der Überprüfung heute nicht vorgreifen möchte. Ich hoffe, die Prüfung so rechtzeitig abschließen zu können, daß ein erster Entwurf eines neuen Jugendarbeitsschutzgesetzes alsbald erstellt werden kann. Anlage 4 Antwort des Staatssekretärs Eicher vom 10. Mai 1973 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Spranger (CDU/ CSU) (Drucksache 7/511 Frage A 92) : Wird die Bundesregierung den sozialen Status der schwerkriegsbeschädigten Landwirte dadurch verbessern, daß sie die nach dem Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte bestehende volle Beitragspflicht nach dem Flächenwert ändert und eine der kostenlosen Heilbehandlungen gem. § 10 des Bundesversorgungsgesetzes entsprechende Regelung für diesen Personenkreis und deren Familienangehörige trifft, und teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die Beiträge der Landwirte zur landwirtschaftlichen Krankenkasse für mitarbeitende Familienangehörige zu hoch sind und unverzüglich einer Herabsetzung bedürfen? Zu diesem Thema hat die Bundesregierung bereits in mehreren Fragestunden des Deutschen Bundestages Stellung genommen. Ich möchte hier erneut darauf hinweisen, daß das Problem während der Beratungen des Gesetzentwurfes über die Krankenversicherung der Landwirte im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung des Deutschen Bundestages eingehend erörtert worden ist. Der Ausschuß hat sich vor allem deswegen für die geltende Regelung ausgesprochen, weil Schwerbeschädigte Landwirte in der Krankenversicherung der Landwirte nicht anders behandelt werden können als schwerbeschädigte Pflichtversicherte in der allgemeinen Krankenversicherung. Wollte man allerdings den schwerkriegsbeschädigten Landwirten die Leistungen der Krankenversicherung ohne eigene oder bei verminderter Beitragszahlung zur Verfügung stellen, müßten die übrigen versicherten landwirtschaftlichen Unternehmer diese Aufwendungen mitfinanzieren. Line andere Frage ist es, ob die Beitragsbelastung der schwerkriegsbeschädigten Landwirte auf andere Weise gemildert werden kann. Hierzu hat Herr Parlamentarischer Staatssekretär Rohde bereits in der Fragestunde am 1. Februar 1973 ausgeführt, daß in der zuständigen Fachabteilung unseres Hauses gegenwärtig die Frage geprüft wird, ob auch die Beitragsbelastung der Landwirte bei der Neugestaltung des § 9 der Verordnung zur Durchführung des § 33 des Bundesversorgungsgesetzes im Rahmen der Einkommensermittlung pauschal berücksichtigt werden kann. Diese Prüfung ist noch nicht abgeschlossen. Zum zweiten Teil Ihrer Frage möchte ich folgendes bemerken: Wie Sie wissen, Herr Abgeordneter, tragen die versicherungspflichtigen landwirtschaftlichen Unternehmer auch die Beiträge für die bei ihnen mitarbeitenden versicherungspflichtigen Familienangehörigen. Die Folge einer Ermäßigung dieser Beiträge von zwei Dritteln auf die Hälfte des jeweiligen Unternehmerbeitrags wäre eine Umschichtung der Beitragslast unter den Landwirten. Dabei würden Landwirte ohne mitarbeitende Familienangehörige, zu denen auch Kleinstlandwirte zählen, finanziell stärker belastet als bisher. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß nach der verhältnismäßig kurzen Zeit seit dem Inkrafttreten des Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte die von Ihnen, Herr Abgeordneter, angesprochene Frage noch nicht abschließend beurteilt werden kann; sie wird die Beitragsentwicklung bei den landwirtschaftlichen Krankenkassen sorgfältig beobachten und zu gegebener Zeit prüfen, ob die Beiträge für mitarbeitende Familienangehörige gesenkt werden können, ohne die Landwirte, die keine mitarbeitenden Familienangehörige beschäftigen, unzumutbar zu belasten. Anlage 5 Antwort des Staatssekretärs Eicher vom 10. Mai 1973 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Peiter (SPD) (Drucksache 7/511 Frage A 93) : Trifft die Feststellung eines Frankfurter Schöffengerichts zu, daß durch technische Unzulänglichkeiten eines bestimmten Baggermodells es eine Reihe von tödlichen Unfällen gegeben hat, und daß der Gesetzgeber durch Sachverständige mehrmals darauf hingewiesen wurde, und, wenn ja, wird die Bundesregierung nunmehr die Initiative ergreifen und den Betrieb dieses Baggermodells fur die Verlegung von Kanalisationsrohren verbieten? Über das von Ihnen genannte Urteil des Frankfurter Schöffengerichts und den ihm zugrundeliegenden Sachverhalt hat das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung erst durch kürzlich veröffentlichte Pressemeldungen Kenntnis erlangt. Eine unverzügliche Rückfrage beim Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften ergab, daß die Berufsgenossenschaften bereits im Jahre 1971 wegen der Gefährdung der mit diesen Baggern Beschäftigten mit Herstellern und Benutzern des Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1973 1631* Baggermodells verhandelt haben. Hierbei ergab sich, daß die genannte Baggertype, die früher von mehreren Herstellern angeboten wurde, nicht nur für Baggerarbeiten verwandt wurde, sondern auch für Hebe- und Transportarbeiten — z. B. bei Rohrverlegungen —, wofür der Bagger an sich nicht gebaut ist. Daher ist vereinbart worden, daß für diesen Zweck Bagger angeboten und eingesetzt werden, die sowohl für Baggerarbeiten als auch für den Hebezeugbetrieb geeignet sind oder die innerhalb weniger Minuten umgerüstet werden können. Der Hauptverband hat die einzelnen Berufsgenossenschaften darauf aufmerksam gemacht, daß die nicht umgebauten Bagger dieser Type als Hebezeug nicht mehr verwendet werden dürfen. Dadurch war ein einheitliches Vorgehen aller Technischen Aufsichtsbeamten sichergestellt. Die Bundesregierung wird sich darüber hinaus dafür einsetzen, daß die Unfallverhütungsvorschrift „Bagger" entsprechend gefaßt wird. Die Benutzer von Baggern müssen auch aus dieser Vorschrift eindeutig erkennen können, daß für Transport- und Hebearbeiten nur solche Geräte verwendet werden dürfen, die auch dafür sicherheitstechnisch geeignet sind. Soweit der vorliegende Fall Fragen aus dem Bereich der Gewerbeaufsicht aufgeworfen hat, gehe ich davon aus, daß die hierfür zuständigen Stellen der Länder bereits geeignete Schritte unternommen haben oder unternehmen werden. Anlage 6 Antwort des Staatssekretärs Eicher vom 9. Mai 1973 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Zebisch (SPD) (Drucksache 7/511 Frage A 94) : Treffen Meldungen einzelner Unternehmer und Wirtschaftsverbände zu, die von einem alarmierenden Ansteigen des Krankenstands in den letzten Jahren sprechen und dafür das Lohnfortzahlungsgesetz verantwortlich machen, oder ist die Bundesregierung demgegenüber der Auffassung, daß sich das Lohnfortzahlungsgesetz voll bewährt hat? Der jahresdurchschnittliche Krankenstand in der gesetzlichen Krankenversicherung hat sich von 5,1 v. H. im Jahre 1969 auf 5,5 v. H. im Jahre 1972 erhöht. Bei den Betriebskrankenkassen ist ein stärkerer Anstieg — und hierauf gründen sich vermutlich die Meldungen über das „alarmierende Ansteigen des Krankenstandes" — zu verzeichnen, und zwar von 6,1 v. H. im Jahre 1969 auf 7,1 v. H. im Jahre 1972. Das von jeher höhere Krankenstandsniveau bei den Betriebskrankenkassen ergibt sich daraus, daß ein Teil dieser Kassen bei solchen Unternehmen besteht, deren Produktions- und Arbeitsweise eine verhältnismäßig hohe gesundheitliche Belastung oder ein größeres Unfallrisiko bewirken. Die Tendenz zu leicht. steigenden Krankenständen in den letzten Jahren dürfte u. a. mit dem Konjunkturverlauf, dem gestiegenen Arbeitstempo, der Mehrarbeit und den daraus sich ergebenden verstärkten gesundheitlichen Belastungen zusammenhängen. Hinzu kommt, daß als Folge der angespannten Arbeitsmarktsituation auch solche Arbeitnehmer in den Erwerbsprozeß eingegliedert wurden, die ein erhöhtes Krankheitsrisiko (z. B. auf Grund des Alters) aufweisen. Die Vielfalt der auf den Krankenstand einwirkenden Faktoren läßt daher eine Aussage, ob seine Veränderungen seit 1970 auf das Lohnfortzahlungsgesetz zurückzuführen sind, nicht zu. Wegen weiterer Einzelheiten zu diesem Fragenkomplex darf ich Sie auf den Erfahrungsbericht der Bundesregierung — Drucksache VI/3200 — hinweisen. Solange es nicht gelingt, diese unterschiedlichen, zum Teil auch im psychologischen Bereich liegenden Einflußgrößen zahlenmäßig sichtbar zu machen — und das dürfte sehr schwierig sein —, läßt sich ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Entwicklung des Krankenstandes und dem Lohnfortzahlungsgesetz nicht herstellen. Trotzdem bin ich der Auffassung, daß dieses Gesetz den mit ihm angestrebten Zweck erfüllt. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Herold vom 9. Mai 1973 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Ernesti (CDU/CSU) (Drucksache 7/511 Frage A 129) : Ist die Bundesregierung bereit, den vollen Wortlaut des Protests der drei westlichen Stadtkommandanten zu dem schweren Zwischenfall an der Sektorengrenze in der Nähe des Reichstags und ihre eigene Stellungnahme zu diesen Vorgängen dem Deutschen Bundes tag mitzuteilen? Der Wortlaut des Protestes der drei westlichen Stadtkommandanten zu dem schweren Zwischenfall an der Sektorengrenze in der Nähe des Reichstages lautet wie folgt: Am 27. April um 17.55 Uhr wurden Wachposten auf dem an den Bezirk Tiergarten im britischen Sektor angrenzenden Reichstagsufer in Ost-Berlin beobachtet, wie sie Schüsse abgaben, die anscheinend auf -einen Mann gerichtet waren, der versuchte, die Mauer an dieser Stelle zu übersteigen. Der Mann fiel in die Spree, und etwa zwei Stunden später wurde ein anscheinend lebloser Körper von einem ostdeutschen Patrouillenboot aus dem Wasser geborgen. Die alliierten Stadtkommandanten sind empört über diesen erneuten rücksichtslosen und unmenschlichen Gebrauch von Feuerwaffen im Herzen von Berlin. Dieser Vorfall entspricht nicht dem von allen interessierten Regierungen ,ausgedrückten Wunsche zur Vermeidung von Spannungen. Die alliierten Stadtkommandan- 1632* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1973 ten fordern die verantwortlichen Behörden auf, mehr Achtung für unschuldiges Leben zu zeigen und den weiteren derartigen Gebrauch von Schußwaffen zu vermeiden. Die Stellungnahme der Bundesregierung ergibt sich aus der Erklärung des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen vom 27. April 1973, in der er den Zwischenfall wie folgt verurteilt hat: Der Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen hat mit Empörung und Abscheu die Nachricht vom erneuten Schußwaffengebrauch zur Verhinderung einer verzweifelten Flucht erfahren. Solche Vorfälle sind unerträglich und eine ernsthafte Störung der Politik einer Entspannung, deren Glaubwürdigkeit sich darin erweist, daß der einzelne sicher vor Furcht und Gewalt bleibt. Beide Texte wurden veröffentlicht.
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    Sie kommen wieder zu einer Fragestellung, die sich auf eine Folgeaufgabe bezieht. In dem Grundlagenvertrag ist eindeutig vereinbart, daß beide Regierungen am Sitz der anderen Regierung ständige Vertretungen einrichten werden. Das einzelne wird ausgehandelt. Dazu gibt es inzwischen schon sehr weit gediehene Vorstellungen unter den Beteiligten.

    (Abg. Dr. Marx: Im Bundesrat hieß es aber ganz anders!)

    Aber lassen Sie mich wieder auf den Vertrag zurückkommen. Von besonderer Bedeutung ist der Umstand, daß ausdrücklich die Dinge ausgeklammert sind, die unter den gegebenen Verhältnissen nicht gelöst werden können: also die gegensätzlichen politischen Grundauffassungen, die gegensätzlichen Standpunkte in rechtlicher Hinsicht, vor allem zu den Staatsangehörigkeits- und Vermögensfragen. Diese Ausklammerung ist für die — ich möchte sagen — Funktionstüchtigkeit des Vertrages bedeutsam.
    Zwei sehr gegensätzliche deutsche Staaten haben beschlossen: wir wollen zueinander in Beziehungen treten, wir wollen diese und jene Dinge anpacken und sehen, wie wir zu einer vernünftigen Regelung kommen. Und wir wollen bemüht sein, daß die Dinge, die gegensätzlich bleiben, nicht jedes Entstehen von geordneten Verhältnissen unmöglich machen. Das ist eine Relativierung des Wünschbaren auf das Mögliche. Ich denke, uns ist diese Aufgabe gestellt, praktische Politik zu betreiben und nicht nur zu philosophieren und schöne Wünsche anzumelden.

    (Beifall bei der SPD. Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] : Aber darüber, was das Mögliche ist, gehen die Meinungen auseinander!)

    Das ist ein nüchterner und bedeutsamer Entschluß; denn damit, so scheint mir, kann die Gefahr gebannt werden, daß unfruchtbarer Streit über unlösbare Probleme mögliche Fortschritte auf anderen Gebieten blockiert.

    (Abg. Jäger [Wangen] : Genau das haben Sie aber herbeigeführt!)

    Meine Damen und Herren, mit dem dritten Punkt gelange ich zu dem entscheidenden Kriterium, das die Brauchbarkeit des Vertragsinstrumentes unterstreicht. Der Vertrag bietet eine Klarstellung dessen, was für das deutsch-deutsche Verhältnis und dessen Normalisierung im besonderen im Unterschied zu dem Verhältnis beider deutscher Staaten zu dritten Ländern — maßgeblich und notwendig ist. Hiermit ist konkret das Gebiet der humanitären und praktischen Fragen angesprochen. Ich verweise
    auf Art.. 7, das Zusatzprotokoll, den Briefwechsel und die Erläuterungen hierzu. Wer zu lesen versteht, muß feststellen: der Vertrag bedeutet nicht nur eine Verständigung über die formalen Grundlagen der gegenseitigen Beziehungen. Er schreibt vor, in welchen Bereichen Regelungen vorzunehmen sind und fortgeführt werden sollen, eben um die Verhältnisse zu ändern, die uns allen nicht gefallen.
    Nun wird immer wieder der Einwand laut, das System der DDR könne und werde schon aus Gründen der Selbsterhaltung die Verpflichtungen des Vertrages nicht erfüllen. Als Beweis wird auf die ideologischen und praktischen Abgrenzungsbemühungen der DDR verwiesen. Lassen Sie mich dazu folgendes sagen: Die von der DDR betriebene Abgrenzung ist Ausdruck ihrer eigenen politischen Zielsetzung. Die DDR wird durch den Vertrag nicht verpflichtet, davon abzulassen. Genausowenig werden auch wir verpflichtet, unsere Grundauffassungen, Motive und Ziele zu ändern. Wer jedes Mal in eine neue Enttäuschung und neuen Pessimismus verfällt, wenn die DDR im Sinne der Abgrenzung spricht oder agiert, der gibt sich als Opfer einer falschen Erwartung zu erkennen, die sehr mit der Arglosigkeit verwandt ist, die polemisch der Entspannungspolitik des Kanzlers dieser Regierung angelastet werden soll.
    Es ist einfach nicht wahr, daß wir — diese Regierung oder ich — versuchten, die Schwierigkeiten und die Hemmnisse zu verkleinern, die im Umgang mit der DDR auftreten bzw. aufgetreten sind. Aber ich setze mich gegen den immer wiederkehrenden Versuch zur Wehr, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Ich meine jene Haltung, die im Handumdrehen griffige Formeln ausgibt, wie z. B. „Erschwerungen statt Erleichterungen". Das ist schlechterdings ein verzerrtes Augenmaß, mit dem sich die Chancen der Entspannung und Normalisierung in diesem Lande nicht abschätzen lassen.
    Man kann von dieser Bundesregierung nicht im Ernst erwarten, daß sie gegen ihre Einsicht und Verantwortung in dieses Horn stößt. Welchen Sinn sollte das haben? Darf die Bundesregierung es sich gestatten, Gefühlen der Ungeduld, des Unmuts und der Bedrückung nachzugeben? Muß sie nicht alles daran setzen, die Chancen des Möglichen zu wahren und wahrzunehmen? Ich habe großes Verständnis für die Ungeduld vieler Menschen bei uns und sicherlich nicht nur bei uns. Aber solche Ungeduld muß nicht nur in negativer, sondern auch in positiver Hinsicht zu falscher Einschätzung der Lage führen.
    Wir haben das in vielen Zuschriften feststellen müssen, obwohl wir uns alle nur erdenkliche Mühe geben, die Öffentlichkeit mit Merkblättern und anderen Informationen zu unterrichten. In meinem Ministerium gehen täglich viele Anfragen und Beschwerden ein, in denen z. B. über Ausreiseverweigerungen für Verwandte aus der DDR geklagt wird. Dabei ergibt sich bei korrekter Betrachtung, daß zirka 70 % dieser Ablehnungen nicht gegen die Anordnungen der DDR vom 17. Oktober letzten Jahres verstoßen. Über die Hälfte dieser Ablehnun-



    Bundesminister Franke
    gen betreffen Reisegründe, die erst mit dem Inkrafttreten des Grundvertrages anerkannt werden, was ganz deutlich zeigt, daß ein nicht geringer Teil der Enttäuschung auf verfrühten oder falschen Erwartungen beruht.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    Die Bundesregierung muß sich an Tatsachen und Relationen halten.

    (Abg. Dr. Marx: Hätte sie das nur mal gemacht!)

    Sie sieht das Abgrenzungsstreben der DDR, sie sieht Einschränkungsversuche, z. B. die Ausdehnung des Kreises der Geheimnisträger. Aber sie sieht auch und muß sehen die Tatsachen und die Zahlen, die sich trotz Abgrenzung und Einschränkung entwickelt haben und von klaren, meßbaren Fortschritten sprechen, Die Chancen für Veränderungen des noch völlig verkrampften Verhältnisses der beiden Staaten zueinander dürfen nicht durch undifferenziertes und bequemes Verharren in Mißtrauen und Pessimismus ernstlich aufs Spiel gesetzt werden, gerade wenn wir an die allzu vielen Menschen denken, die heute noch persönliche Enttäuschungen hinnehmen müssen — in beiden deutschen Staaten.
    Die bessere Seite der Medaille aber wollen die Kritiker nicht wahrhaben. Wenn die Bundesregierung sie ihnen vorlegt, dann ist gleich der Vorwurf der Schönfärberei zur Hand. Ein Beispiel dieser Art haben wir erst kürzlich wieder erlebt anläßlich der Vorlage des Berichtes über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der DDR, der ja auch jetzt mit Gegenstand der Plenardebatte ist. Was die Bundesregierung vorgelegt hat, war nicht das, was man lesen wollte. Zugegeben! Im übrigen: Manche haben kritisiert, ohne überhaupt zu lesen -nicht einmal die Überschrift! Denn anders läßt es sich nicht erklären, daß sie Informationen über die Lage in der DDR vermißt haben, wie sie kritisieren. Das war gar nicht das Thema. Die vergleichende Darstellung auf Gebieten der politischen Grundvorstellungen und der inneren Entwicklung der beiden deutschen Staaten ist von der Bundesregierung mit der Vorlage ihres Berichtes über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der DDR nicht abgebrochen worden. Die Arbeit der wissenschaftlichen Arbeitsgruppe unter Leitung von Prof. Ludz geht weiter. Die Ergebnisse werden auch weiterhin vorgelegt werden Das Thema des letzten Berichtes aber, der Ihnen mit der Drucksache 7/420 vorliegt, waren die Beziehungen, wie sie bis 1969 bestanden, wie sie seither geworden sind — ganz konkret und tatsächlich. Nichts anderes war die Aufgabe, die gestellt war.

    (Abg. Dr. Marx: Die Aufgabe hat der Bundestag gestellt, und sie war ganz anders formuliert! Es gibt einen Bundestagsbeschluß auf Antrag der SPD!)

    Was noch alles fehlt, wird ebenfalls jedem deutlich, der den Bericht unvoreingenommen zur Hand nimmt. Solche Unvoreingenommenheit gegenüber dem Bericht wie gegenüber der Sache hat es erfreulicherweise auch gegeben: abwägende Urteile selbst bei
    solchen Blättern, die sich nicht gerade als regierungsfreundlich empfinden. Die neuesten aktuellen Zahlen und Entwicklungen, z. B. auf dem Gebiet des Reise- und Besucherverkehrs, konnten in dem Bericht noch nicht einmal enthalten sein. Sie liegen inzwischen auf dem Tisch.
    Ich darf dazu bemerken, daß allein Ostern 1973 — in den vier Tagen, die zur Verfügung standen 250 904 Bewohner der Bundesrepublik in die DDR gereist sind. Hinzu kommen noch viele hunderttausende Tagesaufenthalte in Ost-Berlin, die nicht miterfaßt wurden, außerdem die anderen Zahlen, die für die Zeit nach dem Inkrafttreten des Verkehrsvertrages im Vergleich zu den Jahren davor vorliegen. In der Zeit von November 1971 bis März 1972 hatten 178 671 Rentner die Möglichkeit, aus der DDR in die Bundesrepublik zu kommen.

    (Abg. Dr. Marx: Wie viele waren es denn vorher?)

    — Ich habe die Zahlen für die Zeit vor dem Verkehrsvertrag genannt, vor der Unterzeichnung des Grundlagenvertrages. Nun kommt die Zahl für die Zeit danach. Es sind von November 1972 bis März 1973 290 000, immerhin 110 000 mehr, darunter erstmals mehr als 10 '0/o Reisende aus der DDR in die Bundesrepublik — also mehr als 30 000 —, die aus Gründen sogenannter Härtefälle die Reise antreten konnten und nicht im Rentenalter standen. Das mögen Sie als Rinnsal bezeichnen; gemessen an dem, was vorher war, ist das eine qualitative Veränderung von großer Bedeutung, die für die Menschen tatsächlich Verbesserungen gebracht hat.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Und wer das nicht würdigt, der versteht diese Politik nicht, die sich den Menschen verpflichtet weiß und fühlt und bleibt — trotz all Ihrer Kritik.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    Sehen Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, die vier Punkte, die Herr Kollege Strauß als Voraussetzung für eine Zustimmung der CDU/CSU zum Grundvertrag genannt hat, sind erstaunlich -- erstaunlich insofern, als sie nun wirklich nicht zur Begründung der Ablehnung des Vertrages durch die Opposition herhalten können. Die Opposition hat schon im Innerdeutschen Ausschuß nicht wahrhaben wollen, was ich hier noch einmal in Anlehnung an die vier Forderungen von Herrn Strauß zusammenfasse.
    Erstens: Der Vertrag ist das Ergebnis eines über lange Monate geführten Meinungsaustausches, der 1970 in Erfurt begonnen hat; und anschließender intensiver Verhandlungen. Die Vorbereitungen, an denen Sachverständige aus den verschiedensten Ressorts beteiligt waren, stützten sich auf die Ergebnisse jahrelanger Expertenarbeit und eingehender Konsultationen mit unseren Verbündeten.
    Zweitens: Es liegt ein eindeutiger Vertrag vor, der Auffassungsunterschiede eben nicht verschleiert und der die tragenden Grundsätze und Prinzipien des Verhältnisses zwischen den beiden deutschen Staaten auf die Übereinstimmung der Staatengemeinschaft stützt.



    Bundesminister Franke
    Drittens: Der Vertrag ist ein in sich ausgewogene Kompromiß, der langjährige Vorbedingungen der DDR vom Tisch bringt. Hinzu kommen die Vereinbarungen, die eine schrittweise Lösung praktischer und humanitärer Fragen und die Zusammenarbeit der deutschen Staaten auf den verschiedensten Gebieten zum Gegenstand haben.
    Damit bin ich schon bei Punkt 4: Dieser Modusvivendi-Vertrag hält die deutsche Frage offen. Was kann die Situation Deutschlands denn klarer charakterisieren als der Fortbestand der Rechte und Verantwortlichkeiten der Vier Mächte?
    Meine Damen und Herren, wir streben die vertraglich gesicherte Zusammenarbeit mit dem anderen deutschen Staat in nahezu allen Bereichen an — eben weil uns die gegenwärtigen Zustände so wenig gefallen, eben weil eine Änderung dieser Zustände zum Besseren nicht ohne eine solche vertraglich geregelte Zusammenarbeit möglich ist.
    Wir empfinden die Schwierigkeiten, die es z. B. auf dem Gebiet der Rechtshilfe bisher gegeben hat, als unnormal. Deshalb soll im Interesse der Recht-suchenden der Rechtsverkehr vertraglich geregelt werden — und zwar so einfach und zweckmäßig wie möglich.
    Wir empfinden es als unnormal, daß es auf dem weiten Feld des nichtkommerziellen Zahlungs- und Verrechnungsverkehrs — von Unterhaltszahlungen bis hin zur Überweisung von Grabpflegekosten — schier unüberwindliche Schwierigkeiten gibt. Deshalb soll diese schwierige Materie — denken Sie z. B. an das Sperrkontenproblem — auf dem Verhandlungswege einer Lösung zugeführt werden. Vorrangig werden dabei die Probleme in Angriff genommen werden, die den kurzfristigen Abschluß von Vereinbarungen unter sozialen Gesichtspunkten erforderlich machen.
    Wir empfinden die minimalen Beziehungen auf dem Gebiet des Gesundheitswesens als unnormal. Denken Sie an so brennende Probleme wie z. B. die Seuchenbekämpfung, den Austausch von Medikanmenten und vieles mehr. Damit es zu einer verstärkten Zusammenarbeit kommt, damit z. B. die Möglichkeiten erweitert werden, in dem einen Staat auch bestimmte Arzneimittel zu bekommen, die nur in dem anderen Staat hergestellt werden, soll mit der DDR verhandelt werden. Entsprechend der Bedeutung des Gesundheitswesens werden die Verhandlungen schon jetzt beginnen.
    Die Reihe dieser Beispiele könnten fortgesetzt werden, und das zeigt, meine Damen und Herren, daß wir erst am Anfang stehen. Der Bericht und die Dokumentation über die Entwicklung der Beziehungen, die ich Ihnen zustellte, haben auch das deutlich gemacht.
    Hier in den abschließenden Beratungen zum Grundvertrag können wir aber heute außerdem folgendes feststellen: Es handelt sich nicht mehr um einseitige Forderungen unserer Seite oder um bloße unverbindliche Absichtserklärungen. In Art. 7 des Vertrages und im Zusatzprotokoll sind die künftigen Verhandlungsgebiete verbindlich vereinbart und abgesteckt. Ein Beweis für die veränderte Situation sind die funktionierenden und sich in der Praxis schon bewährenden Verhandlungsstränge, also z. B. die praktische Arbeit in den drei bestehenden Kommissionen, der Verkehrs-, der Transit- und der Grenzkommission. Nach Inkrafttreten des Grundlagenvertrags werden in Bälde die ständigen Vertretungen bei der jeweils anderen Regierung errichtet werden. So rundet sich das Bild ab.
    Das politisch wirklich Entscheidende aber wird es sein, daß bei aller Verschiedenartigkeit und Gegensätzlichkeit im Politischen ein wenn auch noch so begrenztes Entwicklungsfeld für menschliche Verbindungen erschlossen wird. Daß so etwas überhaupt möglich ist, mußte erst einmal ausprobiert und bewiesen werden. Jetzt haben wir Tatsachen, und der Grundlagenvertrag bringt neue Tatsachen, die ihr Eigengewicht und eine eigene Zugrichtung schon jetzt entwickelt haben und weiter entwickeln wer: den; allerdings vorausgesetzt — das möchte ich nicht verhehlen —, die Gesamttendenz der Entspannung hält an, die schließlich und endlich auch den Grundlagenvertrag hervorgebracht hat.
    Nichts deutet darauf hin, daß diese Grundtendenz von irgendeiner Seite ernsthaft in Frage gestellt wird. Ich muß davor warnen, das allein deshalb zu tun, um der Politik dieser Bundesregierung eins auszuwischen.
    Wir wissen um die heftigen und heute noch wirksamen Auswirkungen gewaltsam entstandener Gegensätze und einer gewaltsam ausgetragenen Abgrenzung. Aber jeder sollte sich heute und in dieser Debatte fragen, warum der Beifall einer Welt, die den Frieden sucht, dieser Regierung gilt, die auch angesichts von Intoleranz und gewaltsamer Form der Abgrenzung nicht müde wird, Entspannung zu fordern — eher und mehr, als anzuklagen.
    Zur Entspannung gehören zwei. Die Gegensätze werden bleiben, und die unterschiedlichen Ziele werden neue Gegensätze hervorrufen. Aber wenn die gemeinsam eingeleitete Vertragspolitik zwischen der Bundesrepublik und der DDR gelingt, werden Mitmenschlichkeit und Zutrauen mehr Entwicklungsraum erhalten. Wenn dieser Vertrag nun geschlossen ist und beide deutschen Staaten ihren Willen zur friedlichen Verständigung mit dem Antrag auf Beitritt zu den Vereinten Nationen bekräftigen, muß sich das auch auf diese Grenze auswirken, und zwar nicht nur so, daß sie für nachbarschaftliche Besuche durchlässiger wird, sondern vor allem auch dadurch, daß an dieser Grenze das Schießen aufhört.
    In einer Phase, in der die europäische Politik neue Formen der Zusammenarbeit und Verständigung entwickelt und auch unsere Verträge ihre Wirkung entfalten werden, ist es Sache der DDR, zu versuchen, die Existenz ihrer Sperranlagen zu rechtfertigen. Aber das Schießen auf Menschen, die aus welchen Gründen auch immer die Flucht über Mauer und Sperrgürtel wagen, ist mit dem Willen zu gutnachbarlichen Beziehungen über die Grenze hinweg unvereinbar.

    (Beifall auf allen Seiten.)




    Bundesminister Franke
    Hiermit werden wir uns nicht abfinden, gerade weil
    es dieser Regierung mit der Entspannung ernst ist.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Kai-Uwe von Hassel
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Professor Dr. Abelein. Für ihn hat die Fraktion der CDU eine Redezeit von 30 Minuten beantragt.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Manfred Abelein


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Gründe, die für und gegen den Grundvertrag sprechen, sind von allen Seiten ausführlich dargelegt worden. Mit der Ratifizierung des Grundvertrags wird die 1969 eingeleitete neue Ost- und Deutschlandpolitik dieser Bundesregierung ihren vorläufigen Höhepunkt erreichen. Ich selbst würde dafür lieber das Wort „Tiefpunkt" wählen. Eines ist richtig: Der Grundvertrag ist für Deutschland einer der folgenreichsten Verträge seiner Geschichte, und zwar schon deswegen, weil das Wort „Deutschland" für Deutschland als Ganzes und als historische Einheit zum erstenmal in einem so weittragenden Vertrag überhaupt nicht mehr vorkommt.
    Ich möchte gleich auf einige Dinge Ihrer sehr kühnen Rede, Herr Minister Franke, eingehen. Über die ausreichende Zeit, die das Parlament für die Beratung dieses Vertrags gehabt hat, wird noch einiges zu sagen sein. Ich glaube, es gibt keinen wichtigen Vertrag, der in einer derartigen Hektik im Parlament durchgepeitscht wurde, wie der Grundvertrag.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Dazu wird mein Kollege Reddemann nachher noch das Notwendige sagen.
    Ich finde es eine der kühnsten Behauptungen — darauf werde ich nachher noch ganz kurz eingehen, obgleich der Kollege Amrehn das Notwendige gesagt hat —, daß die Interessen Berlins gewahrt seien. Im Grundvertrag steht doch dazu kein Satz! Wie können Sie denn sagen, diese Interessen seien gewahrt worden?! In einer Erklärung wurde eine Kann-Bestimmung aufgenommen. Danach kann Berlin (West) — auf das Vokabular wird auch noch einzugehen sein — in die Folgeverträge einbezogen werden. Und Sie reden hier von einer ausreichenden Wahrung der Interessen Berlins.
    Was die völkerrechtliche Anerkennung angeht — um das gleich vorweg zu sagen —, so sagen Sie, sie finde nicht statt. Wir werden Sie in dieser These nachdrücklich unterstützen. Nur: Bezeichnend ist der Stil, in dem Sie diese ganze Argumentation führen. Auf der einen Seite sagen Sie — das haben Sie sehr früh getan —, das andere ist ein anderer, zweiter, gleichberechtigter deutscher Staat, aber Ausland ist es nicht. Es ist ein zweiter deutscher Staat, völkerrechtliche Beziehungen beherrschen den Charakter der beiden Staaten — das sagten Sie, Herr Bahr —, aber eine völkerrechtliche Anerkennung findet nicht statt.
    Sie breiten — der Verdacht besteht in hohem Maße — einen dichten Nebel über das politische Feld der Diskussion, um möglicherweise unbemerkt andere Positionen dahinter aufbauen zu können.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Es ist hier schon einmal gesagt worden: Sie lassen die internationale Welle der völkerrechtlichen Anerkennung rollen, um dann hernach, möglicherweise achselzuckend, festzustellen, daß jetzt ja alles passiert sei und man sich der Realität nicht länger entziehen könne.

    (Abg. Jäger [Wangen] : Genau!)

    Die Frage, die sich nach der ersten Lesung in der zweiten Lesung stellt, lautet: Gibt es denn irgendwelche Gründe, die in der Zwischenzeit aufgetaucht sind, die zu einer Revision der Meinungen führen könnten, und zwar der Meinungen auf allen Seiten dieses Hauses? Hierzu ist zu sagen, daß die bisherigen Erfahrungen seit der Unterzeichnung des Vertrages eher die Skepsis gegenüber dem Grundvertrag rechtfertigen. Sie haben die Bedenken nicht ausgeräumt. Die von der Bundesregierung künstlich hochgeschraubten Erwartungen sind in keiner Weise eingetroffen. Sie reden von den Erleichterungen im Reiseverkehr, Herr Franke. Aber diese Erleichterungen sind doch die Konsequenzen des Verkehrsvertrages, der hier gar nicht zur Debatte steht und dem wir im übrigen ja zugestimmt haben;

    (Bundesminister Franke: Das gehört ja zusammen!)

    wir reden hier vom Grundvertrag.
    Wir von der Opposition wären im übrigen glücklich gewesen, wenn wir mit unseren warnenden Hinweisen unrecht gehabt hätten. Die Ernüchterung über Wert und Auswirkungen des Grundvertrages ist nämlich sowohl in diesem Hause als auch draußen in der Bevölkerung viel rascher gekommen, als wir gedacht haben. Darüber werden Sie nicht hinweggehen können.
    Es hat sich bereits jetzt gerächt, daß nahezu alle Leistungen von seiten der DDR, die die Bundesregierung als die bedeutendsten Ergebnisse und Errungenschaften ihrer Politik herausgestellt hat, eben nicht Inhalt des zehn Artikel umfassenden, verbindlichen Vertrages sind, sondern Gegenstand von Briefwechseln, Erläuterungen, Erklärungen zu Protokoll, Erklärungen des Bundeskanzlers, Erklärungen einiger Bundesminister zum Abschluß der Verhandlungen und Erklärungen des Staatssekretärs Bahr sind, über deren Tragweite und Bedeutung ich mich hier nicht verbreiten möchte. Aber sie sind sicher nicht höher einzustufen als die Verbindlichkeit, die Herr Bahr den Beschlüssen dieses Hauses beigemessen hat.
    Die sogenannten menschlichen Erleichterungen --- auch davon wird noch zu reden sein — haben sich bisher eben nicht günstig entwickelt. So haben sich z. B. die zugesagten Erleichterungen für Einreisen als kulturellen, wissenschaftlichen, religiösen und sportlichen Gründen auf Grund von Einladungen aus der DDR in keinem Fall über das bisher übliche Maß hinaus realisieren lassen.
    Es bleibt die Frage bestehen: Wie sind denn die Reiseerleichterungen? Wie sehen diese Reiseerleichterungen von Ost nach West denn tatsächlich aus? Bisher spricht alles dafür, daß im gleichen Zeitraum nur die Einreisen von DDR-Funktionären in



    Dr. Abelein
    die Bundesrepublik Deutschland aus politischen Gründen zur Unterstützung der DKP und der ihr nahestehenden kommunistischen Organisationen sowie zur Infiltration in anderen Bereichen erheblich zugenommen haben. Lesen Sie doch die Berichte Ihres eigenen Bundesgrenzschutzes über den Interzonenverkehr! Dann kommen Sie zu einer zutreffenden Analyse.
    Im Bericht zur Lage der Nation — davon wird an dieser Stelle noch zu sprechen sein — haben Sie eine große Schönfärberei betrieben. Ein eindrucksvolles Bild der Deutschlandpolitik dieser Bundesregierung gibt der Bericht jedenfalls nicht.
    Daraus ergibt sich nämlich folgende Situation. Die eine Seite, nämlich die DDR, hat mit Inkrafttreten des Vertrages die Leistungen erhalten, die ihrer Interessensituation entsprechen, nämlich die allgemeine internationale völkerrechtliche Anerkennung. Die Gegenleistungen sollten dann in den sogenannten Folgeverträgen geregelt werden. Wir werden sehr aufmerksam beobachten, was dabei ausgehandelt wird. Damit hat die DDR — und man kann ruhig hinzusetzen: die Sowjetunion — ihre Ziele bereits mit der Unterzeichnung erreicht. Der Rest steht noch aus.
    Ich sage absichtlich: die Sowjetunion, denn hier ergibt sich ein hochinteressanter Aspekt. Der scheinbar nur bilaterale Grundvertrag ist nämlich nach seiner Vorgeschichte und in seiner Substanz, worauf der Kollege Mertes bereits hingewiesen hat — auch ich möchte es an dieser Stelle noch einmal tun —, die Erfüllung einer Verpflichtung gegenüber einer ausländischen Großmacht, nämlich gegenüber der Sowjetunion. Im Gromyko-Bahr-Papier ist doch der Inhalt dieses Grundvertrages weitgehend vorformuliert worden, teilweise bis in den endgültigen Wortlaut hinein. Das heißt, für die Auslegung dieses Vertrages wird auch die Haltung der Sowjetunion von großer Bedeutung sein, die eben dann entsprechend dem rechtlichen Primat des proletarischen Internationalismus diesen Vertrag interpretiert.
    Hier möchte ich in aller Kürze eine Anmerkung anbringen. Sie sprechen von ausreichender Wahrung der Interessen Berlins. Herr Falin meint, West-Berlin gehöre ohnehin bald der DDR an. Er sagte, West-Berlin werde, der natürlichen Schwerkraft der Dinge folgend, über kurz oder lang ein Bestandteil der DDR werden.

    (Abg. Dr. Marx: Ob das seine private Meinung ist?)

    Das gehört mit in diesen Zusammenhang hinein. Von einer ausreichenden Garantie der Stellung West-Berlins kann überhaupt nicht die Rede sein, im Gegenteil, Sie haben diese Stellung in hohem Maße gefährdet.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    An dieser Stelle möchte ich auf einen Satz des Kollegen Metzger eingehen, der mir sehr bezeichnend zu sein scheint. Ich sehe den Kollegen nicht im Saal. Er sagte, man möge doch nicht auch noch beim UNO-Beitritt die Initiative der anderen Seite überlassen. Ich möchte sagen, das war eine sogenannte Freudsche Richtigleistung, denn die Freudschen Fehlleistungen sind ja meistens Freudsche Richtigleistungen. Das zeigt nämlich, daß das ganze Vertragswerk offensichtlich auf die Initiative der anderen Seite zurückzuführen ist. Die Bundesregierung hat sich in eine Situation begeben — wir sahen das schon in Aktuellen Stunden —, in der sie über die Gegenleistungen der anderen Seite, die menschlichen Erleichterungen, erst noch verhandeln muß. Wie sich im Falle der Journalistenverordnung zeigt, werden zuerst Vereinbarungen getroffen, dann werden durch irgendwelche Maßnahmen von der anderen Seite die Zusagen zurückgenommen, und dann muß man noch einmal verhandeln.
    Lassen Sie mich hier folgendes Bild gebrauchen. Ich habe bei aller moralischen Verurteilung immer jene Pferdehändler bewundert, die es verstanden haben, den gleichen Gaul mehrmals an verschiedene Kunden zu verkaufen.

    (Abg. Dr. Marx: Einmal mit und einmal ohne Gebiß!)

    Die Sowjetunterhändler verstehen aber die noch sehr viel höhere Kunst, den gleichen Gegenstand mehrfach an den gleichen Vertragspartner zu verkaufen, nämlich an die Bundesregierung.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    In diese Situation hat uns die glänzende Verhandlungsführung des Herrn Bahr gebracht.

    (Abg. Dr. Jaeger: Sehr richtig!)

    Er hat uns in eine Situation gebracht, in der wir von der anderen Seite leicht erpreßt werden können, denn diese ganzen Zusagen im Bereich der menschlichen Erleichterungen, der Familienzusammenführung, des Reiseverkehrs, der Handhabung der .Journalistenverordnung, werden doch mit Sicherheit von dem jeweiligen Wohlverhalten der Bundesregierung abhängig gemacht werden. Ich habe das Stichwort bereits genannt.
    Als Beispiel dafür, in welch hohem Maße sich die Bundesregierung hat hereinlegen lassen, zeigen sich die gesamten Vorgänge um die sogenannte Journalistenverordnung. Der Tatbestand ist rasch umschrieben; das Haus kennt ihn. Im Zuge der Freiheit des Austausches von Informationen und Meinungen als Intensivierung des Kontaktes zwischen beiden Staaten sollten Journalisten aus der Bundesrepublik leichtere Arbeitsmöglichkeiten in der DDR haben. So steht es in einem Briefwechsel. Aber dort steht noch ein Wörtchen: „im Rahmen der Rechtsordnung der DDR", und im Rahmen der Rechtsordnung der DDR hat die Regierung der DDR diese Zusage der Sache nach wieder zurückgenommen. Ich finde, das viel Bezeichnendere an diesem Vorgang ist, daß die Bundesregierung durch Sprecher und Minister hier auch noch erklären ließ, daß sie eigentlich Verständnis für diesen Vorgang hat, da man keinen Einfluß auf die Rechtsetzung anderer Staaten nehmen könne. Ja, wozu schließt sie denn dann Verträge ab? Es ist doch der Sinn, den Vertragspartner zu binden.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)


    Dr. Abelein
    Im übrigen: wenn ich hier formuliere „hereinlegen", so ist dies für Sie zwar eine schlimme, aber noch die günstigere Version. Denn das Verständnis, das Sie hierfür gezeigt haben, ist noch viel bedenklicher und rückt Sie in die bereits vom Kollegen Klein warnend herausgehobene Nähe der Grenze zwischen Verständnis und Einverständnis, die Sie in einer bedenklichen Weise berühren. Zumindest machen Sie den Anschein.
    Die Regierung der DDR hat eine großzügige Interpretation zugesagt, und zwar nach der Aktuellen Stunde im Bundestag. Aber diese großzügige Interpretation wird doch sicher wieder von Ihrem Wohlverhalten abhängen. Hier ist erneut zu sagen: Eile und Hektik sind denkbar schlechte Voraussetzungen für Verhandlungen mit Unterhändlern der Sowjetunion oder der DDR. Es rächt sich jetzt, daß die Bundesregierung ein so weittragendes Vertragswerk als eiligen Wahlschlager komponiert hat.
    Die Bundesregierung behauptet gerne, die von ihr abgeschlossenen Verträge, auch der Grundvertrag, zögen nur die Konsequenzen aus der tatsächlichen Situation, die sie selbst ja nicht geschaffen habe. Das wurde heute wieder behauptet. Daran ist einiges richtig, das Wesentliche ist falsch. Richtig ist, daß die faktische Teilung Deutschlands immer noch, so viele Jahre nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges, von den Sowjets erzwungen wird. Aber neu ist, daß die Bundesregierung jetzt zumindest den Anschein gibt — so wenigstens versteht die ganze Welt die Unterschrift der Bundesregierung —, als wolle sie diese Teilung Deutschlands jetzt auch noch rechtlich anerkennen. Ich erinnere an dieser Stelle erneut an die Äußerung in der „Times" vom Dezember 1972, die schrieb, der Grundvertrag besiegele die Liquidierung des BismarckReiches nach nur 101jährigem Bestehen. Beides ist aufschlußreich. Einmal der zeitliche Hinweis und außerdem, daß darin festgestellt wird, die Auflösung Deutschlands werde durch den Grundvertrag besiegelt.
    Nichts deutet im übrigen darauf hin, daß das Ausland die Anerkennung der beiden deutschen Staaten mit völkerrechtlicher Wirkung ohnehin vollzogen hätte. Das ist eine Legende, die die Regierung auch in dieser Debatte hartnäckig verbreitet hat und die durch ständige Wiederholung keineswegs richtig wird. Bis zur einseitigen Erfüllung der sowjetischen Forderung nach Anerkennung der Zwei-Staaten-Theorie durch diese Bundesregierung haben nur 14 kommunistische Regierungen und außer Kambodscha noch fünf arabische Staaten wegen der Einstellung der Bundesrepublik zu Israel und ihrer damaligen Abhängigkeit von Moskau die DDR völkerrechtlich durch die Aufnahme diplomatischer Beziehungen anerkannt. Die übrigen Staaten sahen in der Bundesrepublik Deutschland die Vertreterin Gesamtdeutschlands. Das zeigt nichts deutlicher als der Besuch de Gaulles in Moskau im Jahre 1966, als er sich eindeutig für die Wiedervereinigung des deutschen Volkes „in seinen derzeitigen Grenzen" einsetzte und die Anerkennung der DDR als eines künstlichen Gebildes ablehnte.
    Sie reden nun immer von den Alternativen. Hier liegen die Alternativen. Wir brauchen sie in keiner Weise zu scheuen. Trotz aller Schwierigkeiten und Krisen ist es nämlich vorangegangenen Bundesregierungen, die die CDU geführt hat, gelungen, die Bundesrepublik Deutschland als ein für die ganze übrige Welt verbindliches Modell eines einheitlichen Deutschlands aufrechtzuerhalten.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Jaeger: Sehr richtig!)

    Der Deutschland-Vertrag von 1954 ist ein erfolgreicher Ausdruck dieser Politik gewesen. Wir haben gegenüber aller Welt auch für diejenigen gesprochen, die heute immer noch nicht frei sprechen können. Die Bemühungen der DDR um weltweite Anerkennung als zweiter deutscher Staat waren bis zum Antritt dieser Bundesregierung erfolglos geblieben. Im übrigen muß ich sagen: das waren die Anstrengungen aller Teile dieses Hauses, auch der SPD.

    (Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] : Sehr richtig!)

    Das ist es, was wir unter Gemeinsamkeit verstehen. Sie haben doch die Gemeinsamkeit verlassen, nicht wir.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Sie haben diesen Damm eingerissen. Die ganze Welt versteht diesen Vertrag als Anerkennung der deutschen Teilung. Das ist Ihre Alternative; unsere habe ich genannt.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Hieran knüpfen sich leider auch schwerwiegende rechtliche Bedenken. Mein Kollege Klein wird nachher, nehme ich an, darauf und auf die Vorgänge im Rechtsausschuß eingehen, und er kann dann die gleichen Erfahrungen aus dem innerdeutschen Ausschuß ruhig anfügen.
    Das Grundgesetz, das nicht nur ein rechtliches Dokument, sondern auch die Richtschnur des politischen Handelns für dieses Parlament ist, schreibt vor, daß alle Staatsorgane, an erster Stelle die Bundesregierung, die Rechtspflicht und auch die politische Pflicht haben, die Einheit Deutschlands mit allen Kräften anzustreben. Die Bundesregierung und diese Koalition unternehmen jedoch faktisch genau das Gegenteil. Es wäre sicherlich verfassungswidrig, wenn die Wiedervereinigung Deutschlands als politisches Ziel ausdrücklich, verbal deutlich aufgegeben würde. Ebenso verfassungswidrig wäre eine politische Maßnahme, wenn sie rechtlich oder tatsächlich einer Wiedervereinigung in Freiheit entgegenstünde. Sie bekennen sich hier nach wie vor zur Einheit. Aber faktisch setzen Sie Maßnahmen, die das Gegenteil zum Ziel haben.
    Die Sätze des Bundesverfassungsgerichts zu diesem Thema sind uns wohl bekannt. Es spricht hier von Evidenz, die vorliegen müsse, wenn ein Richter einen solchen Vorgang als verfassungswidrig bezeichnen wolle. Nur frage ich mich, was noch evidenter sein soll als das, was im Grundvertrag steht. Das ist meine persönliche Meinung, die ich hier anfügen möchte. Der Vertrag redet von zwei deutschen Staaten, der Unverletzlichkeit der Grenzen, der Achtung der territorialen Integrität, der Gleichberechtigung



    Dr. Abelein
    und der Respektierung der Unabhängigkeit zweier deutscher Staaten. Das ist doch alles das Gegenteil von Einheit, das ist alles das Gegenteil von Wiedervereinigung, das steht alles im Gegensatz zur Präambel dieser Verfassung.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Damm: Sehr wahr!)

    Vieles spricht auch dafür — ich will es kurz machen —, daß der Grundvertrag auch das Beitrittsrecht anderer Teile Deutschlands zum Grundgesetz entsprechend Art. 23 des Grundgesetzes verletzt. Seine Verwirklichung wird ebenfalls evident erschwert. Denn unabhängig von den schon vorher bestehenden faktischen Schwierigkeiten kommt jetzt noch das neue, zusätzliche faktische und rechtliche Erschwernis der Zustimmung der DDR hinzu, die im übrigen durch die Breschnew-Doktrin fest in das sozialistische Lager eingebunden ist. Die BreschnewDoktrin ist doch eigentlich die Formulierung einer Einbahnstraße: man darf hinein, aber man darf nicht mehr heraus. Dort liegt das entscheidende Hindernis für eine Übereinstimmung mit der Offenhaltung der deutschen Frage im Sinne von Art. 23 des Grundgesetzes.
    Dieses Thema wird noch ausführlicher behandelt werden; ich gehe nur deswegen darauf ein, weil der Kollege Metzger dieses Thema angeschnitten hat. Lassen Sie mich zum Schluß in diesem Zusammenhang noch auf folgenden Gesichtspunkt eingehen. Nach dem Grundgesetz haben die staatlichen Organe in der Bundesrepublik Deutschland eine Obhuts- und Fürsorgepflicht gegenüber allen Deutschen, auch gegenüber denen in der DDR. Dazu zählt unter anderem die Pflicht zum diplomatischen und konsularischen Schutz in Drittländern. Wie will die Bundesregierung denn angesichts der eingegangenen Verpflichtungen, die Unabhängigkeit und Selbständigkeit eines zweiten deutschen Staates, eben der DDR, in seinen inneren und äußeren Angelegenheiten anzuerkennen, diesen Schutz noch ausüben? Wenn das DDR-Regime die Hoheitsgewalt eines gleichberechtigten Staates besitzt, hat es diese Hoheitsgewalt doch auch über seine Angehörigen. Die Bundesregierung mag einwenden, die politische Entwicklung sei nun einmal anders gelaufen. Dann muß das Grundgesetz eben geändert werden, denn mit dem Grundgesetz stehen diese Dinge in einem bedenklichen Konflikt.

    (Abg. Dr. Schäfer Sie es!)

    Das Grundgesetz geht vom Begriff der nationalen und staatlichen Einheit aus. Das war auch die gemeinsame Basis der im Bundestag vertretenen Parteien, also auch der SPD und der FDP. Zumindest galt dies bis zum Zeitpunkt der Übernahme der Bundesregierung durch die gegenwärtigen Koalitionsparteien. Im Oktober 1969 hat dann die SPD/FDP-Regierung den Begriff der Nation als Klammer um die Existenz zweier Staaten in Deutschland gefügt, der nun Gegenstand eines ständigen Jonglieraktes dieser Bundesregierung ist. Wir haben es hier mit einem zentralen Begriff zu tun. Ich werde darauf mit einigen Sätzen eingehen.
    Die Deutschlandpolitik der vorangegangenen Bundesregierungen war von dem Ziel bestimmt, das gespaltene und zerrissene Volk wieder in eine staatliche Einheit zusammenzuführen. Jetzt geht die Bundesregierung davon aus, daß es gelte, wenigstens die Einheit der Nation zu wahren. Der Begriff der Nation stellt für die Bundesregierung eine Art Refugium dar. Er wird im übrigen zunehmend unschärfer und unpräziser. Offensichtlich versucht man auch hier, hinter dem Nebel, der über das Feld der politischen Auseinandersetzungen gebreitet wird, neue Stellungen zu beziehen, die man im Augenblick nicht voll offenbaren möchte.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Man hat manchmal Schwierigkeiten, nach dem berufenen Sprecher dieser Bundesregierung zu suchen. Nehmen wir einmal an, der Bundeskanzler sei dieser Sprecher. In seiner letzten Regierungserklärung taucht der Begriff „Kulturnation" auf. Dieser Begriff ist keine Erfindung von ihm; es ist auch kein neuer Begriff. Wahrscheinlich ist dieser Begriff im Zusammenhang mit den neuen Bemühungen des Bundeskanzlers und auch der SPD um die Gewinnung eines Geschichtsbewußtseins zu sehen. Also ein neues Wort, das auf dieser Seite des Hauses auftritt.

    (Abg. Dr. Kliesing: Sehr gut!)

    Man hat diesen Begriff gewählt, weil er anscheinend in die gegenwärtige Konzeption paßt. Eine kühne Vision ist das alles nicht. Möglicherweise hängt es auch mit dem erschütterten Fortschrittsglauben des Bundeskanzlers zusammen, daß er hier in das 19. Jahrhundert zurückgreift. Die Kulturnation hat damals die Klammer der deutschen Einheit bedeutet. Dieser Begriff stammt es der Welt der deutschen Kleinstaaterei, der gespaltenen deutschen Nation. Er kennzeichnet eine Art Ersatzbefriedigung des Verlangens nach Einheit des deutschen Volkes. Jetzt wird dieser Begriff wieder gebraucht. Sie können von uns aber nicht verlangen, daß wir mitmachen, wenn dieses Kapitel der deutschen Geschichte erneut aufgeschlagen wird. Wir haben eigentlich geglaubt, dieses Kapitel gehöre der Vergangenheit an.
    Sie können uns auch nicht damit darüber hinwegtrösten, daß Sie hier über angebliche Gemeinsamkeiten mit dem Ausland sprechen. Viele Köpfe des Auslands haben ein Geschichtsbild von Deutschland, das der Situation entspricht, ,die über Jahrhunderte hinweg bei uns maßgebend war. Uns ist es aber, so meine ich, gelungen, dem Ausland verständlich zu machen, daß die deutsche Einheit kein Schaden für das Ausland zu sein braucht, sondern auch im Interesse des Auslandes liegt. Auch davon nehmen Sie jetzt Abschied und kehren zu vergangenen, keineswegs ruhmvollen Kapiteln der deutschen Geschichte zurück.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die gegenwärtige Bundesregierung gibt den anspruchsvollen und randscharfen Begriff der politischen Nation, der Staatsnation auf. Darin liegt wie im letzten Jahrhundert die Gefahr einer Entfremdung des deutschen Volkes von der Aufgabe, die deutsche Einheit zu wahren.



    Dr. Abelein
    Es ist natürlich naheliegend: Je verschwommener und unklarer die Begriffe und damit die Positionen dieser Bundesregierung werden wobei ich über die Vorstellungen vieler Mitglieder des systemverändernden Flügels der SPD hier gar nicht reden möchte, denn die haben wahrscheinlich präzise Vorstellungen , desto deutlicher treten die Positionen der DDR heraus. Einmal ist hier anzumerken, daß im Grundvertrag nirgendwo die Einheit der Nation auftaucht. Noch nicht einmal die Minimalforderungen von Kassel sind in dieses Papier aufgenommen worden.
    Im übrigen zeigt dieser Begriff deutlich die Feder Kohls, des Unterhändlers der DDR. Denn der Begriff „nationale Frage" ist eine Wortschöpfung der kommunistischen Ideologie mit einem ganz präzisen Inhalt. Er lautet: nationale Frage ist die „Frage des Klassenproblems in Westdeutschland". Das ist im übrigen auch in einem Programm der SED genau formuliert, das sie am 17. Juni verabschiedet hat. Offentsichtlich ist der 17. Juni, wenn auch in einer negativen Weise, für die SED und die DDR immer noch ein bedeutendes Datum. Die Bundesregierung fühlt sich — das merkt man, wenn man sich ihren Bericht vornimmt, von dem noch zu sprechen sein wird — an dieses Datum offensichtlich nicht mehr gern erinnert. Vielleicht paßt es nicht in ihr neues Geschichtsbild.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Sie würde dieses Datum ja am liebsten streichen.
    Die „nationale Frage" ist also ein Begriff aus den Lehrbüchern des Kommunismus. Sie haben ihn sich oktroyieren lassen. Es gibt zwei Versionen: Entweder haben Sie ihn gekannt, dann hätten Sie etwas dagegensetzen müssen; oder aber sie haben ihn nicht gekannt, dann ist das ein weiterer Beweis für die unerhörte Leichtfertigkeit, mit dem diese Bundesregierung und ihr Unterhändler diese Verhandlungen geführt haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    In den gegenwärtigen Augenblicken sind die gutnachbarlichen Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten durch Abgrenzungsversuche der DDR-Regierung gekennzeichnet. Das ist sehr deutlich. Herr Franke, ich verstehe Sie überhaupt nicht, wenn Sie diese Abgrenzungsversuche mit anderen Worten hier sogar noch als vertragskonform zu rechtfertigen versuchen, indem Sie sagen, das sei nicht vertraglicher Inhalt. Ja, was denn sonst! Sie reden doch ständig von einem Vertrag, der das Ziel haben soll, die Kontakte zu intensivieren, die beiden Teile Deutschlands enger aneinander zu führen. Und jetzt sagen Sie, das sei nicht Inhalt des Vertrags. Hier liegt ein eklatanter Verstoß gegen den Geist des Vertrags vor.
    Ich muß langsam zu Ende kommen. Deswegen kann ich die hochinteressanten und für Sie so unangenehmen Ausführungen zu diesen bedeutenden Kapiteln leider nicht in der notwendigen Ausführlichkeit fortsetzen.
    Lassen Sie mich hier nur folgendes sagen. Es handelt sich hier um eine Doppelstrategie. Denn je verschwommener Ihre Positionen werden, desto präziser werden die der anderen. Hinter der Abgrenzung steht die sozialistische deutsche nationale Einheit. Sie können das zwar nachlesen, aber Sie tun es nicht; denn Sie sind in den festgefahrenen Gleisen Ihrer Ideologie. Aber damit werden Sie der anderen Seite nicht beikommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Zum Schluß lassen Sie mich einige Gedanken überschlagen, jedoch noch folgendes sagen. Die neuere deutsche Geschichte ist gekennzeichnet durch die Einheitsbewegung, die bis zu ihrer Erfüllung hauptsächlich von der jungen Generation getragen wurde, darunter wieder von der jungen akademischen Generation. Die deutsche Einheit ist dann vielleicht nicht in der Form gekommen, wie sie viele gern vollzogen gesehen hätten. Aber sicher wurde sie auch in der erreichten Form getragen von der überwältigenden Mehrheit des deutschen Volkes, im übrigen auch von den Sozialdemokraten.
    Ich kann mir nicht vorstellen, daß die geschichtliche Tradition des Ringens um die deutsche Einheit völlig verlorengegangen sein könnte. Sie ist vielleicht vorübergehend verschüttet. Es gibt bereits heute Anzeichen dafür, daß gerade in der jüngeren Generation die Frage nach der deutschen Einheit wieder eine größere Rolle spielt. Die Frage nach dem Woher und nach dem Wohin, nach der Identität, der Zugehörigkeit, der Zusammengehörigkeit stellt sich unausweichlich jedem, vor allem jedem jungen Menschen. Im persönlichen Leben kann diese Frage unter Umständen zu schweren Erschütterungen führen. Die Frage nach der Einheit der deutschen Nation, nach den Anstrengungen für sie wird uns allen mit Sicherheit noch sehr viel drängender gestellt werden, als es im Augenblick der Fall zu sein scheint. Auch die Verantwortung gegenüber den gegenwärtigen und künftigen Generationen unseres Volkes lassen uns zu diesem Grundvertrag nur nein sagen. Denn er zeigt nicht den richtigen Weg, die gespaltene Nation wieder zusammenzuführen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)