Rede von
Egon
Höhmann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Gradl ist zum Schluß etwas pathetisch geworden. Ich finde, etwas Pathos schadet einer solchen Debatte eigentlich auch nichts. Nur ist ein solches Pathos auch geeignet, die Gesamtsituation etwas zu vernebeln. Davor aber sollten wir uns, glaube ich, alle hüten.
Selbstverständlich, Herr Kollege Dr. Gradl, hat die Opposition das Recht und auch die Pflicht, auf Mißstände, die sie entdeckt hat, aufmerksam zu machen, die Regierungskoalition anzutreiben. Selbstver-
Höhmann
ständlich will auch, wenn die Opposition hilfe bietet, niemand eben solche Hilfe ablehnen. Nur müssen wir uns doch auch einmal fragen, wenn hier schon Zustände in und um Berlin kritisiert werden, wer das tun darf. Und wenn das dann Leute tun, die einer Partei angehören, die uns seinerzeit — schön, der Kollege Amrehn hat dies auch zugestanden — während der Ausschußbesprechungen einmal unterjubeln wollten: „Warum können denn die Berliner nicht auch mit ihrem Personalausweis dahin fahren?", weil ihnen der deutsche Paß verweigert wurde und weil dies dann auch noch vertraglich festgelegt war, so muß ich sagen, diese Leute können doch dann nicht herkommen und uns sagen, was um Berlin schlecht ist, und uns gegenüber Vorwürfe erheben, nachdem man seinerzeit in sehr vielen Verträgen Berlin überhaupt nicht berücksichtigt hatte.
Ich finde, es war ganz sicher ein Stück zu weit gegangen, wenn ein Zweifel daran geäußert wird, ob dieser Grundvertrag geeignet sei, den Frieden zu sichern, wenn gefragt wird, ob er nicht vielmehr die Spaltung Deutschlands verfestige. Hier werden doch also Ursache und Wirkung völlig verkannt. Es ist doch nicht der an der Spaltung schuld, der feststellt, daß Deutschland gespalten ist. Die Spaltung haben andere Leute herbeigeführt. Nur, wir kommen doch nicht über den Tatbestand der Spaltung hinweg, indem wir uns anheischig machen, sie nicht sehen zu wollen. Die Spaltung ist da, und sie ist deshalb auch ganz selbstverständlich in Verträgen angesprochen.
Wenn man dann hört, daß, weil nun im Vertrag gesagt wird, man gehe von der Gleichheit und der Gleichberechtigung und der Souveränität der beiden Staaten aus, wir die Gleichheit und Souveränität und Gleichberechtigung der DDR herstellen würden, so sage ich dazu: das ist doch überhaupt nicht wahr. Die DDR ist längst ein Staat, und das alles hat sich gegen unseren gemeinsamen Willen vollzogen. Wer die Themen anspricht, ist nicht derjenige, der sie verursacht hat.
Wenn wir hier so in der Form einer tibetanischen Gebetsmühle die alten Verse wiederholen, die ich eigentlich schon kenne, seitdem ich im Deutschen Bundestag bin, nämlich man müsse darauf hinarbeiten, daß die Einheit des deutschen Volkes in freier Selbstbestimmung herzustellen sei, so kann ich eigentlich nur noch müde lächeln,
— weil wir, Herr Kollege Gradl, dies seit zig Jahren sagen und heute davon weiter entfernt sind als damals, als ich das zum erstenmal hörte. Ich finde, es ist überhaupt keine großartige rhetorische Leistung, wenn man sagt, wir wollen die Einheit in freier Selbstbestimmung wiederherstellen, aber nichts dafür tut. Wir haben uns ein paar Jahrzehnte in Deklamationen erschöpft und haben Protestaktionen gestartet. Nur hat das niemand zur Kenntnis genommen — schon gar nicht diejenigen Leute, die wir eigentlich damit hätten ansprechen müssen.
-- Das ist doch keine Frage des Grundgesetzes, liebe Frau Kollegin Berger. Hier kommt es darauf an, ob ich mich in solchen Sprüchen erschöpfe oder ob ich wirklich etwas zur Überwindung der Situation tue. Und bisher hat man sich in Sprüchen erschöpft.
Das hat auch gestern der Herr Kollege Strauß trotz seiner beinahe infernalischen Beredsamkeit nicht aus der Welt schaffen können.
Ich habe schon von Amokläufern gehört, aber gestern habe ich zum erstenmal einen Amokredner leibhaftig vor mir gesehen,
so eine Art Billy Graham der CDU/CSU-Fraktion in der Form eines Maschinengewehres.
Ich habe dabei an den Spruch denken müssen, den Sie auch jeden Tag sehen, wenn Sie hier im Hause den Eingang IV benutzen, denn den hat unser Pförtner dort hängen. Da steht: Vor Öffnung des Mundes bitte Gehirn einschalten. Das hat ab und zu gefehlt.
Ich will noch einige Dinge, die auch in dieser Debatte gesagt worden sind, zurechtzurücken versuchen. Es ist die Klage gekommen, man habe doch dem Ausschuß und insbesondere der CDU/CSU nicht genügend Zeit zur Beratung gelassen. Dies muß ich in aller Form ganz deutlich und energisch zurückweisen. Es war nicht, Herr Kollege Jäger, eine zusätzliche Sitzung angeboten worden, sondern eine ganze Woche. Uns ist nachher gesagt worden: Leider konnten wir die Termine nicht annehmen, weil wir gerade Kommunalwahlkampf in Baden-Württemberg hatten!
Dazu muß ich aber sagen: Wenn man schon behauptet, dies sei eine entscheidende Frage für das deutsche Volk, dann ist eine Wahlrede im Wahlkampf Baden-Württemberg sicher den Beratungen hier im Deutschen Bundestag unterzuordnen. Wird diese Meinung nicht geteilt, wird man uns gestatten müssen, solche Ausführungen nicht ernst zu nehmen.