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ID0702704000

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    Vokabeln: 6
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    6. Bundesfinanzminister.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 27. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 5. April 1973 Inhalt: Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . 1273 A Aussprache über den Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaltsplans für das Haushaltsjahr 1973 (Haushaltsgesetz 1973) (Drucksache 7/250) in Verbindung mit Beratung des Finanzplans des Bundes 1972 bis 1976 (Drucksache 7/370), mit Entwurf eines Steueränderungsgesetzes 1973 (Drucksache 7/419) — Erste Beratung —, mit Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes 1964 und des Gesetzes über das Branntweinmonopol (Drucksache 7/422) - Erste Beratung —, mit Entwurf eines Zweiten Gesetzes über die Erhöhung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern (Zweites Bundesbesoldungserhöhungsgesetz) (Drucksachen 7/411, 7/442) — Erste Beratung —, mit Entwurf eines Gesetzes über die Sechzehnte Rentenanpassung und zur Regelung der weiteren Anpassungen der Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen sowie der Geldleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung (Drucksache 7/427) — Erste Beratung — und mit Entwurf eines Fünften Gesetzes über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes (Fünftes Anpassungsgesetz — KOV) (Abg. Geisenhofer, Dr. Althammer, Ziegler, Dr. Schulze-Vorberg, Dr. Riedl [München], Dr. Waigel, Maucher, Burger, Dr. Götz, Müller [Remscheid], Dr. Blüm und Fraktion der CDU/ CSU) (Drucksache 7/315) — Erste Beratung — Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) (zur GO) 1274 A Dr. Barzel (CDU/CSU) . . . . . 1274 B Wehner (SPD) . . . . . . . 1283 B Dr. Graf Lambsdorff (FDP) 1285 C, 1341 B Brandt, Bundeskanzler . . . . . 1290 B Seiters (CDU/CSU) . . . . . . . 1297 C Dr. Stoltenberg, Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein . . 1302 B, 1330 D, 1334 A Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller (SPD) 1310 A Mischnick (FDP) . . . . . . . . 1317 A Schmidt, Bundesminister (BMF) . . 1319 D, 1333 C II Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 27. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. April 1973 Dr. Althammer (CDU/CSU) . . . . 1334 B Dr. Arndt (Berlin) (SPD) . . . . . 1338 C Dr. Häfele (CDU/CSU) 1343 D Dr. Weber (Köln) (SPD) . . . . 1346 D Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . 1349 C Damm (CDU/CSU) . . . . . . 1349 D Würtz (SPD) . . . . . . . . 1357 B Leber, Bundesminister (BMVg) . 1359 C Dr. Wörner (CDU/CSU) 1361 C Vogel (Ennepetal) (CDU/CSU) . . 1363 D Liedtke (SPD) 1365 D Groß (FDP) 1368 A Genscher, Bundesminister (BMI) . 1368 B Nächste Sitzung 1369 C Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 1371* A Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 27. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. April 1973 1273 27. Sitzung Bonn, den 5. April 1973 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Achenbach * 7. 4. Adams * 7. 4. Ahlers 6. 4. Dr. Aigner * 7. 4. Dr. Artzinger * 7. 4. Dr. Bangemann * 7. 4. Dr. Becher (Pullach) 6. 4. Behrendt * 7. 4. Dr. Dr. h. c. Birrenbach 6. 4. Blumenfeld 7. 4. Buchstaller 6. 4. Dr. Burgbacher 6. 4. Buschfort 6. 4. Dr. Corterier * 7. 4. Frau Däubler-Gmelin 6. 4. Dr. Dregger ** 16. 4. Dr. Evers 6. 4. Fellermaier * 8. 4. Flämig * 7. 4. Frehsee ' 7. 4. Dr. Früh * 7. 4. Gerlach (Emsland) * 7. 4. Gewandt 7. 4. Härzschel * 7. 4. Hofmann 6. 4. Dr. Jaeger 6. 4. Dr. Jahn (Braunschweig) * 7. 4. Kahn-Ackermann** 7. 4. Kater 30. 4. Kirst 6. 4. * Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen der Versammlung der Westeuropäischen Union Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Klepsch* 7. 4. Lange * 7. 4. Lautenschlager * 6. 4. Dr. Lenz (Bergstraße) 5. 4. Frau Dr. Lepsius 7. 4. Löffler 6. 4. Lücker * 7. 4. Dr. Martin 7. 4. Frau Meermann 6. 4. Memmel * 7. 4. Mertes 6. 4. Mikat 6. 4. Müller (Mülheim) * 6. 4. Mursch (Soltau-Harburg) * 6. 4. Dr. Oldenstädt 6. 4. Frau Dr. Orth * 7. 4. Picard 7. 4. Richter ** 7. 4. Dr. Riedl (München) 18. 4. Frau Schleicher 6. 4. Schmidt (München) ** 7. 4. Schmidt (Wattenscheid) 7. 4. Frau Schuchardt 8. 4. Schulte (Schwäbisch Gmünd) 6. 4. Dr. Schulz (Berlin) * 7. 4. Schwabe * 7. 4. Dr. Schwencke ** 7. 4. Dr. Schwörer * 7. 4. Seefeld* 8. 4. Spillecke 6. 4. Spilker 6. 4. Springorum * 7. 4. Dr. Starke (Franken) * 7. 4. Walkhoff * 7. 4. Dr. von Weizsäcker 5. 4. Frau Dr. Wex 6. 4. Wienand 6. 4. Frau Dr. Wolf ** 6. 4. Wrede 7. 4.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Wolfgang Mischnick


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich zu dem, was Herr Ministerpräsident Stoltenberg gesagt hat, einiges ausführe, noch wenige kurze Bemerkungen zu ein paar Beiträgen von gestern und heute.
    Herr Kollege Strauß, Sie haben gestern sehr plastisch ausgemalt, was demjenigen übrigbleibt, der die Stabilitätsanleihe zeichnet. Sie haben Zahlenbeispiele genannt, und wer das so hörte, mußte natürlich auf die Idee kommen, daß das die Mehrheit unserer Arbeitnehmer betrifft. Wenn Sie einmal genau nachgerechnet und die Steuerfreibeträge der Zinsen — 150 DM für den Ledigen, 300 DM für den Verheirateten, 800 DM als Nebenverdienst — mit eingerechnet hätten, dann hätten Sie festgestellt, daß wir eine Anleihe von 52 Milliarden DM hätten auflegen müssen. Das aber haben Sie natürlich nicht getan; denn es hätte ja nicht in Ihr Kolossalgemälde gepaßt, wie das ja meistens bei Ihnen ist. Sie bringen zwar sehr nette Beispiele, aber wenn man sie bis zum letzten durchleuchtet und die Zahlen genau ansieht, dann merkt man, daß Sie mit Zahlen doch etwas auf Kriegsfuß stehen.
    Herr Kollege Barzel, Sie haben von dem Kasseler Beispiel über die Möglichkeit eines Ausschusses oder eines Ombudsmans gesprochen und gesagt, dem Kasseler Verleger sei nichts anderes übriggeblieben, weil das nun einmal eine Zeitung in Hessen sei, dis daß er das mitmache, wenn der Ministerpräsident so etwas wünsche. Es war genau umgekehrt. Anläßlich der Jubiläumsfeier der „Hessischen Allgemeinen", an der der Herr Bundeskanzler, aus Ihren Reihen Herr Kollege Haase anwesend war, außerdem eine ganze Reihe anderer Kollegen — ich war auch dabei —, hat der Verleger gesagt, daß er diese beiden Alternativen einmal in seinem Betrieb ausprobieren möchte, um dann festzustellen, ob das Möglichkeiten sind, die später einmal in eine presserechtliche Regelung Eingang finden können. Daraufhin hat sich die hessische Landesregierung bereit erklärt, hierbei Hilfestellung zu leisten. Es war also nicht so, wie Sie es dargestellt haben.
    Und noch ein Beispiel, Herr Kollege Barzel. Sie sprachen davon, wir hätten der CDU vorgeworfen, daß sie für Freizügigkeit eingetreten sei.

    (Abg. Dr. Barzel: Franke!)

    Das ist niemals vorgeworfen worden, es ist etwas anderes gesagt worden. Sie haben immer die Bedingung gestellt, daß erst die Freizügigkeit durchgesetzt sein soll, bevor man zu vertraglichen Regelungen kommt. Das ist aber etwas ganz anderes als das, was Sie hier behauptet haben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Meine Damen und Herren, Sie haben vorhin so etwas süffisant gelächelt, als der Bundeskanzler davon sprach, daß bei den Freien Demokraten das Freiburger Programm und andere Programme Grundlagen sind. Damit Sie nicht zuviel suchen müssen: nehmen Sie sich bitte die Stuttgarter Leitlinien zur Bildungspolitik! Das ist z. B. ein Teil unserer Programme, über die wir hier eben in allen Debatten mit entscheiden.
    Herr Kollege Seiters, als Sie davon sprachen, der Bundeskanzler sei aus der südlichen Sonne gekommen und habe dann hier die Ausführungen zur Regierungserklärung gemacht, da mußte ich natürlich daran denken, daß es Ihr Parteivorsitzender war, der aus südlicher Sonne kam und — ausgerechnet aus Portugal kommend — hier sagte, dieses Land, die Bundesrepublik, sei nicht in Ordnung. Das schien mir allerdings eine sehr große Fehlwirkung südlicher Sonne gewesen zu sein.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der CDU/CSU.)

    Lassen Sie mich jetzt zu dem Stellung nehmen, was der Herr Ministerpräsident Stoltenberg hier gesagt hat. Zunächst aber ein paar Bemerkungen zu dem, was Sie zu der Frage Steuerentwicklung/ Steuerreform usf. gesagt haben. Natürlich ist es gut, wenn in diesem Hause von seiten des Bundesrates klargestellt wird, was er will, welche Meinung er hat. Ich muß Ihnen allerdings ganz offen sagen: wenn der Bundesrat in dieser Weise seine Mitwirkung an den politischen Entscheidungen des Bundes im Sinne des Grundgesetzes versteht, wäre es gut, wenn häufiger einmal bei Fragen, wo dann im Bundesrat die Sperrminorität, so muß ich es doch bezeichnen, zur Majorität benutzt wird, hier schon vorher, wie es heute geschehen ist, Stellung genommen wird, damit man sich hier an Ort und Stelle damit auseinandersetzen kann. Das geschieht leider meistens erst zu einem Zeitpunkt, wo wir nur noch ,in der Lage sind, zu Vermittlungsausschußergebnissen ja oder nein zu sagen, und uns nicht in der Sache im einzelnen mit dem Bundesrat auseinandersetzen können.
    Sie haben davon gesprochen, daß Sie in Zweifel setzen, daß die Mehreinnahmen wirklich stillgelegt werden. Sie können davon ausgehen, daß wir selbstverständlich sehr sorgfältig darauf achten werden, daß das, was an Steuermehreinnahmen aufkommt, im Rahmen der Erklärung ,des Bundesfinanzministers



    Mischnick
    auch stillgelegt wird. Dazu liegt auch die verbindliche Erklärung des Bundeskabinetts vor.
    Ein Problem macht mir allerdings mehr Sorge. Wir wissen, daß im Bundeshaushalt 3,8 Milliarden für die Aufnahme von Krediten vorgesehen sind. Wir haben eine Vereinbarung des Finanzplanungsrates über die Ausschöpfung des Kreditrahmens. Wenn wir an die Vergangenheit denken, erinnern wir uns: es war immer der Bund, ,der sich an seine Verpflichtungen gehalten hat, ja erheblich unter seiner Grenze geblieben ist; aber leider haben die Länder und auch die Gemeinden freiwerdenden Kreditraum sofort ausgefüllt und damit natürlich das konjunkturpolitisch angestrebte Ziel des Bundes unterlaufen, durch weniger Kreditaufnahme konjunkturberuhigend zu wirken. Es wäre gut, wenn die Länder bei der Durchführung ,dieser Vereinbarung auch einmal daran dächten, über die Innenminister notfalls die Kommunalaufsicht in Anspruch zu nehmen, wenn die Gemeinden bei der Kreditaufnahme konjunkturpolitisch falsch handeln. Hier ist eine Möglichkeit der Unterstützung einer konjunkturgerechten Politik durch die Länder, ,die aber bis zur Stunde nur in ,den seltensten Fällen wahrgenommen worden ist.
    Der Herr Ministerpräsident Stoltenberg sprach davon Kollege Möller ist ,darauf bereits eingegangen —, daß wir eine stärkere Vermögensbildung gerade zu diesem Zeitpunkt für richtig halten. Wir sind darin völlig einer Meinung. Es ist ja das Ziel, die Stabilitätsabgabe in Höhe von 2,4 Milliarden als Einstieg in eine Vermögensbildung zu verwenden. Das soll nicht die Hauptgrundlage sein, aber es soll eine Einstiegsmöglichkeit sein — mit weiteren Überlegungen, die von uns zur Diskussion gestellt worden sind. Wer sie noch nicht gelesen hat, dem kann ich nur empfehlen, unsere Freiburger Thesen zu diesem Punkt einmal wirklich im einzelnen nachzulesen.

    (Zuruf des Abg. Dr. Narjes: Der Bundesfinanzminister hat das offensichtlich nicht gewußt!)

    — Der Bundesfinanzminister hat der Auffassung, daß wir eine Vermögensbildung vornehmen sollten, keineswegs widersprochen. Diese 2 1/2 Milliarden DM werden nämlich stillgelegt; sie sind nicht als Einnahmen zum Ausgleich des Haushalts gedacht. Das wissen Sie doch ganz genau. Wir werden das bei den Entscheidungen, die wir im nächsten Jahr zu treffen haben, entsprechend berücksichtigen.

    (Abg. Leicht: Soweit sie nicht gebraucht werden!)

    — Entschuldigen Sie, das ist soeben von Ihnen wieder durcheinandergebracht worden. Der Bundesfinanzminister hat von Steuermehreinnahmen gesprochen, soweit sie nicht für andere Zwecke gebraucht würden, aber nicht davon, daß diese 2,4 Milliarden DM für solche Zwecke verwendet würden. Ich muß Sie bitten, das noch einmal nachzulesen.

    (Abg. Leicht: Das müssen Sie tun!)

    Es ist bedauerlich, daß sie als Haushaltsexperte die Dinge nicht so genau lesen und gehört haben, wie es erforderlich wäre.

    (Abg. Leicht: Besser als Sie!)

    Herr Ministerpräsident Stoltenberg, Sie zweifeln an, daß wir die Steuerreform über die Bühne bringen, und sagten, daß durch diese Maßnahmen die Eckwerte vielleicht in Frage gestellt werden könnten. Auch hier kann ich Sie beruhigen. Es gibt voll verbindliche Vereinbarungen darüber, daß die zusätzliche Stabilitätsabgabe keinerlei Bezug auf die Eckwerte hat, sondern daß die Eckwerte so, wie wir sie gemeinsam vereinbart haben, in die Steuerreformgesetze eingebracht werden.

    (Abg. Leicht: Wie ist es denn mit der sozialen Symmetrie?)

    Sie sprachen davon, Herr Ministerpräsident, daß man vielleicht mit wechselnden politischen Konstellationen rechnen könne. Wenn Sie dabei auf wechselnde Mehrheiten spekulieren, ist das ein grundlegender Irrtum. Das möchte ich Ihnen in aller Deutlichkeit schon jetzt gesagt haben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Meine Damen und Herren, kein Mensch verlangt vom Bundesrat einen Freibrief für Steuererhöhungen. Selbstverständlich muß hier der Bundesrat mitwirken, muß er seine Auffassungen zum Ausdruck bringen, und wir wollen uns auch damit auseinandersetzen. Aber das Problem ist doch, daß wir immer mehr den Eindruck gewinnen müssen — daher kommt schließlich diese Diskussion —, daß eben nicht, wie Sie sagen, die allgemeinpolitischen Gesichtspunkte die entscheidende Rolle bei manchen Entscheidungen des Bundesrates spielen, sondern daß partikulare Interessen jetzt nicht speziell im Sinne der Länder, sondern auf Grund spezieller politischer Auffassungen im Vordergrund stehen.
    Nun bestreite ich nicht, daß das eine legitime Überlegung ist. Wer aber dies als legitime politische Überlegung zugesteht, dem kann man doch nicht verwehren, daß er sich dann einmal die Gesamtstruktur und -konstruktion des Bundesrates ansieht. Als das Grundgesetz geschaffen wurde und die Stimmenverhältnisse im Bundesrat festgelegt wurden, war der Bevölkerungsunterschied zwischen den einzelnen Ländern nicht so gravierend, wie es heute der Fall ist. Was die Dinge politisch so problematisch macht, ist doch folgender rein sachlicher Tatbestand. Der Bundesrat besteht aus elf Ländern; sechs Länder sind SPD- oder SPD/FDP-regiert, fünf Länder sind CDU/CSU-regiert. Das heißt, bei bestimmten Entscheidungen sind im Vermittlungsausschuß sechs Länder für Auffassungen des Bundestages eingetreten, und fünf Länder haben sich dagegen gewandt. Wenn es dann aber um die Plenarabstimmung geht, ist das Stimmenverhältnis genau umgekehrt.
    Wenn Sie dann noch berücksichtigen, daß die SPD/FDP-regierten Länder über 32 Millionen Einwohner, die CDU/CSU-regierten Länder aber nur 27 Millionen umfassen, dann ist es doch legitim zu fragen, ob hier nicht die Gefahr besteht, daß eine



    Mischnick
    klare politische Mehrheit im Bundestag, die ihr Votum von der Bevölkerung bekommen hat, durch die Vertretung einer Minderheit der Bevölkerung politisch blockiert wird.
    Ich will das alles einmal ohne Polemik feststellen. Daraus entsteht dann die Überlegung: muß man nicht vielleicht prüfen, ob das Stimmenverhältnis im Bundesrat der heutigen Situation noch angemessen ist, wie es Ministerpräsident Osswald getan hat? Man könnte auch sagen: die Gleichgewichtigkeit, die Ausgewogenheit der Länder muß über eine Neugliederung überprüft werden. Mir geht es jetzt nicht darum, eine polemische Auseinandersetzung hierüber zu entfachen. Ich bitte Sie lediglich, dann, wenn man sich mit Recht auf die verfassungsmäßige Stellung des Bundesrates beruft, dabei die politischen Wirkungen nicht aus dem Auge zu verlieren und sich dann nicht zu wundern, wenn entsprechende Reaktionen kommen, wie es bei verschiedenen Gesetzen geschehen ist. So einfach, wie es Ministerpräsident Goppel getan hat, der sagte: Wir müssen Art. 29 — Neugliederung einfach streichen, dann ist das Problem erledigt!, kann man es sich eben nicht machen.
    Meine Damen und Herren, sehen wir uns die Zahlenbeispiele die vorhin von Ihnen genannt worden sind, einmal genau an. Herr Ministerpräsident, Sie hätten nicht nur hinzufügen müssen, daß die Legislaturperiode tatsächlich nur drei Jahre gedauert hat, sondern auch, daß nach aller Erfahrung im letzten Jahr einer Legislaturperiode die meisten Gesetze verabschiedet werden und daß dann der Konfliktstoff immer auch entsprechend stärker war. Ich bitte also darum, auch diesen Gesichtspunkt bei der Nennung solcher Zahlen in Zukunft mit zu berücksichtigen.
    Was die nüchterne Beurteilung für uns aber so schwermacht, ist doch die Tatsache, daß wir im Bundesrat gerade bei solchen Gesetzen den Widerspruch der CDU/CSU-Mehrheit erleben mußten, bei denen man bei noch so großzügiger Auslegung nicht unbedingt zu der Auffassung kommen konnte, hier sei ein grundlegendes Interesse der Länder — auch vom Politischen her — in Frage gestellt. Ich denke etwa daran, wie die Rentengesetzgebung unter einem bestimmten Gesichtspunkt gesehen wurde und daraufhin eine Blockade über die Bundesratsmehrheit erfolgte. Uns kann kein Mensch weismachen, daß das ausschließlich in Wahrnehmung der berechtigen Interessen des Bundesrates geschehen ist; es war ausschließlich die verfassungsrechtlich verankerte Wahrnehmung rein parteipolitisch begründeter Interessen, sonst gar nichts!

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Daß wir uns mit diesen Tatbeständen auseinandersetzen, kann uns doch kein Mensch übelnehmen.
    Ein weiteres Beispiel aus dem Bereich der Bildungspolitik. Ich erinnere an die Auseinandersetzungen über das Hochschulrahmengesetz in der vergangenen Legislaturperiode. Bei der Hochschulrahmengesetzgebung wollte das langsamste Schiff im Geleitzug, in diesem Fall Bayern, der Mehrheit praktisch immer wieder den Willen aufzwingen.
    Weil wir nicht bereit waren, dem nachzugeben, scheiterte alles.
    Oder denken Sie daran, daß wir zum Staatsvertrag über den Numerus clausus letztendlich nur deshalb gekommen sind, weil wir wußten, daß ein Bundesgesetz im Bundesrat scheiterte, es sei denn, wir wären bedingungslos auf alle Vorstellungen der CDU/CSU-Länder eingegangen. Genau das kann nicht unsere Absicht sein. Hier muß die Bereitschaft, eine breitere Basis zu finden, bei den Ländern — auch bei den CDU/CSU-regierten Ländern — stärker werden, als das bisher der Fall war.
    Meine Damen und Herren, die Nagelprobe in diesen Fragen wird im nächsten Jahr kommen, wenn hier ein Gesetzentwurf zur Ablösung des Staatsvertrages auf dem Tisch liegt oder wenn im Rahmen des Hochschulrahmengesetzes diese Fragen geklärt werden. Dann wird sich auch zeigen, ob man gemäß unserer verfassungsrechtlichen Struktur berechtigte Länderinteressen wahrt, oder ob das Ganze wieder in eine rein parteipolitische Betrachtungsweise abgleitet. Letzteres würde ich bedauern. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir auf Grund einer rein parteipolitischen Entscheidungspraxis im Bundesrat zu der Schlußfolgerung kommen, daß dann eben die Mehrheiten im Bundesrat geändert werden müßten, so ist dies ein legitimes Verlangen derjenigen, die vom Volk die Mehrheit in diesem Bundestag bekommen haben und ihre Politik nun auch verwirklichen wollen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Hermann Schmitt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte meinen Diskussionsbeitrag in dieser Debatte mit einer Bemerkung zu einigen Ausführungen beginnen, die die Herren Strauß und Barzel außerhalb des Rahmens der Finanzpolitik, aber doch legitimerweise in einer Haushaltsdebatte gemacht haben. Ich erinnere mich an den Winter 1971/32, wo die Opposition vielleicht sich, jedenfalls auch einen Teil der Öffentlichkeit damit erschreckte, daß eine Rezession mit Arbeitslosigkeit unmittelbar bevorstehe. Sie ist nicht eingetreten. Dann hat sie es im Mai und Juni vorigen Jahres mit dem „Ausverkauf der Nation" an den Osten versucht. Auch er ist nicht eingetreten; die Parole hatte keinen Erfolg. Dann war im September und im Oktober die innere Sicherheit unseres Staates angeblich in Gefahr.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das war sie auch!)

    Davon ist auch nichts eingetreten. Jetzt ist es der Antiamerikanismus, der angeblich unsere Basis unterhöhlt. Es wird auch nur zwei Monate dauern, Herr Barzel, bis Sie etwas Neues haben.

    (Beifall bei der SPD.)

    Es gibt in unserem Volk ganz gewiß antiamerikanistische Strömungen wie auch in anderen euro-



    Bundesminister Schmidt
    päischen Ländern und auch außereuropäischen Ländern. Ganz gewiß gibt es die auch bei uns.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Und in welcher Partei?)

    — Die gibt es sicherlich auch innerhalb des weiteren Bereichs der Sozialdemokratischen Partei. Die gibt es aber nicht nur links, sondern auch rechts.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Aber nicht in der Mitte!)

    Mir kommt es darauf an, Sie zu fragen, ob Sie mir zustimmen können, daß es eigentlich im Interesse dieses Staates und seiner Staatsbürger läge, wenn es dergleichen gibt, es nicht unnötig aufzupusten und zu verzehnfachen, sondern sich so damit auseinanderzusetzen, daß es verringert wird.
    Schauen Sie, dies ist ein Zusammenspiel des Herrn Strauß, des „Bayernkurier" und jenes Druckerzeugnisses, das von außen wie eine Tageszeitung aussieht, des Pamphlets, das mit der Regelmäßigkeit von Tageszeitungen erscheint, das leider aus meiner Vaterstadt kommt. Alle wirken sie zusammen, um für bestimmte Kräfte, die es ja auch in Amerika gibt, nämlich für antieuropäische Kräfte, weiß Gott die Stichworte zu liefern.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Sie übersehen doch genausowenig wie ich, daß es in weiten Bereichen beider amerikanischer Parteien und leider auch der amerikanischen Gewerkschaften so etwas gibt wie eine ganz neue Form von Isolationismus, die antieuropäisch ist, und ,so etwas gibt wie eine sehr gewichtige Strömung von Protektionismus, die auch antieuropäisch ist. Es wäre ja auch komisch, wenn in einer Gesellschaft in bezug auf ein solches Problem nur eine einheitliche Meinung vorhanden wäre. Es wäre auch komisch, wenn es bei uns anders wäre, als es ist. Nun versucht man, sich hier gegenseitig die Stichworte zu geben.
    Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Ein paar Zeitungen, die mehr versuchen, Ihrer Politik in diesem Land zu helfen, sie zu stützen und zu interpretieren, haben in den letzten Tagen angefangen, von einem sich aufbauenden großen Streit zwischen der Regierung der Vereinigten Staaten und unserer Bundesregierung über die schwerwiegende Frage der Devisenausgleichsverhandlungen zu schreiben. Tatsache ist, daß darüber weder jene noch diese Regierung bisher auch nur ein einziges Wort mit der anderen gesprochen hat. Nur, der eine erfindet es, der andere malt es aus, der dritte bringt es dann in seine Parteizeitung, und der vierte würde es morgen in den Bundestag bringen, wenn ich es heute nicht abgeschnitten hätte.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wer hat denn die Frage der Devisenausgleichszahlungen aufgebracht?)

    Die „Rheinische Post" und „Die Welt" ; wer denn sonst?

    (Abg. Dr. Barzel: Und der Juso-Kongreß?)

    Nehmen Sie ein anderes Beispiel! Der Oppositionsführer redet seit Wochen öffentlich, der Bundeskanzler müsse nun endlich — der Bundeskanzler hat schon darauf Bezug genommen - nach Washington fahren; das sei dringend nötig. Ich war neulich aus einem anderen Anlaß dort und wurde von einem deutschen Journalisten gefragt, wann nun endlich die Reise des Bundeskanzlers nach Washington zustande komme. Darauf habe ich wahrheitsgemäß geantwortet, ich wisse nichts von einer solchen Reise. Aber wenn es im Laufe des Jahres 1973 einmal eine solche gäbe, dann nicht aus irgendeinem brennenden Anlaß — der liege bei uns und bei den Amerikanern nicht vor —, sondern weil es zur regelmäßigen notwendigen Übung zwischen den Regierungschefs beider Staaten gehöre, miteinander in Kontakt zu sein.

    (Abg. Dr. Barzel: Alles sind die Zeitungen schuld! Der arme Herr Schmidt wird mißverstanden!)

    —Lieber Freund, daraus hat dann eine Nachrichtentenagentur — ich glaube, noch nicht einmal mit bösem Willen — gemacht: Schmidt kündigt eine Reise des Bundeskanzlers an. Dann habe ich das dementieren lassen. Daraufhin hat eine Ihnen zuzurechnende Person das so gedruckt: Schmidt nötigt die amerikanische Administration, Brandt einzuladen. Und jetzt werde ich mich wundern, was Sie morgen sagen und schreiben werden, nachdem er tatsächlich nach Amerika fährt. Ich meine, das ist doch keine Art, den Versuch zu machen — ohne Erfolg —, die Regierungen gegenseitig in Mißverständnisse oder Spannungen hineinzumanövrieren. In Wirklichkeit ist es doch so: Sie, Herr Barzel, möchten gern nach Washington. Aber Sie haben gesagt, Sie wollen nicht eher fahren, als bis Sie die unbedingte Zusage haben, daß Herr Nixon Sie auch persönlich empfängt. So ist die Wahrheit.

    (Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien. — Widerspruch von der CDU/ CSU.)

    — Das pfeifen die Spatzen in Washington von den Dächern.

    (Abg. Damm: Das hat Nixon Ihnen selber erzählt?!)

    — Das pfeifen die Spatzen von den Dächern.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Welche Spatzen? — Rotkehlchen vielleicht!)

    — Ich will vorsichtig sein und die notwendige Diskretion, Herr Damm, nicht verletzen. Es hat immer solche Strömungen — —

    (Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Ich weiß ja, wovon ich rede. Herr Dr. Barzel weiß auch, wovon ich rede.

    (Widerspruch des Abg. Dr. Barzel.)

    Dann habe ich hierzu die Rede von Herrn Strauß in diesem Zusammenhang in Erinnerung, ich hätte seinerzeit in Amerika .den amerikanischen Bündnispartnern in aufdringlicher Form eine moralische Belehrung zuteil werden lassen. Das wäre nicht das erste, sondern das zwölfte Mal, daß jemand von Ihrer Seite versucht, aus dieser einen Rede in Amerika Feindschaft gegen die Bundesregierung



    Bundesminister Schmidt
    herauszukitzeln. Wenn Sie diese Rede bitte lesen wollen — sie ist im Bulletin der Bundesregierung abgedruckt, Herr Strauß —, dann werden Sie erkennen, daß sie sich nach sorgfältiger Vorarbeit, die da hineingesteckt war, mit einem Thema beschäftigt, das ich vorgestern im Plenum erwähnt habe — einem der ganz wenigen Punkte übrigens, wo Sie ausdrücklich zugestimmt hatten —, mit der dringenden Notwendigkeit, nicht nur im NATO-Rat über gemeinsame außenpolitische Taktiken oder Strategien oder gemeinsame Verteidigungsanstrengungen miteinander zu reden, sondern darüber hinaus innerhalb der westlichen Gemeinschaft in einen sehr viel engeren Kontakt über diese drängenden Fragen zu kommen. Damals war es noch nicht so brandheiß mit den währungspolitischen, genauer gesagt: mit den Dollar-Fragen und den handelspolitischen Fragen.
    Schauen Sie, die Sache ist doch so. Für die Vereinigten Staaten von Amerika, für die öffentliche Meinung dort, aber auch sogar für die Administration ist es manchmal sehr schwierig zu durchschauen, von welchen Interessen oder Vorstellungen sich die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft in ihrem Tun oder Lassen etwa auf dem handelspolitischen Felde oder auf dem währungspolitischen Felde gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika eigentlich leiten läßt. Die durchschauen das nicht und haben an vielen Stellen vielerlei Argwohn. Der Argwohn wird dann genährt durch die starken protektionistischen Strömungen im amerikanischen Senat und Abgeordnetenhaus, im Gewerkschaftsbereich und im Unternehmensbereich. Ich nehme denen das gar nicht so übel, daß die das nicht ganz durchschauen. Ich muß Ihnen sagen: Der Entscheidungsprozeß innerhalb der EWG ist ungewöhnlich kompliziert. Ich mache mich nicht anheischig, zu behaupten, ich würde ihn in jedem Zeitpunkt durchschauen. Wahrscheinlich kann das keiner von uns hier für sich behaupten. Es ist eine große Komplikation für die amerikanische Seite, zu begreifen, was eigentlich in Europa vorgeht, zumal die nationalen Regierungen einstweilen noch mit einer gewissen Souveränität auftreten und auch öffentlich über Handels-, Währungs- und dergleichen Politik reden. Außerdem gibt es da eine Kommission, und dann gibt es einen Ministerrat. Man muß versuchen, dies für die Amerikaner durchsichtiger zu machen. Ich habe in jener Rede versucht, ein Instrument dafür anzubieten.
    Auf der anderen Seite ist es für uns Europäer auch immer wieder ganz schwierig, den politischen Prozeß in Washington zu verstehen und die bevorstehenden Ergebnisse im voraus richtig zu erkennen und die Ergebnisse selber richtig zu deuten. Die Amerikaner haben eine für europäische Vorstellungen, die an parlamentarische Demokratie gewöhnt sind, ungewöhnliche Form, schwierige Probleme zu lösen. Das sieht von außen manchmal chaotisch aus. Die sich widersprechendsten Stellungnahmen erscheinen in der öffentlichen Meinung von Personen, deren geistige oder deren institutionelle Kompetenz wir von hier aus nicht ohne weiteres zu durchschauen vermögen. Irgendwann, für uns Europäer ganz überraschend, ist dann plötzlich eine Entscheidung da. Dann sind die Amerikaner meistens sehr froh, daß sie diese nun endlich haben, und erwarten, daß in 48 Stunden alle ihre Partner dazu ja, und manche erwarten auch, daß wir dazu amen sagen. Das kann dann aber auch nicht ohne weiteres sein. Im Verständnis der politischen Prozesse besteht gegenseitig ein großes Manko.
    Jene Rede, die Herr Strauß beanstandet, die er bisher nicht gelesen hat, beschäftigte sich mit der Frage: Wie kann man das gegenseitig überwinden? Dann kam darin auch vor, Herr Kollege Strauß, ein kleiner Absatz im Zusammenhang mit einer langen Passage über den Frieden auf der Welt; wie er bewahrt werden könne, wie er bewahrt werden müsse und wie die Zusammenarbeit, die dafür notwendig ist, auf die Dauer in der westlichen Gemeinschaft herstellt bliebe. Dann kamen darin auch acht Zeiten — oder vielleicht waren es nur sechs; ich glaube, es waren weniger als sechs — über Vietnam vor. Daraus macht Herr Strauß eine moralische Belehrung. So hat man auch die Stichworte geliefert, damit in Amerika daraus solche Zeilen geprägt werden. In Wirklichkeit war es eine nackte Feststellung ohne Werturteil und ohne wertendes Adjektivum, daß der Krieg in Vietnam zu Ende gehen müsse, wenn anders die Gefahr einer beiderseitigen Entfremdung der öffentlichen Meinungen in Amerika und Europa gebannt werden gestellt bliebe. Dann kamen darin auch acht Zeiten — solle.
    Ich habe in jener Rede, Herr Strauß, etwas vorgeschlagen, was dann ein paar Wochen später Ihr Kollege Hallstein und andere hervorragende Europäer — jedenfalls auf einer mehr privaten Ebene —andeutungsweise versucht haben wahrzumachen, nämlich eine Kommission von hervorragenden Leuten aus Amerika und Europa, die sich, über die letzten zehn Jahre im Vordergrund gestandenen Fragen — MLF, Nonproliferation, Europäische Sicherheitskonferenz, Berlin — hinaus, mit den anstehenden ökonomischen Fragen beschäftigen sollten, die darunter litten, daß man gegenseitig seine Interessen nicht verstehe, in vielen Fällen sogar seine eigenen Interessen nicht eindeutig und übereinstimmend interpretiere und daß man sich gegenseitig über die Zielsetzungen und möglichen Felder des Kompromisses jedenfalls bisher nicht ausreichend zu verständigen bemüht habe.
    Ich habe sonst keinen übertriebenen Autorenstolz, aber ich habe auf diese Rede von amerikanischen Kabinettsmitgliedern nicht nur mündlich, sondern auch schriftlich positive Stellungnahmen erhalten. Herr Kollege Strauß, sie stehen Ihnen zur Verfügung, wenn es Sie interessieren sollte.
    Ich will Ihnen auf der anderen Seite nicht verargen, daß Sie sich — einem Zug der Zeit in Ihrem politischen Lager der Gesellschaft folgend — hier beteiligt haben an einer — ich will nicht sagen: Kampagne — politischen Tendenz, über deren Wert, über deren mögliche Konsequenz nachzudenken ich Sie bitten möchte. Deswegen habe ich diese ersten fünf Minuten darauf verwendet.
    Als ich gestern dargetan hatte, wie die Preise auf den Weltmärkten steigen, als ich dargetan hatte, daß die Importpreise für die Bundesrepublik gegenwär-



    Bundesminister Schmidt
    tig 12,1 % höher liegen als vor zwölf Monaten, während die Lebenshaltungskostensteigerung bei 6,9
    oder 7 % — demnächst vielleicht bei 7,1 % — liegt
    — das ist ja wohl ein wichtiger Unterschied: Importpreise wesentlich höher als Lebenshaltungskosten und noch wesentlich höher als unsere Exportpreise!
    —, hat Herr Strauß einfach bloß gesagt, wir würden die Inflation exportieren. Ich bitte Sie, Herr Strauß: Das war der Universität Innsbruck nicht angemessen.

    (Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Es ist doch so — das wollen wir ja auch nicht ändern —, daß wir in einer ungewöhnlichen Weise mit der Weltwirtschaft verflochten sind, drei-, vier-, fünfmal so stark verflochten sind mit der Weltwirtschaft wie die Volkswirtschaft der Vereinigten Staaten von Amerika, nur daß die insgesamt ein sehr viel größeres Volumen darstellen. Aber bei dieser hohen Verflechtung in die ganze globale Arbeitsteilung der Welt, von der wir in unserem Lebensstandard ja zum erheblichen Teil. zehren, ist es eben auf der anderen Seite so, daß wir uns, wenn die Preise auf der Welt stärker als bei uns steigen, diesem Einfluß nicht entziehen können.
    Ich will Graf Lambsdorff nicht widersprechen, der gemeint hat, ein Teil der Inflation — aber nicht der größere! — gehe auch auf Einflüsse zurück, die im eigenen Lande entstanden seien. Sicherlich. Nur, Herr Strauß, wenn Sie an das Wort von der hausgemachten Inflation erinnert haben: Verehrter Kollege, wann ist denn das Wort geprägt worden? Doch zu dem Zeitpunkt, wo Sie sich gegen die Aufwertung gewehrt haben: 1969.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Da stellen Sie sich gestern hin und verlangen nationale Stabilitätspolitik, und wenn Sie durch Zwischenruf gefragt werden, was Sie meinen, dann antworten Sie: Es ist nicht unsere Sache als Opposition, die Alternativen anzubieten. Was soll denn das ganze anderes sein als bloße Polemik?!

    (Abg. Strauß meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

    — Sie haben das Wort. (Heiterkeit.)