Rede von
Liselotte
Funcke
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Herr Kollege Häfele, Sie haben soeben beklagt, daß das Verfahren bei der Einbringung dieses Gesetzes etwas ungewöhnlich sei. Ungewöhnlich ist das gar nicht, wenn zwei Fraktionen einen Gesetzentwurf einbringen. Wir haben zwar dem Bundesrat durch dieses Verfahren nicht die Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, aber ich frage Sie, was denn dadurch verpaßt worden ist. Der Bundesrat hat ja zu der Vorlage bereits sein Votum abgegeben. Er hätte bloß abschreiben können, was er bereits in der 6. Legislaturperiode gesagt hat. Aber nun sagen Sie: Das stimmt, aber die Bundesregierung hat auch diese Vorschläge des Bundesrates nicht in einem eventuellen neuen Entwurf eingearbeitet.
Aber wo geschieht denn so etwas?! Der normale
Ablauf ist doch der, daß die Bundesregierung auf
Grund der Stellungnahme des Bundesrates nicht den eigenen Entwurf ändert, sondern daß sie zu den Vorschlägen des Bundesrates Stellung nimmt. Formal ist also nichts versäumt worden. Man kann ja die Vorschläge des Bundesrates und die Stellungnahme der Bundesregierung von damals nachlesen.
Aber auch in der Sache ist nichts versäumt worden, — wir können das mit Befriedigung feststellen —, denn der Bundesrat hat ja sozusagen voll die Regierungsvorschläge bestätigt. Denn was der Bundesrat zu diesem offensichtlich guten Gesetzentwurf der Bundesregierung kritisch zu sagen hatte, war so minimal, daß man es in kurzer Zeit durcharbeiten kann; es sind Ornamente. Das zeigt doch, daß dieser Teil der Reform - die Herren haben ja offensichtlich auch hier nichts anzumerken; sonst wären sie vielleicht da — im wesentlichen vom Bundesrat akzeptiert wurde. Und auch das ExpertenGremium vom Tegernsee, zu dem ja ein Teil dieser Herren gehörten, hält das alles im Grunde wohl für gut. Deshalb haben wir nicht das Bedürfnis gehabt, die Herren noch einmal damit zu belästigen. Wir können gern die alten Stellungnahmen bei der Beratung wieder verwenden.
Herr von Bockelberg, Sie haben mit Recht darauf hingewiesen, daß es sehr problematisch ist, Indexzahlen in Steuergesetze einzuführen. Ich stimme Ihnen darin völlig zu. Doch so wie die Dinge liegen — das Bewertungsgesetz stammt ja noch aus der Zeit einer anderen Koalition; wir wollen uns da gegenseitig keine Vorwürfe über den Zeitdruck machen —, müssen wir dieses Verfahren hinsichtlich der 140 % bei der Höherbewertung der Einheitswerte von 1964 notgedrungen einmal anwenden. Wir stimmen da überein.
Ich möchte Sie jetzt auch nicht so verstehen, daß Sie das, was Sie hinsichtlich der anderen Freibeträge und Freigrenzen sagten, als Vorschlag für eine Art Dynamik oder Indexanpassung meinten.
— Eben! Das möchte ich nur richtigstellen.
Wir sind uns sicher darin einig, daß auch nach einer Steuerreform noch nicht das Ende aller Steueränderungen erreicht ist, sondern daß wir gleich im Anschluß daran die Gesetze und ihre festen Wertbeträge sicherlich einmal wieder überprüfen müssen, so wie wir es mit der Steuerreform 1965 gemacht haben. Daß sich Preise, Freigrenzen und Werte im Laufe der Zeit ändern, ist ja nicht eine „Erfindung" der letzten zwei Jahre, sondern hat es schon zu allen Zeiten, auch schon zur Zeit des Alten Testaments, gegeben; das ist also nicht so neu.
Ich glaube, daß die Hoffnung auf Steuervereinfachung — ich sage das hier mit allem Freimut —, sich nicht in so starkem Maße wird verwirklichen lassen, wie wir das alle wohl möchten. Das mögen wir alle miteinander beklagen. Aber wir alle miteinander werden auch wieder Anträge stellen, die eine oder andere Gruppe oder Aufgabe innerhalb
Deutscher Bundestag— 7. Wahlperiode —17. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. Februar 1973 813
Frau Funcke
der Steuergesetze zu begünstigen. Und jede solche neue Sonderförderung bringt der Finanzverwaltung neue Arbeit. Wir sind da alle im selben Boot.
Gerechtigkeit auf der einen Seite und Vereinfachung auf der anderen Seite widersprechen sich nicht immer, aber sie widersprechen sich überall dort, wo man besondere Wünsche nach Berücksichtigung bestimmter Tatbestände in ein Steuergesetz einbaut. Das ist ja der Grund, warum man mit der Reduzierung von Steuersubventionen so schlecht fertig wird: weil eben immer jemand daran festhalten möchte. Dennoch sollte es unser gemeinsamer Wunsch sein, so weit wie eben möglich. Sonderbestimmungen zu vermeiden.
Interessant, finde ich, Herr von Bockelberg, das, was Sie mit der Zusammenfassung der Vermögen-und Erbschaftsteuer vorschlugen. Da stoßen Sie bei uns offene Türen auf. Nur, davon habe ich bisher aus Ihrer Fraktion noch nichts gehört. Und da Sie in diesem Teil der Rede auch per „ich" und nicht per „wir" gesprochen haben, bin ich mir noch nicht so sicher, ob das etwa eine gemeinsame Auffassung Ihrer Fraktion ist. Man könnte sicher später einmal darüber sprechen. Das muß ja keineswegs zu einer Entlastung der großen Vermögen führen, wie manche meinen. Man könnte sicherstellen, daß man vom ähnlichen Personenkreis das gleiche Steuervolumen erhält.
Das gilt für die Steuerreform allgemein. Nach unserer Vorstellung soll bei dieser Steuerreform eine
Aufkommensverschiebung zwischen verschiedenen Steuerarten stattfinden; die Reform darf nicht zu Mindereinnahmen des Staates führen. Wir haben ebenso ausdrücklich gesagt, daß sie auch nicht zu Steuermehreinnahmen führen darf, weil wir meinen, eine Reform läßt sich besser und glaubwürdiger durchführen, wenn man nicht den geheimen Gedanken der Steuererhöhungen dahinter vermuten muß.
Über das Wort „Reform" kann man lange diskutieren. Ich meine jetzt nicht die Kollegen hier im Hause; aber draußen hat man hierzu sehr Widersprüchliches gehört. Die einen sagten, das geht alles zu weit, und die anderen, das ist gar keine Reform, das ist viel zu wenig.
Ich meine, das Wesentliche an dieser Steuerreform --- und daran müssen wir festhalten — ist, daß man hier die entscheidenden Steuern, die in sich verwoben oder mindestens durch die Aufbringungshöhe miteinander verbunden sind, gleichzeitig ändert. Fine solche sich über viele Steuerarten erstreckende Änderung kann nun allerdings nicht so fundamental sein, wie es der eine oder andere möchte, weil nämlich Steuern, wenn sie 25 % des Sozialprodukts ausmachen, ein wichtiger Kalkulationsfaktor und ein erheblicher Preisfaktor sind. Zu grobschlächtige Änderungen würden eine erhebliche Verschiebung der Belastung bringen bis zur Existenzgefährdung ganzer Berufszweige oder zur Gefährdung von Arbeitsplätzen in bestimmten Regionen. Darum sind manchen, sagen wir mal, fundamentalen Reformen, wie sie manche Puristen wünschen, praktische Grenzen gesetzt, ganz abgesehen von den Vorstellungen der europäischen Harmonisierung.
Nach unserer Auffassung ist die Verschiebung der Steuerarten untereinander als Ganzes zu sehen. Wenn wir die Eckwerte dazu nehmen — so unbekannt sind sie gar nicht, denn sie standen ja alle im Bulletin —, dann müssen Sie doch zugehen, daß hier eine Symmetrie, der Versuch eines Ausgleichs der unterschiedlichen Be- und Entlastungen nicht nur im Volumen, sondern auch bei den Belasteten und Betroffenen vorgesehen ist, der im Grunde, so meinen wir jedenfalls, als tragbar und fortschrittlich angesehen werden kann, wenn man von Verschönerungen, die wir im Ausschuß noch anbringen können, absieht.
Allerdings setzt das nach unserer Auffassung voraus, daß wir an diesem Gesamtkonzept festhalten, auch möglichst bezüglich des Termins. Wir hätten gern für alle Teile an einem gemeinsamen Zeitpunkt des Beginns festgehalten. Aber wie schon mein Kollege Vohrer eben sagte, hat die vorzeitige Auflösung des Bundestages uns zeitlich in der Beratung zurückgeworfen, und die erheblichen Widerstände aus Karlsruhe werden uns in einzelnen Punkten zu einer gewissen Eile antreiben. Auch drängen uns die Gemeinden bezüglich der Grundsteuer.
Darum sind wir der Auffassung, daß man, ohne den Gesamtzusammenhang der Reform zu zerstören, die Grund- und die Erbschaftsteuer vorziehen könnte und müßte, wie es ja auch der Herr Bundesminister soeben andeutete. Doch sollten wir davon absehen, Herr Kollege Häfele, für alle einheitswertabhängigen Steuern ein Vorschaltgesetz zu beschließen. Denn es geht hier eben nicht nur um die Frage, wie wir um der Aufbringungsneutralität willen die Mehreinnahmen aus den höheren Einheitswerten durch einen niedrigen Steuersatz wieder herunterbekommen, sondern auch darum, wie sich dann die Belastung bei den einzelnen Steuerpflichtigen verschiebt. Es bleibt alles besser ausgewogen, wenn wir die Vermögensteuer im Gesamtkonzept lassen, zumal die Aufhebung der Steuerabzugsfähigkeit — die übrigens auch nach Meinung der Steuerreformkommission vorgesehen ist —, diesen Zusammenhang besonders unterstreicht. Wir glauben daher, daß wir uns ohne Schaden auf die Vorziehung lediglich der Grundsteuer und der Erbschaftsteuer konzentrieren können, die beide mehr oder weniger etwas außerhalb der Forderung nach Aufkommensneutralität und des systematischen Zusammenhangs liegen. Die Grundsteuer, weil tatsächlich ein Mehraufkommen vorgesehen war, weil sie auch verwaltungsmäßig völlig anders zu sehen ist und weil sie allein die Gemeinden betrifft, die Erbschaftsteuer, weil die mögliche Verschiebung im Aufkommen sowieso nicht exakt berechnet werden kann und auch bei der Größenordnung im Gesamtvolumen wohl übersehen werden könnte.