Rede von
Liselotte
Funcke
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Marx.
Dr. Marx : Frau Präsidentin! Meine verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Mattick, wir diskutieren heute nicht über den Grundvertrag;
das haben wir in der letzten Woche getan. Wir diskutieren über einen dubiosen Vorgang,
und zwar über die Tatsache, daß die Regierung in der letzten Woche Kabinettsentscheidungen der Öffentlichkeit mitgeteilt und damit bis in Ihre eigene Partei und, wenn ich die „Süddeutsche Zeitung", Herr Kollege Mattick, von heute richtig lese, bis zu Ihnen selbst einen ganz erheblichen Widerspruch, einen starken Widerstand ausgelöst hat. Sie werden doch nicht glauben, daß die Opposition die Möglichkeit, die ihr die Diskussion in diesem Hause gibt, nicht benutzt, um die Frage zu stellen: Wo sind eigentlich Ihre und Ihrer Freunde ich habe vorhin in der Fragestunde auch die Franken zitiertProteste gegen diese Haltung der Regierung geblieben?
Was wir wissen wollen, Herr Kollege Bahr, ist: Was ist hier eigentlich los?
Wir möchten gern wissen: Was sind eigentlich die Hintergründe dieser Kabinettsentscheidung?
Man hat uns ja viele Antworten gegeben. Wir haben in den Zeitungen einiges gefunden. Ich habe heute hier behauptet und wiederhole es, daß die Regierung mit vielen Mündern verschiedene Antworten auf die gleichen Fragen gegeben hat. Der eine sagt: Das ist eine Frage der Einsparung. Wenn es eine Frage der Einsparung ist, dann frage ich mich, warum Sie nicht die viel höheren Gebühren für die Transitreisenden mit hineingenommen haben; denn dies hätte den Vorteil der Logik gehabt. Der andere sagt: Nein, es geht nicht um Einsparungen, sondern es ist eine Frage des Prinzips. Wir hatten gefragt: Worin besteht das Prinzip? Aber, meine Damen und Herren, Antworten darauf haben wir nicht bekommen. Das muß man festhalten.
Herr Kollege Bahr, Sie haben gesagt, es könnte und sollte auch eine Frage des Stolzes sein, ob man die Leistungen, die der Staat bietet — ich denke etwa an die Rückzahlungen, die Bundesbürger dann bei den Postdienststellen beantragen können —, in Anspruch nimmt. Soweit gibt es hier wahrscheinlich gar keine Diskussion. Denn der einzelne bekommt ja die Leistung des Staates nicht aufgedrängt, sondern er kann, wenn er seinen Besuch hinter sich hat, nach Hause gehen und bei seiner Postdienststelle die Erstattung des Geldes beantragen. Er kann; er muß nicht und braucht nicht.
Vergessen Sie nicht, Herr Kollege Bahr, daß die Öffentlichkeit das, was Sie von sich aus sagen, hört. Gerade wenn Sie sprechen, hört die deutsche Öffentlichkeit zu, obwohl es mitunter nicht ganz eindeutig ist, was in den Ohren der Leute ankommt. Wenn Sie sagen, daß Sie Ihrerseits darauf verzichten würden, dann bringt mich das zu der Gegenbemerkung: Herr Kollege Bahr, es gibt Leute, die anders als Sie und anders als wir alle in viel schlimmeren finanziellen Verhältnissen sind und für die, wie vorhin einer unserer Kollegen, Herr Redde-
Deutscher Bundestag-7. Wahlperiode— 17. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. Februar 1973 797
Dr. Marx
mann, gesagt hat, 150 Mark auf den Tisch zu legen, eine sehr schwierige Sache ist;
darum ist es gegangen.
Herr Kollege Heyen hat gesagt, wir sollten doch sehen, daß heute alles in sehr ruhiger Weise in Ordnung gebracht worden sei. Ich habe fast den Eindruck, daß die Regierung alles in sehr ruhiger Weise durcheinandergebracht hat.
Herr Bahr — auf ihn muß ich noch einmal eingehen — sagt, bei menschlichen Erleichterungen solle man nicht so sehr auf das Geld sehen. Das ist ein sehr allgemeiner Satz. Auch dem stimmen wir zu. Aber das ist kein Freibrief. Dieses Haus und der Haushaltsausschuß und die Fraktionen behalten sich ganz ausdrücklich vor, über alle Fragen, die auch in Zukunft vor uns stehen mögen und die die Regierung hier einbringt, ihr eigenes Votum abzugeben.
Wir möchten auch nicht, daß die drüben glauben — daß diese Befürchtung nicht unbegründet ist, sollten Sie, Herr Kollege Bahr, aus der Kenntnis der Mentalität Ihrer Verhandlungs- und Gesprächspartner wissen —, sie könnten die Schraube noch ein bißchen anziehen und ihre Gebührenforderungen entsprechend anheben, denn sie hätten ja aus Ihrem Munde gehört, man wolle über Geld nicht kleinlich sprechen.
Meine Damen und Herren, ich wollte mich — das ist ja die Gelegenheit, die eine Aktuelle Stunde gibt — noch mit einem anderen Argument des Kollegen Bahr kurz auseinandersetzen. Er sagte, es habe noch keine Entscheidung der Bundesregierung in der Frage gegeben, wie westdeutsche Besucher behandelt werden. Ich würde gern noch einmal nachhaken und möchte wissen: Wem eigentlich hat der Beschluß des Bundeskabinetts gegolten? Was bedeutet „ab 1. Juli"? Herr Kollege Herold hat vorhin den 1. 6. genannt. Was bedeutet, daß ab 1. Juli dies alles eintreten soll? Ich reklamiere nach wie vor, daß wir auch wissen wollen, wie es mit den Besuchern aus der Bundesrepublik ist. Denn ich muß auf die Folgen aufmerksam machen. Wenn nämlich die aus der Bundesrepublik anders behandelt werden als jene aus West-Berlin, kann auch in diesem absurden Vorgang eine merkwürdige und von der anderen Seite, wie wir wissen, gewünschte und sichtbar gemachte Dreiteilung vorhanden sein.
Dies, meine Damen und Herren, kann nicht Sinn der Sache sein.
Einen Schlußsatz erlauben Sie mir bitte noch. Herr Kollege Höhmann hat gesagt: Diskussion und Konfusion. Er hat gesagt, wir alle leben von der Diskussion. Das ist völlig richtig. Was wäre dieses Haus, wenn wir nicht unsere Auseinandersetzungen hier miteinander austrügen. Aber, Herr Kollege Höhmann, ich bitte Sie doch zur Kenntnis zu nehmen: das, was Herr Reddemann „Konfusion" nannte, ist nicht ein Ausdruck demokratischer Diskussion hier, sondern der Ausdruck einer widersprüchlichen Haltung der Bundesregierung, ein Ausdruck dessen, daß man heute etwas anderes sagt als gestern. Wir
möchten Sie bitten, Ihren Einfluß, der doch offenbar etwas größer ist Herr Mattick hat soeben die Sozialdemokraten genannt, die dabei mitgeholfen hätten, die Sache wieder in Ordnung zu bringen —, bei der Bundesregierung geltend zu machen — wir werden den unseren, verlassen Sie sich darauf, ebenfalls geltend machen , daß sie nicht durch solche Art von Konfusionen diejenigen, die besonders betroffen sind, verwirrt und daß sie ihre Politik ein Stückchen glaubwürdiger macht, als dies in den letzten Tagen der Fall war.