Rede von
Dr.
Burkhard
Ritz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf zunächst ein Wort zu den Ausführungen von Herrn Bundesminister Vogel sagen. Ich halte es für gut, daß wir in diesem Hause und in den Ausschüssen einmal die gesamte Problematik des Bodenrechts sehr gründlich diskutieren, damit auch die vielen sehr widersprüchlichen Aussagen aus dem Lager der Regierungsparteien auf einen Nenner gebracht werden können. Wir wollen hier keinen Zweifel daran lassen, daß auch wir an Lösungen interessiert sind, die künftig die Bildung neuen Bodeneigentums auch für die Bürger offen läßt, die ein Eigenheim bauen wollen. Daran kann für uns kein Zweifel bestehen, und wir werden mit Sicherheit an konstruktiven Lösungen mitarbeiten.
Aus den Zwischenfragen des Kollegen Schneider ist bereits deutlich geworden, wie wir die Stellungnahme der beiden Kirchen bewerten.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich, ehe ich zu den Problemen komme, die ich eigentlich ansprechen wollte, ein Wort sagen, von dem ich meine, daß diese Debatte ohne dieses Wort nicht zu Ende gehen sollte. Wir haben in weiten Teilen der Bundesrepublik Deutschland nach wie vor sehr unter den Folgen der Sturmkatastrophe vom 13. November in den Forsten zu leiden. Wir sollten wenigstens mit einem Satz in dieser Agrardebatte deutlich machen, daß der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zusammen — das muß man sagen — mit dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten erkannt hat, daß zusätzliche Hilfestellungen des Bundes notwendig sind. Es wäre eigentlich gut, wenn heute auch von Regierungsseite eine Aussage darüber käme, wieweit man sich zwischen dem Landwirtschaftsministerium und dem Finanzministerium über die notwendigen ergänzenden Hilfen des Bundes verständigt hat. Daß es hier nicht nur um Hilfestellung für Bürger, für Landwirte,
sondern letztlich darum geht, eine verwüstete Landschaft wiederherzustellen,
sei in diesem Zusammenhang nur der Vollständigkeit halber erwähnt.
Meine Damen und Herren, wir haben durch meine Kollegen deutlich gemacht, daß wir den wesentlichen Inhalten der Einbringungsrede des Bundesministers Ertl zustimmen. Wir haben allerdings auch keinen Zweifel daran lassen können — und ich muß dies auch sagen —, daß eben doch einige wichtige Fragen der deutschen und der europäischen Agrarentwicklung entweder zu optimistisch, zu allgemein oder auch gar nicht angesprochen worden sind. Hier ist, meine ich, auch auf einen Widerspruch zwischen einem hohen politischen Anspruch und der Wirklichkeit hinzuweisen, der vor allem dort klafft, wo die Agrarpolitik als eine „Politik für alle Menschen im ländlichen Raum" bezeichnet worden ist.
Herr Minister Ertl hat den Modellen der künftigen Agrarentwicklung, die darauf hinauslaufen, die Agrarpreispolitik durch eine generelle Politik der Eigentumsübertragung zu ersetzen, eine Absage erteilt, und ich meine, daß dies gut und notwendig war. Wenn Herr Kollege Schmidt sagt: „Wir müssen aber über die Dinge nachdenken", so ist das zwar auch richtig, aber, meine Damen und Herren, diese Modelle wie etwa der Spinelli-Plan — tragen dazu bei, daß die unternehmerische Freiheit der Landwirte eingeengt würde, daß die Einkommen nach unten nivelliert und daß auch wahrscheinlich die Finanzminister der EWG-Staaten in wenigen Jahren auf den Plan gerufen würden. Aber nur darüber und dagegen zu lamentieren, nützt nichts. Wir müssen z. B. sehr konkret an die Frage heran, wie wir die Landbewirtschaftung in den von der Natur besonders benachteiligten Gebieten langfristig sichern können. Denn wenn es uns mit der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung dieser Räume ernst ist, wenn es uns damit ernst ist, daß die Landbewirtschaftung den besonderen Auftrag hat, zur Erhaltung der Erholungs- und Kulturlandschaft beizutragen, müssen wir uns darüber klar sein, daß dies mit den herkömmlichen Instrumentarien der Agrarpolitik in Zukunft nicht zu lösen ist.
Darum hätten wir ganz gerne etwas über einen konkreten Beitrag zur Lösung dieser Frage gehört.
Ich weiß, in Brüssel wird über die Dinge diskutiert. Aber nach den Erfahrungen, die wir dort mit Plänen, Resolutionen und Vorschlägen gemacht haben, fürchte ich, daß wir noch sehr lange werden warten müssen.
Warum eigentlich ist nicht schon viel eher ein erster Einstieg in eine Politik der Bewirtschaftungszuschüsse auf einem Gebiet erfolgt, wo wir gleichzeitig auch ein wichtiges Marktproblem hätten anpacken können? Meine Damen und Herren, Herr Minister Ertl hat nichts über die Probleme auf dem Milchmarkt gesagt. Dies hat der Kollege Gallus
Deutscher Bundestag-7. Wahlperiode— 17. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. Februar 1973 753
Dr. Ritz
heute getan. Nicht zuletzt wegen der Vollerwerbsbetriebe, die zu einem überwiegenden Teil von der Milchviehhaltung leben, müssen wir diese Frage der Überschüsse sehr, sehr ernst nehmen. Warum hat man eigentlich vor allem in diesen von der Natur benachteiligten Regionen nicht den kleineren Kuhhaltern einen langfristig abgesicherten Bewirtschaftungszuschuß unter der Voraussetzung angeboten, daß sie ihre Milchproduktion auf Fleischproduktion umstellen? Damit würden wir in der Tat sowohl dem Anliegen Rechnung tragen, die Kulturlandschaft zu erhalten, als auch einem dringenden Marktproblem gerecht werden.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich aber auch über das hier heute Gesagte hinaus noch einige Bemerkungen zum Agrarstrukturwandel und seinen Konsequenzen machen. Auch wenn sich der Strukturwandel in der Landwirtschaft in den nächsten Jahren merklich verlangsamen muß — die Abwanderungsrate hat bei den Vollarbeitskräften im Jahre 1972 mit 6,8 °/o einen Höhepunkt erreicht —, so gehen wir alle davon aus, daß sich die Zahl der landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetriebe auch in Zukunft weiter verringern wird. Technischer Fortschritt und die Freizeiterwartung werden auch in Zukunft eine ständige Anpassung in der Betriebsstruktur erfordern. Aber — auch das ist wichtig — schon heute ist der Beweis erbracht, daß auch mittelbäuerliche Betriebe durch Rationalisierung und Ausnutzung der Möglichkeiten überbetrieblicher Zusammenarbeit — hier hat der Maschinenring eine besondere Bedeutung — eine echte Zukunftschance als Vollerwerbsbetriebe haben. Ich meine, dies sollte man in aller Deutlichkeit vor allem im Hinblick auf die jungen Menschen in der Landwirtschaft sagen: daß eben auch mittelstrukturierte Betriebe eine echte Chance haben. Es war nicht zuletzt die Strukturdebatte der Jahre 1968 bis 1971, die viele junge Landwirte — es waren die tüchtigsten — verunsichert hat. Es wurde geraten, lieber heute aus der Landwirtschaft herauszugehen, als sich in wenigen Jahren etwa sagen lassen zu müssen: Jetzt sind 30, 35 ha zu klein; du mußt 80 oder 90 ha haben. Insofern muß, so meine ich, deutlich sein, daß auch der mittelbäuerliche Betrieb in der Zukunft eine echte Chance hat.
Wir registrieren mit Befriedigung, daß der Agrarbericht und auch die Einbringungsrede die wirtschaftliche, gesellschaftspolitische und raumordnerische Bedeutung der landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetriebe genauso einordnen, wie wir es seit Jahren getan haben. Damit hoffe ich auch, daß die Kontroversdebatten über dieses Thema, wie wir sie in den letzten Jahren hatten, der Vergangenheit angehören. Allerdings waren in den Aussagen des Kollegen Sander einige Hinweise, die mich doch nachdenklich gestimmt haben. Er sagte als seine persönliche Meinung, die Zukunft der Nebenerwerbsbetriebe sei keineswegs so gut.
Nun, meine Damen und Herren, es wäre in der Tat töricht, im Zeichen wachsender Freizeit die Nebenerwerbsbetriebe als antiquiert und überholt abschreiben zu wollen.