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ID0701004400

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    Deutscher Bundestag lo. Sitzung Bonn, Freitag, den 26. Januar 1973 Inhalt: Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Dr. Wörner (CDU/CSU) 339 A Berkhan, Parl. Staatssekretär (BMVg) 344 D, 357 D Krall (FDP) 349 D Buchstaller (SPD) 351 D Dr. Zimmermann (CDU/CSU) . . 354 B Schmidt (Würgendorf) (SPD) . . 356 D Jung (FDP) 358 B Möllemann (FDP) 360 C Brandt, Bundeskanzler . . . . 361 C Dr. Barzel (CDU/CSU) 369 D Mischnick (FDP) 375 D Wehner (SPD) 379 C Antrag der Fraktionen der SPD, CDU/CSU, FDP betr. Bestimmung des Verfahrens für die Berechnung der Stellenanteile der Fraktionen (Drucksache 7/73) in Verbindung mit Antrag der Fraktionen der SPD, CDU/CSU, FDP betr. Einsetzung von Ausschüssen (Drucksache 7/74) und mit Antrag der Fraktionen der SPD, CDU/CSU, FDP betr. Einsetzung eines Sonderausschusses für die Strafrechtsreform (Drucksache 7/75) 380 C Nächste Sitzung 380 D Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 381 A* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 10. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Januar 1973 339 10. Sitzung Bonn, den 26. Januar 1973 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Achenbach 31. 1. Adams * 26. 1. Dr. Ahrens ** 27. 1. Dr. Aigner * 26. 1. Alber ** 27. 1. Amrehn ** 27. 1. Augstein (Hattingen) 26. 1. Behrendt * 26.1. Biehle 26. 1. Blumenfeld 31. 1. Dr. Burgbacher * 26. 1. Dr. Dollinger 10. 2. Eigen 26. 1. Dr. Enders ** 27. 1. Dr. Evers 26. 1. Flämig * 26. 1. Gerlach (Emsland) * 26. 1. Dr. Glotz 26. 1. Haase 26. 1. Handlos 26. 1. Hösl ** 27. 1. Frau Huber 26. 1. Dr. Jahn (Braunschweig) * 26. 1. Jung ** 27. 1. * Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an Sitzungen der Beratenden Versammlung des Europarates Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Kahn-Ackermann ** 27. 1. Dr. Kempfler 26. 1. Dr. h. c. Kiesinger 26. 1. Dr. Klepsch 31. 1. Dr. Kreile 26. 1. Freiherr von Kühlmann-Stumm 26. 1. Graf Lambsdorff 26. 1. Lemmrich ** 27. 1. Logemann 26. 1. Mattick 31. 1. Memmel * 26. 1. Dr. Miltner 2. 2. Dr. Müller (München) ** 27. 1. Pawelczyk ** 27. 1. Richter ** 27. 1. Roser ** 27. 1. Schmidt (Würgendorf) ** 27. 1. Dr. Schulz (Berlin) *1 27. 1. Schwabe * 26. 1. Sieglerschmidt ** 27. 1. Dr. Slotta 2. 2. Solke 26. 1. Spilker 31. 1. Springorum * 26. 1. Stücklen 26. 1. Dr. Todenhoefer 24. 2. Frau Dr. Walz ** 27. 1. Westphal 26. 1. Wienand 31. 1. Frau Will-Feld 24. 2. Wischnewski 31. 1. Wolfram* 26. 1.
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    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der Debatte der letzten zweieinhalb Tage ist manches zur Sprache gekommen, das aus meiner Sicht, aus der Sicht der Regierung wesentlich war. Vieles ist zur Sprache gekommen, was weiter zu bedenken ist, einiges, was man aus unserer Sicht der Dinge lieber nicht gehört hätte.
    Ich möchte für all das danken, was uns — teils durch Übereinstimmung und Ermutigung, teils auch im Messen der Argumente aneinander — in der Arbeit für unser Volk weiterhelfen kann.
    Ich kann diejenigen verstehen — Mitglieder des Hauses und übrigens auch Mitglieder der Regierung —, die es gern gesehen hätten, wenn das sie jeweils besonders interessierende Thema oder Kapitel in der Regierungserklärung ausführlicher behandelt worden wäre. Nur, wenn ich allen Wünschen gefolgt wäre, die es dazu vorher gab, die schon vorher angemeldet waren und die hier zum Teil in, wie ich meine, übersteigerter Form vorgebracht worden sind, hätte ich am Donnerstag voriger Woche nicht anderthalb Stunden, sondern viele Stunden reden müssen.
    Für die Aussprache standen nun viele Stunden zur Verfügung. Trotzdem haben — ohne daß ich irgendjemandem dunkle Motive unterstelle — wichtige Abschnitte der Regierungserklärung überhaupt noch nicht behandelt werden können. Das gilt beispielsweise für die Reform des Bodenrechts. Ich habe ja keinen Zweifel daran gelassen, daß ich das als eine Schwerpunktaufgabe dieser Legislaturperiode betrachte,

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Das gilt für die Fragen der Raumordnung, der Verkehrspolitik, der Infrastruktur überhaupt. Das gilt auch für die Landwirtschaft. Das gilt für die allgemeine Rechtspolitik.

    (Abg. Dr. Barzel: Auch für die Finanzpolitik!)

    Nun ist das kein großes Malheur — Herr Kollege Barzel sagt zu Recht: Finanzen —, weil wir auf alle diese Fragen bald zurückkommen werden, sei es beim Haushalt 1973, sei es auf Grund besonderer Vorlagen oder Anfragen. Man sollte jedoch den Eindruck vermeiden oder nicht den Eindruck wek-



    Bundeskanzler Brandt
    ken, die Regierung habe diese oder jene Gruppe unseres Volkes zurücksetzen und geringachten wollen.
    So ist gestern aus den Reihen der Opposition bemängelt worden, wir hätten die Kriegsversehrten und die Heimatvertriebenen nicht besonders erwähnt. Nun, ich habe es doch in der Regierungserklärung als einen Schwerpunkt der Arbeit dieser Jahre bezeichnet, daß wir uns — so wörtlich — der vielen Behinderten und Schwerbeschädigten und ihrer Eingliederung stärker annehmen wollen. In diesem Zusammenhang, bei dieser Gelegenheit der Regierungserklärung kam es nicht auf die Ursache, sondern auf die Tatsache der Beschädigung unserer Mitbürger an.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Außerdem wollen Sie bitte zur Kenntnis nehmen: Ich habe mich erfolgreich — zusammen mit anderen — in der vorletzten Regierung gegen die damals zur Diskussion stehende Senkung der Kriegsopfer-renten gewandt. Ich habe als eine der ersten Maßnahmen der vorigen Regierung — meiner Regierung — die Verbesserung und Dynamisierung der Kriegsopferrenten durchsetzen können. Ich kann mich also auf Leistungen berufen, auf Leistungen nicht nur verbaler Art. Das wissen die Opfer des Krieges und der Diktatur, wenn ich das in diesem Zusammenhang hinzufügen darf.
    Was die Vertriebenen angeht: Ihnen ist nichts mit Verbalismen — um nicht zu sagen: faulem Zauber — geholfen. Ihnen und uns allen ist geholfen mit einer Politik, die den kalten Krieg überwinden hilft, einer Politik, die es zum Krieg mit allem Elend der Vertreibung nicht wieder kommen läßt. Ich denke, das ist in diesem Hause auch unumstritten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Was nun die ins Grundsätzliche gehenden politischen Fragen angeht: Es haben mehrere Kollegen aus den Reihen der Opposition — ich deutete es einleitend schon an — mit bemerkenswerten Beiträgen in die Debatte eingegriffen. Aber das blieben doch Beiträge, von denen man nicht weiß, wieweit sie repräsentativ für die große Fraktion der CDU/ CSU sind.
    Die Opposition hat insgesamt für meine Begriffe noch nicht deutlich gemacht, ob sie wieder weithin in steril anmutender Neinsagerei machen will, oder ob sie Ballast abwerfen wird.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    Sie hat auch für meine Begriffe noch nicht jene Souveränität gewonnen, die es braucht, wenn man nach Gemeinsamkeit nicht nur rufen will, sondern wenn man die Gemeinsamkeit dort, wo sie tatsächlich vorhanden ist, als Opposition gegenüber der Regierung und der Mehrheit auch glaubhaft machen will.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Herr Kollege Barzel wird es nicht falsch verstehen, wenn ich mich zunächst nicht mit seiner Oppositionserklärung vom Donnerstag voriger Woche auseinandersetze, sondern zuerst etwas zu der vorgestrigen Rede von Herrn Kollegen Strauß sage. Er
    — der Kollege Strauß —hat ein düsteres Bild von der bundesrepublikanischen Gesellschaft gezeichnet, als stünde der Untergang in einem roten Sturm kurz bevor. Uns, die angeblich auf verlorenem Posten stehen, bietet er seine Solidarität an — was er so nennt.
    Nun, ich weise eine Solidarität der Vernunft niemals zurück; aber in eine Koalition der Unvernunft werden wir uns natürlich nicht einlassen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Seiters: Und was Vernunft ist, bestimmt der Kanzler?! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

    Wir reiten — was Herrn Strauß angeht, dem ich das leider nicht selbst sagen kann — seinen Galopp der Irrationalität nicht mit. Das gilt gleichermaßen für die infantristische Version des Herrn Dregger, wie sie uns gestern geboten wurde.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien. — Lachen bei der CDU/CSU.)

    Wir brauchen uns auch nicht sagen zu lassen, wie man klare Distanz gegenüber allen extremistischen und totalitären Anfechtungen schafft. Der eine und andere von uns hat sich zweimal — nach 1933 und nach 1945 — mit solchen Gefahren auseinanderzusetzen gehabt, und zwar so, daß die persönliche Existenz in Frage stand. Deshalb verschonen Sie — das geht insbesondere an die Kollegen Dregger und Marx und auch Strauß — uns also bitte mit Belehrungen, deren wir nicht bedürfen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Lachen bei der CDU/CSU.)

    Was den Begriff der Mitte angeht: Ich habe seit gestern abend ein gewisses Verständnis dafür, daß sich Herr Strauß im Verhältnis zu Herrn Dregger als weniger rechts empfindet;

    (Beifall bei den Regierungsparteien)

    aber die Mitte repräsentiert er doch gewiß nicht. Er ist gewiß auch kein Mitte-Vertriebener, sondern er hat doch auf seine Art — so weit liegt das nämlich nicht zurück, und alles kann nicht außen vor bleiben, was nicht gerade hier gesagt wird —, er hat doch durch einen spezifischen Wortextremismus nicht zur Stärkung der Mitte, sondern zum Gegeneinander der Kräfte in dieser unserer Bundesrepublik erheblich beigetragen.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Holzen!)

    Unser Begriff der „neuen Mitte", meine Damen und Herren, ist natürlich nicht in der Geometrie anzusiedeln, das weiß ich auch.

    (Abg. Seiters: Er ist bivalent!)

    Er handelt von politischen Gewichten, die sich aus politischen Entwicklungen, politischen Veränderungen ergeben haben. Die Sammlung aufgeklärter Bürger in der sozialen und liberalen Mitte bedeutet übrigens durchaus noch nicht, daß die Unionsparteien — wie es der „Chefmythologe" aus Hamburg vorausgesagt hatte — für eine Epoche aus der Mitte verdrängt würden. Nein, das könnten SPD und FDP



    Bundeskanzler Brandt
    allein gar nicht schaffen; das könnten, wenn es so käme, die Unionsparteien nur selber besorgen.

    (Lebhafte Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Unserem Begriff der neuen Mitte hat Herr Strauß eine — wie ich es empfunden habe — im Schnellverfahren produzierte Lehre in zehn politischen Geboten gegenübergestellt. Manches erscheint dabei als ein recht kühner Sprung in eine Art von Konversion, die Eile z. B., mit der er — ich komme darauf gleich noch einmal zurück — Abstand vom Kapitalismus als Selbstzweck suchte.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Überhaupt nichts Neues!)

    Im Punkt zwei war vom christlichen Sittengesetz in der weitesten Auslegung des Wortes die Rede. Herr Kollege Strauß hat es vorgestern wahrhaftig weit ausgelegt. Ich bin versucht zu fragen, ob seine häufig von ihm gewählte Technik der politischen Auseinandersetzung von dieser weiten Auslegung noch mit gedeckt ist.

    (Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP.)

    Bei allem — es läßt mich mittlerweile kalt —, was ich selbst an Aggressionen von Herrn Strauß habe entgegennehmen müssen:

    (Lachen und Zurufe von der CDU/CSU.)

    Ich bedauere, wie sich eine der großen Begabungen der deutschen Politik um seine Wirkung bringt und sich politisch immer wieder selbst zerstört!

    (Lebhafte Zustimmung bei den Regierungsparteien. — Widerspruch bei der CDU/CSU. — Zuruf von der CDU/CSU: Was soll das?)

    Aber, meine Damen und Herren, ich möchte jetzt etwas zu einer grundsätzlichen Frage sagen, nämlich zur Frage der Leistung — der Leistungen in einer modernen demokratischen Gesellschaft. Bei der Führung der Opposition begegnete ich vorgestern und gestern — ich denke an die Kollegen von Weizsäcker und Katzer — der Kritik aus entgegengesetzten Richtungen. Der eine meinte, ich sei nicht weit genug gegangen, nicht hart genug ge-gewesen — „hart" ist ja ein deutsches Modewort, auch bei Weichmachern übrigens; auch da muß es dann hart zugehen! —,

    (Heiterkeit bei der SPD)

    sondern ich hätte, statt hart genug zu sein, der Gleichmacherei Konzessionen gemacht. Und der andere dichtete mir — wie ich es empfunden habe — rückständiges Denken und außerdem Illusionen über eine konfliktfreie Gesellschaft an.
    Ich habe aber, Herr Kollege Katzer, wie man sehr wohl nachlesen kann, von jenem gewandelten Bürgertypus gesprochen, der — so hieß es — seine Freiheit auch im Geflecht der sozialen und wirtschaftlichen Abhängigkeiten behaupten will. Ich habe dies einen Prozeß genannt, der in die Tiefen unserer sozialen Existenz reicht. Ich habe von den neuen Schnittlinien progressiver und bewahrender Interessen und davon gesprochen, daß unsere Bürger
    trotz des Streites der Interessen eine Heimat in der Gesellschaft suchen, die allerdings nie mehr ein Idyll sein werde, wenn sie es je gewesen sein sollte. Und ich habe auch gesagt, daß der Wille zur guten Nachbarschaft in der Konkurrenz geistiger Kräfte und bei allen realen Konflikten spürbar bleiben müsse. Nichts von „konfliktfreier Gesellschaft"! Was soll also der Vorwurf, ich huldigte einem Biedermeier und redete nicht von sozialen, realen, anderen Konflikten in der Gesellschaft? Das geht an der Sache vorbei.
    Was die Leistungsbegriffe angeht, so muß ich auch an das erinnern, was hier am vergangenen Donnerstag wirklich gesagt worden ist.
    Erstens und ich wiederhole dies ausdrücklich,
    auch wenn es mir, auch außerhalb des Hauses, einige Kritik eingebracht hat — soll wirklich niemand glauben, wir könnten mit selbstverständlicher Automatik mehr verdienen, wenn wir weniger leisten.

    (Beifall bei der Regierungsparteien.)

    Zweitens geht es tatsächlich um das Wo, Wie und Wofür des wirtschaftlichen Wachstums.
    Und drittens: Der Bürgerstaat ist nicht bequem, und Demokratie braucht Leistung. Wer wird das ernsthaft bestreiten wollen?

    ( tun kannst! (Beifall bei den Regierungsparteien und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

    Die Notwendigkeit der Leistung kann ernsthaft nicht bestritten werden. Die Gesellschaft kann ihre Leistungen für den einzelnen, vor allem für den Schutzbedürftigen, nicht steigern, wenn nicht auch der leistungsfähige Bürger zu seinem angemessenen Beitrag zum Wohl des Ganzen bereit ist.
    Aber ich habe bewußt nicht von der Leistungsgesellschaft gesprochen; denn darin sehe ich die Gefahr einer einseitigen Auslegung. Und die „humane Leistungsgesellschaft", Herr Kollege Barzel, wirkt auf viele von uns noch wie ein schwammiges Schlagwort, als ob die drei Begriffe wie mit einer Stahlfeder zusammengezwängt werden könnten oder sollten. Wir brauchen aus meiner Sicht eine Gesellschaft, die den natürlichen Willen zur Leistung versteht und auch die Freude an der Leistung honoriert. Aber wir wollen, denke ich, keine Gesellschaft, die für — zumal eine eng ausgelegte — Arbeitsleistung lebt; denn die könnte kaum human sein. Die Menschlichkeit der Gesellschaft hat aber Wert und Maß zu setzen.
    Leistung ist im übrigen nicht nur das, was man vom anderen verlangt. Leistung ist auch nicht nur das, was sich in Arbeitsstunden niederschlägt oder was in Mark und Pfennig berechnet werden kann. Leistung ist natürlich auch vermehrte Erzeugung durch erhöhte Produktivität. Natürlich ist auch das



    Bundeskanzler Brandt
    Leistung. Leistung bedeutet für mich auch das selbstgewollte Engagement vieler Bürger für die demokratischen Institutionen und die gesellschaftlichen Verbände. Leistung heißt auch, sich darüber klarzuwerden, was vom Bürger als Beitrag für die Gemeinschaftseinrichtungen, für die öffentlichen Aufgaben erwartet werden muß, wenn seine Forderungen beispielsweise für das Bildungswesen, für das Gesundheitswesen und für soziale Infrastruktur nur annähernd erfüllt werden sollen. Daß dabei Gerechtigkeit und Belastbarkeit des einzelnen wesentliche Gesichtspunkte sind, das macht die Regierungserklärung, wenn auch, wie ich zugebe, in der gebotenen Kürze, gewiß deutlich.
    Die Bedingungen, unter denen Arbeit geleistet wird, müssen weithin geändert werden. Deshalb arbeiten wir am Arbeitsrecht, an der Verbesserung der Arbeitsverhältnisse, an der Realisierung von mehr Mitbestimmung. Dies sind doch gerade die Stichworte, die signalisieren, daß sich Leistung in Zukunft in einer besseren sozialen Umwelt zu vollziehen hat.
    Aber ebenso offen will ich sagen: Der Abbau von Fremdbestimmung in der Arbeit kann nicht Anlaß eines grundlegenden Mißverständnisses der Leistung des Menschen für sich und für die Gesellschaft sein. Die Existenz des Menschen und das Wesen der Gesellschaft sind auch in der Tradition der deutschen Arbeiterbewegung, aus der ich komme, niemals losgelöst worden von der Arbeit und niemals losgelöst von den Bedingungen dieser Arbeit behandelt worden.
    Das Wort Leistung stellt in Wahrheit viele Fragen: ob ihre Erträge gerecht verteilt sind, ob sie — die Arbeit — jeweils die Anerkennung erfährt, die ihr gebührt. Dabei denke ich auch an viele, die für den Nächsten persönlich oder in karikativen Organisationen wie selbstverständlich Verantwortung übernehmen. Die Frage, ob Leistungen des Menschen zum nachzählbaren Gewinn beitragen, kann nicht der einzige Maßstab sein.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Und trotzdem: von nichts kommt nichts. Da wir uns viel vorgenommen haben, um das Reformprogramm der letzten drei Jahre weiterzuführen, habe ich es für richtig gehalten, folgendes zu sagen und ich wiederhole es hier noch einmal —: Erneuerung von Staat und Gesellschaft geschieht nicht von allein, sondern wir müssen uns alle für sie anstrengen. Darauf kam es an, und davon ist nichts abzustreichen. Über den Inhalt wird immer weiter zu sprechen sein.
    Herr Kollege Barzel hat gerügt — und andere haben das in der Debatte wiederholt —, daß ich in der Regierungserklärung kein — wie man es nennt — Bekenntnis zu dem abgelegt habe, was soziale Marktwirtschaft genannt wird. Ich meine. man sollte mit den Worten „bekennen" und „Bekenntnis" vorsichtiger sein.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Die Bundesrepublik ist ja in den Jahren, die sie
    auf dem Buckel hat — das sind gar nicht einmal so
    furchtbar viele Jahre —, mit einer Inflation von Bekenntnissen überschwemmt worden. Solche Bekenntnisse ersetzen aber nicht die Politik.
    Herr Kollege Friderichs hat das gestern aus seiner Sicht zu diesem wichtigen Abschnitt unserer Politik deutlich gemacht. Längst nicht alles, was sich im Laufe der Jahre als soziale Marktwirtschaft offerierte, ist marktwirtschaftlich gedacht, von sozial nicht zu reden. Im Gegenteil: der Begriff drohte bei manchen zu einer bloßen Tarnformel für ihr in Wahrheit antisoziales Handeln zu werden.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Der Begriff deckt oft genug den Rückzug auf das, was man den risikolosen Kapitalismus nennen könnte. Es handelt sich um jene doch auch hier und da immer wieder festzustellende nur begrenzt unternehmerische Handlungsweise, die sich alle Vorteile des bestehenden Wirtschaftssystems sichern, aber alles Risiko am liebsten auf den Staat, d. h. auf die Gemeinschaft der Bürger, abschieben möchte.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Gemeint ist manchmal wirklich nur die Privatisierung der Gewinne ud die Sozialisierung der Verluste.
    Die soziale Verpflichtung der Wirtschaft ist im Grundgesetz verankert. Im übrigen ist die wirtschaftliche Ordnung nicht im Grundgesetz verankert,

    (Beifall bei den Regierungsparteien)

    was für mich nichts daran ändert, daß ich der Marktwirtschaft auf Grund der Erfahrung, in unserem Lande und anderswo, eindeutig den Vorrang gegenüber anderen Formen der wirtschaftlichen Organisation gebe. Aber über die im Grundgesetz verankerte soziale Verpflichtung des Wirtschaftens brauchen wir uns nicht in einen Streit einzulassen. Sie ist für uns keine weltanschaulich aufgedonnerte Theorie, sollte es nicht sein.
    Ich will Ihnen, werte Kollegen, im übrigen gern sagen, warum ich gegenwärtig diesem — wie man es nennt — Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft gegenüber noch etwas wortkarger bin, als ich es ohnehin geworden war. Denn da sitzt das doch noch ein bißchen in den Knochen, was unter diesem Schlagwort mit vielen Millionen für meine Begriffe zur Verwirrung der Bürger aufgewendet worden ist, wie wir uns erinnern, auch durch den im übrigen verehrten Professor Erhard und durch einen anderen Professor, um den es merkwürdig still geworden ist.

    (Beifall bei der SPD.)

    Im übrigen: Statt uns zu bekennen, wie man sagt oder fordert, statt uns zu bekennen, haben wir in der Regierungserklärung konkret von Kriterien der Marktwirtschaft gesprochen, auch von den Kriterien des geschützten Eigentums und der sozialen Sicherung. Unsere Vorschläge zur Kartellgesetzgebung — Vorstellungen, nicht nur Vorschläge — verstehen die Hellhörigen ganz richtig. Der Markt muß und soll nach unserem Willen durch Wettbewerb offener und damit die Wirtschaft sozialer werden, weil so wirtschaftliche Macht gebändigt wird. Dazu braucht



    Bundeskanzler Brandt
    es kein Bekenntnis. Wir unterwerfen hier die Vernunft nicht einer unverbindlichen Konfession.
    Ein Blick zurück weist uns im übrigen c darauf hin, daß manche Leute unter sozialer Marktwirtschaft auch eine konsequente Nichteinmischung des Staates und der Bürger verstanden haben, also eine Art Neuauflage des Laisser-faire, die dem Staat nicht viel mehr läßt als die berühmte Nachtwächterrolle. Ja, man konnte in vergangenen Jahren sogar bei den gleichen Leuten, die besonders viel von sozialer Marktwirtschaft redeten, auch Dinge hören, die ich als Staatsfeindlichkeit, jedenfalls dem modernen demokratischen Staat gegenüber, aufgefaßt habe. Für die Menschen in diesem Land wird das zählen, was wir tun, um die marktwirtschaftliche Ordnung zu festigen und an die Bedürfnisse unserer Gesellschaft anzupassen. Ich glaube übrigens, es war völlig deplaciert, wenn gestern gesagt wurde, wir hätten nicht an die kleinen und mittleren Unternehmen gedacht. Ganz im Gegenteil. Es geht uns sehr darum, ihre — der mittleren und kleinen Unternehmen — Stellung zu festigen und natürlich vor allem auch die Stellung der Verbraucher zu stärken. Auch die Opposition wird sich daran messen lassen müssen, wie weit sie verbalen Bekenntnissen auf diesem Gebiet Taten folgen läßt. Wer die Regierungserklärung gehört und gelesen hat, der weiß, daß ich von der Sicherheit auch durch menschliche Solidarität gesprochen habe und von jenem Mehr an Gerechtigkeit, das mehr reale Freiheit schaffen soll.
    Nun hat Herr Strauß vorgestern besonders verständnisvolle Worte für die Gewerkschaften gefunden.

    (Heiterkeit bei der SPD.)

    Ich bin ihm dafür sogar dankbar, denn das erleichtert mir die Arbeit, weil es zu begrüßenswerten nachdenklichen Reaktionen bei den so Angesprochenen geführt hat und ja auch nur führen kann. Im übrigen unterschätze niemand die bedeutendste Kapitalbildung, die nach meiner Meinung in den vergangenen Jahren bei uns in der Bundesrepublik Deutschland stattgefunden hat: Damit meine ich das Kapital der Vernunft, das die breiten arbeitenden Schichten unseres Volkes haben walten lassen.

    (Starker Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Dieses Kapital der Vernunft trägt gute Zinsen, aber nicht auf dem Konto von Demagogen. Aber auch dies: Wer von den Arbeitnehmern erwartet, daß sie auf gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge Rücksicht nehmen und auch mal ein Jahr — oder sogar ein paar Jahre — ohne nennenswerten Zuwachs zum Lebensstandard durchkommen müssen, der muß mit gutem Beispiel vorangehen. Und manchen von denen — das sollten alle, die mit Herren aus den entsprechenden Schichten zu tun haben in diesem Hause, mit auf den Weg nehmen, wenn ich den Rat geben darf —, manchen von denen, die von anderen Opfer erwarten, würde hier etwas preußische Bescheidung durchaus bekommen.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. van Delden: Das gilt auch für die Regierung! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU. — Abg. Strauß: Das war der Witz des Tages!)

    Nun meinte Herr Barzel auch, daß er uns vorwerfen könne, wir hätten dazu beigetragen, „daß die fundamentalen Unterschiede verwischt werden" — damit meinte er jene gegenüber der kommunistischen Welt und vor allem der DDR — und daß „die Wertvorstellungen unserer freiheitlichen Ordnung im Bewußtsein vieler an Strahlkraft verlieren". Nun frage ich Sie, Herr Kollege Dr. Barzel: Braucht Ihre freiheitliche Ordnung immer notwendig das totalitäre Gegenbild, um ihre „Strahlkraft", wie Sie es nennen, zu gewinnen,

    (Beifall bei cien Regierungsparteien)

    damit deutlich wird, wie freiheitlich und ordentlich man eigentlich sei? Ich denke, unser Begriff von Freiheit lebt nicht von der Unfreiheit anderer.

    (Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Er lebt -- wie könnte er anders frei sein? — aus sich selbst, nämlich in der Souveränität des Freiheitswillens unserer Bürger und in der demokratischen Ordnung selbst verankert.
    Meine Damen. und Herren, was Europa angeht, so bedaure ich, feststellen zu müssen, daß die Opposition im wesentlichen noch nicht so weit ist, uns sonderlich hilfreiche Hinweise geben zu können. Herr Barzel meinte, uns ankreiden zu müssen, die Europäische Union in unserer Formulierung bedeutet "nur ein Geflecht und nicht eine Gemeinschaft". Aus Paris brachten wir erst im Oktober 1972 und jetzt im Januar vor wenigen Tagen andere Nachrichten mit. Deshalb muß ich bitten, vorweg für die Weiterführung dieses Meinungsaustausches, der uns in den kommenden Monaten noch beschäftigen wird, die Frage vorzumerken: Welches Europa will die Opposition, und mit wem will sie es begründen? Doch nicht mit ausgedachten Partnern!

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Mit wem will sie es begründen, mit den realen Europäern, die unsere Nachbarn und Zeitgenossen sind, oder mit Europäern, die sie sich erträumt?

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Auch wir wollen die vereinigten Staaten von Europa, wenn Zeit und Verhältnisse reif sind, aber wir wollen vor allem jetzt die Fortschritte, die gemeinsam mit den Partnern möglich sind; und es sind viele und wesentliche Fortschritte jetzt möglich. Wir wollen, mit anderen Worten, europäische Nägel mit europäischen Köpfen machen und nicht nur europäische Bekenntnisse ablegen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Was Europa in der anderen Dimension, nicht West-West, sondern West-Ost, angeht, so frage ich mich heute immer noch, ob Herr Marx wirklich für die große Fraktion der CDU/CSU verbindlich hat sprechen können; denn es wäre schade, wenn das gar nicht mehr unterschwellige, sondern offensichtliche Mißtrauen, das er gegenüber unseren Verbündeten zum Ausdruck bringt, wirklich der Opposition insgesamt angelastet würde. Gerechtfertigt ist dieses Mißtrauen gegenüber unseren Verbündeten nicht.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)




    Bundeskanzler Brandt
    Auch wenn wir in die andere Himmelsrichtung, also in die östliche, schauen, muß ich doch fragen, ob hier ernsthaft jemand glaubt, der besondere Umgang des Herrn Marx mit der osteuropäischen Landkarte — nachzulesen in der Niederschrift seiner gestrigen Rede — könnte einem Verhandlungsklima dienen, das uns Chancen gibt, Europa zwischen Ost und West offener werden zu lassen. Nein, in der von Herrn Marx aufgerissenen Kluft ist Raum für all die Illusionen, die von Teilen der Opposition immer noch im Überschuß produziert werden. Aber ich fürchte, die Wirklichkeitsferne wird draußen bedenklichere Nachwirkungen haben. Deshalb ist es gut, daß wir auch hier die Dinge weiter voranbringen, weiter klären und feststellen, ob wir wirklich so weit auseinander sind, wie wir es wären, wenn Herr Marx verbindlich für die ganze Fraktion der CDU/CSU gesprochen hätte.
    Herr Barzel irrte übrigens vorige Woche, als er meinte, unser Vertreter in Helsinki sei in Fragen der Bewegung der Menschen, der Kommunikation in Europa lau gewesen. Das ist nicht so, Herr Barzel. Ich habe ja nicht ohne Grund am Donnerstag den einen Satz in die Regierungserklärung hineingeschrieben, dessen Hintergrund zu dem Zeitpunkt nur ein paar von uns hier — auch auf der Regierungsbank — kennen konnten, im wesentlichen der Außenminister und ich, den Satz, ich sei heute — das galt für vorige Woche, das gilt aber für diese Woche erst recht — davon überzeugt, daß, wenn ich europäische Sicherheit und Zusammenarbeit sage, dabei auch substantielle Fortschritte möglich sind. Das ist nicht das Ergebnis von Wunschdenken, sondern das ist eine Einschätzung, gestützt auf verantwortlichen Meinungsaustausch mit Verbündeten und anderen Partnern.
    Herr Barzel hat dieser Bundesregierung vorgeworfen, sie enthalte dem Parlament pflichtwidrig den Bericht zur Lage der Nation im gespaltenen Deutschland vor. Es ist sogar — auch in dem Akkompagnement zu unseren Debatten — davon die Rede gewesen, die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien wollten künftig nicht mehr über die Lage der Menschen im anderen Teil Deutschlands sprechen oder sprechen lassen. Beides hat doch mit der Wahrheit nichts zu tun. Auch Herr Kollege Barzel sagt doch, daß ihm die Wahrheit am Herzen liege. Dann muß er aber doch bitte zur Kenntnis nehmen, daß folgendes richtig ist. Es darf nach unserer Auffassung nicht mehr über die Lage der Nation nur geredet werden — geredet auch, aber nicht mehr nur geredet werden —, sondern wir müssen handeln, so gut es uns möglich ist, um die Lage der Menschen in Deutschland zu verbessern. Diese Bundesregierung hat gehandelt. Sie wird nicht nachlassen in ihren Bemühungen, schrittweise weiter voranzukommen.
    Viele in der Opposition begnügen sich immer noch mit der Klage, das alles sei ihnen nicht genug, und darum sei es schlecht. Aber dies wird nicht gedeckt durch den tatsächlichen Ablauf. Herr Kollege Franke hat neben den Argumenten, die er beizusteuern hatte, Zahlen genannt, die die Menschen verstehen und bei denen wir nicht stehenbleiben
    werden. In Wirklichkeit ist es doch wohl immer noch so, daß ein nicht unwesentlicher Teil der Kollegen aus der Union weiterhin nicht von dem Standpunkt weg kann, man dürfe im Grunde keine Verträge mit, wie sie sagen, der sogenannten DDR schließen, man dürfe dies eigentlich aus moralischen, auch aus politischen Gründen nicht tun. Das führt dann aber zu der gedanklichen Einstellung, daß man sich selbst im politischen Denken zur Voraussetzung macht, daß die DDR nach unseren bzw. Ihren — auf die Opposition bezogenen — Vorschriften zu handeln habe.
    An dieser Politik der Vorbedingungen sind aber alle Versuche früher gescheitert, die Lage für die Menschen in Deutschland zu bessern. Deshalb mußte die Politik geändert, weiterentwickelt werden. Wir haben 1969 die DDR einen Staat genannt, weil sie ein Staat geworden ist. Wir haben gleichberechtigte Verhandlungen begonnen, weil es keine anderen Verhandlungen geben konnte. Wir haben ein ausgewogenes Vertragswerk unterzeichnet, mit dem diese beiden Staaten anfangen können, friedlich nebeneinander zu leben und ein Miteinander zu versuchen. Ich sage Ihnen: Durch diese Politik, unzulänglich wie sie sein muß — gemessen an unseren gemeinsamen Zielen und dem, was uns die Verfassung vorschreibt, was wir nie aus dem Auge verlieren —, ist die deutsche Nation in diesen Jahren wieder lebendiger und wirksamer geworden.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wir werden, meine Damen und Herren von der Opposition, Unrecht weiter Unrecht nennen und unsere Meinung über die Verhältnisse in der DDR ebenso deutlich sagen, wie man sie von dort drüben, von der Regierung und der Führung, tatsächlich über unsere Verhältnisse hört. Aber wir werden auch die Grenzen respektieren, die sich aus der Tatsache ergeben, daß wir künftig Beziehungen zur DDR unterhalten werden, wie sie zwischen Staaten üblich sind.
    Ich füge dem, was ich dazu in der Regierungserklärung gesagt hatte, heute hinzu: Ich hoffe, daß die Debatten, denen wir entgegensehen, von der Verantwortung für das Schicksal des Volkes und nicht von parteitaktischen Überlegungen bestimmt sein werden.

    (Abg. Frau Tübler: Das sollte aber für alle gelten!)

    — Ja, ich sage das an unser aller Adresse, nicht nur an die Adresse einer Gruppe.
    Die Frage ist: Was soll mit uns Deutschen jetzt in dieser unvollkommenen Welt werden, in der wir leben müssen? Die Bundesregierung kann mit dem, was Herr Kollege Barzel in einem reichlich kryptischen Satz so nannte, nichts anfangen: daß der DDR zugemutet werden müsse, der Realität der Einheit unseres Volkes in dem Maße Rechnung zu tragen, in dem wir der Realität ins Auge sehen, daß die staatliche Einheit Deutschlands zur Zeit nicht verwirklicht werden kann. Wenn man das zwei-, dreimal liest,

    (Abg. Dr. Barzel: Weiter! Wenn Sie weiterlesen, haben Sie sofort die Erklärung!)




    Bundeskanzler Brandt
    kommt man darauf, daß hier in einer verschleierten Sprache der Versuch gemacht wird, die Politik nachzuformulieren, die wir eingeleitet haben. Dann wäre es richtiger, das zu sagen, statt Herrn Windelen sagen zu lassen, was er hier gesagt hat

    (Abg. Wehner: Sehr wahr!)

    und was ein schweres Hindernis in der Zusammenarbeit auf diesem Gebiet bleibt.

    (Beifall bei der SPD.)

    Die Bundesregierung vertritt natürlich die Interessen aller Bürger, auch die von Herrn Windelen, selbst wenn er Schwierigkeiten hat, zu erkennen, daß wir die wirklichen Interessen des Staates, der Nation zu vertreten bemüht sind.
    Nun kreuzte in der Rede des Kollegen Barzel die undurchsichtige und zugleich doch allzu durchsichtige Bemerkung auf, irgendwann könnten mit Schalmeien-tönen Einheitskonföderationspläne lanciert werden. Aber, Herr Kollege Barzel, auch Sie könnten doch nicht, selbst wenn Sie es wollten — aber Sie wollen es doch nicht —, in wildesten Halluzinationen die Zwangsvereinigung der Kommunisten und der Sozialdemokraten nachträglich vollziehen, die Kurt Schumacher für seine, für meine Partei verweigerte. Das kann hier doch keiner. Hätten die Sozialdemokraten damals übrigens versagt, dann gäbe es dieses Parlament und diese Bundesrepublik Deutschland nicht.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP.)

    Insoweit wurde die deutsche Freiheit 1946, 1947 und 1948 gerettet. Der unselige Verein, der von der Rettung der Freiheit handelte, hat sich sehr viel später betätigt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    In diesem Zusammenhang fragten Sie, ob hier eine Latte im Gartenzaun morsch geworden sei. Ich weiß nicht, was hier morsch und faul sein könnte. Es ist manches denkbar. Hier war von Zäunen die Rede. Aber der Führer der Opposition plädiert doch wohl nun nicht seinerseits für eine Strategie der Abgrenzung. Wir empfänden das als eine bedauernswerte Schwäche. Wir meinen, uns müßte miteinander eine Gartenzaunmentalität fremd sein.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Gestern hat sich dann an Herrn Windelens Berner-kung eine Diskussion angeknüpft, von der einige meinten, sie solle der Wahrheit dienen. Gestern wurde — übrigens auch von mir; man kommt nicht immer gleich auf alles — versäumt, auf die dreierlei Wahrheiten hinzuweisen, auf die sich der frühere Bundeskanzler Adenauer

    (Abg. Wehner: Der Altmeister!)

    bei Gelegenheit bezogen hat. Ich mache mir diese Dreiteilung der Wahrheit nicht zu eigen. Aber dies will ich gern sagen: Nur Heuchler können bestreiten, daß sie ihre Auffassung zu Fragen des konkreten politischen Verhaltens im Laufe der Jahre, vor und nach Wahlen entwickelt und damit verändert haben.
    Ich habe in der Großen Koalition die Unterzeichnung des Vertrages über die Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen für richtig gehalten. Aber au: gesamtpolitischen Gründen habe ich es für falsch gehalten, diesen Konflikt zuzuspitzen, so daß er mi meinem Ausscheiden — und vermutlich auch den meiner Freunde — aus der Regierung Beende hätte. Ich habe damals gegen Schluß der Großer Koalition — er hängt genau mit dem Punkt vor Herrn Windelen zusammen — den Abbruch de: Beziehungen zu Kambodscha für Unsinn gehalten Aber ich bin deswegen nicht zurückgetreten. Was hier durch Vermengung der Begriffe „Wahrheit' und „Wirklichkeit" gestern verwirrt werden sollte veranlaßt mich heute zu der Feststellung, dai Schlauheit eben doch nicht Wahrheit ist.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Was ist nun mit dem Antiamerikanismus, vor dem hier die Rede war? Ich denke, ich kann es ab. lehnen, mich als Adressaten dieser Anwürfe zu be trachten. Antiamerikanismus — das gilt sicher für manche Gruppen draußen im Lande. Aber auch ir dem, was Herr Marx hier als Ablehnung der mi den Amerikanern und unseren anderen Verbünde. ten gemeinsamen Politik vorgetragen hat, steck eine gehörige Portion Antiamerikanismus.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der CDU/CSU.)

    Übrigens, Herr Kollege Wörner — ich weiß nicht ob er jetzt im Saale ist — hat gefragt — ich wil die Antwort geben; Staatssekretär Berkhan hat dazu schon etwas gesagt —, welche anderen als vor. schnelle Schlüsse die Bundesregierung aus der unterschiedlichen Rüstungsentwicklung im Osten und Westen unseres Kontinents zu ziehen gedenke. Die Antwort ist: Jene Schlüsse, zu denen wir als Teil des Bündnisses und gemeinsam mit ihm gelangen Genau das ist die Antwort.
    Es fehlt mir im übrigen gewiß nicht an Erfahrungen in bezug auf Diskussionen über den Zusammen hang zwischen Entspannung und Sicherheit. Ich muß manche solcher Diskussionen führen, anderswo ah im Bundestag. Mit Schlagworten von gestern sind diese Diskussionen aber ganz gewiß nicht zu be stehen. Das wird auch derjenige merken, der die Erfahrung selbst noch nicht gemacht hat.
    Herr Kollege Möllemann hat soeben, bevor id das Wort bekam, für sich eine Erklärung abgegeben die, wie wir festgestellt haben, auch den Empfindungen anderer Kollegen — zumal aus den Reiher der Koalitionsparteien — entsprach. Diese Kollegen
    haben es jedenfalls zu erkennen gegeben. Es würde mich wundern, wenn manches von diesen Gedanken nicht auch Kollegen in den Unionsparteien bewegt Herr Kollege Möllemann, ich würde es für gut halten, wenn Sie einmal in Ruhe mit dem Bundesaußen minister über die Zusammenhänge redeten.

    (Lachen und Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Nein, ich sage das jetzt in vollem Ernst. Es gib gewisse Dinge, über die wir nicht haben sprechen können, die ich auch selbst hier nur angedeutet habe. Ich stehe übrigens auch für eine Unterhaltung



    Bundeskanzler Brandt
    zur Verfügung. Ich habe zugestimmt, nicht erst jetzt, wo die Bombardements im Grunde aufhörten, wo dieses schwierige Gezerre war, das grausame Gezerre, zum Waffenstillstand in Vietnam zu kommen, ich habe vor fünf Jahren — so lange ist es jetzt fast her — auf meinem Parteitag in Nürnberg mitgestimmt. Das war in einer Zeit, in der ich Bundesaußenminister war. Ich habe dafür gestimmt, zu sagen:
    Das Lebensinteresse des vietnamesischen Volkes verlangt Waffenruhe und Frieden als Voraussetzung der Unabhängigkeit und Selbstbestimmung. Dazu gehört die Bereitschaft aller Beteiligten, auf eine militärische Lösung des Konflikts zu verzichten und eine politische Regelung anzustreben.
    Das habe ich vor fünf Jahren mitbeschlossen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich habe mich im Sommer des vergangenen Jahres in Wien auf dem Kongreß der Sozialistischen Internationale zu Wort gemeldet, nicht auf einer Geheimtagung, sondern öffentlich, abgewogen, aber auch abgegrenzt gegenüber dem, was man zu Recht Antiamerikanismus nennen kann.
    Die Ereignisse der letzten Wochen, die dieses schwer, dieses schrecklich geprüfte Volk auch in letzter Stunde noch immer wieder den Schrecken modernen Bombenkrieges ausgeliefert haben, gerade diese Ereignisse der letzten Wochen machen es uns allen unmißverständlich deutlich, daß die Anwendung von Gewalt kein Mittel zur Lösung politischer Konflikte mehr sein kann.

    (Beifall bei den Regierungsparteien und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

    Ich vergebe mir gar nichts, wenn ich hier etwas vorwegnehme, weil man insofern dann eben doch nicht nachher den Mantel des Bundeskanzlers ausziehen und den des Parteivorsitzenden anziehen kann; ich scheue mich gar nicht, hier hinzuzufügen, daß ich meinem Parteivorstand heute nachmittag vorschlagen werde, dem, was eben gesagt wurde, und einigem anderen hinzuzufügen, daß meine politischen Freunde und ich das Engagement zahlreicher Bürger unseres Landes anerkennen, durch Appelle die kriegführenden Gruppen in Vietnam zum Friedensschluß zu bewegen, aber sie auch zu bitten oder, wo es über die Bitte hinaus einer Aufforderung bedarf, sie aufzufordern, nicht zuzulassen, daß Friedensliebe und Proteste gegen den Bombenkrieg zu ganz anderen Zwecken politisch mißbraucht werden.

    (Beifall bei den Regierungsparteien und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

    Was Herr Kollege Dregger hier als ein „Volksfront-Europa" vorzuführen versuchte, das halte ich für ein Gespenst, und ich widerstehe der Versuchung, ihn — den Kollegen Dregger —, der es selbst noch schwer genug haben wird, sich mit den antidemokratischen Regimen und Gruppierungen zu konfrontieren oder zu identifizieren, die sich als konservative Regime in Europa bezeichnen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Aber keine Sorge!, würde ich dem Kollegen Dregger selbst sagen, wenn er hier wäre. Keine Sorge, Herr Dregger! Hier gibt es keine schleichende Revolution, die wird es nicht geben in dieser Bundesrepublik. Aber hier wird es geben und muß es geben die offene Reform gegen die getarnte und die ungetarnte Reaktion. Die muß es geben.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Verlassen Sie sich darauf, daß wir uns mit jenen jungen Sozialdemokraten, die nach unserer Meinung auf dem Holzweg sind — wer in allen einzelnen Fragen später recht bekommt, das kann man auch nicht immer so genau wissen; ich kann immer nur sagen, die nach meiner Überzeugung auf dem Holzweg sind —, und mit anderen, die man Linke nennt, auseinandersetzen, aber nicht solchen Auffassungen zuliebe, wie sie hier von Herrn Dregger vorgetragen wurden.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP.)

    Mit primitivem Antikommunismus ist kein Staat zu machen, schon gar kein demokratischer Staat.

    (Erneuter Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP.)

    Wenn ich mir nun die Themen noch einmal anschaue, die wir hier behandelt haben, komme ich, ohne alle Punkte noch einmal aufgreifen zu können, zu folgendem Ergebnis.
    Zunächst die Außen- und Deutschlandpolitik:
    Erstens. Die entschlossene Verwirklichung der Europäischen Union, damit wir das in Paris gesetzte Ziel in der verabredeten Frist — womöglich früher — erreichen können. Ich habe nicht erkennen können, daß die Opposition dies wesentlich anders sieht.
    Zweitens. Die Fundamentierung der europäischamerikanischen Allianz durch Prüfung und Ausgleich der gemeinsamen Interessen und Bewahrung der Sicherheit. Ich habe nicht sehen können, daß die Opposition dies wesentlich anders sieht.
    Drittens. Abau der Spannungen von ihren Ursachen her. Das ist die Aufgabe, die wir uns durch die Teilnahme an den beiden Konferenzen setzen, die jetzt mühsam vorbereitet werden; darüber werden wir miteinander, so wie die Dinge voranschreiten, sehr ernsthaft reden müssen.
    Viertens. Geduldige Arbeit für eine gute Nachbarschaft mit Osteuropa als Erfüllung und Ergänzung der Verträge, die wir geschlossen haben. Das sieht mancher bei Ihnen weiterhin anders, aber Herr Kollege Strauß hat vorgestern ausdrücklich gesagt, man müsse vom Boden der so geschaffenen demokratischen Tatsachen aus Politik machen.
    Fünftens. Ratifizierung und Ausfüllung des Grundvertrages — ich hätte damit aber auch anfangen können — von zwei deutschen Staaten unter der konsequenten Forderung von uns — egal, wie lange



    Bundeskanzler Brandt
    es braucht, bis sie erfüllt ist —, daß auch an der Grenze zur DDR täglicher Friede einkehren kann

    (Beifall bei den Regierungsparteien und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    und ein Höchstmaß an Freizügigkeit hinüber und herüber erreicht wird. Darüber werden wir in der Debatte zum Grundvertrag in gut zwei Wochen im einzelnen sprechen.
    Was nun die Schwerpunkte im Inneren angeht, so stelle ich dazu folgendes fest.
    Erstens. Die europäische und nationale Anstrengung für die Stabilität durch eine sorgsame Kreditpolitik, eine ausgewogene Haushaltspolitik und auch durch Verschärfung des Wettbewerbs. Hier können wir doch nur miteinander wetteifern, wenn ich das, was dazu gestern gesagt worden ist, recht sehe.

    (Abg.. Dr. Barzel: Sehr gut!)

    Zweitens. Die Steuerreform. Hier werden wir noch miteinander streiten; aber daß sie sein muß, stand ja schon in viele Jahre zurückliegenden Regierungserklärungen, als Sie die Regierung führten.

    (Zuruf des Abg. Katzer.)

    Drittens. Einfügung der Landwirtschaft als gleichberechtigter Partner in die Gesamtwirtschaft. Ich sehe es nicht so, daß dies — auch wenn wir zu der Debatte über den Agrarbericht kommen — als grundsätzliche Orientierung umstritten sein wird.
    Viertens. Umweltschutz durch Vorausplanung und gesetzlich gesicherte Bestrafung der Umweltschädigung. Dem wird nicht widersprochen. Hier haben wir es allerdings mit dem Problem zu tun — es ist gestern behandelt worden —, ob Sie, da es hier der verfassungsändernden Mehrheit bedarf, dabei mithelfen wollen, rasch genug die entsprechenden Instrumente zur Verfügung zu stellen. Ich bitte Sie herzlich darum, und zwar nicht der Regierung wegen, sondern der Aufgabe wegen, die wir hier für unser Volk zu leisten haben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Fünftens. Die Bekämpfung der Bodenspekulation und die Arbeit für lebensfähige Städte. Hier sehe ich voraus, daß wir zunächst wohl noch eine ganze Menge Streit haben werden. Aber unser Bestreben wird es doch sein — ich weiß es auch vom Kollegen Vogel —, uns, wenn es geht, auf möglichst breiter Basis zusammenzufinden.
    Sechstens. Dies gilt auch für die Weiterarbeit an der Bildungsreform, einschließlich beruflicher Bildung. Bitte, helfen Sie durch Einwirken auf die Länder, in denen Sie Einfluß haben, mit, daß wir hier rascher vorankommen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Siebentens. Gewiß sind wir uns auch darin einig, was die Eingliederung der Behinderten und Schwerbeschädigten, also ausdrücklich auch der Kriegsbeschädigten, angeht.
    Achtens. Doch wohl auch einig sind wir uns darin, was den Kampf um mehr Volksgesundheit und die Bekämpfung der Rauschgiftsucht angeht.
    Neuntens. Beide — so habe ich es verstanden —, Mehrheit und Minderheit, sind sich über die Bedeutung der Frage, egal, welche Antwort man findet, einer weitschauenden Planung eines wirtschaftlich vernüftigen und gerechten Programms für das Gastarbeiterproblem als ein ökonomisches, soziales und menschliches Problem einig.
    Zehntens. Bei der Reform des § 218 wird es wie bisher unterschiedliche Meinungen geben, nicht ganz genau nach Parteilinie — wie bisher. Es ist richtig, darauf hinzuweisen, daß die ohnehin im Grundgesetz vorgesehene Gewissensfreiheit der Abgeordneten hier einen besonderen Rang beanspruchen kann.
    Ich sehe elftens nicht — bei aller Polemik des gestrigen Tages —, wie es in bezug auf den Kern der inneren Sicherheit, dessen, was der Bund tun kann — nein, was er in Wirklichkeit mit den Ländern zum Kampf gegen Kriminalität und Terror eingeleitet hat —, andere Meinungen geben kann. Jedenfalls habe ich nichts Praktikables gehört, was man an Stelle dessen, was wir eingeleitet haben, machen kann.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Dann bleibt zwölftens wie gesagt, ich kann
    keine vollständige Ubersicht geben — das gesellschaftspolitische Werk, das uns und weitere Bundesregierungen beschäftigen wird: die Mitbestimmung in den großen Betrieben und über die Betriebe hinaus, nicht überall mit gleichen Formen in verschiedenen Bereichen der Gesellschaft; Mitbestimmung des freien Bürgers durch Engagement und Initiative, durch gemeinsame Arbeit auch an den Gemeinschaftsaufgaben. Damit wird der Demokratie mehr Substanz verliehen, und darauf kommt es an.
    Unser Programm ist nach vorn gerichtet. Es schwebt nicht in einer Wolkenwelt, in der die Lebenslügen gedeihen, die vielleicht die schlimmsten Gefahren für ein Volk sind, wenn sie lange genug kultiviert werden. Gegen die bequeme Neigung zu Lebenslügen setzen wir unseren Willen zur Wirklichkeit und Wahrhaftigkeit. Um sie ging es auch in dieser Debatte.
    Unser Volk will ehrlich vor sich selbst und vor der Welt sein. Nur so wird es die Schatten der Vergangenheit überwinden und in der Gegenwart bestehen und eine friedliche Zukunft gewinnen. Dafür werden wir, das kann ich hier versprechen, ehrlich arbeiten auf so breiter Basis wie jeweils möglich, und wir werden laufend Rechenschaft geben, damit unser Volk mitverfolgen kann, wie wir unser Programm auch diesmal Schritt für Schritt verwirklichen.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Liselotte Funcke
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Barzel.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Rainer Barzel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat sich eine ganze Weile, was wir begrüßen, auch mit der Opposition beschäftigt, und er hat eine Frage



    Dr. Barzel
    gestellt, die fundamental ist. Sie war direkt an mich gerichtet. Sie soll deshalb auch als erste beantwortet werden.
    Der Herr Bundeskanzler fragte im Blick auf mich: Braucht „Ihre" freiheitliche Ordnung den Hinweis auf die Unfreiheit anderer? Das ist eine fundamentale Frage für den Bundestag, für uns alle miteinander, vor allen Dingen dann, wenn keiner versucht, einen Popanz aufzubauen.
    Herr Bundeskanzler, hier glaube ich, muß der verantwortliche Politiker, bevor der diese Frage beantwortet, eine Sekunde daran denken, daß es nicht nur darauf ankommt, was er für sich braucht, sondern was er dem Volk, der Umwelt und den heranwachsenden Generationen, den jungen Menschen, schuldig ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Das, glaube ich, ist ein ganz wichtiger Punkt.
    Mein Freiheitsbegriff, Herr Bundeskanzler, braucht nicht den Hinweis auf das, was wir einmal erlebt haben. Das ist mir unter den Knochen. Aber ich käme mir, da ich ein Politiker bin und jetzt z. B. in diesem Hause darauf angesprochen werde, wegen dieser meiner geschichtlichen Erfahrung unredlich vor mir selbst vor, wenn ich irgendwo, wo ich Unfreiheit feststelle, diese nicht beim Namen nennen würde.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Mein Freiheitsbegriff kann also ohne diese stetige Kenntnisnahme der Gegnerschaft leben. Ich habe sie unter den Knochen erleben müssen, wie die meisten hier Unfreiheit und Gewalt haben erleben müssen.
    Aber meine politische Verantwortung erlaubt mir nicht, von den Gegnern der Freiheit etwa zu schweigen. Mein Begriff von der Nation, Herr Bundeskanzler, erlaubt mir auch nicht, von der Unfreiheit anderer zu schweigen. Mein Verständnis der Pflichten, die wir ja für Deutschland als Ganzes haben, meine Sorge um die Zukunft der Freiheit hier, gegründet auf geschichtliche Erfahrung und die Wirklichkeit in Europa jetzt, erlaubt mir gleichfalls nicht, weil ich es für mich nicht brauche, auch für andere dazu zu schweigen.
    Ich kann doch, Herr Bundeskanzler, folgendes nicht übersehen. Sie übersehen es doch ganz sicher nicht, und ich nehme doch an, daß es Sie besorgt macht wie mich und wie hier alle; ich hoffe, wie hier alle!

    (Zurufe von der CDU/CSU: Er hört gar nicht zu! — Er ist schon wieder visionär!)

    Wenn Sie in eine Schule kommen, wenn Sie mit jungen Menschen diskutieren, finden Sie dort oftmals — nicht bei sehr vielen, aber bei einigen; und jeder von diesen einigen ist schon einer zuviel —

    (Zuruf von der CDU/CSU: Er träumt wieder!)

    eigentlich ein völlig unreflektiertes Bewußtsein hinsichtlich der Frage, ob nicht vielleicht die Wirklichkeit der DDR vorzuziehen sei.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

    Sie können doch nicht übersehen, daß es das gibt, daß dies eine Realität ist, mit der auseinanderzusetzen wir die Pflicht haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Warum sollen wir Ihnen das nicht sagen? Warum sollen wir unseren jungen Mitbürgern, denen wir etwa bei der Diskussion mit einer Schülermitverantwortung begegnen — und das muß natürlich auch in regierungsamtlichen Dokumentationen aufgearbeitet und den Lehrern und den Politikern zur Verfügung gestellt werden —,

    (Abg. Katzer: Sehr wahr!)

    nicht zunächst einmal sagen: Diese Schülermitverantwortung zum Beispiel gibt es dort in der DDR gar nicht!

    (Abg. Katzer: Sehr gut!)

    Das sind doch praktische Dinge. Freiheit — hier ist doch vor allem durch meine Kollegen Katzer und von Weizsäcker davon gesprochen worden — ist doch ein Punkt, der sich alltagswirksam bestätigen und bewähren muß. Herr Bundeskanzler, deshalb muß man davon sprechen.
    Ich glaube, wenn man — wie dies hier durch Sie und durch Ihren Herrn Vorredner aus Sorge geschehen ist, die ich jedem abnehme; ob es klug ist, jede Sorge von hier so zu äußern, wie geschehen, ist eine zweite Frage — aus Sorge über die Verletzung unserer Prinzipien — hier des Prinzips der Unfreiheit und der Gewalt; beider Prinzipien — in einem anderen Teil der Welt spricht, dann gehört eben für mich dazu, von der Verletzung dieser Prinzipien zuerst hier zu sprechen, und nicht, zuerst hier dazu zu schweigen.
    Herr Bundeskanzler, wir könnten uns sehr viel theoretische — ich will dem nicht ausweichen — Auseinandersetzungen über Mitte, ja oder nein, schenken, wenn man z. B. erkennen könnte, daß dies, was ich hier sagte — gleiche Prinzipien überall und immer —, eine Position der Mitte ist. Das ist Mitte; das ist ein ausgewogenes, gerechtes Urteil, weil die gleichen Prinzipien zu gleichen Tatbeständen angewandt werden, egal, von wem diese Wirklichkeiten gesetzt werden.
    Wenn Sie Freiheit und Verantwortung und Solidarität begreifen, haben Sie wieder Mitte. Sie müssen doch die Verantwortung der politisch Verantwortlichen in einer parlamentarischen Demokratie für das Zustandekommen des öffentlichen Bewußtseins und der öffentlichen Meinung spüren. Diese öffentliche Meinung wird doch, Herr Bundeskanzler, Positionen von ganz links beziehen und keine von der Mitte — mit allen Konsequenzen für Wahlverhalten —, wenn sie nicht von dieser prinzipiellen — wenn ich so sagen darf -- moralisch-rigorosen Einstellung besetzt wird, indem man die Prinzipien überall in gleicher Weise beim Namen nennt, ob bequem oder nicht bequem. Ich freue mich, daß der Herr Bundeskanzler dieses Wort, was den Schluß meiner Rede am vorigen Donnerstag bildete, jetzt am Schluß positiv aufgenommen hat.
    Mitte — das ist natürlich auch eine Frage des Stils, eine Frage der Politik, Mitte ist vor allen Dingen



    Dr. Barzel
    aber keine Frage für Sonntagsreden, sondern für Werktagsarbeit. Dies gilt von allem dann, wenn man ein Politiker ist; denn ein Politiker hat ja nicht nur Ziele zu setzen und Prinzipien zu verkünden. Dies ist der leichtere Teil unserer Arbeit. Wir haben vielmehr zu zeigen: Wie setzen wir dies, Schritt für Schritt, konkret im Alltag durch? Das ist doch unsere Aufgabe.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    So hoffe ich, daß nicht — Sie werden mir diese Bemerkung sicher erlauben — Ihr guter Vorsatz zur Mitte etwa einer jener Vorsätze ist, die — wie sich das mit Vorsätzen so verhält zum Gegenteil führen: Oft ist der Weg zur Hölle mit guten Vorsätzen gepflastert.
    Herr Bundeskanzler, wenn Sie Mitte wirklich meinen und Sie nun jetzt Regierung sind — und Regierung ist zum Regieren da --

    (Abg. Katzer: Von der Regierung ist doch keiner da! Die haben das nicht nötig! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Das ist der Stil, den wir hier kennen.

    (Erneuter Zuruf des Abg. Katzer.)

    — Aber deshalb werden wir doch, Herr Kollege Katzer, die Regierung daran erinnern dürfen, daß sie zum Regieren da ist und sich Mitte in Wirklichkeiten des Alltags auszeichnen muß. Das ist die Aufgabe, die wir hier haben. Ich hoffe, daß niemand in diesem Hause — der Bundeskanzler eingeschlossen — etwa die Flucht — das soll der Inhalt dieser vier Jahre sein —

    (Abg. Katzer: So wird das Parlament hier behandelt! Eine Unverschämtheit!)

    antritt, indem er hier bei jeder Gelegenheit Reden hält, die bewußt über den Alltag hinausgehende emotionale, psychologisch von großen Stäben vorbereitete Dinge verkünden, um von den Wirklichkeiten abzulenken,

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    für die wir verantwortlich sind: in diesem Falle für das Regieren die Regierung, für das Opponieren wir.
    Wenn dies also ernst gemeint ist, Herr Bundeskanzler, dann sind wir gern bereit, den Wettbewerb auch um die Mitte mit Ihnen und mit jedem, der sich dort tummeln will, aufzunehmen, den Wettbewerb freilich durch Taten und nicht durch Phrasen!

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Vielleicht, Herr Bundeskanzler, werden Sie sich an diese Rede irgendwann im Laufe Ihres politischen Lebens erinnern, in der Sie uns den Rat gegeben haben — in einer Frageform, also sehr indirekt —, doch möglicherweise „Ballast" abzuwerfen. Es ist ein Rat — wir werden darüber nachdenken! Aber Sie werden sich vielleicht eines Tages überlegen — hoffentlich nicht schon bei Ihrem nächsten Parteitag —, ob Sie sich jetzt mit der Rede der vergangenen Woche und von heute nicht etwas aufgeladen haben, was Sie möglichst bald wieder loswerden wollen. Dies wird man ja sehen, und dann, meine
    Damen und Herren, werden wir ein Stück bessere Wirklichkeit haben.

    (Zuruf des Abg. Wehner.)

    Das wird ja noch, Herr Kollege Wehner, gesagt werden dürfen!

    (Abg. Wehner: Das klingt etwas gequält — so mit dem Zahnstocher an einem Punkt!)

    Meine Damen und Herren, ein anderer Punkt, den der Herr Bundeskanzler soeben aufgegriffen hat! Er hat einen Satz zitiert, den er „hypokryph" nannte, einen Satz aus unserem Programm, das wir den Wählern vorgelegt hatten. Ich rief ihm zu: Lesen Sie bitte weiter, dann wird es völlig klar, selbst dem, der den ersten Satz — obwohl er unmißverständlich ist — noch nicht verstanden haben sollte. — Ich möchte das ganze hier verlesen, nachdem Sie den Teil in die Debatte einbrachten; das ganze heißt:
    Der DDR muß zugemutet werden, der Realität der Einheit unseres Volkes in dem Maße Rechnung zu tragen, in dem wir der Realität ins Auge sehen, daß die staatliche Einheit Deutschlands zur Zeit nicht verwirklicht werden kann. Wir sind bei allen grundsätzlichen Unterschieden, die wir nicht verwischen, im Interesse der Menschen in dem Maße zum Miteinander mit der DDR bereit, in dem diese Schritt um Schritt den Weg für die Freizügigkeit freigibt.
    Wir verweisen dann auf unseren Stufenplan und sagen:
    Wir bejahen Verhandlungen und Vereinbarungen zwischen den beiden Teilen Deutschlands, die das Leben im geteilten Land erleichtern, die Fundamente der Einheit erhalten und den Weg zu einer friedlichen Ordnung in Europa ebnen.
    Dies genau ist der Satz.
    Ihre These von der lebendigen Nation, die wegen Unmöglichkeit der jetzigen Herstellung staatlicher Einheit dadurch erhalten wird, daß man Freizügigkeit für die Begegnung herstellt, ist genau dies, was dieser Satz meint: die Einheit des Volkes durch solche Maßnahmen sichern, gerade dann, wenn man sehen muß, daß die staatliche Einheit jetzt nicht herzustellen ist. Dies eben, die beiden Interessen miteinander zu verquicken, war der Sinn unseres Stufenplans. Dies nicht getan zu haben ist das Ergebnis Ihrer Ostpolitik, die demnächst hier bei einem neuen Vertrag — deshalb will ich das hier nicht weiter ausbauen — wieder zur Debatte stehen soll.
    Dann hat der Bundeskanzler — das war interessant — noch einmal zur Leistung gesprochen. Ich glaube, das war notwendig, freilich nicht mit dem Blick auf die Opposition und auch nicht einmal mit dem Blick auf die Koalition, sondern mit dem Blick auf seine eigenen Freunde. Wir haben natürlich das Echo auf seinen Leistungsbegriff hier im Hause und draußen gehört und gelesen, und wir haben auch gemerkt, wie gestern eine Passage der Kollegin Frau Focke doch sehr große Begeisterungsstürme auf dieser Seite des Hauses

    (Abg. Katzer: Sie ist nicht da!)




    Dr. Barzel
    — na, was soll sie im Parlament? — ausgelöst hat, große Begeisterungsstürme auf Ihrer Seite. Sie hat nämlich das, was der Kanzler Leistung nannte, gelobt, und das, was ich über Leistung sagte, war gleich inhuman.
    Nun, meine Damen und Herren, dann möchte ich mich ein bißchen verdeutlichen. Wir haben, als wir in unserer Partei über Marktwirtschaft diskutierten
    — das ist lange her —, gesagt: Marktwirtschaft allein genügt uns nicht; das kann zu harten Ergebnissen führen, die wir gesellschaftspolitisch nicht wollen. Deshalb sind wir zu sozialer Marktwirtschaft gekommen. Und als wir über Leistung diskutierten, war uns klar: Wenn dies das einzige Prinzip ist, nach dem unsere Gesellschaft orientiert sein soll, nach dem auch Verteilung erfolgen soll, kann das nicht gutgehen; das führt zu harten, inhumanen Formen. Deshalb sagen wir: humane Leistungsgesellschaft.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Sehen Sie, da kann man sich nun ruhig einen Popanz aufbauen. Wenn der Bundeskanzler sagt, er kenne den Begriff noch nicht genauer, dann bin ich gern bereit, ihm unsere Unterlagen dazu zuzustellen.

    (Zuruf von der SPD: Uns auch!)

    — Sie möchten sie auch haben? Sehr gern, sehr gern. Man sollte eigentlich doch auch lesen, was andere Parteien an programmatischen Erklärungen haben. Wenn dies noch nicht geschehen ist, konnten Sie bisher natürlich besonders leicht über die CDU reden, weil Sie von Kenntnis dann noch nicht getrübt waren.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich würde aber die Pflicht der Opposition versäumen, wenn ich diese Debatte weiterführte. Denn dann ginge ich ein auf den Versuch,

    (Abg. Wehner: Dann gingen Sie ein, ja! Das ist wahr!)

    abzulenken von der Wirklichkeit und abzulenken von den Pflichten, die wir hier haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Sehen Sie, Herr Bundeskanzler, eine Regierungserklärung sollte nicht nur Ziele nennen — das haben Sie getan —, sondern auch sagen, wie und wann sie zu erreichen sind. Nun werden Sie natürlich wieder sagen: die böse Opposition, die das hier kritisiert! Deshalb muß ich doch einmal ein bißchen dartun -- und das ist bei der Reaktion des Hauses hier ganz unübersehbar gewesen —, daß man weit in Ihre Reihen hinein draußen, aber auch hier drinnen doch nicht zufrieden war mit diesen etwas wolkigen Gebilden, die hier vorgetragen wurden.
    Die „Welt der Arbeit" macht eine große Überschrift: „An wen hat der Kanzler bloß gedacht?", und dann sagt sie: „Zu zwei gesellschaftspolitischen Aufgaben ersten Ranges sind die Aussagen des Kanzlers aber mehrdeutig." Das Organ des Deutschen Gewerkschaftsbundes!
    Wenn ich mir die „Zeit" ansehe, sicherlich ein für die Regierung sehr hilfreiches Wochenblatt gerade in den letzten Wochen und Monaten, lese ich:
    In dem löblichen Bestreben, keine unerfüllbaren Hoffnungen zu wecken, mochte der Kanzler sich nun überhaupt nicht mehr festlegen. In der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik — also für den Bereich, auf den die Koalition in den kommenden Jahren ihre Aktivität konzentrieren will — steht die Regierungserklärung eigentlich noch aus. Am 18. Januar hat Willy Brandt dazu jedenfals so gut wie nichts gesagt.
    Wenn ich mit Genehmigung der Frau Präsidentin noch ein anderes Zitat in die Debatte einführen darf, dann nenne ich folgendes:
    Mit einer spürbaren Betretenheit wurde dagegen allgemein der Versuch des Bundeskanzlers aufgenommen, statt einer weltanschaulichen oder politischen Begründung seines Programms der neuen Mitte als staatsbürgerlicher Moralist aufzutreten. Das Unzulängliche dieser Bemühung, Bürgerromantik gegen Sozialromantik zu setzen, war zu deutlich und verriet auch die Handschrift anderer Autoren.
    Autor dieser sicherlich mit eigener Handschrift geschriebenen Dinge: unser neuer Kollege Conrad Ahlers.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen, meine Herren! Wir werden also nun ausgerechnet zum Alltag kommen — ausgerechnet zum Alltag, dem Hauptpunkt der Regierungserklärung. Staatsgeschäfte und das sollte Demokratie auszeichnen, Herr Bundeskanzler — sollten durchsichtig sein. Die Durchsichtigkeit der Staatsgeschäfte erfordert es, daß die Opposition ihre Kontrollfunktion wahrnehmen kann. Dies aber können wir nur, wenn Sie uns etwas anbieten, das wir kontrollieren können. Es muß nämlich bestimmt und definiert sein. Diese wolkige Art setzt das Parlament in den Keller, weil ihm dadurch der Stoff vorenthalten wird, ohne den es Kontrollfunktion überhaupt nicht ausüben kann.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen, meine Herren! Man enthält uns konkrete Informationen vor und überhört ganz überwiegend die Fragen, die wir hier gestellt haben, während man dauernd Fragen an die Opposition richtet.

    (Abg. Katzer: Es ist ja keiner mehr da!)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren auf dieser Bank, Sie sollen nun regieren!

    (Zurufe von der CDU/CSU.) — Schon unterwegs zum Regieren!


    (Abg. Rawe: Ins Wochenende gefahren zum Regieren!)

    Das ist natürlich ein Unterschied: Wir glauben, daß das Sich-Stellen hier im Parlament die erste Pflicht der Regierung ist nicht das Weggehen aus dem Parlament —, wenn über die Politik dieser Regierung gesprochen wird.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Rawe: Das ist der neue Stil!)




    Dr. Barzel
    Wir dringen darauf, daß es möglich sein muß, die Pflicht der Kontrolle — das ist das, was die Wähler uns übertragen haben —, auch ausüben zu können.

    (Bundesminister Dr. Maihofer nimmt in der ersten Reihe der Regierungsbank Platz. — Lachen und Zurufe von der CDU/CSU: Maihofer nach vorn!)

    — Das ist doch ganz erfreulich, nicht?

    (Abg. Rawe: Die sind zwar immer mehr geworden, aber immer weniger sind hier! — Zuruf von der CDU/CSU: Ein Statist auf der Regierungsbank!)

    Herr Bundeskanzler, nun haben Sie immer mehr Kolleginnen und Kollegen zu Mitgliedern der Regierung gemacht, aber hier sitzen immer weniger. Auch durch das Vorrücken des liebenswerten Kollegen Maihofer wird es natürlich auf der Regierungsbank nicht voll.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf von der CDU/CSU: Vor allem nicht gehaltvoller!)

    Meine Damen und Herren, dieser zurückgehenden Informationsbereitschaft der Regierung steht eine wachsende Kritikempfindlichkeit gegenüber. Das, glaube ich, muß nach diesen zwei Tagen bereits festgehalten werden.
    Ich möchte mit ein paar Sätzen auf die Rede des Kollegen Möller zurückkommen, der — wie soll ich sagen? — den Mut zur Ehrlichkeit hatte, um diese Formel nach der gestrigen Debatte hier einmal durchzuführen. Er hat immerhin freimütig gesagt: Ob wir einen Konjunkturzuschlag werden erheben müssen, das können wir noch nicht sagen; das wissen wir noch nicht — aus den Gründen, die er nannte.
    Das hörte sich natürlich etwas anders an als die Erklärung des Kollegen Mischnick zu diesen Fragen der künftigen Steuerpolitik. Es hörte sich auch anders an als die Regierungserklärung, in der übrigens
    — Herr Bundeskanzler, warum eigentlich? — mit keinem Wort darauf eingegangen worden ist, daß Ihre Regierung im September — Sie haben sie ja über die Wahlen fortsetzen können — alle möglichen Beschlüsse verkündet hat. Darin waren doch Steuererhöhungen zum 1. Juli 1973 enthalten. Wo ist ein konkreter Hinweis? Wie sollen unsere Steuerzahler, von denen Sie mit Recht Steuerehrlichkeit verlangen, nun eigentlich sich einrichten können?

    (Abg. Strauß: Das ist nicht so wichtig; er erfährt es rechtzeitig!)

    — Er erfährt es rechtzeitig, hinterher vielleicht, gut.
    Aber ich möchte — und das ist der wesentliche Punkt an der Rede des Kollegen Möller — auf dieses zurückkommen: Alex Möller erklärte also mit diesem lobenswerten Mut zur Ehrlichkeit klar und ohne alle Umschweife, was die Regierung bis jetzt verschwieg. Er erklärte, daß sie nämlich weder die notwendige Bestandsaufnahme gemacht hat noch ihre Dringlichkeitsliste fertig hat noch die Übereinstimmung von Sachplanung und Finanzplanung hergestellt hat noch ein mittelfristiges Konzept hat, um Stabilität als die unerläßliche Basis der ebensc unerläßlichen Reform zu erreichen. Das war eine ehrliche Erklärung, und sie stimmt auch völlig. Hier ist damit doch eigentlich bewiesen, daß das, was die Regierung zu tun hat, nämlich ihre Worte in Taten umzusetzen, nun hier nicht passiert ist. Warum fängt eine Regierung, die ihr eigenes Erbe übernimmt, die den Wählern gesagt hat, es seien je eigentlich im Grunde gar keine riesigen Probleme de
    — die Preise und Finanzen und Bahn und Post und so, dies alles sei eigentlich wunderbar in Ordnung —, nicht an dem Tag nach der Wahl mit dem Regieren an, wenn sie eine Mehrheit hat? Sie hat kein Konzept und ist sich selbst die Bestandsaufnahme bis zu dieser Stunde schuldig geblieben.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Das ist, wie ich glaube, ein müder und auch ein enttäuschender Start für eine Fahrt ins Blaue.

    (Zuruf des Abg. Wehner.)

    — Herr Kollege Wehner, und Sie selbst haben je doch Ihr — wie soll ich sagen? — Unbefriedigtsein oder Ihre nicht vollständige Zufriedenheit mit dieser Regierung in der Ihnen eigenen Sprache sehr verschlüsselt zum Ausdruck gebracht,

    (Zuruf Abg. Wehner: Damit Sie eine Rosine hatten!)

    an dieser Stelle, nicht an anderer.

    (Abg. Wehner: Damit Sie eine Rosine hatten!)

    — Ich freue mich, daß Sie dies bestätigen.
    Der Bundeskanzler hat die mittelfristige Finanzplanung angekündigt für den März, zusammen mit dem Haushalt. Es ist interessant zu hören und zu lesen, daß der Jahreswirtschaftsbericht eben diese Planung erst für den Lauf des Jahres ankündigen soll. Wenn das so ist, Herr Kollege Möller, dann wissen wir alle, was das bedeutet. Dann bedeutet das: Die Einordnung von Finanz- und Sachplanung ist vertagt auf Mai bis Juni. Dann geht das Parlament in die Sommerpause. Diese Leichthändigkeit bedeutet also sowohl für die Stabilität wie für die Reformpolitik ein vertanes Jahr. Das muß hier heute
    festgestellt werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich weiß nicht, wer davon gesprochen hat — ich glaube, es kam von dieser Seite —, daß man in der Politik das Notwendige möglich machen müsse Meine Damen und Herren, wenn man nicht einmal das Mögliche macht, dann wird man das Notwendige niemals möglich machen können, und dies ist dann ganz sicherlich überhaupt keine Staatskunst mehr.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Deshalb ist zu fragen, Herr Kollege Mischnick Wen haben Sie eigentlich gemeint, als Sie in Ihrem Beitrag zur Regierungserklärung goldene Worte sagten? Sie sagten — ich zitiere —:
    Politik ist Verständigung über das Wirkliche und das Mögliche.



    Dr. Barzel
    Warum haben Sie das gesagt in Ihrer ersten Einlassung? Offensichtlich, weil auch Sie das Gefühl hatten: Dies war nicht zu sehr eine Verständigung über das Wirkliche und über das Mögliche. Und warum haben Sie vor denen gewarnt — ich zitiere Sie —, die mit dem Glauben an die Planbarkeit des Glücks herumlaufen? Ein interessanter Punkt,

    (Abg. Wehner: Sie tun mir leid!)

    den muß man zur Kenntnis nehmen, wie viele andere Dinge in dieser Debatte.
    Wir haben trotz der polemischen Form nicht überhört, was die Kollegen Flach und Bangemann gesagt haben, die immerhin den größeren Teil ihrer Jungfernrede zu Fragen und Anregungen an die Opposition — das ist ihr gutes Recht — gebraucht haben. Es war sehr interessant zu hören: Mehr „C" rät uns Herr Flach; das „C" muß weg, rät uns Herr Eppler. Obwohl diese Ratschläge ganz verschiedene Ergebnisse haben, kommen sie aus demselben Motiv, und dies hat der Kollege Flach doch mit bemerkenswerter Deutlichkeit bezeichnet. Ich will zwei seiner Sätze hier festhalten, weil ich glaube, sie verdienen, hier festgehalten zu werden.
    Er sagt:
    Es könnte eines Tages zu einer derartigen Ungleichgewichtigkeit im deutschen Parteiengefüge kommen, die auch uns, selbst wenn wir weiter gewinnen würden, keine Freude bereiten würde.
    Was dies bedeutet — der Vorsitzende der FDP, Herr Bundesaußenminister Scheel, nickt energisch: so ist es —, ist also klar: es ist die Sorge um die Zukunft des Parteiengleichgewichts wegen der Gefahr der Übergewichtigkeit einer Partei. Wer ist da wohl gemeint? Dann wird der Wunsch ausgesprochen, das deutsche Parteiengefüge müsse wieder freier und offener werden. Das sind sehr interessante Sätze. Wir haben sie gehört, wir halten sie fest, nicht aber — damit uns hier nicht jemand falsch versteht, auf keiner Seite des Hauses und schon gar nicht meine eigenen Freunde — in einer kurzfristigen oder kurzatmigen Absicht oder aus einer taktischen Überlegung, sondern wir halten sie als einen wichtigen Punkt fest, über den als eine Perspektive nachzudenken sein wird.

    (Vorsitz: Vizepräsident Dr. Jaeger)

    Ich möchte in Erinnerung rufen, was wir dazu am 15. Dezember gesagt haben und was ja wohl, wie ich aus jenen Sätzen merke, auch nicht überhört worden ist. Ich will es kurz machen. Wir haben erklärt:
    Uns wird jeder darauf ansprechen können, daß soziale Marktwirtschaft und soziale Partnerschaft die Grundlagen unserer freiheitlichen Ordnung sind, einer Ordnung, für die wir einstehen, die wir verbessern und entfalten, die wir aber nicht sprengen und nicht überwinden wollen. . . . Zu all diesen Grundfragen werden wir — ohne das übliche parlamentarische do ut des — jedermann beistehen, der sich hier im Hause weiterhin in dieser Ordnung wohlfühlen
    und mit dieser Ordnung Entwicklung und Fortschritt bewirken will.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, ich habe im Rahmen dieser Schlußbemerkungen noch zwei grundsätzliche Bemerkungen zu machen. Ich hoffe, sie werden sich kurz abhandeln lassen. Sie ergeben sich aus dieser Debatte. Der Kollege Arndt hat in einem Beitrag, der sicher bemerkenswert war, gesagt, unsere gleichzeitigen Prioritäten für Europa und für Stabilität schlössen sich eigentlich aus. Dies seien eigentlich zwei Thesen, die nicht zugleich verkündet werden könnten. Diese Prioritäten könnten nicht nebeneinander oder ineinander bestehen. So ungefähr lautete seine Einlassung. Nun leugne ich nicht, vor allen Dingen nicht angesichts des zunehmenden Maßes wirtschaftlicher Integration, daß die Gefahr dieses Zielkonflikts besteht. Es ist aber eine Aufgabe einer Regierung, dafür zu sorgen, daß hier nichts entsteht, was eines dieser beiden Ziele etwa in den Hintergrund treten ließe.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Es ist doch eine Aufgabe der Regierungspolitik, das miteinander zu verzahnen und beide Ziele Hand in Hand gehen zu lassen. Ich weiß, daß es möglich ist, die Gestaltung Europas voranzutreiben und zugleich Preisstabilität zu haben. In den Jahren unserer Regierung war dies immer so.

    (Lachen bei der SPD.)

    — Das können Sie nicht bestreiten. (Zuruf von der SPD.)

    — Aber verehrter Herr Kollege, wollen Sie bestreiten, daß wir in den 20 Jahren mit einer durchschnittlichen Preissteigerung von 2 % im Jahr ausgekommen sind?

    (Zurufe von der SPD.)

    — Herr Kollege, Sie haben undifferenziert reagiert.

    (Abg. Rawe: Das Schreien macht doch deutlich, wie das trifft!)

    Ich will es wiederholen. Sie sollten die Liebenswürdigkeit haben, zu erkennen, daß ich es sagte, als ich die Regierungspolitik nannte. Ich räume ein, daß dies mit dem zunehmenden Ausmaß der Integration schwieriger wird. Das sollten Sie gehört haben, bevor Sie hier undifferenziert reagieren.
    Herr Bundeskanzler, wir möchten Ihnen gern den Vorschlag machen, z. B. auch über diese Frage, wenn Sie mögen, zu reden. Sie haben ja die Europapolitik angesprochen. Ich glaube, wir müssen uns bemühen, von der deutschen Seite aus nicht einfach zu sagen, wir importierten Inflation. Wir sind in dieser Gemeinschaft eine ganz starke Kraft, und wenn hier Inflation ist, strahlt das auf andere aus und umgekehrt. Diese Gemeinschaft kann und muß eine Stabilitätsgemeinschaft sein. Hier können Sie doch eine Initiative ergreifen, indem Sie verbindlich vereinbarte Normen für die Stabilitätspolitik der Gemeinschaft in den Mitgliedsländern ins Gespräch bringen, vortragen, vorschlagen und formulieren. Sie haben doch etwas in der Hand, um das wenigstens zum größeren Teil durchzusetzen. Da gibt es doch



    Dr. Barzel
    andere, die wollen gern aus einem Fonds für Währung etwas oder sie wollen aus einem Fonds für Strukturpolitik etwas. Ob Sie Geld in einen Inflationstopf der Gemeinschaft werfen, können Sie doch davon abhängig machen, daß verbindliche Normen als Voraussetzung für solche deutschen Leistungen vereinbart werden. Das sollte doch möglich sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Zum Zweiten. Der Bundeskanzler hat vorige Woche eine sehr verkürzte und knappe Formel gebraucht, indem er von „Frieden vor Nation" sprach. Dies ist eine Formel, die, wie wir alle sicher haben feststellen können in den Tagen seither, draußen in der Diskussion eine große Rolle spielt. Herr Bundeskanzler, ich möchte nun auf gar keinen Fall — vielleicht hören diesmal die Herren, die immer gleich, bevor der Satz zu Ende ist, etwas negativ finden, mir bis zum Ende zu — mißverstanden werden: Wir haben jahrelang in der Öffentlichkeit mit unseren europäischen Freunden und hier im Hause über die Rang- und Reihenfolge der Werte gestritten. Da gab es immer drei: Freiheit, Frieden, Einheit. Wir waren uns auf unserer Seite auch einig über diese Reihenfolge. Nun, Herr Bundeskanzler, ist daraus „Frieden vor Nation" geworden. Zunächst stellt sich die Frage: Ist der Begriff „Einheit" weg, oder ist das nur verbal ausgewechselt? Die zweite Frage, die sich stellt, ist: Aus welchen Gründen ist hier jetzt die fundamentale Kategorie der Freiheit nicht genannt? Herr Bundeskanzler, darüber werden wir uns sicherlich in künftigen Diskussionen hier im einzelnen unterhalten müssen.

    (Unruhe bei der SPD.)

    Dies deshalb — Sie machen doch wirklich diesen Fehler, meine sehr verehrten Kollegen auf der linken Seite dieses Hauses —, weil sich an dieses Wort „Frieden vor Nation" doch die Erklärung des Kanzlers zur Begründung anschließt, mit diesem Vorrang leiste das deutsche Volk den europäischen Völkern einen Dienst. Wenn hier das gemeint ist, was bisher unsere Wertvorstellung war, nämlich Frieden und Freiheit und Einheit — ich will dies nicht in Zweifel ziehen —, dann fragt man doch, warum bei Fortsetzung dieser traditionellen, von uns miteinander getragenen Wertordnung hier etwa ein Dienst für andere entstehen sollte. Wenn aber etwas anderes gemeint ist, muß man es sagen und erklären, worin denn dieser Dienst besteht, den Sie jetzt den anderen Völkern leisten. Das, Herr Bundeskanzler, wird in späteren Debatten wohl besser zu erörtern sein.
    Man fragt uns — und damit komme ich zum Schluß — nach dem Wort, mit dem wir die Strategie, die Taktik und die Politik der Opposition etwa umschreiben. Da gibt es in der Öffntlichkeit drei Begriffe, und die sind uns immer so zum Aussuchen hingehalten worden. Das wird dann eingeengt: Wollt Ihr Konflikt? Wollt Ihr Konfrontation? Wollt Ihr Kooperation? — Was den Konflikt betrifft, so wollen wir ihn nicht, wir weichen ihm aber auch nicht aus. Das hat, glaube ich, der Kollege Bahr gestern gemerkt. Was die Konfrontation betrifft, gar noch die totale Konfrontation, so wollen wir die nicht, wir weichen ihr aber auch nicht aus. Was die Kooperation betrifft, so müßte das schon von der Regierung ausgehen.

    (Unruhe bei der SPD. — Abg. Haeser: Jetzt können Sie im System bleiben!)

    — Ja, ich bleibe darin, keine Sorge, gar keine Sorge! Also die Kooperation müßte schon von der Regierung ausgehen. Und ich hätte wenigstens doch noch eine Frage. Ich habe sehr konkret und mit aktuellem Anlaß gesagt: in Sachen Berlin sollte man wieder zusammenwirken. Nicht einmal das ist von der Regierung beantwortet worden.
    Wenn Sie also nach unserer Marke fragen, dann sollten wir das eigentlich mit diesen Fremdworten jetzt bleibenlassen, sondern wir möchten sagen: miteinander wo möglich und gegeneinander wo nötig. Dies ist unsere Position, und an dieser Position werden wir unsere Politik in diesem 7. Deutschen Bundestag ausrichten. Wir wollen nie vergessen, daß wir hier nur Beauftragte, daß wir hier im Dienst der Wähler sind. Wir wollen hier im Hause nie vergessen, daß das Ganze nicht die Regierung ist und auch nicht die Opposition. Wir miteinander sind schon das Ganze. Jeder trägt hier seine Verantwortung. Beide Rollen, die der Regierung und die der Opposition, verlangen Verantwortung und sind ein Dienst, den wir dem Ganzen leisten.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU.)