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    Deutscher Bundestag 9. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 25. Januar 1973 Inhalt: Verzicht des Abg. Augstein (Hamburg) auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag 243 A Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Opitz (FDP) . . . . . .. . . 243 B Dr. Wulff (CDU/CSU) . . . . . . 244 D Dr. Eppler, Bundesminister (BMZ) . 246 A, 249 D Dr. Freiherr von Weizsäcker (CDU/CSU) . . . . . . . . . 249 B Dr. Barzel (CDU/CSU) . . 250 B, 252 C, 257 A, 263 B Brandt, Bundeskanzler . 251 B, 262 B Wehner (SPD) . . . . 253 C, 262 B Scheel. Bundesminister (AA) . . . 257 A Dr. Mikat (CDU/CSU) . . . . . . 262 A Dr. Ehmke, Bundesminister (BMP) . 264 A Mischnick (FDP) . . . . . . . . 264 C Dr. Friderichs, Bundesminister (BMW) 264 D Dr. Narjes (CDU/CSU) . . . . . 268 D Junghans (SPD) 273 D Dr. Graf Lambsdorff (FDP) . . . 277 B Frau Dr. Wex (CDU/CSU) . . . 280 B Arendt, Bundesminister (BMA) . . 283 C Frau Dr. Focke, Bundesminister (BMJFG) . . . . . . . . 286 B Katzer (CDU/CSU) 288 D Dr. Schellenberg (SPD) 293 D Frau Funcke (FDP) 296 D Frau Eilers (Bielefeld) (SPD) . . 300 D Genscher, Bundesminister (BMI) . 303 B, 323 D Dr. Dregger (CDU/CSU) 307 C Dr. Schäfer (Tübingen) (SPD) . . 312 C Vogel (Ennepetal) (CDU/CSU) . . 318 A Dr. Hirsch (FDP) . . . . . . . 321 A Dr. Meinecke (Hamburg) (SPD) . 324 D Dr. Martin (CDU/CSU) 327 C Frau Schuchardt (FDP) . . . . . 331 A Dr. von Dohnanyi, Bundesminister (BMBW) 333 A Nächste Sitzung 336 C Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 337* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 9. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Januar 1973 243 9. Sitzung Bonn, den 25. Januar 1973 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Adams * 26. 1. Dr. Ahrens ** 27. 1. Alber ** 27. 1. Amrehn ** 27. 1. Augstein (Hattingen) 26. 1. Behrendt * 26. 1. Blumenfeld ** 27. 1. Dr. Dollinger 10. 2. Dr. Enders ** 27. 1. Flämig * 26. 1. Gerlach (Emsiand) * 26. 1. Hösl ** 27. 1. Jung ** 27. 1. * Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an Sitzungen der Beratenden Versammlung des Europarates Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Kahn-Ackermann ** 27. 1. Dr. Kempfler ** 27. 1. Dr. h. c. Kiesinger 27. 1. Lampersbach 25. 1. Lemmrich ** 27. 1. Memmel * 26. 1. Dr. Miltner 2. 2. Dr. Müller (München) ** 27. 1. Pawelczyk ** 27. 1. Richter ** 27. 1. Roser ** 27. 1. Schmidt (Wattenscheid) 25. 1. Schmidt (Würgendorf) ** 27. 1. Dr. Schulz (Berlin) ** 27. 1. Sieglerschmidt ** 27. 1. Dr. Slotta 2. 2. Springorum * 26. 1. Stücklen 26. 1. Dr. Todenhoefer 24. 2. Frau Dr. Walz ** 27. 1. Westphal 26. 1. Frau Will-Feld 24. 2. Wolfram * 26. 1.
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    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Er verdankt der Partei alles, was er bisher in seinem Leben geworden ist". — Eben um die Frage aber geht es, ob die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes ihr Fortkommen der persönlichen Tüchtigkeit und fachlichen Leistung oder aber ihrem Parteibuch verdanken sollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Nicht nur die Leistungsfähigkeit der Verwaltung, sondern vor allem auch die Glaubwürdigkeit des
    Rechtsstaates fordert aber auch, daß der Staat seine Mitarbeiter leistungsgerecht besoldet und versorgt. Dazu hat die Regierungserklärung alle drängenden Fragen offengelassen.
    Wir fragen: Wie stellt sich die Bundesregierung die Okjektivierung der jährlichen Besoldungsanpassung nach dem neugeschaffenen § 60 des Bundesbesoldungsgesetzes vor? Wie will sie der nachträglichen Entwertung der Versorgungsbezüge derer begegnen, die an Höherstufungen im aktiven Dienst nicht teilnehmen? Was geschieht mit dem einstimmigen Beschluß des Bundestages vom 3. März 1971? Ich glaube, diese Frage ist nach der Zwischendiskussion, die wir gestern und heute vormittag hier gehabt haben, um so berechtigter, als es hier um ein Stück Vertrauen des öffentlichen Dienstes in einstimmige Beschlüsse dieses Bundestages geht.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Recht nebulös klingt der Satz in der Regierungserklärung, nicht gerechtfertigte Differenzierungen im Status müßten abgebaut werden.

    (Zurufe von der SPD.)

    Über solche Gemeinplätze — Herr Kollege Liedtke — ist die Diskussion doch längst hinaus. Es geht darum, welche Differenzierungen nicht gerechtfertigt sind und w i e sie abgebaut werden sollen. Durch konsequenten Ausbau des verfassungsmäßig gesicherten Berufsbeamtentums oder durch seine Aushöhlung und letztliche Abschaffung? Das ist die Frage, um die es geht. Die Bundesregierung hat sich früher durch den Mund ihres Innenministers schon sehr viel klarer ausgedrückt. Wir wüßten gern, ob die unklare Aussage der Regierungserklärung daran etwas ändern soll.
    Meine Damen und Herren, ich möchte noch etwas zur Medienpolitik ausführen, die mit einigen bemerkenswerten Akzenten in der Regierungserklärung angesprochen ist. Wir begrüßen es nachdrücklich, daß der Bundeskanzler die Notwendigkeit einer umfassenden Information des Bürgers und der Vielfalt der Meinungen in den Massenmedien so stark hervorgehoben hat.

    (Zuruf von der SPD: Beides gehört zusammen!)

    Wir hoffen, daß die Bundesregierung ihre durch den Mund des Bundeskanzlers verkündete Absicht, an der Meinungsfreiheit nicht rütteln zu lassen, ohne Abstriche verwirklicht — vor allem im Alltag.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir werden hierauf um so mehr zu achten haben, als eine die Politik der Regierung kritisch begleitende öffentliche Meinung eine notwendige Ergänzung der Arbeit der parlamentarischen Opposition darstellt.
    Aber etwas mehr Aufschluß hätten wir gern zu dem Satz:
    Zur Pressefreiheit und Medienfreiheit gehört
    die Freiheit i n der Presse und i n den Medien.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Statt eines Kommentars zu diesem Satz will ich lediglich einen Bericht der „Neuen Zürcher Zeitung"

    Vogel (Ennepetal)

    vom 7. April 1970 zu Reformen des Pressewesens durch das Militärregime in Peru wiedergeben. Dort wird auf eine weitgehende Aushöhlung der Pressefreiheit durch eine neue Regelung hingewiesen, die es jedem Journalisen gestatten soll, in seiner Zeitung Meinungen über alle möglichen politischen und sonstigen Angelegenheiten zu veröffentlichen, ohne daß die Chefredaktion oder der Verlag ihn daran hindern kann. „Auf diese Weise", so heißt es in dem Bericht weiter, „will man es den Zeitungen offenbar unmöglich machen, einen konsequenten Standpunkt zu vertreten, insbesondere solchen, die dem Regime nicht genehm sind." — So weit der Bericht der „Neuen Zürcher Zeitung" zu diesem Modell.
    Meine Damen und Herren, dem Entwurf des Presserechtsrahmengesetzes sehen wir darum mit gespannter Aufmerksamkeit entgegen.

    (Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)

    Nur nebenbei: Neben einer Regelung des Zeugnisverweigerungsrechts in Presse und Funk erwarten wir einen Ausbau des Gegendarstellungsanspruchs im Interesse des einzelnen, der sich den Angriffen der Presse oft schutzlos ausgesetzt sieht.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, der Herr Bundesinnenminister hat versucht, diese Debatte um den innen-und rechtspolitischen Teil der Regierungserklärung auf das Thema Umweltschutz zu verengen. Er hat das mit sehr viel Emphase getan. Wir lesen einiges an Grundsätzen in der Regierungserklärung zu diesem Bereich. Wenn ich die Grundsätze der Regierungserklärung zum Umweltschutz mit denen unseres Parteiprogramms und unseres Konzeptes für Umweltvorsorge vergleiche, sehe ich kaum Widersprüche, jedenfalls nicht solche Widersprüche, die künftige unausräumbare Kontroversen andeuten würden. Wozu also der ganze Sturm im Wasserglas, der hier entfacht worden ist, — angesichts ja auch einer bewahrten Praxis der Kooperation in den Fragen des Umweltschutzes in der vergangenen Legislaturperiode in diesem Hause?

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Aber wir dürfen doch fragen, welche konkreten Maßnahmen hinter diesen Grundsätzen stehen. Es heißt dort lapidar:
    Wir werden unser Umweltprogramm verwirklichen und weiterentwickeln.
    Wir fragen: Wie wollen Sie beispielsweise das Verursacherprinzip verwirklichen? Sollen etwa durch ein Abwasserabgabengesetz dem Staat neue Einnahmen erschlossen werden, oder sollen die Abgabepflichtigen selbst, nach genossenschaftlichen Grundsätzen etwa, die aufgebrachten Mittel verwalten können? Was soll getan werden, damit mehr umweltfreundliche Produkte hergestellt werden? Welche konkreten Absichten stehen hinter der im Wahlkampf angekündigten Besteuerung umweltfeindlicher Produkte? Mir geht es nicht darum, hier und heute fertige Antworten zu bekommen. Aber ich wüßte gern, wie Sie bei der Vielzahl der Umweltprobleme die Prioritäten setzen wollen. Herr Kollere Strauß hat diese Frage gestern hier gestellt.
    Ich halte es für interessant und nachdenkenswert, wenn in der Regierungserklärung gesagt wird:
    Die Menschen insgesamt haben ein elementares Recht auf eine menschenwürdige Umwelt, dem Verfassungsrang zukommen sollte...
    Aber ich meine, wenn hier vernünftig nachgedacht, wenn nicht auch nur eine Platzpatrone abgeschossen werden soll, dann eignet sich zum Nachdenken sicher am ehesten die Enquete-Kommission für Verfassungsreform. Wenn Sie heute konkret etwas tun wollen, dann könnten Sie dem Vorschlag in dem von uns vorgelegten Entwurf eines Naturschutz-und Landschaftspflegegesetzes folgen, in dem geeigneten Einrichtungen ein Beteiligungsrecht an staatlichen Maßnahmen für Naturschutz und Landschaftspflege eingeräumt wird.
    Die Regierungserklärung wiederholt auch die stereotype Plattheit des Innenministers, Umweltschädigungen seien keine Kavaliersdelikte. Wir stimmen dem zu. Aber wir fragen: Haben Sie die Absicht, einen Abschnitt „Umweltstrafrecht" in das allgemeine Strafgesetzbuch aufzunehmen? Nur dann bekämen wir ja konkrete Antwort durch die Regierungserklärung.
    Auf die allen eigenen Erkenntnisse der Bundesregierung widersprechende Ungereimtheit, bei der Verteilung der Ressortkompetenzen Umweltschutz und Raumordnung sachwidrig auseinanderzureißen, damit einem neuen Minister Gelegenheit gegeben werden kann, sich noch rechtzeitig für den nächsten Landtagswahlkampf zu profilieren, hat Herr Kollege Strauß schon hingewiesen.
    Was wird angesichts solcher Entscheidungen, so fragen wir, aus dem überfälligen, zuletzt für Ende 1972 versprochenen Bundesraumordnungsprogramm? Die Bundesregierung wird auf einen raschen Abschluß drängen, sagt der Bundeskanzler. Sein Minister wurde konkreter; er hofft, im Jahre 1974 fertig zu sein. Meine Damen und Herren, eine solche unerträgliche Verzögerung ist wohl nicht allein die Folge des Zuständigkeitshandelns; dahinter wird man auch den Versuch einer weitgehenden Umrüstung und Umorientierung zu sehen haben.
    Meine Damen und Herren, ich möchte an sich noch einiges zu den Fragen der Rechtspolitik ausführen. Ich sehe, Frau Präsidentin, daß meine Redezeit zu Ende ist. Deshalb werden wir die Fragen der Rechtspolitik in dieser Runde nicht behandeln können. Ich glaube aber, daß es notwendig sein wird, auch hier angesichts der sehr allgemein gehaltenen Ausführungen in der Regierungserklärung noch konkreter zu werden, dazu einiges mehr zu hören. Wir werden sehr bald dazu Gelegenheit haben, uns hierüber in diesem Hohen Hause näher zu unterhalten und unsere Standpunkte darzulegen.
    Meine Damen und Herren, mir ist es nur möglich gewesen, einige Punkte aus dem sehr umfangreichen rechts- und innenpolitischen Themenkatalog hier anzusprechen. Ich glaube, daß es unzulässig wäre, die Fragen der Rechts- und Innenpolitik auf die wenigen



    Vogel (Ennepetal)

    Themen zu beschränken, die heute hier angesprochen worden sind. Ich hoffe, daß wir Gelegenheit haben werden, die anderen Punkte auch in diesem Hause ausführlich genug, so wie sie es verdienen, zu behandeln.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Hirsch.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Burkhard Hirsch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Quality of life, dieses Wort hat als „Qualität des Lebens" — für meine Ohren eher wörtlich als schön übersetzt — eine beachtliche Umlaufgeschwindigkeit erreicht. Es kommt darauf an, diese Formel zu konkretisieren. Im Bereich des Umweltschutzes kehren wir zum eigentlichen Wortsinn zurück, nämlich zu der schlichten Erkenntnis, daß die Menschenwürdigkeit unseres Lebens nicht allein von wirtschaftlichem Wachstum oder von Produktionszahlen der Unternehmen oder vom Bruttosozialprodukt abhängt, sondern vom Zustand und den Zielen unserer Gesellschaft und davon, ob es uns gelingt, unter den Bedingungen einer modernen Industriegesellschaft die biologischen Grundlagen unserer Existenz zu erhalten, und zwar nicht nur für einige wenige Auserwählte, denen materielle Mittel eine eigene Umweltgestaltung gestatten, sondern für jedermann.

    (Beifall bei der FDP.)

    Es ist eine liberale Aufgabe, dieses Ziel zu erreichen, ohne individuelle Freiheitsrechte mehr als nötig zu beschneiden. Es ist eine liberale Aufgabe, das im System der sozialen Marktwirtschaft zu erreichen. Es ist eine liberale Aufgabe, das zu tun, ohne im internationalen Bereich durch mangelnde Harmonisierung spürbare Wettbewerbsverzerrungen oder Handelshemmnisse aufzubaren.
    Es ist immer wieder dargelegt worden — es braucht daher hier im einzelnen nicht wiederholt zu werden —, daß die Bevölkerungszunahme, die Verstädterung, die Zersiedlung und der wachsende Wohlstand zu einer Übernutzung und Zerstörung der Naturgrundlagen geführt haben, daß die Immissionen unsere Existenz beeinträchtigen und daß die Chemikalien beginnen, nicht nur die Insekten zu vernichten, sondern uns selbst zu vergiften. Einig sind wir uns darin, daß diese Probleme nicht der Staat allein lösen kann, sondern daß ein gemeinsames Umweltbewußtsein im täglichen Leben geschaffen werden muß, von dem wir noch weit entfernt sind.
    Drei Grundpositionen: Wir sind mit der Bundesregierung der Meinung, daß ein Grundrecht auf menschenwürdige Umwelt geschaffen werden muß und in den Grundrechtskatalog einzuführen ist. Es kommt uns nicht etwa darauf an, mit einem solchen Grundrecht eine Fülle von Individualklagen zu provozieren und Hoffnungen zu erwecken, die nicht — oder zumindest nicht jetzt — erfüllt werden können. Aber es kommt darauf an, für staatliche Aktivitäten einen Verfassungsauftrag und ein soziales Grundrecht zu formulieren, das gesetzliche Regelungen für konkrete Leistungsansprüche vorbehält.
    Ich halte es auch für denkbar — das ist eine persönliche Bemerkung -, die Möglichkeit zu prüfen, Verbandsklagen zu schaffen, die sich in den Vereinigten Staaten und der Schweiz als Mittel der Umweltkontrolle bewährt haben. Ich bin der Überzeugung, daß wir nicht ein Zuviel, sondern ein Zuwenig an individuellem Rechtsschutz in diesem Bereich haben.

    (Beifall bei der FDP.)

    Gerade mit dem Institut der Verbandsklagen kann dem Bürger selbst die Möglichkeit gegeben werden, Aktivrechte auszuüben. Das Ziel ist nicht — um das zu wiederholen —, Querköpfen Gelegenheit zu geben, überflüssige Energien auszutoben, sondern das Ziel ist, zu sichern, daß die Betroffenen vorbeugend bei Planungsentscheidungen in angemessenem Rahmen beteiligt werden.
    Im bundesstaatlichen Bereich müssen wir bereit sein, dem Bund die verfassungsrechtlichen Möglichkeiten zu geben, über eine einheitliche Materie auch einheitlich zu entscheiden. Wir meinen in erster Linie die volle konkurrierende Gesetzgebung auf dem Gebiet des Wasserhaushaltsrechts, aber auch im Bereich des Naturschutzes und der Landschaftspflege. Das ist hier im einzelnen schon wiederholt angesprochen worden.
    Davon losgelöst ist das Problem zu betrachten, daß die Finanzausstattung der Länder und Gemeinden natürlich den Aufgaben entsprechen muß, die ihnen auf diesen Gebieten im Interesse der Allgemeinheit auferlegt werden.
    Wir haben mit Erstaunen die etwas vielfältigen und nicht einheitlichen Bemerkungen der Opposition über den Zusammenhang zwischen den Verfassungsänderungen, die dazu notwendig sind, und den Arbeiten der Enquete-Kommission zur Kenntnis genommen. Ich will das in dieser Debatte nicht wiederholen; wir werden ja darauf zurückkommen, sobald die einzelnen Gesetze und Verfassungsänderungen hier auf dem Tisch liegen. Es wäre eine dankbare Gelegenheit, hinsichtlich dieser Frage auch etwas über die Entwicklung des Verhältnisses zwischen Bund und Ländern überhaupt zu sagen, und zwar gerade wenn man an den historischen Anknüpfungspunkt denkt, der hier verschiedentlich als Reichsgründungstag apostrophiert worden ist. Man hätte ja genausogut an die Kaiserkrönung zu Versailles denken können. Aber diese Formulierung entspricht nicht mehr ganz unserem heutigen Verständnis und zeigt nämlich, was sich und wieviel sich seit damals geändert hat.
    Die Funktionen der Länder im modernen Parteienstaat bewähren sich eben nicht im Besitz einzelner Rechte, sondern bewähren sich als Element der Gewaltenteilung. Heute wie damals geht es primär nicht um die Ausübung von Herrschaftsgewalt kraft eigenen Rechtes — wie man das so schön formulierte —, sondern es geht um die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern bei einer Dienstleistungsaufgabe in der dafür zweckmäßigsten Organisation. Das darf eben nicht an Zuständigkeitsregelungen scheitern.

    (Beifall bei der FDP.)




    Dr. Hirsch
    Die zweite Feststellung: Wir wollen das Verursacherprinzip durchführen, dessen systematische Grundlagen weitgehend entwickelt sind. Es wird sich erweisen, wieweit sich die grundlegende Zustimmung aller Fraktionen dieses Hauses bei der Beratung der Einzelprobleme bewahrheitet. Es muß klar sein, daß wir in der Verwirklichung des Verursacherprinzips die Bewährung unserer Überzeugung sehen, daß der Umweltschutz in einem marktwirtschaftlichen System zu verwirklichen ist. Wir wollen das, weil keine Zweifel darin bestehen kann, daß wirtschaftliche Interessen zurücktreten müssen, wenn sie mit den zwingenden Erfordernissen des Umweltschutzes nicht zu vereinbaren wären.
    Unser Appell geht daher auch an die Wirtschaft, die Qualitätsziele für Luft und Wasser, also die Reinheitserfordernisse, nicht deshalb in Frage zu stellen, weil sie bei der Anerkennung des Verursacherprinzips zu einem wesentlichen Kostenfaktor werden müssen. Wir werden genau diese Haltung der Wirtschaft bei der Beratung der Abwasserabgabe erproben.
    Die dritte Feststellung: Wir wollen die gesetzgeberische Arbeit, die durch die vorzeitige Auflösung des Bundestages verzögert wurde, beschleunigt fortsetzen. Dazu gehören u. a. die Novellen zum Wasserhaushaltsgesetz, das Bundesimmissionsschutzgesetz und die Schaffung der notwendigen Instrumentarien für Umweltstatistik, Umweltverträglichkeitsprüfung und Umweltforschung. Die Entwicklung langfristiger Planungen und Konzeptionen ist auf allen diesen Gebieten unausweichlich. Mit Tageserfolgen allein ist hier nichts zu erreichen.
    Damit stellt sich ein anderes Verfassungsproblem, das hier bisher nicht erwähnt worden ist, nämlich das Problem des Verhältnisses von Regierung und Parlament bei langfristigen staatlichen Aufgabenplanungen, ein Gewaltenteilungsproblem, das es bei Bismarck auch noch nicht gegeben hat. Ich darf Ihnen statt eigener Ausführungen dazu dringend empfehlen, die sehr lesenswerten Ausführungen der Enquete-Kommission über staatliche Aufgabenplanung im parlamentarischen Regierungssystem ausnahmsweise selbst zu lesen und nicht nur lesen zu lassen.
    Wir begrüßen die erklärte Absicht der Bundesregierung, mit Entschiedenheit ihre Aktivität auf dem Gebiet des Umweltschutzes fortzusetzen, und zwar im nationalen Bereich ebenso wie im übernationalen Bereich. Sie wird weiter dafür eintreten müssen, daß unsere Nachbarn erkennen, daß eine Wirtschafts- und Finanzunion auch eine Harmonisierung der Umweltnormen voraussetzt, und zwar nicht auf ihrem kleinsten Nenner. Wir werden die Bundesregierung bei allen diesen Aufgaben nach Kräften unterstützen.
    Nun noch ein paar Bemerkungen zur inneren Sicherheit. Herr Kollege Dregger hat ja den erwarteten Ruf nach law and order mit aller Ausführlichkeit erklingen lassen und dabei das ganze Gruselkabinett Ihres Wahlkampfes wieder vorgeführt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Law and order, eine verlockende Formel, nicht wahr. Recht und Ordnung, wer wollte das eigentlich nicht? Aber leider, Herr Kollege Dregger, kann diese Formel leicht dazu benutzt werden, zur schlichten Beharrung auf gegebenen Verhältnissen aufzurufen und damit einen Mangel an intensivem Nachdenken zu verbergen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Nachdenken heißt hier zunächst einmal, die Ursachen zu prüfen, warum es zur Forderung nach Veränderungen in solcher Heftigkeit gekommen war und warum das nach dem Antritt der sozialliberalen Koalition auf den Straßen aufgehört und sich in den Bereich der Universitäten verlagert hat, in denen wir in der Tat — aber nicht durch eigenes Verschulden — nicht weitergekommen sind. Wir sind ja nicht der Meinung, wie es bei Ihnen vielleicht anklingt, wenn Sie das in diesem Zusammenhang immer wieder erwähnen, daß die Hochschulreform durch den Innenminister zu machen und eine Angelegenheit der Polizei ist.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Nachdenken heißt dann aber auch, zwischen der Kriminalität im klassischen Sinn und Erscheinungen des politischen Lebens zu differenzieren, die von friedlichen Straßendemonstrationen bis in der Tat zur kriminellen Gewaltanwendung durch politische Terroristen reichen.
    Darum ein ganz klares Wort: Gewalt ist und kann kein legales und kein legitimes Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele sein, und zwar weder gegen Menschen noch gegen Sachen, wenn man diese etwas ominöse Unterscheidung überhaupt machen will. Gewalt ist kriminelles Unrecht.
    Es kommt darauf an, alle rechtsstaatlichen Mittel einzusetzen, um die Anwendung der Gewalt zu bekämpfen, ohne politische Konflikte durch Maßnahmen staatlicher Herrschaftsgewalt unterdrücken zu wollen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Es kommt aber auch darauf an, bei der Bekämpfung kriminellen Unrechts ausschließlich rechtsstaatliche Mittel im Konflikt zwischen der wirksamen Verbrechensbekämpfung einerseits und der Wahrung der verfassungsmäßigen Rechte der Bürger dieses Landes andererseits einzusetzen.
    Ein paar Bemerkungen zur klassischen Kriminalität. Ich will hier gar nicht mit Zahlen hantieren, aber es besteht gar kein Anlaß, die Entwicklung der Kriminalität in diesem Lande zu dramatisieren. Es gibt ein gewisses Ansteigen der Gesamtkriminalität, aber sie ist im Vergleich zu den Raten des Vorjahres niedriger, und zwar bei unverändert hoher Aufklärungsrate gerade bei den Kapitaldelikten.
    Die Bundesregierung hat auf diesem Gebiet alles getan, was erforderlich ist. Sie hat einen Kampf gegen die Kriminalität ohne Beispiel geführt. Ich erinnere an das „Sofortprogramm Verbrechensbekämpfung" und das „Schwerpunktprogramm Innere Sicherheit". Es ist dem Bundesinnenminister zum erstenmal gelungen, ein gemeinsames Programm des Innenministers des Bundes und der Innenmini-



    Dr. Hirsch
    ster der Länder vorzulegen — ein Programm, das zeigt, daß es möglich ist, einheitliche und der Entwicklun g angepaßte Grundsätze zu formulieren.
    Diese Bundesregierung hat umfassende personelle und technische Verbesserungen in den Bereichen ihrer Zuständigkeit bewirkt: im Bundeskriminalamt, im Bundesamt für Verfassungsschutz, beim Ausländerzentralregister und beim Bundesgrenzschutz.
    Es ist auch alles getan worden im Hinblick auf neue Formen der Kriminalität. Hierunter fällt die Luftpiraterie, die sich bekanntlich nicht nur in der Bundesrepublik abspielt und bei der wir in besonderem Maße auf vorbeugende und internationale Maßnahmen angewiesen sind. Hier stellt sich das Problem der Verquickung schlicht Krimineller mit politischen Überzeugungstätern, deren moralische Wertung vom eigenen politischen Standpunkt nicht immer unabhängig ist.
    Der Bundesinnenminister und die Innenminister der Länder sind sich darin einig, daß es keinen — jedenfalls keinen absoluten — Schutz gegen Terroristen gibt, die das eigene Leben nicht achten. Daraus ergibt sich die besondere Verpflichtung zur Vorbeugung, zur stärkeren Kontrolle und Überwachung der Angehörigen jener Länder, die sich nicht davor scheuen, ihren Krieg in unser Land hereintragen zu lassen. Es liegt auch nicht in deren eigenem wohlverstandenem Interesse, Konflikte zu vermeiden, die unsere auswärtigen und wirtschaftlichen Beziehungen zu ihnen in hohem Maße belasten müßten. Wir billigen daher das Verbot solcher Organisationen, die ihre Tätigkeit vor deutschen Behörden verschleiern und in Wirklichkeit die Anwendung von Gewalt begünstigen oder gar vorbereiten.
    Das eigentliche Problem der inneren Sicherheit liegt in der Differenzierung zwischen kriminellem politischem Terror und erlaubten politischen Aktionen auch von Randgruppen, also in der Bestimmung der Grenze zwischen politischem Radikalismus und demokratischem Reformwillen. Nicht alle, Herr Kollege Dregger, die auf der Straße demonstrieren, sind potentielle Baader-Meinhofs.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Erhard [Bad Schwalbach] : Das hat kein Mensch gesagt!)

    Es ist auch nicht unser Weg, politische Extremisten mit Mitteln zu bekämpfen, die nicht rechtsstaatlich wären und damit die moralische Qualität unseres Staates zu verändern, sondern im Gegenteil, es ist unser Weg, durch die Bewahrung rechtsstaatlicher Formen der Verbrechensbekämpfung den Bürger immun zu machen gegen die Verketzerung unseres Staates als eine blinde Herrschafts- und Manipulationsmaschine, die er nicht ist. Das ist übrigens auch der Grund dafür, daß wir die Regelung des Artikels 10 des Grundgesetzes, also die rechtsstaatliche Struktur des Abhörgesetzes, überprüfen wollen.
    Ich meine, daß es zu einer neuen Einstellung gegenüber den Formen der politischen Willensbildung kommen muß. Die Bevölkerung dieses Landes ist in hohem Maße politisiert. Wir glauben, daß die subjektive politische Kompetenz des Bürgers, also seine
    Mündigkeit und sein Wunsch, auf politische Entscheidungen unmittelbar Einfluß zu nehmen, so zugenommen hat, daß der Bürger sich nicht mehr damit begnügen will — wie es Ihnen vielleicht vorschwebt —, alle vier Jahre zur Wahl zu gehen, die Zeitung zu lesen und Briefe an seine Abgeordneten zu schreiben, sondern er will selbst politische Entscheidungen artikulieren und sicher sein, daß sie öffentlich zur Kenntnis genommen werden. Das ist für mich keine Krise der Autorität, sondern eine Ausweitung des öffentlichen Engagements, die zu begrüßen ist.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich rede weder von der Betätigung radikaler Ideologen noch von den Nachahmungstätern, die sich unter dem Eindruck des öffentlichen Aufsehens einreden möchten, daß auch ihre Ziele die Mittel heiligen könnten. Aber es ist keine Frage, daß die vielfältigen Formen gewaltloser Bürgerinitiativen und gewaltloser Demonstrationen demokratisch, legitim und legal sind und daß der schlichte Ruf nach law and order nicht mißbraucht werden sollte, das politische Engagement dieser kritischen Bürger zu politischem Radikalismus zu verfälschen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Erhard [Bad Schwalbach] : Wer versucht denn so etwas?!)

    Sie würden mit diesem Mißverständnis unabsehbare Folgen gerade für die demokratische Solidarität und die staatliche Autorität heraufbeschwören, die Sie zu erhalten vorgeben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Innere Sicherheit, Herr Kollege Dregger, ist nicht nur das Problem von Polizei und Justiz, und darf es nicht sein. Innere Sicherheit heißt, die Interessenkonflikte unserer Gesellschaft zu erkennen und mit friedlichen Mitteln zu lösen. Law and order heißt in unserer Übersetzung: demokratische Rechte und liberale Ordnung. Das ist unser Ziel, und darum werden wir uns bemühen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)