Rede von
Hansheinrich
Schmidt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Kollege Härzschel, ich habe nicht gesagt, daß ich den 63jährigen für gesundheitsgefährdet halte. Wir wollen vielmehr, daß er frei entscheidet,
ob er von der flexiblen Altersgrenze mit Zuverdienst — 30 % — Gebrauch macht und dadurch einen echten flexiblen Übergang in ein Rentnerleben hat, wo er dann meistens mit 65 Jahren seinen Nebenverdienst ganz aufgeben oder weiter einschränken wird. Daß das der sozialpolitische, gesundheitspolitische Sinn der flexiblen Altersgrenze war und ist, wird niemand von Ihnen bestreiten. Er wird durch die von Ihnen vertretene Regelung auf den Kopf gestellt. Das ist das Problem.
Kurz noch etwas zu dem Zuverdienst. Wenn Sie die Zuverdienstfrage, die Frage des vollen Weiterverdienstes, für eine so bedeutsame und entscheidende Frage halten, frage ich mich und möchte ich an Sie die Frage richten, warum es seinerzeit in den Beratungen von Ihrer Seite keinen Antrag gegeben hat, auch den Frauen, die bereits vom 60. Lebensjahr an Rente beziehen können, eine solche volle Zuverdienstmöglichkeit zu geben.
Ich habe nie etwas von Ihnen darüber gehört, daß Sie das auch möchten. Das paßt allerdings in manche andere frauen- und familienfeindliche Punkte Ihrer Anträge hinein, vom Babyjahr bis zur Öffnung der Rentenversicherung.
— Darüber werden wir ein andermal reden.
Ich sehe, die Uhr geht weiter. Ich hatte nur deshalb 30 Minuten angemeldet, weil ich mir im klaren war, daß Sie eine Reihe von Zwischenfragen stellen würden.
Einige wenige Worte zu den gesamten Finanzauswirkungen und zu der Frage der Auslastungsquote, der Antragsquote, oder wie Sie das nennen wollen. Es steht ohne Zweifel fest, daß bei einem vollen Zuverdienst ab 63. Lebensjahr die Quote derer, die Anträge stellen, höher liegen wird als bei einem 30 %igen Zuverdienst. Ich glaube, darüber sind wir uns alle einig. Es steht auch fest, daß eine Erhöhung der Quote um 10 % nach Ihren Vorstellungen 8 Milliarden DM mehr kostet. Wir gehen bei unseren Vorstellungen von einer Quote von 70 % aus, die bis 1986 63 Milliarden DM kosten wird. Wenn wir nun nach Ihren Vorstellungen eine Quote von 90% mit 79 Milliarden DM annehmen, besteht schon ein Unterschied von 16 Milliarden DM. Bei einer hundertprozentigen Ausnutzung erhöht sich der Aufwand sogar auf 87 Milliarden DM, so daß der Unterschied 24 Milliarden DM ausmacht.
In den letzten Wochen, sowohl vor dem Wahltag als auch nach dem Wahltag, und auch bei der Beantwortung der ersten, „kleinen" Regierungserklärung durch Ihren Fraktionsvorsitzenden habe ich mit großer Freude und mit viel Verständnis gehört, daß Sie der Wiedergewinnung der Stabilität, der Herabsetzung der Preissteigerungsraten in den nächsten Jahren genau solche Prioritäten einräumen, wie wir das seit eh und je tun. Jeden Tag bitten Sie wie wir die Tarifpartner, mit ihren Lohnansätzen nicht zu hoch zu gehen. Da das so ist, frage ich mich, wie Sie diese Kostenerhöhung von 24 Milliarden DM bezahlen wollen. Sie ist nur zu bezahlen, wenn Sie gleichzeitig einkalkulieren, daß wesentlich höhere Lohnraten und dadurch wesentlich höhere Beitragsraten kommen werden, daß also keine Stabilität eintritt.
Wir aber gehen den Weg einer stabilitätskonformen Regelung, wir gehen den Weg einer soliden Finanzierung der Rentenversicherung. Wir sind nicht bereit, wie seinerzeit in der Großen Koalition notwendig, wegen Finanzschwierigkeiten in der Rentenversicherung Rentenverschlechterungen und Beitragsanhebungen in Zukunft einzukalkulieren, wie dies Ihr unsinniger Vorschlag der flexiblen Altersgrenze mit vollem Zuverdienst bedingen würde, akzeptiert hat.
Meine Damen und Herren, in den Monaten vor der Wahl bestand in den Versammlungen nicht etwa das große Glück über die Beschlüsse, die wir von Ihnen aufs Auge gedrückt bekamen, sondern fast alle, ob Rentner oder Beitragszahler, stellten immer wieder die besorgte Frage — diese Erfahrung haben viele von uns gemacht —: Müssen wir denn nicht in absehbarer Zeit mit Rentenverschlechterungen rechnen, ähnlich wie damals beim RentnerKrankenversicherungsbeitrag oder bei der Abschmelzung bei der Knappschaft, oder müssen wir nicht — das waren die 23 Millionen Beitragszahler — mit Beitragserhöhungen rechnen, nachdem die Beschlüsse über die finanziellen Möglichkeiten der Rentenversicherung bis 1986 hinausgehen? Diese Fragen habe jedenfalls ich im Wahlkampf immer wieder bekommen, und ich habe mich deshalb noch mehr beauftragt gefühlt, sobald wie möglich das von Ihnen damals Durchgesetzte wieder in eine finanziell vernünftige Form zu gießen. Das tut unser Vorschlag.