Rede von
Hansheinrich
Schmidt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Entschuldigen Sie, Herr Kollege Leicht: gegen alle Anträge der CDU/CSU — lesen Sie das Protokoll nach —, die sich mit den Entwürfen der Bundesregierung befaßten und die die Ausschußbeschlüsse betrafen, die den Kern der Rentenreform ausmachten. Daß wir die Anpassungsfrage in die Rentenreform mit einbezogen hatten, war ja eine gesetzestechnische Sache der gleichzeitigen Beratung; das wissen auch Sie.
Sie wissen auch sehr genau — ich bin noch nicht ganz fertig mit dem Abbau dieser Legendenbildung —, daß bereits in der zweiten und dritten Lesung hier von mir und den Kollegen der SPD in den Erklärungen deutlich gemacht wurde, daß wir, sobald wir eine Möglichkeit sähen, willens seien, die Dinge wieder zu ändern, die wir für unrichtig, unsachlich, unvernünftig und finanziell nicht tragbar halten. Vom 22. September an bis zum heutigen Tage habe ich in der Öffentlichkeit kein einziges Mal Unklarheit darüber gelassen. Und ich weiß, daß viele meiner politischen Freunde ebenfalls deutlich gemacht haben, daß wir so bald als möglich vordringlich diese Frage im Zusammenhang mit der flexiblen Altersgrenze, aber auch — auf längere Sicht — die Fragen der Problematik bei der Mindestrente, die noch offenen Probleme bei der Öffnung und auch des „Baby-Jahres" wieder anschneiden werden. Damit wir das ganz klar sehen! Heute geht es um die Änderung dessen, was Sie in die flexible Altersgrenze hineingebracht haben. Nachdem Sie, Herr Kollege Götz, diese Frage angesprochen haben, kann ich nur noch einmal kurz wiederholen, was Herr Kollege Schellenberg gesagt hat: Mit der Festlegung auf einen vollen Zuverdienst vom 63. Jahr an haben Sie die gesundheits- und sozialpolitischen Aspekte der flexiblen Altersgrenze auf den Kopf gestellt.
Sie haben die Entscheidungsfreiheit, die Herr Kollege Götz hier angesprochen hat, in Wirklichkeit voll auf die materielle Seite abgedrängt. Die Entscheidung des einzelnen wird nicht von seinem Gesundheitszustand, nicht von der Überlegung abhängen, einen langsamen Übergang ins Rentenalter zu bekommen, sondern allein von der Ausrechnung: wie stehe ich mich besser.
— Herr Kollege Götz, Sie können hier nicht — um das gleich zu erwähnen — die Beamten zum Vergleich heranziehen. Der Beamte muß immerhin seinen Arbeitsplatz verlassen, wenn er sich mit 62 Jahren pensionieren läßt. Er kann im Bereich des öffentlichen Dienstes keinen unbegrenzten Zuverdienst haben, sondern nur in Höhe der Spanne, um die sein Ruhegehalt gegenüber den Aktiv-Bezügen zurückbleibt.
Nun nennen Sie mir einmal die Zahl der Beamten,
die in der Lage sind, aus dem Beamtenverhältnis
heraus einen vollen Zuverdienst irgendwo anders zu finden.
— Entschuldigen Sie, Herr Kollege Götz, dann wäre ja die Ausnutzungsquote bei den Beamten sehr hoch. In Wirklichkeit ist sie sehr niedrig, wie Sie genau wissen. Es ist doch eben das Problem, daß nach der von Ihnen durchgesetzten Regelung, die wir heute ändern werden, der einzelne seinen Arbeitsplatz beibehält und gleichzeitig Rente bezieht.
Herr Kollege Dr. Götz, Sie haben von Gesundheitsaspekten gesprochen. Sie haben gesagt, daß jemand, der gesund ist, besser weiterarbeiten kann als jemand, der nicht so gesund ist. Gerade dort liegt doch das Problem bei Ihren Vorstellungen. Wer gesund ist, kann ganz klar die materielle Entscheidung treffen: ich bleibe auf dem Arbeitsplatz, verdiene voll und bekomme die Rente dazu. Wer nicht gesund ist, tut sich schwer, und bei Arbeitsmarktschwankungen wird er möglicherweise sogar aus seinem Arbeitsplatz herausgedrängt, weil er zwar die Möglichkeit hat, sich für den Zuverdienst zu entscheiden, aber nicht mehr über seine volle Arbeitskraft verfügt.