Herr Kollege, es ist richtig, Sie haben gewarnt, aber Ihre Warnungen waren nicht überzeugend. Auf die Quote der Inanspruchnahme werde ich noch zu sprechen kommen. Im übrigen stelle ich noch einmal fest, daß Sie trotz der Kontroverse im Ausschuß diesem Gesetzentwurf zum Schluß Ihre Zustimmung gegeben haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, bedenklich ist dieses Verfahren, das hier angewandt wird, auch aus einem anderen Grund. Dieser Gesetzentwurf ist mit einer an sich unverständlichen Hektik eingebracht worden. Es ist, wie wir gehört haben, die erklärte Absicht der Koalition, ihn ohne Einschaltung des Fachausschusses sozusagen im Hauruckverfahren in drei aufeinanderfolgenden Lesungen durchzupeitschen, obwohl mit diesem Gesetzentwurf ganz entscheidend in gesetzlich geregelte Besitzstände von Hunderttausenden von Bürgern eingegriffen wird. Wir wissen doch, ,daß bereits die Ankündigung dieses Gesetzentwurfes unter den Betroffenen Unsicherheit und Unruhe ausgelöst hat. Wie soll eigentlich der Bürger noch Vertrauen in die Demokratie und ihre Institutionen haben können, wenn er damit rechnen muß, daß ihm kurz nach einer Wahl wieder weggenommen wird, was ihm vor der Wahl gesetzlich zugesichert wurde?
Warum eigentlich, meine Damen und Herren? Es drängt sich nicht nur für uns, sondern auch für die Betroffenen die Frage auf, welche Erkenntnisse, welche Erfahrungen und welche Tatsachen Sie eigentlich veranlaßt haben könnten, drei Monate
nach Verabschiedung des Rentenreformgesetzes wesentliche Regelungen der flexiblen Altersgrenze wieder zu ändern. Was Sie, Herr Professor Schellenberg, in der Begründung Ihres Gesetzentwurfes angeführt haben, ist nach unserer Meinung wirklich nicht überzeugend, weil das nicht mit Fakten belegt ist.
Ich möchte als ersten Punkt zu der Frage des Rentenbezugs bei unbeschränkter Weiterarbeit Stellung nehmen. In den parlamentarischen Beratungen des Rentenreformgesetzes war die Frage, ob und in welchem Umfang dem Versicherten neben dem vorzeitigen Rentenbezug ein Nebenverdienst oder eine uneingeschränkte Erwerbstätigkeit gestattet werden dürfe, heftig umstritten. Wir haben uns gegen eine Beschränkung der Erwerbstätigkeit für die Bezieher eines vorgezogenen Altersruhegeldes ausgesprochen. Wir haben hierfür mehrere Gründe angeführt, und ich will hier nur die mir wesentlich erscheinenden wiederholen.
Es war der Wille aller Parteien, die starre Altersgrenze durch eine flexible Regelung zu ersetzen. Jedenfalls war auch bei Ihnen immer nur von einer flexiblen Altersgrenze die Rede und nicht nur von der Herabsetzung der Altersgrenze vom 65. auf das 63. Lebensjahr. Wir aber meinen, daß wirkliche Flexibilität und echte persönliche Wahlfreiheit zur Voraussetzung haben, daß derjenige, der einen früheren Rentenbeginn wählt, nicht schlechter gestellt werden darf als nach bisherigem Recht ein 65jähriger. Dieser konnte schon immer neben seiner Rente eine unbegrenzte Erwerbstätigkeit ausüben. Es ist nicht einzusehen, warum diese Möglichkeit nicht auch der haben soll, der sich für einen früheren Rentenbezug entscheidet.
Wir sind der Meinung, daß eine Beschränkung der Erwerbstätigkeit dem Versicherten ganz einfach die Möglichkeit nimmt, über die Gestaltung seines Lebensabends frei und ausschließlich nach seiner individuellen Situation zu entscheiden.
Die Flexibilität wird durch eine Einschränkung der Erwerbstätigkeit nicht erreicht. Nach Ihren Vorstellungen, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Koalition, gäbe es Flexibilität nur noch für solche Versicherte, die entweder eine so hohe Rente erwarten können, daß sie auf einen wesentlichen Nebenverdienst nicht angewiesen sind, oder bei denen die Rente durch erhebliche betriebliche Altersleistungen ergänzt wird, oder in solchen Fällen, in denen noch sonstige Ansprüche oder Einkommensquellen bestehen oder ein Vermögen vorhanden ist. Mit anderen Worten, in die Rente wird bei Beschränkung der Erwerbstätigkeit in erster Linie derjenige gehen, der es sich finanziell leisten kann. Wir halten eine solche Regelung für unsozial.
Wir halten das auch deshalb für unsozial, weil derjenige, der wegen einer zu niedrigen Rente gezwungen ist, weiter zu arbeiten, durch seine Beitrags-
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leistung die Rente desjenigen mitfinanziert, der es sich aus den soeben genannten Gründen leisten kann, von der Möglichkeit des vorgezogenen Altersruhegeldes Gebrauch zu machen. Aber wir wollen keine flexible Altersgrenze nur für Privilegierte.
Ein zweiter Gesichtspunkt. Wenn die Möglichkeit der Weiterarbeit eingeschränkt werden soll, muß man sich vorher auch über den Umfang der Teilzeitarbeitsangebote Gedanken machen, insbesondere für männliche Versicherte. Es wird vor allem für jene Versicherten, die während ihres Arbeitslebens einen qualifizierten Beruf ausgeübt haben, sehr schwierig sein, eine einigermaßen altersadäquate Nebenarbeit zu finden. Und auch die leichte Erhöhung der Verdienstgrenze von 25 auf 30 % der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung kann doch, Herr Professor Schellenberg, nicht die Tatsache ausräumen, daß es für viele Versicherte keine akzeptablen Teilzeitarbeitsplätze geben wird; und das gilt doch insbesondere für wirtschaftlich schwach strukturierte Gebiete.
Ein weiterer, meines Erachtens nicht unwesentlicher Gesichtspunkt, den wir auch schon in den Ausschußberatungen angeführt haben, ist die Frage nach den Kontrollmöglichkeiten. Hier stellt sich doch die Frage, wie die Einhaltung der gesetzlich festgelegten Verdienstgrenzen kontrolliert werden soll und kontrolliert werden kann.
Von den Versicherungsträgern wurde ja wiederholt darauf hingewiesen, daß eine Kontrolle praktisch nicht möglich ist
oder jedenfalls nur über einen sehr aufwendigen Verwaltungsapparat.
Wenn dem aber so ist — und davon muß man nach Auskunft der Versicherungsträger ausgehen —, dann führt doch, meine Damen und Herren, die Einführung von Verdienstgrenzen bei mangelnden Kontrollmöglichkeiten zu einer Benachteiligung der Ehrlichen,
zu einer Ausweitung der Schwarzarbeit oder zu einem Ausweichen auf sie und darüber hinaus zu einer Umgehung der sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen und der Lohnsteuerregelungen dadurch, daß Arbeitsentgelte ganz einfach als „sontige Entschädigungen" deklariert oder, besser gesagt, verschleiert werden.
Schließlich ein weiterer und letzter Punkt zur Begründung unseres Standpunktes: Herr Bundesminister Arendt, Sie sagten in der zweiten Lesung des Rentenreformgesetzes — mit Erlaubnis der Frau Präsidentin darf ich zitieren —:
Ich glaube, Sie in Ihrer Fraktion hätten alle Veranlassung, einmal ernsthaft ... darüber nachzudenken, ob das der richtige Weg ist, wenn der Arbeitnehmer neben seinem Lohn seine volle Rente beziehen kann.
Warum eigentlich, Herr Bundesarbeitsminister, soll dem Rentner — ich erlaube mir die Gegenfrage — versagt sein, was jedem Beamten,
der vorzeitig in Pension geht, gestattet ist? Dieser hat
nämlich die uneingeschränkte Möglichkeit des Nebenverdienstes außerhalb des öffentlichen Dienstes.
Für den Beamten, der mit 62 Jahren in den Ruhestand geht, beträgt der Pensionsanspruch in der Regel 75 % seiner Besoldungsbezüge, und er darf hinzuverdienen, soviel er will und soviel er kann.
Der Sozialversicherte dagegen kann, wenn er mit 63 Jahren die Rente in Anspruch nimmt, im Regelfall nur einen Rentenanspruch von 40, höchstens 45 % seines durchschnittlichen Arbeitseinkommens erreichen; aber seine Nebenverdienstmöglichkeiten sollen nach den Vorstellungen der Regierungskoalition relativ eng begrenzt werden.
Wie eigentlich wollen Sie unter dem Gesichtspunkt der sozialen Gerechtigkeit diese unterschiedliche Behandlung von Beamten einerseits und Sozialversicherten andererseits rechtfertigen?
Ein Wort zu den Zuschlägen bei Aufschub des Rentenbezugs. Durch das Rentenreformgesetz werden entsprechend unseren Vorschlägen Rentenzuschläge zum Ausgleich der kürzeren Rentenbezugszeit bei einem Rentenverzicht eingeführt. Damit wird doch dem Versicherten die Chance geboten, nicht nur durch Weiterarbeit und den dadurch bedingten Erwerb von zusätzlichen Versicherungszeiten, sondern darüber hinaus durch die Nichtinanspruchnahme des Altersruhegeldes seine spätere Altersrente zu verbessern.
Meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD und der FDP, Sie selbst haben doch im Ausschuß eine differenzierte Zuschlagsregelung vom 63. Lebensjahr an vorgeschlagen und mit einer Stimme Mehrheit beschlossen.
Wenn ich mich nicht irre, ging diese Anregung, eine differenzierte Zuschlagsregelung einzuführen, in erster Linie von der FDP und da wieder insbesondere von Herrn Mischnick aus. Warum wollen Sie eigentlich jetzt diese Zuschlagsregelung wieder streichen? Sie sprechen jetzt davon, daß dies ein wirtschaftlicher Anreiz zur Weiterarbeit sei.
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Herr Glombig sagte hier im Plenum — ich darf ihn zitieren —:
Diese Rentenzuschläge sollen kein wirtschaftlicher Anreiz zur Weiterarbeit sein. Sie sollen vielmehr einen Ausgleich für den vorläufigen Verzicht auf Rente darstellen ... Der Rentenzuschlag stellt deshalb ... einen Akt der Gerechtigkeit dar.
Soll dies jetzt nicht mehr gelten?
Herr Professor Schellenberg, Sie haben Ihre Änderungsvorschläge begründet, indem Sie sagten, daß dadurch schwerwiegende gesundheitspolitische, sozialpolitische und finanzpolitische Gefahren abgewendet werden sollten. Nun, ich sage Ihnen ganz offen, wir halten die vorgebrachten gesundheitspolitischen Bedenken für unbegründet. Ich meine, Sie unterschätzen ganz einfach das Verantwortungsgefühl des Versicherten gegenüber sich selbst und gegenüber seiner Familie.
Was bleibt denn eigentlich von der auch von Ihnen oft zitierten Mündigkeit des Bürgers übrig,
wenn er, was Sie ihm unterstellen, nicht in der Lage sein soll, selbst zu entscheiden, was zu seinem Besten ist? Warum eigentlich wollen Sie den Bürger gängeln? Wir können uns des Eindrucks nicht erwehren, daß hier dem Bürger eine bestimmte Verhaltensweise suggeriert werden soll.
Soll dies der Ausdruck jener sozialistischen Auffassung sein, daß der Bürger zu seinem Glück gezwungen werden muß?
Völlig unverständlich ist der Vorschlag der Koalition, Zuschläge bei Rentenverzicht ab 65. bis 67. Lebensjahr zu gewähren, also bei dem 65- und 66jährigen Versicherten die Fähigkeit, selbst zu beurteilen, in welchem Umfang er noch Weiterarbeiten kann, zu bejahen, die gleiche Fähigkeit aber dem 63jährigen und dem 64jährigen abzusprechen.
Meine Damen und Herren, wir sind im Gegenteil der Auffassung, daß die im Zweiten Rentenreformgesetz gefundene Lösung auch unter gesundheitspolitischen Gesichtspunkten optimal ist, weil derjenige, dessen gesundheitliche Konstitution eine volle Weiterarbeit nicht mehr zuläßt, einen frühen Rentenbeginn wählen kann, während derjenige, der sich noch voll leistungsfähig fühlt — davon gibt es auch noch welche, und es gibt auch noch welche, die Spaß an der Arbeit haben —, bei Aufschub des Rentenbezuges über die Zuschlagsregelung eine sozial gerechte Erhöhung seiner Rente erzielt. Dazu möchte ich aus einem Kommentar der „Frankfurter Rundschau", die bestimmt nicht der CDU/CSU besonders nahesteht, vom 13. November, zitieren. Es heißt dort:
Wo soll der gesundheitspolitische Effekt der Neuregelung liegen, wenn durch sie ein Teil der Versicherten selbst bei schlechter gesundheitlicher Verfassung sich aus finanziellen Gründen die flexible Altersgrenze nicht wird leisten können, während andere selbst bei hervorragender körperlicher Verfassung sich das Geschäft
— gemeint ist die frühere Inanspruchnahme der Rente bei gleichzeitigem sonstigen Einkommen — wohl kaum entgehen lassen dürften?
Meine Damen und Herren, die SPD behauptet in ihren „Presseinformationen", die CDU/CSU-Regelung beeinträchtige die langfristige Solidität der Rentenversicherung, weil entgegen den finanziellen Berechnungen mit einer weit über 90 % liegenden Inanspruchnahmequote gerechnet werden müsse. Damit werde, so argumentiert die Koalition, die Solidität der Rentenfinanzen in Frage gestellt. Nun, ich meine, hier handelt es sich um eine Einschätzung der Regierungskoalition, die durch nichts bewiesen ist. Im Gegenteil, in anderen europäischen Ländern, so z. B. in Schweden, wo es eine ähnlich ausgestattete flexible Altersgrenze gibt, gehen nur 5 bis 10 °/o der Versicherten vor dem 67. Lebensjahr in die Rente. Allerdings haben die Regierung und die Regierungskoalition nichts unversucht gelassen, den Grad der Inanspruchnahme der flexiblen Altersgrenze durch eine falsche Informationspolitik künstlich hochzutreiben.
Über die Höhe der Inanspruchnahme gingen im Ausschuß und hier im Plenum bei der zweiten Lesung die Meinungen auseinander. Wir haben die Auffassung, man müßte sie mit mehr als 70 % veranschlagen, nicht geteilt, und wir teilen sie auch heute nicht. Wir halten nach wie vor eine Inanspruchnahme von maximal 70 % für realistisch und glauben, daß die tatsächliche Beanspruchung eher niedriger als höher sein wird. Meine Damen und Herren von der Koalition, vor allem von der SPD, Sie haben zwei Jahre lang im Zusammenhang mit der Einführung der flexiblen Altersgrenze von einer großen sozialen Tat für die Arbeitnehmer gesprochen, und jetzt wollen Sie — das ist doch die zwangsläufige Folge Ihrer Änderungsvorschläge —den Grad der Inanspruchnahme dieser sozialen Wohltat nach unten korrigieren.
Wir halten das für falsch und für unsozial.
Niemand wird mit absoluter Sicherheit behaupten können, daß seine Berechnungen über die voraussichtliche Inanspruchnahme richtig seien. Hier handelt es sich doch um eine ganz persönliche Entscheidung des Versicherten, die von vielen Faktoren, nicht nur von den Zuschlägen, sondern auch vom Gesundheitszustand, von seiner Zufriedenheit am Arbeitsplatz, von den sonstigen Lebensumständen und nicht zuletzt bei vielen ganz einfach von dem Wunsch, frühzeitig aus dem Arbeitsleben auszu-
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scheiden, bestimmt wird. Aber diese Faktoren lassen sich doch nicht im voraus statistisch erfassen und berechnen. Daher sollten wir, so meinen wir, in aller Gelassenheit abwarten, wie sich die Versicherten wirklich verhalten werden. Unseres Erachtens liegt kein Grund vor, in einem hektischen Verfahren das Rentenreformgesetz bereits drei Monate nach seiner Verabschiedung wieder zu ändern.
Herr Kollege Schellenberg, Sie haben hier behauptet, der gleichzeitige Bezug von Altersruhegeld und vollem Arbeitsverdienst könne den Beitragszahlern nicht zugemutet werden. Auch nach der von der CDU/CSU durchgesetzten Regelung ist nicht beabsichtigt, den Versicherten zum Rentenbezug neben dem vollen Arbeitsverdienst anzuhalten. Die CDU/CSU schlägt dazu einen liberalen Weg vor. Sie macht es durch Rentenzuschläge interessant, den Rentenbezug aufzuschieben, während die SPD/ FDP-Regierungskoalition den bürokratischen Weg des Beschäftigungsverbots geht. Eine gesetzlich reglementierte Einschränkung der Erwerbstätigkeit aber halten wir für inhuman.
Sie haben behauptet, Herr Professor Schellenberg, die Rentenzuschläge reichten nicht aus, um den Rentenbezug und die Beitragsersparnisse auszugleichen. Diese Ansicht ist falsch. Die Rentenzuschläge bei Rentenaufschub führen zu einem Mehrertrag an Rente, der den Kapitalwert der vorgezogenen und dann angesparten Frührente plus Beitragsersparnis weit übertrifft, und zwar nach den Berechnungen von Versicherungsmathematikern um 30%. Davon haben insbesondere die Witwen wegen ihrer gegenüber den Männern höheren Lebenserwartung einen entscheidenden Vorteil.
Ich komme zum Schluß. Fast alle von den Koalitionsfraktionen, insbesondere von der SPD bis jetzt vorgetragenen Argumente waren zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Rentenreform bereits bekannt. Wir haben darüber im Ausschuß lang und breit diskutiert. Sie haben die Regierungskoalition nicht daran gehindert, der von der CDU/CSU vorgeschlagenen Regelung zuzustimmen. Wenn Sie jetzt trotzdem auf eine Novellierung drängen, so dürfte dafür nicht zuletzt ausschlaggebend sein, daß Sie im Grunde gar keine flexible Altersgrenze, sondern lediglich eine Herabsetzung der Altersgrenze unter bestimmten Bedingungen und Auflagen wollen.
Zur dritten Lesung des Rentenreformgesetzes hatten SPD und FDP einen Entschließungsantrag eingebracht, in dem die Bundesregierung ersucht wird, bis Ende 1973 dem Bundestag über die Auswirkungen des Rentenreformgesetzes zu berichten. Es heißt dort:
. . . insbesondere über:
1. die Erfahrungen, die mit der Inanspruchnahme der flexiblen Altersgrenze und auch mit der Gewährung von Zuschlägen bei einem Rentenverzicht gemacht wurden, . . .
Kollege Schmidt (Kempten) hat im Zusammenhang damit hier ausdrücklich betont, daß diese Erfahrungen, daß neue Erkenntnisse eingehend — und das kann doch wohl nur so verstanden werden: im Fachausschuß — geprüft werden müssen.
Was steht eigentlich entgegen, diesen Bericht erst einmal abzuwarten, bevor man eine Änderung des Rentenreformgesetzes in Erwägung zieht?
Der angeforderte Bericht liegt nicht vor. Er kann auch noch gar nicht vorliegen, da Erfahrungen ja überhaupt erst nach Inkrafttreten der Bestimmungen über die flexible Altersgrenze gesammelt werden können, d. h. nach dem 1. Januar 1973.
Da wir uns, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, nicht vorstellen können und nicht vorstellen wollen, daß die Motivation für den jetzt vorgelegten Gesetzesentwurf lediglich auf Rechthaberei beruht, müssen wir uns fragen, welche Absichten diesen nach unserer Meinung fragwürdigen Manipulationen eigentlich wirklich zugrunde liegen.
Herr Professor Schellenberg, Sie haben am Schluß Ihrer Rede gesagt — Sie haben das auch schon zu einem früheren Zeitpunkt hier einmal erklärt —, die Einführung der flexiblen Altersgrenze bedeute mehr Freiheit und mehr Humanität. Wir sind der Meinung, daß eine Verwirklichung des vorliegenden Gesetzentwurfes nicht zu mehr, sondern zu weniger Freiheit, nicht zu mehr, sondern zu weniger Humanität führt.
Wir halten unsere Argumente für die von uns in der zweiten Lesung durchgesetzten Vorschläge zur Einführung der flexiblen Altersgrenze, die von der Koalition in der dritten Lesung akzeptiert wurden, für nicht widerlegt. Wir halten es für nicht vertretbar, diesen Gesetzentwurf ohne eingehende Beratung im zuständigen Fachausschuß hier heute und morgen zu verabschieden.