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ID0618827100

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    1. Zwischenfrage!: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 188. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1972 Inhalt: Verzicht der Abg. Freiherr von Kühlmann-Stumm und Freiherr von und zu Guttenberg auf die Mitgliedschaft und Eintritt der Abg. Dr. h. c. Menne (Frankfurt) und Cantzler in den Bundestag 10965 A Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Frau Geisendörfer und Bergmann . 10965 B Überweisung einer Vorlage an Ausschüsse 10965 B Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . 10965 C Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD betr. Verwaltungsrat der Lastenausgleichsbank (Drucksache V1/3472) . . . 10966 C Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung betr. Viermächteabkommen über Berlin Brandt, Bundeskanzler 10966 C Dr. Barzel (CDU/CSU) 10968 B Borm (FDP) 10969 C Mattick (SPD) 10971 B Dr. Gradl (CDU/CSU) 10973 D Begrüßung des Präsidenten der Ständigen Kommission beider Häuser des Kongresses der Vereinigten Mexikanischen Staaten, Luis H. Ducoing Gamba, sowie des Präsidenten des Abgeordnetenhauses der Republik Sierra Leone, Sir Emile Luke 10971 A, 10980 C Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung betr. Fragen der inneren Sicherheit Genscher, Bundesminister .10975 A, 11039 D Vogel (CDU/CSU) 10982 D Dr. Schäfer (Tübingen) (SPD) . . 10988 B Krall (FDP) . . . . . . . . 10993 A Dr. Merk, Minister des Landes Bayern 10994 A Ruhnau, Senator der Freien und Hansestadt Hamburg . . . . . 10998 A Dr. Schneider (Nürnberg) (CDU/CSU) 11014 B, 11053 B Dr. Jaeger, Vizepräsident . . . . 11015 A Brandt, Bundeskanzler . . . . . 11021 A Dr. Barzel (CDU/CSU) 11023 B Dr. Ehmke, Bundesminister . . . 11025 B Stücklen (CDU/CSU) 11026 C Pensky (SPD) 11027 A Dr. Lenz (Bergstraße) (CDU/CSU) . 11031 B Kleinert (FDP) 11034 D Jahn, Bundesminister . . . . . 11037 B von Thadden (CDU/CSU) . . . 11038 D Erhard (Bad Schwalbach) (CDU/CSU) 11040 D Dorn (FDP) 11043 B Dr. Mikat (CDU/CSU) 11044 C Dr. Stark (Nürtingen) (CDU/CSU) 11045 C Metzger (SPD) 11047 B Dr. Miltner (CDU/CSU) . . . . 11050 B II Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 188. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1972 Fragestunde (Drucksache VI/3468) Fragen des Abg. Röhner (CDU/CSU) : Vorbemerkungen zum Agrarhaushalt 1972 Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 11001 A, B, C, D Röhner (CDU/CSU) . . . . . . 11001 B, D Frage des Abg. Werner (CDU/CSU) : Beraterkorps der deutschen Wirtschaft als Hilfsinstrument bei der Entwicklungshilfe Dr. Sohn, Staatssekretär 11002 A Fragen des Abg. Sieglerschmidt (SPD) : Strafvollstreckung an Deutschen in der Türkei Dr. Erkel, Staatssekretär . . . .11002 B, D, 11003 A, B, C Sieglerschmidt (SPD) . . 11002 D, 11003 B Fragen des Abg. Dr. Wagner (Trier) (CDU/CSU) : Haftentlassung von Terroristen durch Gerichtsbeschluß ohne Fühlungnahme mit der Kriminalpolizei Dr. Erkel, Staatssekretär . 11003 D, 11004 D, 11005 A, B, C Dr. Wagner (CDU/CSU) 11004 D Ott (CDU/CSU) 11005 A, B Sieglerschmidt (SPD) 11005 C Frage des Abg. Erhard (Bad Schwalbach) (CDU/CSU) : Abdruck einer Rede des Bundesjustizministers vor dem Rechtspolitischen Kongreß der SPD im Bundesanzeiger Dr. Erkel, Staatssekretär 11005 D, 11006 A, B, C, D, 11007 A Erhard (Bad Schwalbach) (CDU/CSU) 11006 A, B Dr. Wittmann (München) (CDU/CSU) 11006 C Dr. Schmude (SPD) 11006 C Dr. Sperling SPD) 11006 D Ott (CDU/CSU) 11006 D Dr. Wagner (Trier) (CDU/CSU) . 11007 A Fragen des Abg. Würtz (SPD) : Frist für die Untersuchung von Freiwilligen auf Wehrdiensttauglichkeit Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär 11007 B, C Würtz (SPD) 11007 C Frage des Abg. Wohlrabe (CDU/CSU) : Gesamtkosten infolge des sog. Haarnetz-Erlasses Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär . 11008 A, B, C, D, 11009 A Wohlrabe (CDU/CSU) . . . . .11008 B, C Haase (Kassel) (CDU/CSU) . . . . 11008 D Hansen (SPD) . . . . . . . . . 11009 A Fragen der Abg. Damm und Dr. Zimmermann (CDU/CSU) : Weisungen politischer Organisationen an Beisitzer in Prüfungsausschüssen und -kammern für Wehrdienstverweigerer Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär 11009 B, C, D, 11010 A, B, C Damm (CDU/CSU) . . . 11009 C, 11010 A Dr. Zimmermann (CDU/CSU) . .11010 A, B Dr. Sperling (SPD) . . . . . . . 11010 C Frage des Abg. Niegel (CDU/CSU) : Ausübung eines kommunalen Ehrenamtes durch Wehrdienstleistende Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 11010 D, 11011 A Niegel (CDU/CSU) . . . . . . . 11011 A Frage des Abg. Varelmann (CDU/CSU) : Lebenswert von Rentnern und Studenten Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . .11011 B, C Varelmann (CDU/CSU) . . . .11011 B, C Frage des Abg. Varelmann (CDU/CSU) : Aufwand für den Lebensbedarf in höherem Alter Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . 11011 C, D, 11012 A Varelmann (CDU/CSU) . . . . 11011 D, 11012 A Fragen des Abg. Müller (Nordenham) (SPD) : Höchstwert des Bleigehalts der Trinkmilch Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . , 11012 A, C, D, 11013A, B Müller (Nordenham) (SPD) . .11012 B, C, D Schmidt (Braunschweig) (SPD) . . 11012 D Kiechle (CDU/CSU) 11013 A Niegel (CDU/CSU) . . . . . . 11013 B Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 188. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1972 III Fragen des Abg. Dr. Schwörer (CDU/CSU) : Zahl der infolge von Geburts- und Frühstschäden dauernd Erwerbsunfähigen —. Verbesserung ihrer materiellen Lage Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . 11013 B, D, 11014 A, B Dr. Schwörer (CDU/CSU) . . . . 11014 A Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1972 (Haushaltsgesetz 1972) (Drucksachen VI/2650, zu VI/2650, Nachtrag zu VI/2650, VI/3350 bis VI/3376) — Fortsetzung der zweiten Beratung —Zur Geschäftsordnung Seidel (SPD) . . . . . . . . .11053 D Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) . . 11054 B Kirst (FDP) . . . . . . . . .11055 C Höcherl (CDU/CSU) . . . . . 11056 B Haehser (SPD) 11057 C Leicht (CDU/CSU) 11058 A Gallus (FDP) 11059 B Dr. Althammer (CDU/CSU) . . . 11059 D Dr. von Bülow (SPD) 11060 D Dr. Jenninger (CDU/CSU) . . . . 11061 C Dr. Barzel (CDU/CSU) 11062 B Wehner (SPD) 11063 A Mischnick (FDP) 11063 D Nächste Sitzung 11064 C Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 11065 A Anlage 2 Stellungnahme des Bundesrates zum Abfallbeseitigungsgesetz . . . . . . . 11065 A Anlage 3 Entschließung des Bundesrates zum Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze 11065 B Anlage 4 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Fuchs (CDU/CSU) betr. Pressemeldungen über den Politischen Arbeitskreis Oberschulen . . . . 11065 C Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 188. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1972 10965 188. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1972 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 188. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1972 11065 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordneter beurlaubt bis einschließlich Schneider (Königswinter) 9. 6. Dichgans 9. 6. Anlage 2 Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetz über die Beseitigung von Abfällen (Abfallbeseitigungsgesetz — AbfG) Der Bundesrat ersucht die Bundesregierung, bis zum 31. Dezember 1973 darüber zu berichten, welche Möglichkeiten sich bieten, 1. um durch Ausgleichsabgaben die Erzeuger von Verbrauchsgütern, die für die spätere Abfallbeseitigung erheblichen Aufwand verursachen, zu den sozialen Kosten des Umweltschutzes heranzuziehen, 2. um darauf hinzuwirken, daß bereits bei der Planung des Produktionsprozesses a) die Entwicklung umweltfreundlicher Erzeugnisse und Verfahren in größerem Maße berücksichtigt wird, b) die wirtschaftliche Wiederverwendung bestimmter Abfallarten stärker in Betracht gezogen wird, c) auf die Erleichterung der späteren Abfallbeseitigung Rücksicht genommen wird. Anlage 3 Entschließung des Bundesrates zum Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze — KHG — Die Bundesregierung wird aufgefordert, eire Rechtsverordnung nach § 27 Abs. 1 Nr. 4 über Abgrenzungsvorschriften möglichst bald, spätestens ein Jahr nach Verkündung des Gesetzes, vorzulegen, die es ermöglicht, 1. Anlagewerte entsprechend ihrer Fristigkeit der Gruppe der mittel- und kurzfristigen Anlagegüter zuzuordnen und 2. Güter und Leistungen als Wiederbeschaffung zu bestimmen. Diese Abgrenzungsvorschriften sind aus Gründen der Praktikabilität des Gesetzes erforderlich. Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 4 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Westphal vom 6. Juni 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Fuchs (CDU/CSU) (Drucksache VI/3468 Frage A 95) : Treffen Pressemeldungen zu, daß nach Unterlagen des Politischen Arbeitskreises Oberschulen (PAO) „die besondere Rolle der Schülerorganisationen darin besteht, ein intellektuelles revolutionäres Potential zu schaffen, das die Aufgabe hat, der Arbeiterklasse zu helfen, seine Klassenanliegen zu erkennen und gleichzeitig eine revolutionäre Partei aufzubauen", und welche Konsequenzen ergeben sich für die Bundesregierung, wenn die Meldung zutrifft? Es trifft zu, daß in der letzten Zeit gegen die Arbeit des Politischen Arbeitskreises Schulen (PAS) — früher Politischer Arbeitskreis Oberschulen (PAO) — der Vorwurf erhoben wurde, daß in seiner politischen Bildungsarbeit revolutionäre Agitatation betrieben und auf eine entsprechende Gleichschaltung des Verbandes hingearbeitet wurde. Diese Vorwürfe konnten nicht entkräftet werden. Der neue Bundesvorstand des PAS hat die Berechtigung des Verdachtes von Verstößen gegen seine eigene Satzung und speziell gegen das in ihr enthaltene Gebot, überparteiliche Bildungsarbeit zu leisten, selbst bestätigt. Der PAS, selbst kein rechtsfähiger Verein, wurde seit Jahren aus Mitteln des Bundesjugendplanes indirekt gefördert. Verantwortlicher Empfänger der Förderungsmittel ist das Kuratorium des PAS, der „Arbeitskreis für politische Bildung e. V.". In einer sofort nach Bekanntwerden der Vorwürfe vorgenommenen Untersuchung hat das Kuratorium Verstöße des PAS-Bundesvorstandes gegen seine Satzung festgestellt. Daraufhin hat das Kuratorium beschlossen, dem PAS den Eingang neuer Zahlungsverpflichtungen zu untersagen. Dies bedeutet praktisch eine Aussetzung der Förderung. Inzwischen haben diejenigen Mitglieder des PAS-Bundesvorstandes, die auch dem früheren Vorstand angehörten, während dessen Amtszeit die Satzungsverstöße vorgekommen sind, ihren Rücktritt erklärt. Der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit respektiert diese Entscheidung des Kuratoriums in vollem Umfange. Auch läßt die gegenwärtige parteipolitisch ausgewogene personelle Zusammensetzung des Kuratoriums keinen Zweifel an seinem Eintreten für eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit zu. In unmittelbar bevorstehenden Verhandlungen des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit mit dem Kuratorium wird geprüft werden, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen diese Träger eine qualifizierte politische Bildung für Schüler künftig gewährleisten kann. Die Notwendigkeit qualifizierter und dem Grundgesetz verpflichteter politischer Bildungsarbeit wird weiterhin bejaht. Eine Reihe von Trägerinstitutionen nimmt diese Aufgabe mit Erfolg wahr. Der PAS wird durch einen neu gewählten Vorstand und ein von den verantwortlichen Gremien bestätigtes Programm das Vertrauen für eine künftige Zusammenarbeit zurückgewinnen müssen.
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    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Debatte wird als eine Debatte geführt, in der Fragen der inneren Sicherheit erörtert werden sollen. Leider — das ist ein erstes Fazit, das nun einmal gezogen werden muß — haben wir über die Vorstellungen der Opposition, wie Sie mit diesem Problem fertigwerden wollen, heute sehr wenig, um nicht zu sagen gar nichts, außer Feststellungen von Dingen, die Ihnen nicht gefallen, gehört. Nun gut, da könnte man von der anderen Seite auch eine ganze Menge sagen, was einem nicht gefällt.

    (Abg. Dr. Lenz [Bergstraße] : Unsere Vorschläge liegen seit Monaten auf dem Tisch!)

    Das erspart Ihnen nur nicht, selber hier deutlich zu sagen, wie Sie denn mit dieser Frage fertigwerden wollen.
    Ich habe zwei Bemerkungen, die in dieser Debatte gefallen sind, zunächst einmal richtigzustellen. Herr Kollege Barzel, Sie haben hier der Wahrheit zuwider — muß ich leider sagen — behauptet, ich hätte die Tatsache, daß die Opposition einen Antrag zum Haftrecht eingebracht habe, als ein Geschäft mit der Angst bezeichnet.

    (Abg. Dr. Barzel: Nein, in der Debatte!)

    Dies ist nicht wahr; gesagt habe ich: Die Art und Weise der Begründung ist so zu bezeichnen, wie ich das soeben hier noch einmal wiederholt habe. Dieses und nicht mehr. Sie sollten in einer in der Tat nicht einfachen, sondern schwierigen Frage nicht durch eine Verschiebung dessen, was hier gesagt ist — ich drücke das jetzt sehr höflich aus —, einen völlig falschen Eindruck zu erwecken versuchen.

    (Abg. Wehner: Viel verlangt!)

    Das zweite, was ich hier klarstellen muß, sind die Bemerkungen des Kollegen Dr. Lenz über die Fragen der Demonstrationsstraftaten und der damit verbundenen Amnestie. Herr Kollege Lenz, Sie wissen genau, daß wir uns damals mit zwei Problemen auseinanderzusetzen hatten. Das Problem 1 war, daß das damals geltende Demonstrationsstrafrecht in seiner uferlosen und auf wilhelminischen Vorstellungen beruhenden Form überhaupt nicht geeignet war, den tatsächlichen Schwierigkeiten gerecht zu werden, insbesondere der Polizei nicht die Möglichkeit gab, auf einer eindeutigen unumstrittenen und klaren Rechtsgrundlage zu operieren.

    (Abg. Vogel: Warum?)

    Auf Grund dieses Tatbestandes hatten wir Tausende und aber Tausende von Strafverfahren in dem Zeitpunkt anhängig, als hier das Dritte Gesetz zur Reform des Strafrechts, des Demonstrationsstrafrechtes, verabschiedet worden ist. Wie in allen anderen Fällen haben wir mit der Verabschiedung dieses Dritten Strafrechtsreformgesetzes eine Amnestie für alle die Straftaten verbunden, die nach der Meinung dieses Hauses, zumindest seiner Mehrheit, in Zukunft nicht mehr strafbar sein sollten. Wir haben damit, weil eine reinliche Trennung nicht möglich war, auch eine Amnestie für den großen und weiten Bereich leichter — nicht schwerer — Straftaten im Zusammenhang mit den Demonstrationen verbunden. Wir haben das damals damit begründet, daß es notwendig sei, zu differenzieren und zu entsolidarisieren. Wir haben es damals damit begründet, daß es notwendig sei, für die Zeit bis zum 31. Dezember 1969 — denn nur die vorherliegende Zeit kam dafür in Frage — einen Beitrag zur inneren Befriedung zu leisten.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Was ist daraus geworden?)

    Ich stelle fest, daß diese Ziele, die wir uns damals selber gesetzt haben, voll und ganz erreicht worden sind. Sie können nicht bestreiten, daß die Zahl der gewalttätigen Demonstrationen seither entschieden zurückgegangen ist, daß all die Belastungen, die wir in der damaligen Zeit gehabt haben, inzwischen fort sind und daß auch jener Prozeß der Entsolidarisierung gelungen ist, den wir damit einleiten oder zumindest unterstützen wollten.

    (Beifall bei der SPD.)

    Dies war das Ziel, und dieses Ziel ist erreicht worden. Das sollten Sie nachträglich nicht zu verfälschen versuchen.

    (Abg. Dr. Lenz [Bergstraße] meldet sich zu einer Zwischenfrage.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
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Zwischenfrage!

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    Nein, ich möchte in dieser Debatte nicht so lange sprechen und deshalb keine Zwischenfragen zulassen.

    (Abg. Dr. Lenz [Bergstraße] : Herr Bundesminister, gegen das Wort „verfälschen" möchte ich mich mit allem Nachdruck wehren! Das ist eines Bundesministers der Justiz nicht würdig!)




    Bundesminister Jahn
    - Gut, dann will ich es Ihnen gegenüber, zumal ich es in einem anderen Zusammenhang zu bringen genötigt war, korrigieren, Herr Kollege Lenz. Allerdings muß ich Ihnen sagen: Wenn Ihnen das Wort „verfälscht" nicht paßt, Ihre Bewertung halte ich dennoch für falsch.

    (Abg. Dr. Lenz [Bergstraße] : Gut, darüber können wir reden!)

    Ich meine, in dieser Frage sollte über die Möglichkeiten der Bekämpfung der Kriminalität als eines Aspektes der inneren Sicherheit mit mehr Ehrlichkeit und mit mehr Sorgfalt gesprochen werden.
    Mit „mehr Ehrlichkeit" meine ich, daß hier nicht permanent in mehreren Reden der Versuch gemacht werden sollte, die Dinge so hinzustellen, als ob etwa mit gewissen Korrekturen am Haftrecht, so notwendig sie sind, das Problem der Kriminalität und ihrer wirksamen Bekämpfung in diesem Lande gelöst werden könnte. Mit „mehr Ehrlichkeit" meine ich, daß man sich mit den vielfältigen aktuellen und notwendigen Themen auseinandersetzt, die in diesem Zusammenhang genannt und in Angriff genommen werden. Und zur Ehrlichkeit gehörte es auch, daß die Opposition, wenn sie schon meint, in dieser Weise darüber reden zu müssen, dann wenigstens das zur Kenntnis nimmt, was von dieser Stelle von den Vertretern der Bundesregierung seit Jahr und Tag immer wieder und mehrfach gesagt worden ist, daß nämlich neben all den Bereichen, für die der Kollege Genscher verantwortlich ist und zu denen er das Notwendige gesagt hat, von uns seit langem an einem umfassenden und weitgefächerten Programm zur besseren Bekämpfung der Kriminalität im Bereich des Strafrechtes gearbeitet wird und Ergebnisse dieser Arbeit nach gründlicher Vorbereitung ja auch vorliegen.
    Ich nenne hier zwei große und umfassende Gesetzeswerke. Das eine ist der Entwurf der Bundesregierung zur Vereinfachung und Beschleunigung des Strafverfahrensrechts, der dem Hause vorliegt und der in der ersten Lesung behandelt werden kann. Wer Kriminalität wirklich bekämpfen will, muß wissen und anerkennen, daß einer der entscheidenden Beiträge von einem schnelleren, wirksameren und griffigeren Strafverfahren her kommen muß. Meine Damen und Herren, jedermann in diesem Lande, der sich ein wenig mit diesen Themen auseinandergesetzt hat, weiß, daß hier ein Mißstand und ein Überbleibsel aus früheren Vorstellungen von Strafverfahren vorliegen, die seit langem unbefriedigend sind und die seit langem einer Veränderung bedürfen. Geschehen ist durch viele Jahre hindurch nichts. Man hat sich damit begnügt, zu sagen, dieses sei nicht in Ordnung.

    (Abg. Vogel: Wer hat denn den Entwurf gemacht?)

    Dieses Bundeskabinett hat in Zusammenarbeit mit den Ländern den Entwurf eines solchen Gesetzes vorbereitet und hier vorgelegt. Herr Kollege Vogel, wenn Sie schon immer nach der Urheberschaft fragen: Dieser Entwurf hätte ohne Not zehn Jahre vor-
    her präsentiert werden können; er hätte uns ohne Not schon zehn Jahre früher die Lösung dieses Problems bringen können. Es ist nicht geschehen; diese Regierung hat dazu einen Entwurf vorgelegt.
    Das gleiche gilt für das andere Thema, das in diesem Zusammenhang genannt werden muß. Sie wissen — Sie sagen es möglichst wenig öffentlich, weil das in manche Ihrer Reden nicht hineinpaßt —, daß ein wesentlicher Beitrag zur langfristigen Bekämpfung der Kriminalität mit einer grundlegenden Reform und inhaltlichen Veränderung des Strafvollzuges erstrebt werden kann und erstrebt werden muß. Wir haben in dieser Frage bisher keinen sachlichen Streit gehabt. Sie haben da, wo wir miteinander darüber gesprochen haben, zu diesem Reformvorhaben der Bundesregierung positiv Stellung bezogen. Ich hoffe, dabei bleibt es. Sagen Sie dann aber — und das ist erneut meine Bitte — auch in einer solchen Debatte ehrlich, daß erstens dieser Schritt notwendig ist, und geben Sie zweitens zu, daß es diese Regierung ist, die zum erstenmal, seitdem diese Forderung seit 100 Jahren in diesem Lande aufgestellt worden ist, einen kabinettsreifen Entwurf erarbeitet hat und in der Lage sein wird, diesen Entwurf noch in den nächsten Wochen diesem Hause vorzulegen.

    (Abg. Vogel: Die Kommission haben Sie doch nicht eingesetzt!)

    Machen Sie es sich doch in dieser Frage nicht so einfach.

    (Abg. Vogel: Sie machen es sich auch sehr einfach!)

    Hier gibt es eine große Palette von Gesetzgebungsvorhaben, die allesamt, wenn das Haus sie akzeptiert, sie in ihren inhaltlichen Linien so billigt, wie die Bundesregierung sie vorgelegt hat, einen wesentlichen Beitrag zur besseren inneren Sicherheit leisten werden. So kann man in der Sache darüber reden, so sollte man in der Sache darüber reden, und das nenne ich eine ehrliche Auseinandersetzung mit diesem Thema und nicht den permanenten Versuch der Ablenkung.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)