Rede von
Dr.
Friedrich
Schäfer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Vielen Dank für die Ergänzung! Das war mir nicht geläufig.
Meine Damen und Herren, wenn wir uns heute und in den nächsten Wochen über die notwendigen Gesetze unterhalten, die wir im Augenblick verabschieden können, müssen wir uns auch darüber klar sein, daß damit nicht alles getan ist, sondern daß wir damit eigentlich nur ein bescheidenes Handwerkszeug liefern und daß es entscheidend darauf ankommt — auch das wurde wiederholt betont —, daß die Bevölkerung bereit ist, den Sicherheitsorganen dieses Staates die notwendige Unterstützung zu geben. Und dazu gehört auch eine Veränderung der Einstellung der CDU/CSU, meine Damen und Herren. Dazu darf man nicht die Einstellung haben: Auge um Auge, Zahn um Zahn, Todesstrafe und Rache, und Strafe ist gleich Rache, sondern dazu muß man die Einstellung haben, daß die gesamte Gesellschaft auch die Gesamtverantwortung hat und das Notwendige tun muß, um demjenigen, der gefehlt hat, wieder die Einfügung in die Gesamtgemeinschaft zu ermöglichen. Das heißt, das kann man nicht mit Gesetz erzwingen, sondern dazu bedarf es einer aufnehmenden, einer helfenden Haltung der gesamten Bevölkerung.
Darauf hinzuwirken ist eine wichtige Sache.
Wenn in der Debatte am 28. April Herr Lenz dazwischenfragte, warum denn dann die Regierung das Gesetz über den Strafvollzug noch nicht vorgelegt habe, so muß ich sagen, das ist nicht eine Sache, die man im Ministerium ausarbeiten und einfach vorlegen kann und die dann funktioniert. Das ist vielmehr ein Entwicklungsprozeß, bei dem die politischen Parteien eine große gesellschaftspolitische Aufgabe haben und bei dem auch eine so große Organisation wie der Deutsche Gewerkschaftsbund eine wesentliche Mitverantwortung hat. Ich habe vor wenigen Tagen mit großer Freude gesehen, daß sich der langjährige frühere DGB-Vorsitzende Ludwig Rosenberg mit der Frage der Sicherheitsorgane und ihrer Verbindung mit der Bevölkerung befaßt und in einem Artikel im SPD-Pressedienst dargelegt hat: „Wenn die Bevölkerung das als nervenkitzelndes Schauspiel sieht, wenn die Polizei sich bemüht, einen Verbrecher zu fassen, wenn die Bevölkerung im Zweifel immer die Partei des anderen, des Rechtsbrechers einnimmt, und wenn es nur durch Sympathiekundgebung ist, ohne aktiv zu werden, dann ist es den staatlichen Organen außerordentlich schwer gemacht, ihre Aufgabe durchzuführen." Auch das ist ein Entwicklungsprozeß, und deshalb ist es schädlich, Herr Vogel, wenn man da so insgeheim glaubt, sich gegenseitig irgend etwas anjubeln zu müssen oder zu dürfen. Sie dürfen Ihre Sorgen haben. Wir haben nicht mindere Sorgen; wir nennen sie ja auch zu gegebener Zeit, aber nicht so, Herr Vogel, daß der Eindruck entstehen kann — oder vielleicht sogar gewollt ist; ich hoffe, daß es bei Ihnen nicht der Fall war —, als ob da ein Zusammenhang bestehe.
Ludwig Rosenberg sagt zusammengefaßt:
Eine Gesellschaft, die ihre Ordnungsorgane mit Schimpfworten aus der Zuhältersprache bezeichnet, die ihr nicht hilft, sondern sie bewußt oder unbewußt in der Aufrechterhaltung der Ordnung behindert, darf sich nicht wundern, daß die Rechtsbrecher die Unterstützung durch diese unfreiwillige Art der Helferschaft mehr in ihre Pläne einkalkulieren, als sie die Tätigkeit der sogenannten „Bullen" fürchten.
Darum sich zu bemühen, reicht wiederum nicht aus, sondern — der Innenminister hat es richtig erwähnt — das ist die Frage der Weiterentwicklung dieser Gesellschaft, der Weiterentwicklung einer Gesellschaft, die eine möglichst große Zahl von Bürgern als die erreichbare gerechte Gesellschaft empfinden kann, um sie dann auch als verteidigenswert durch die Organe des Staates zu verteidigen.
Wenn wir hier gemeinsam die Erklärung der Bundesregierung unterstützen, wenn wir uns gemeinsam bemühen, wenn wir gewiß sein dürfen, daß die Länderregierungen uns im Rahmen ihrer Möglichkeiten unterstützen, und wenn wir weiterhin alles tun, um gewiß sein zu dürfen, daß der Exekutivapparat personell und technisch funktionsfähig ist, dann ist auch die Sicherheit — nicht nur die Möglichkeit — gegeben, daß wir für den einzelnen die innere Sicherheit gewährleisten, daß wir für diesen Staat die innere Sicherheit gewährleisten. Notwendig ist aber auch ein erforderliches Maß an Selbstvertrauen, um aus diesem heraus die notwendigen Maßnahmen zu treffen.