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Metadaten
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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 188. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1972 Inhalt: Verzicht der Abg. Freiherr von Kühlmann-Stumm und Freiherr von und zu Guttenberg auf die Mitgliedschaft und Eintritt der Abg. Dr. h. c. Menne (Frankfurt) und Cantzler in den Bundestag 10965 A Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Frau Geisendörfer und Bergmann . 10965 B Überweisung einer Vorlage an Ausschüsse 10965 B Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . 10965 C Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD betr. Verwaltungsrat der Lastenausgleichsbank (Drucksache V1/3472) . . . 10966 C Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung betr. Viermächteabkommen über Berlin Brandt, Bundeskanzler 10966 C Dr. Barzel (CDU/CSU) 10968 B Borm (FDP) 10969 C Mattick (SPD) 10971 B Dr. Gradl (CDU/CSU) 10973 D Begrüßung des Präsidenten der Ständigen Kommission beider Häuser des Kongresses der Vereinigten Mexikanischen Staaten, Luis H. Ducoing Gamba, sowie des Präsidenten des Abgeordnetenhauses der Republik Sierra Leone, Sir Emile Luke 10971 A, 10980 C Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung betr. Fragen der inneren Sicherheit Genscher, Bundesminister .10975 A, 11039 D Vogel (CDU/CSU) 10982 D Dr. Schäfer (Tübingen) (SPD) . . 10988 B Krall (FDP) . . . . . . . . 10993 A Dr. Merk, Minister des Landes Bayern 10994 A Ruhnau, Senator der Freien und Hansestadt Hamburg . . . . . 10998 A Dr. Schneider (Nürnberg) (CDU/CSU) 11014 B, 11053 B Dr. Jaeger, Vizepräsident . . . . 11015 A Brandt, Bundeskanzler . . . . . 11021 A Dr. Barzel (CDU/CSU) 11023 B Dr. Ehmke, Bundesminister . . . 11025 B Stücklen (CDU/CSU) 11026 C Pensky (SPD) 11027 A Dr. Lenz (Bergstraße) (CDU/CSU) . 11031 B Kleinert (FDP) 11034 D Jahn, Bundesminister . . . . . 11037 B von Thadden (CDU/CSU) . . . 11038 D Erhard (Bad Schwalbach) (CDU/CSU) 11040 D Dorn (FDP) 11043 B Dr. Mikat (CDU/CSU) 11044 C Dr. Stark (Nürtingen) (CDU/CSU) 11045 C Metzger (SPD) 11047 B Dr. Miltner (CDU/CSU) . . . . 11050 B II Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 188. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1972 Fragestunde (Drucksache VI/3468) Fragen des Abg. Röhner (CDU/CSU) : Vorbemerkungen zum Agrarhaushalt 1972 Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 11001 A, B, C, D Röhner (CDU/CSU) . . . . . . 11001 B, D Frage des Abg. Werner (CDU/CSU) : Beraterkorps der deutschen Wirtschaft als Hilfsinstrument bei der Entwicklungshilfe Dr. Sohn, Staatssekretär 11002 A Fragen des Abg. Sieglerschmidt (SPD) : Strafvollstreckung an Deutschen in der Türkei Dr. Erkel, Staatssekretär . . . .11002 B, D, 11003 A, B, C Sieglerschmidt (SPD) . . 11002 D, 11003 B Fragen des Abg. Dr. Wagner (Trier) (CDU/CSU) : Haftentlassung von Terroristen durch Gerichtsbeschluß ohne Fühlungnahme mit der Kriminalpolizei Dr. Erkel, Staatssekretär . 11003 D, 11004 D, 11005 A, B, C Dr. Wagner (CDU/CSU) 11004 D Ott (CDU/CSU) 11005 A, B Sieglerschmidt (SPD) 11005 C Frage des Abg. Erhard (Bad Schwalbach) (CDU/CSU) : Abdruck einer Rede des Bundesjustizministers vor dem Rechtspolitischen Kongreß der SPD im Bundesanzeiger Dr. Erkel, Staatssekretär 11005 D, 11006 A, B, C, D, 11007 A Erhard (Bad Schwalbach) (CDU/CSU) 11006 A, B Dr. Wittmann (München) (CDU/CSU) 11006 C Dr. Schmude (SPD) 11006 C Dr. Sperling SPD) 11006 D Ott (CDU/CSU) 11006 D Dr. Wagner (Trier) (CDU/CSU) . 11007 A Fragen des Abg. Würtz (SPD) : Frist für die Untersuchung von Freiwilligen auf Wehrdiensttauglichkeit Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär 11007 B, C Würtz (SPD) 11007 C Frage des Abg. Wohlrabe (CDU/CSU) : Gesamtkosten infolge des sog. Haarnetz-Erlasses Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär . 11008 A, B, C, D, 11009 A Wohlrabe (CDU/CSU) . . . . .11008 B, C Haase (Kassel) (CDU/CSU) . . . . 11008 D Hansen (SPD) . . . . . . . . . 11009 A Fragen der Abg. Damm und Dr. Zimmermann (CDU/CSU) : Weisungen politischer Organisationen an Beisitzer in Prüfungsausschüssen und -kammern für Wehrdienstverweigerer Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär 11009 B, C, D, 11010 A, B, C Damm (CDU/CSU) . . . 11009 C, 11010 A Dr. Zimmermann (CDU/CSU) . .11010 A, B Dr. Sperling (SPD) . . . . . . . 11010 C Frage des Abg. Niegel (CDU/CSU) : Ausübung eines kommunalen Ehrenamtes durch Wehrdienstleistende Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 11010 D, 11011 A Niegel (CDU/CSU) . . . . . . . 11011 A Frage des Abg. Varelmann (CDU/CSU) : Lebenswert von Rentnern und Studenten Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . .11011 B, C Varelmann (CDU/CSU) . . . .11011 B, C Frage des Abg. Varelmann (CDU/CSU) : Aufwand für den Lebensbedarf in höherem Alter Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . 11011 C, D, 11012 A Varelmann (CDU/CSU) . . . . 11011 D, 11012 A Fragen des Abg. Müller (Nordenham) (SPD) : Höchstwert des Bleigehalts der Trinkmilch Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . , 11012 A, C, D, 11013A, B Müller (Nordenham) (SPD) . .11012 B, C, D Schmidt (Braunschweig) (SPD) . . 11012 D Kiechle (CDU/CSU) 11013 A Niegel (CDU/CSU) . . . . . . 11013 B Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 188. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1972 III Fragen des Abg. Dr. Schwörer (CDU/CSU) : Zahl der infolge von Geburts- und Frühstschäden dauernd Erwerbsunfähigen —. Verbesserung ihrer materiellen Lage Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . 11013 B, D, 11014 A, B Dr. Schwörer (CDU/CSU) . . . . 11014 A Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1972 (Haushaltsgesetz 1972) (Drucksachen VI/2650, zu VI/2650, Nachtrag zu VI/2650, VI/3350 bis VI/3376) — Fortsetzung der zweiten Beratung —Zur Geschäftsordnung Seidel (SPD) . . . . . . . . .11053 D Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) . . 11054 B Kirst (FDP) . . . . . . . . .11055 C Höcherl (CDU/CSU) . . . . . 11056 B Haehser (SPD) 11057 C Leicht (CDU/CSU) 11058 A Gallus (FDP) 11059 B Dr. Althammer (CDU/CSU) . . . 11059 D Dr. von Bülow (SPD) 11060 D Dr. Jenninger (CDU/CSU) . . . . 11061 C Dr. Barzel (CDU/CSU) 11062 B Wehner (SPD) 11063 A Mischnick (FDP) 11063 D Nächste Sitzung 11064 C Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 11065 A Anlage 2 Stellungnahme des Bundesrates zum Abfallbeseitigungsgesetz . . . . . . . 11065 A Anlage 3 Entschließung des Bundesrates zum Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze 11065 B Anlage 4 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Fuchs (CDU/CSU) betr. Pressemeldungen über den Politischen Arbeitskreis Oberschulen . . . . 11065 C Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 188. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1972 10965 188. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1972 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 188. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1972 11065 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordneter beurlaubt bis einschließlich Schneider (Königswinter) 9. 6. Dichgans 9. 6. Anlage 2 Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetz über die Beseitigung von Abfällen (Abfallbeseitigungsgesetz — AbfG) Der Bundesrat ersucht die Bundesregierung, bis zum 31. Dezember 1973 darüber zu berichten, welche Möglichkeiten sich bieten, 1. um durch Ausgleichsabgaben die Erzeuger von Verbrauchsgütern, die für die spätere Abfallbeseitigung erheblichen Aufwand verursachen, zu den sozialen Kosten des Umweltschutzes heranzuziehen, 2. um darauf hinzuwirken, daß bereits bei der Planung des Produktionsprozesses a) die Entwicklung umweltfreundlicher Erzeugnisse und Verfahren in größerem Maße berücksichtigt wird, b) die wirtschaftliche Wiederverwendung bestimmter Abfallarten stärker in Betracht gezogen wird, c) auf die Erleichterung der späteren Abfallbeseitigung Rücksicht genommen wird. Anlage 3 Entschließung des Bundesrates zum Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze — KHG — Die Bundesregierung wird aufgefordert, eire Rechtsverordnung nach § 27 Abs. 1 Nr. 4 über Abgrenzungsvorschriften möglichst bald, spätestens ein Jahr nach Verkündung des Gesetzes, vorzulegen, die es ermöglicht, 1. Anlagewerte entsprechend ihrer Fristigkeit der Gruppe der mittel- und kurzfristigen Anlagegüter zuzuordnen und 2. Güter und Leistungen als Wiederbeschaffung zu bestimmen. Diese Abgrenzungsvorschriften sind aus Gründen der Praktikabilität des Gesetzes erforderlich. Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 4 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Westphal vom 6. Juni 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Fuchs (CDU/CSU) (Drucksache VI/3468 Frage A 95) : Treffen Pressemeldungen zu, daß nach Unterlagen des Politischen Arbeitskreises Oberschulen (PAO) „die besondere Rolle der Schülerorganisationen darin besteht, ein intellektuelles revolutionäres Potential zu schaffen, das die Aufgabe hat, der Arbeiterklasse zu helfen, seine Klassenanliegen zu erkennen und gleichzeitig eine revolutionäre Partei aufzubauen", und welche Konsequenzen ergeben sich für die Bundesregierung, wenn die Meldung zutrifft? Es trifft zu, daß in der letzten Zeit gegen die Arbeit des Politischen Arbeitskreises Schulen (PAS) — früher Politischer Arbeitskreis Oberschulen (PAO) — der Vorwurf erhoben wurde, daß in seiner politischen Bildungsarbeit revolutionäre Agitatation betrieben und auf eine entsprechende Gleichschaltung des Verbandes hingearbeitet wurde. Diese Vorwürfe konnten nicht entkräftet werden. Der neue Bundesvorstand des PAS hat die Berechtigung des Verdachtes von Verstößen gegen seine eigene Satzung und speziell gegen das in ihr enthaltene Gebot, überparteiliche Bildungsarbeit zu leisten, selbst bestätigt. Der PAS, selbst kein rechtsfähiger Verein, wurde seit Jahren aus Mitteln des Bundesjugendplanes indirekt gefördert. Verantwortlicher Empfänger der Förderungsmittel ist das Kuratorium des PAS, der „Arbeitskreis für politische Bildung e. V.". In einer sofort nach Bekanntwerden der Vorwürfe vorgenommenen Untersuchung hat das Kuratorium Verstöße des PAS-Bundesvorstandes gegen seine Satzung festgestellt. Daraufhin hat das Kuratorium beschlossen, dem PAS den Eingang neuer Zahlungsverpflichtungen zu untersagen. Dies bedeutet praktisch eine Aussetzung der Förderung. Inzwischen haben diejenigen Mitglieder des PAS-Bundesvorstandes, die auch dem früheren Vorstand angehörten, während dessen Amtszeit die Satzungsverstöße vorgekommen sind, ihren Rücktritt erklärt. Der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit respektiert diese Entscheidung des Kuratoriums in vollem Umfange. Auch läßt die gegenwärtige parteipolitisch ausgewogene personelle Zusammensetzung des Kuratoriums keinen Zweifel an seinem Eintreten für eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit zu. In unmittelbar bevorstehenden Verhandlungen des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit mit dem Kuratorium wird geprüft werden, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen diese Träger eine qualifizierte politische Bildung für Schüler künftig gewährleisten kann. Die Notwendigkeit qualifizierter und dem Grundgesetz verpflichteter politischer Bildungsarbeit wird weiterhin bejaht. Eine Reihe von Trägerinstitutionen nimmt diese Aufgabe mit Erfolg wahr. Der PAS wird durch einen neu gewählten Vorstand und ein von den verantwortlichen Gremien bestätigtes Programm das Vertrauen für eine künftige Zusammenarbeit zurückgewinnen müssen.
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    Rede von Kurt Mattick


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich heute mit einem Wort des Dankes beginnen, des Dankes für das Zusammenwirken unserer Alliierten, Freunde, Verbündeten mit der Bundesregierung und dem Berliner Senat, um dies zu erreichen, worüber wir heute reden. Ich glaube, nur die Tatsache, daß es hier von Anfang an zu einer gemeinsamen Haltung und zu einem gemeinsamen Willen gekommen ist, hat dazu geführt, daß wir heute davon sprechen können, daß nach 27 Jahren für Berlin eine neue Entwicklung eingeleitet werden konnte.
    Präsident Nixon hat in seiner Regierungserklärung zum Jahreswechsel festgestellt, wenn irgendwo in Europa der nukleare Krieg in den letzten 25 Jahren hätte ausbrechen können, dann wäre das in Berlin gewesen. Wenn der Präsident jetzt bei seinem Erscheinen in Moskau erklärt: Wir treffen uns, um ein neues Zeitalter in den Beziehungen zwischen unseren großen und mächtigen Nationen zu beginnen, so möchte ich dazu sagen: Welche Wandlung, welch hoher Anspruch! Auch in dem Moskauer Kommuniqué wird deutlich, daß es nach dem zweiten
    Weltkrieg, nach dem kalten Krieg in Europa, nach den Differenzen an vielen Stellen der Welt dennoch möglich zu werden scheint, daß die beiden Hauptträger der Auseinandersetzungen in vielen Gebieten der Welt sich zu einer gemeinsamen Linie finden, um den Frieden nicht nur in Europa, sondern überall in der Welt sicherer zu machen.
    Die Kommentare der letzten Monate über das Geschehen um die Ratifikation und um die BerlinVereinbarungen, die einzeln nachzulesen sich lohnt, deuten auf eines hin: Wir haben es hier mit einer Veränderung zu tun, die die meisten von uns vor kurzer Zeit noch nicht zu erhoffen wagten. Das, was für Berlin jetzt erreicht ist, die Vereinbarungen, mit denen wir es zu tun haben, waren nur — das muß hier noch einmal wiederholt werden — bei einer Ratifikation der Verträge mit Moskau und Polen erreichbar. Herr Barzel hat heute ja erfreulicherweise anerkannt, was hier vor vier Wochen noch bestritten wurde, daß nämlich der Zusammenhang zwischen der Ratifikation der Verträge und der Berlin-Vereinbarung unbestreitbar ist.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Kiep: Richtig zuhören!)

    Dies ist für mich eine sehr notwendige Feststellung, weil wir es hier nämlich mit einem Klärungsprozeß zu tun haben, der vor vier Wochen noch anders aussah.

    (Abg. Kiep: Das müssen Sie noch einmal nachlesen!)

    — Ich habe auch nachgelesen, was Sie in New York gesagt haben, Herr Leisler Kiep. Darüber reden wir noch.
    Meine Damen und Herren, diese Verträge stehen im Zeichen der Vergangenheit. 27 Jahre nach dem zweiten Weltkrieg, aus dessen Katastrophe uns unsere Kriegsgegner von damals durch Toleranz und Marshallplan ausgelöst haben, gibt es keinen unmittelbaren Anknüpfungspunkt mehr an die Vergangenheit, die immer so gern mit dem Jahre 1937 gekennzeichnet wird. 27 Jahre kann man nicht überspringen. Heute können wir nur von dem ausgehen, was ist. Heute können wir nur von dem ausgehen, was wir — und anscheinend konnte es niemand — nicht verhindern konnten. Die Verträge sind ein Produkt der Vergangenheit und können nur an die Versäumnisse der Vergangenheit anknüpfen. Meine Damen und Herren, Irrtümer der Vergangenheit dürfen uns nicht lähmen, aus dem Heute etwas Besseres zu entwickeln. Ich betrachte die Verträge und die Berlin-Vereinbarung als Ausgangspunkt zur Mobilmachung des Friedens für Europa und weit darüber hinaus, für die Menschen in Europa und vor allen Dingen für die Menschen in beiden Teilen Deutschlands und Berlins.
    In einem Jahr wird niemand mehr fragen, mit wieviel Stimmen die Ratifikation der Verträge erfolgt ist. Aber alle werden sich daran erinnern, wer sich an dieser Abstimmung quasi nicht beteiligt hat und nicht bereit war, die Verantwortung für diese Politik mit zu übernehmen. Daran werden sich alle erinnern.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)




    Mattick
    Die Berlin-Vereinbarung ist nach langer Zeit der erste wirkliche politische Schritt im Sinne der gesamten Nation, von der hier so oft und so viel gesprochen worden ist. Es ist im wahrsten Sinne ein patriotischer Schritt, es ist Dienst am Frieden und Dienst an den Menschen der ganzen Nation.

    (Abg. Wohlrabe: Glaubt das auch die DDR?)

    — Wer das glaubt, ist nicht die Frage. Wer es sieht und daran arbeitet, ist das Problem.
    Meine Damen und Herren, ich möchte in diesem Zusammenhang etwas zu dem sagen, was uns seit Ostern und Pfingsten an Erfahrungen tief beeindruckt. Es sind sicher nicht viele in diesem Hause, die die Gelegenheit wahrnehmen konnten oder wahrgenommen haben, die erste Möglichkeit zu Begegnungen mit dem anderen Teil Deutschlands zu nutzen. Ich gehöre zu denen, die es getan haben. Lassen Sie mich dazu einiges sagen.
    Über 600 000 Berliner sind über Pfingsten in die DDR gereist und haben dort mit den Menschen des anderen Teiles Deutschlands Kontakt gehabt. Von nun an hat jeder Berliner Gelegenheit, sich 30 Tage pro Jahr in der DDR aufzuhalten. Dieses heißt, übertragen auf die Pfingstbegegnung, wir nehmen an, daß mindestens 500 000 Berliner diese 30 Tage der Begegnung im anderen Teil Deutschlands ausnutzen. Wenn man von einer Begegnung mit nur einem Menschen täglich ausgeht, heißt das, daß die WestBerliner mit 15 Millionen Deutschen, die in der DDR leben, zusammentreffen. Erst wer die Begegnung erlebt hat, kann begreifen, was das für die Menschen drüben bedeutet. Mir ist erst Pfingsten klargeworden, obwohl ich als Berliner wahrscheinlich eine andere Einstellung dazu habe als mancher, der hier im Westen lebt und diese Einstellung gar nicht haben kann, was die Berlin-Vereinbarungen und was die Verträge für die Menschen im anderen Teil unseres Vaterlandes bedeuten, nämlich die einzige wirkliche große Hoffnung darauf, daß eine Änderung auch für sie eintritt, eine Änderung in dem Sinne, daß sie nach 20, nach 25 Jahren Isolierung erstmalig in großem Umfange in der Lage sind, Gespräche mit den Menschen zu führen, die im anderen Teil ihres Vaterlandes leben. Sie können Hoffnung aus einer Entwicklung schöpfen, an die sie kaum noch zu glauben gewagt haben. Ich habe diese Gespräche geführt, und hier im Raum sitzen mehrere, die sie auch geführt haben.
    Ich habe nicht die Absicht, jetzt eine politische Auseinandersetzung über die Frage, wie es drüben aussieht, zu führen. Das ist eine ganz einfache Formel, die wir hier sehen müssen. Die Öffnung der Grenze zwischen der DDR und Polen und zwischen der DDR und der CSSR ist kein Ersatz für die Begegnung der Deutschen mit ihren Freunden, Verwandten und allen denen, die in Westdeutschland leben. Für die Deutschen in der DDR bedeutet es ein Stück Vergangenheit und ein Stück Zukunft, diese Kontakte wiederherzustellen. Die Vorstellung eines Auseinanderlebens ist während des Pfingsttreffens nicht bestätigt worden, sondern es ist bestätigt worden, daß mit diesem Schritt, der durch die Verträge und die Berlin-Vereinbarungen eingeleitet worden ist, auch für die Deutschen im anderen Teil Deutschlands eine völlig neue Perspektive ihrer Lebensbedingungen entsteht. Der Begriff „Lebensbedingungen" hat für die Menschen drüben nicht nur eine wirtschaftliche Bedeutung, obwohl jeder, der dort Kontakte aufgenommen hat, weiß, daß wirtschaftliche Fragen drüben von großer Bedeutung sind. Für diese Menschen entsteht die große Hoffnung, daß das, was wir jetzt an Politik eingeleitet haben, auch ein Beitrag zu Veränderungen in diesem Sinne im anderen Teil Deutschlands wird.
    Sie machen sich ja keine Vorstellungen, meine Damen und Herren, was es bedeutet, 27 Jahre in einer solchen Isolierung zu leben, wie sie es mußten, und 27 Jahre darauf zu hoffen, daß auch auf der anderen Seite Deutschlands eine Politik betrieben wird, die ihnen in Wirklichkeit hilft, und nicht nur Reden zu hören, die davon ausgehen, daß in späterer Zeit einmal das Recht der Deutschen zum Zuge kommt und damit Veränderungen eintreten, von denen bisher niemand eine Vorstellung hatte, wie sie wirklich entstehen können und was sie dann noch, wenn es einmal soweit ist, bedeuten. Ich sage Ihnen, die Praxis dieser Tage ist schon eine dankbare Antwort an die Politik, die mit der Einleitung der Verträge und der Berlin-Vereinbarung jetzt ihren ersten Erfolg zeitigt.
    Für Berlin — das ist hier sehr deutlich gesagt worden — bedeuten diese Verträge und bedeutet die Berlin-Vereinbarung eine qualitative Veränderung von einem noch nicht einschätzbaren hohen Rang. Wer sich die Skala noch einmal vor Augen hält, wie diese Stadt von der Blockade über die Mauer bis zum heutigen Tage gelebt hat, unter welchen Bedingungen die Menschen gelebt und wie sie sich verhalten haben, der sollte hier seine Bewunderung darüber noch einmal ausdrücken — mir als Berliner steht das nicht zu —, daß es möglich war, mit dem Verhalten der Menschen in dieser Stadt durch diese unglaublichen Schwierigkeiten der letzten 25 Jahre dennoch zu jeder Zeit damit rechnen zu können, daß sie zu ihrer Position stehen, daß sie diese Stadt erhalten durch ihre Bereitschaft, unter den Bedingungen zu leben, von denen niemand bis vor einem Jahr oder vor zwei Jahren wußte, daß es bald einmal eine Änderung geben wird.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die qualitative Veränderung liegt nicht nur in dem schnelleren Weg zwischen West-Berlin und Westdeutschland, sie liegt in der Tatsache, daß heute West-Berlin davon ausgehen kann, daß es — mitverantwortet von der Sowjetunion — eine Stadt ist, die mit den bestehenden Bindungen zur Bundesrepublik gehört, daß diese Bindungen auch im Osten Europas allgemein anerkannt werden und jeder Bürger West-Berlins sich überall in dieser Welt als Bundesbürger mit seinem Bundespaß vertreten sehen kann.
    Die Stadt selbst wird aus sich heraus neue Lebensimpulse entwickeln können durch die Tatsache, daß die freie Bewegung zwischen Berlin und Westdeutschland viele bisherige Hemmungen beseitigt. Ich sage Ihnen, es wird auch für die junge Genera-



    Mattick
    tion von großer Bedeutung sein, in dieser Stadt zu leben, weil nämlich in dieser Stadt mehr Kontaktmöglichkeiten mit der jungen Generation im anderen Teil Deutschlands gegeben sind.
    Ich erinnere mich an viele Reden, die hier gehalten worden sind über die Frage, wie man zusammenkommt, über die Überlegungen, wie isoliert die Menschen sind, wie sie denken, wie man mit ihnen sprechen kann. Dies alles ist jetzt eröffnet worden, und ich glaube, es wäre wertvoll, dem mehr Aufmerksamkeit zu widmen und Verständnis dafür aufzubringen, daß für Berlin und für die Berliner und für die Menschen in der DDR mit dieser Berlin-Vereinbarung und durch die Verträge etwas entstanden ist, das in seinem Umfang und in seiner Auswirkung für die weitere Entwicklung überhaupt noch nicht einzuschätzen ist.
    Ich gehe davon aus, daß wir auch mit Schwierigkeiten rechnen müssen. Wer sich in der DDR umgesehen hat, der weiß, daß es für die Regierung dort drüben nicht so einfach ist, was sie jetzt an neuen Pflichten übernehmen mußte,

    (Abg. Wohlrabe: Aber das Papier muß sie wenigstens einhalten!)

    und der weiß auch, daß hier noch Klippen vor uns stehen, die noch gar nicht zu übersehen sind. Ich möchte von diesem Platz aus an alle diejenigen appellieren, die wissen, um was es dabei geht, sich so zu verhalten, daß der anderen Seite keine berechtigten Vorwände gegeben werden, neue Möglichkeiten für Schwierigkeiten einzuschalten. Dies wird eine schwierige Probe aufs Exempel sein, ob die nationale Verantwortung aller Deutschen auch auf dem Weg zwischen der Bundesrepublik und WestBerlin gemeinsam getragen wird, damit es uns nicht eines Tages passiert, daß durch Dinge, die der einzelne dann ohne. Rücksicht auf andere tut, neue Schwierigkeiten entstehen. Ich glaube, das sollte von diesem Platz aus noch einmal allen gesagt werden: Es wird darauf ankommen, wenn wir die DDRFührung an ihren Pflichten festhalten wollen, daß auch wir wissen, welche Verpflichtung wir damit übernehmen.
    Dabei mache ich gar kein Hehl daraus, meine Damen und Herren, daß für die Menschen dort drüben dies ein ganz kleiner, dünner Anfang und daß es ihre Hoffnung ist, daß auch sie bald einmal Gelegenheit haben, durch die Mauer hindurchzusehen und zur anderen Seite Deutschlands zu blicken. Dazu wird es noch eines längeren Weges bedürfen. Wie lang er tatsächlich ist, wird auch davon abhängen, welche Politik wir betreiben, um die Mauer eines Tages nach beiden Seiten öffnen zu können.
    Ich gehe jedenfalls davon aus, meine Damen und Herren, daß mit diesem Schritt Möglichkeiten eingeleitet werden, die der nationalen Frage, von der wir hier so gerne reden, eine neue Qualität verleihen wird, weil das Zusammenleben der Menschen in beiden Teilen Deutschlands mit diesen Vereinbarungen eine erste Chance, eine erste Möglichkeit bietet.
    Herr Barzel hat hier in seiner Bemerkung gesagt: Die Zukunft wird erweisen, wer recht hatte.

    (Abg. Dr. Barzel: W e r recht hatte!)

    — Die Zukunft wird erweisen, Herr Barzel, wer imstande und bereit ist, diese begonnene Politik mit dem gesamten Gewicht des deutschen Volkes, mit dem gesamten Gewicht aller politischen Kräfte weiterzuführen und bis ins letzte auszuschöpfen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Diese Politik wird in dem Ausmaß Erfolg haben, in dem man uns in der Bundesrepublik in den Fragen dieser Politik nicht auseinandermanövrieren kann. Das wird ein wichtiger Punkt sein.
    Meine Damen und Herren, Berlin darf nicht im Schatten bleiben, ist eben von Herrn Barzel gesagt worden. Berlin hat die erste Möglichkeit, sich aus dem Schatten zu lösen, in dem es seit mindestens 1961, als der Bau der Mauer nicht verhindert werden konnte, gestanden hat. Diese Schatten, meine Damen und Herren, sind erst jetzt in diesen Tagen erstmalig von Berlin gewichen durch die Verträge und durch die Vereinbarungen über Berlin. Die Berliner spüren das am meisten selbst.
    Wir haben mit diesen Vereinbarungen und mit der Ratifizierung nun dafür gesorgt, daß die Berliner nach 27 Jahren aufatmen können, daß in der DDR endlich eine Hoffnung entsteht. Unser Ziel ist es, eine Politik zu betreiben, die dazu führt, daß sich die Mauer in Berlin nie mehr ganz schließen, sondern Schritt für Schritt weiter öffnen wird.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Unser Ziel ist es ebenso, daß durch unsere Politik auch die Menschen im anderen Teil Deutschlands bald mit einer Freizügigkeit rechnen können, die es ihnen erlaubt zu wissen, wie wir hier leben, und die Veränderungen in Deutschland mit sich bringt, die Voraussetzung für eine zukünftige Nation, von der viele träumen, sein wird. — Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Kai-Uwe von Hassel
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Gradl.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Johann Baptist Gradl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir ein paar kurze Bemerkungen zu dem, was in der Aussprache gesagt worden ist. Zunächst begrüße ich es, daß der Kollege Mattick am Schluß darauf hingewiesen hat, daß die Mauer nicht nur ein Problem der Bewegungsfreiheit von West nach Ost ist. Das, was wir in Berlin mit der Berlin-Regelung erreicht haben, kommt zunächst — das dürfen wir nie vergessen — nur denen zugute, die aus West-Berlin nach Ost-Berlin und in die DDR wollen. Die eigentliche Aufgabe steht ja noch vor uns: Die Aufgabe, zu erreichen, daß Freizügigkeit nun endlich auch in einem wachsenden Maße von Ost nach West gewonnen wird. Dies ist das eigentliche Problem der Mauer.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)




    Dr. Grad!
    Von Herrn Kollegen Borm ist in der Diskussion eine Bemerkung gemacht worden, die ich für kleinlich halte und die wir nicht einfach hinnehmen wollen. Herr Kollege Borm, Sie haben unsere jetzige Stellungnahme zur Berlin-Regelung so gedeutet, als seien wir bemüht — wie sagten Sie? -, fremde Früchte in unsere Scheuern zu bringen. Herr Kollege Borm und die anderen, die es angeht: wenn es in den vergangenen Jahren eine gemeinsame Arbeit der verschiedenen politischen Kräfte dieses Hauses gegeben hat, dann war es die Bemühung, eine vernünftige Berlin-Regelung herauszuholen. Hier haben wir — vom Bundeskanzler von diesem Platz aus anerkannt — gezeigt, was man erreichen kann, wenn die politischen Kräfte gemeinsam an eine solche Aufgabe herangehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Der Beitrag der Opposition, der CDU/CSU, hat sehr dazu beigetragen, daß in die Berlin-Regelung manches hineingekommen ist und daß aus ihr manches herausgehalten worden ist, was vom deutschen Interesse aus eben erreicht oder vermieden sein mußte.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich meine, man kann daraus diesen Schluß ziehen: Wenn die Regierung von Anfang an und insgesamt in Ihrer Ostpolitik den Weg gegangen wäre,

    (Abg. Kiep: Sehr wahr!)

    in Gemeinsamkeit mit uns ihren Versuch zu machen,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    dann wäre manches an Auseinandersetzungen vermieden worden,

    (Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Sehr gut! — Zurufe von der FDP)

    und sicher wäre das Ergebnis in vieler Hinsicht besser gewesen als bei Anwendung des Prinzips „wir brauchen die Opposition nicht".

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Die zweite Bemerkung, die ich machen möchte, bezieht sich auf eine Äußerung des Herrn Bundeskanzlers. Er sprach die Erwartung aus, daß — ich verkürze jetzt — die getroffenen Vereinbarungen nicht restriktiv ausgelegt, sondern vielmehr ausgebaut würden. Dies ist natürlich unser aller Wunsch. Aber wir dürfen in diesem Augenblick nicht übersehen, daß von der anderen Seite schon jetzt in einem bestimmten Punkt ein Verhalten an den Tag gelegt wird, das befürchten läßt, daß die andere Seite genau das Gegenteil vorhat. Das, was sich um die Sofortabgabe von Zugangsscheinen in Berlin am Sonntag und seither getan hat, ist das Gegenteil von offenem, lösendem Verhalten in bezug auf die Berlin-Regelung. Es ist restriktiv, ja sogar prohibitiv. Wir warnen die, die es angeht — das ist der Senat, und das ist die Bundesregierung —, davor, diese Sache herunterzuspielen und zu meinen, das seien Anfangsschwierigkeiten, und damit könne man irgenwann fertig werden. In Wirklichkeit ist es so, daß hier offenbar von der anderen Seite schon im Anfang versucht wird, das Prinzip restriktiver
    Handhabung in die Berlin-Regelung einzuführen. Deshalb, meine ich, ist sofort höchste Wachsamkeit erforderlich.
    Die dritte Bemerkung bezieht sich auf die Pflichten und Notwendigkeiten, die sich aus der Berlin-Regelung, wie sie jetzt vorliegt, ergeben. Wir alle sind uns, glaube ich, darüber im klaren, daß die kommende Periode — wir wissen nicht, wie lange sie dauern wird — für Berlin auch auf der Basis der Berlin-Regelung neue Probleme bringen wird. Keiner von uns hatte oder hat ein Interesse daran, daß Berlin Spannungszentrum ist, und keiner konnte wünschen, daß es das bleiben würde. Aber nunmehr ergibt sich auf der Basis der Verträge und der Berlin-Regelung für uns alle die Aufgabe, sehr dafür zu sorgen, daß Berlin neue Anziehungskraft gewinnt, und da reicht, glaube ich, das Modellbild der modernen Großstadt eben nicht aus. Berlin braucht eine Anziehungskraft und eine Ausstrahlungsfähigkeit, die das politische, geistige, kulturelle Interesse nicht nur in unserem eigenen Lande, in der Bundesrepublik, sondern weit darüber hinaus anspricht. Hier, Herr Bundeskanzler, haben wir die dringende Bitte, daß die Regierung die vielfältigen Bemühungen und verschiedenen Planungen, für Berlin Institutionen zu gewinnen, die aus dieser Stadt ein neues, über die Stadt und über die Bundesrepublik hinausreichendes geistig-kulturelles und wissenschaftliches Zentrum machen, nun endlich zusammenfaßt und eine Gesamtvorstellung entwickelt, damit die konkreten Anstrengungen Ansatzpunkte und Basis gewinnen, um nun wirklich das zustande zu bringen, was notwendig ist, z. B. ein Bündel von wissenschaftlichen Institutionen von internationalem Rang.
    Eine weitere Bemerkung, zu der die Diskussion angeregt hat: In den verschiedenen Reden ist darauf hingewiesen worden, wie wechselvoll die Geschichte Berlins seit 1945 gewesen ist. In der Tat sind die 25 oder 27 Jahre eine Kette von Versuchen, West-Berlin zu ilosieren. Das fing mit der Blockade an, ging zum Ultimatum und setzte sich in einer Serie von gezielten Störaktionen fort. Unsere Hoffnung ist — dies ist doch wohl auch der Sinn des Moskauer Vertrages —, daß nunmehr Androhung wie Anwendung von Gewalt als Mittel der Politik gegenüber Berlin endgültig aus der politischen Praxis aller, die es angeht, verschwinden. Wir selber haben als Deutsche kein Interesse, Zweifel daran zu setzen, obwohl wir nach allen Erfahrungen, die wir gemacht haben, wissen, daß wir wachsam sein müssen.
    Aber wir müssen auch im Bewußtsein haben, daß sich bereits eine neue Spekulation in bezug auf die Zukunft Berlins bemerkbar macht, die Spekulation der Gegenseite nämlich, daß nun, wenn sozusagen Frieden über Berlin wird, das Engagement für Berlin-West allmählich ermüden könnte.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

    Dieser Gefahr und dieser Spekulation müssen wir widerstehen. Auch hier sind wir zu permanenter Anstrengung aufgerufen.
    Dazu gehört — lassen Sie mich das zum Schluß sagen — natürlich auch die intensive Anstrengung



    Dr. Gradl
    der zentralen Institutionen und Repräsentanten aller politischen Kräfte der Bundesrepublik, Berlin im Rahmen der Viermächteregelung weiterhin als den Platz zu betrachten und zu nutzen, von dem aus gewichtige politische Aussagen und Stellungnahmen zur deutschen und internationalen Politik kommen. Es darf nicht so sein, daß nunmehr Berlin vornehmlich als „Hauptstadt der DDR" und als zentraler Ort des deutschen Kommunismus im politischen Bewußtsein der Welt verankert wird. Wir deutschen Demokraten sind verpflichtet, dafür zu sorgen, daß Berlin Forum der deutschen Demokratie bleibt.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)