Rede von
Wolfgang
Vogt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Dr. Evers, Sie haben recht, ich darf es Ihnen bestätigen.
Aber lassen Sie mich nun —
— Herr Kollege Apel, ich war sehr großzügig. Ich
muß nämlich wahrscheinlich in acht Minuten hier
abschließen, und deshalb darf ich wenigstens einen t Gedankengang noch vortragen. Wenn dann Zeit übrig bleibt, stehe ich gern für Fragen zur Verfügung; das macht sehr viel Spaß mit Ihnen.
Ich stelle noch einmal fest: Die Inflation führt zu einer negativen Umverteilung, und die nächste negative Umverteilung steht vor der Tür; denn Sie wissen, daß unser Land, daß unsere Wirtschaft vor einem konjunkturellen Einbruch steht. Wir können das Ausmaß dieses konjunkturellen Einbruchs noch nicht genau einschätzen, aber je tiefer der Einbruch, um so nachhaltiger muß der Versuch unternommen werden, durch Investitionsprogramme die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Aber das bedeutet, daß wir in eine zweite negative Umverteilung im Anschluß an die negative Umverteilung der Inflation kommen werden.
Herr Schiller hat zu unserer Beruhigung gesagt, wir seien für den Fall des Abschwungs der Konjunktur gerüstet. Selbstverständlich stehen ein Eventualhaushalt und eine Konjunkturausgleichsrücklage zur Verfügung. Aber der Einsatz dieser Mittel wird wieder zu einer Begünstigung der Vermögensbildung der Unternehmen führen, genauso wie wir es in der konjunkturellen Phase 1967/68 erlebt haben.
1968 sind - ich darf Ihnen die Zahl des Sachverständigenrates in die Erinnerung zurückrufen, Herr Apel — etwa 85 0/o der Bruttoinvestitionen von den Unternehmen aus eigenen Mitteln finanziert worden. Das heißt: je heftiger die konjunkturellen Ausschläge, um so stärker die negative Umverteilung. Das gilt nicht nur für die inflationäre Phase der Konjunktur, sondern das gilt auch für die Phase der Ankurbelung.
— Da man das, Herr Kollege Farthmann, 1967/68, als wir in der Großen Koalition saßen, erkannt hat ich hatte damals noch nicht das Glück diesem Hohen Hause anzugehören; aber als interessierter Beobachter habe ich das gesehen —, sind zur Zeit der Großen Koalition von den beteiligten Ministerien
Katzer, Strauß und Schiller die vier Modelle zur Vermögensbildung entwickelt worden. Sie waren im Herbst 1969 so weit, daß sie im Frühjahr 1970 hätten entscheidungsreif sein können. Ich erinnere mich -- ich bin sicher, daß sich alle Kollegen hier im Hause daran erinnern —, daß der Kollege Katzer damals sogar — vielleicht darf ich es so ausdrücken — in einer Idealkonkurrenz zu seinem damaligen Kollegen Schiller gestanden hat, um diese vier Modelle voranzubringen und sie entscheidungsreif zu machen mit dem Ziel, auf dieses Instrumentarium der Vermögensbildungspolitik im Sinne der Beteiligung der Arbeitnehmer am produktiven Kapital der Wirtschaft in einer künftigen entsprechenden Konjunkturphase zurückgreifen zu können. Sie haben mit dem Kapital dieser vier Modelle nicht gewuchert. Die Modelle waren im Jahre 1970 entscheidungsreif. Bis heute jedoch hat die Bundesregierung noch
8820 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 153. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 1. Dezember 1971
Vogt
keinen Plan vorgelegt, wie die Beteiligung der Arbeitnehmer, die Beteiligung breiter Schichten der Bevölkerung am produktiven Kapital der Wirtschaft vorangetrieben werden könnte.
Der Vermögensbildungsplan, Herr Kollege Farthmann, war für April 1970 angekündigt. Wir haben gewartet und wurden dann auf den Herbst 1970 vertröstet. Als er dann noch nicht vorlag, hieß es: er kommt im Zusammenhang mit der Steuerreform. Anfang Juni wurden Eckwerte der Steuerreform, aber immer noch kein Vermögensbildungsplan beschlossen. Dann hieß es: wir werden am 28. Oktober 1971 bei der Revision der Eckwerte eine Entscheidung treffen. Es wurde jedoch wieder keine Entscheidung getroffen. Herr Kollege Nölling, wenn man der Berichterstattung des „Kölner Stadtanzeigers" glauben darf — ich meine, man kann ihr glauben —, haben Sie zum Abschluß des SPD-Parteitags gesagt, daß eben auch dieser Parteitag sein Pensum nicht erfüllt habe, denn er war ja speziell zu dem Zweck einberufen worden, nicht nur über die Steuerpolitik, sondern auch über die Vermögensbildungspolitik zu entscheiden.
Deshalb, meine Damen und Herren und Herr Kollege Hermsdorf, erinnern wir auch in dieser Debatte an unsere Alternative, nämlich den gesetzlichen Beteiligungslohn, denn er ist eine praktikable Lösung. Er ist eine sachlich ausgereifte Lösung — wir sind natürlich bereit, über Einzelheiten zu sprechen —, und er hat den Vorzug, daß wir damit eine personenbezogene Beteiligung breiter Schichten am produktiven Kapital unserer Wirtschaft verwirklichen können.
Meine Damen und Herren, leider läßt es die Zeit nicht zu, Ihr Versagen auf vermögenspolitischem Gebiet für das Verhalten der Tarifpartner auszudeuten, die in schwierigen konjunkturellen Situationen Löhne und Gehälter zu vereinbaren haben. Vielleicht gibt es morgen noch die Möglichkeit, diesen Gesichtspunkt herauszugreifen. Denn dadurch, daß Sie die Realisierung der Pläne zur Vermögensbildung verhindern, machen Sie, ob Sie das wollen oder nicht, die Tarifpartner zum Prügelknaben konjunkturpolitischer Fehlentwicklungen.
Erst wenn die Tarifpartner sowohl über Barlohnerhöhungen verhandeln können wie auch in der Situation sind, auf Beteiligungswerte, ihren Erwerb und ihre Rendite, verweisen zu können, sind sie in der Lage, eine Einkommenspolitik und Verteilungspolitik zu treiben, die mit der Konjunktur abgestimmt ist.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich ein letztes Wort sagen. Der SPD-Parteitag war nach meinem Eindruck nicht einfach ein Betriebsunfall. Das Hinausschieben der Entscheidungen über den Vermögensbildungsplan war nicht einfach die Folge davon, daß man sich mit bestimmten Sachproblemen noch nicht so intensiv hatte beschäftigen können. Sie war nicht einfach die Folge der Tatsache, daß man in der heutigen Zeit aus konjunkturpolitischen Gründen klug zu handeln meinte, wenn man die Entscheidung zurückschob. Nein, auf diesem Parteitag ist deutlich geworden, daß zumindest Teile Ihrer Fraktion und überwiegende Teile Ihrer Partei eine Beteiligung der Arbeitnehmer am produktiven Kapital der Wirtschaft so personbezogen wie möglich gar nicht wollen.
— Herr Kollege Dr. Apel, Sie kennen doch sicher auch die Ausführungen, die etwa Ihr Fraktionskollege Dr. Sperling auf dem Parteitag gemacht hat.
— Sie kennen doch sicher auch die Aussagen und Diskussionsbeiträge von Herrn von Oertzen auf diesem Parteitag, und Sie kennen die Aussagen von Jochen Steffen. Tun Sie doch hier nicht so, als wäre das, was auf dem Parteitag geschehen ist, nicht geschehen!