Rede von
Walter
Scheel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich frage mich, ob sich die Mitglieder der Oppositionsfraktionen in der Stimmung, die sie hier erzeugt haben, sehr wohl fühlen.
Ich frage mich auch, ob die Begründung für diese Aktuelle Stunde tatsächlich ehrlich gemeint gewesen ist.
Die Opposition hat gesagt, sie will mehr Information. Aber ich habe den Eindruck, daß sie, wenn sie Information bekommt, diese Information nicht akzeptieren möchte, ja es ihr lästig ist, informiert zu werden,
weil Information zweifellos ihre eigenen Absichten
beschränken könnte und weil die Information möglicherweise auch die Öffentlichkeit erreichen könnte.
7928 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 135. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 23. September 1971
Bundesminister Scheel
Meine Damen und Herren, ich weiß gar nicht, worüber Sie informiert werden wollen.
Denn das, was Sie gefragt haben, haben Sie erfahren.
Sie haben informiert werden wollen über die Initiativen der Bundesregierung in der Europapolitik. Also, meine verehrten Damen und Herren, ich bin bereit, es zu wiederholen. Aber ich habe zum x-ten Male hier gesagt, und der Herr Bundeskanzler hat es eben wieder vorgetragen: Ohne unsere Eigeninitiativen in der Westeuropapolitik hätten wir nicht die praktischen Fortschritte gemacht, die wir gemacht haben.
Wir haben den Gemeinsamen Markt vollendet; wir haben die Beitrittsverhandlungen mit Großbritannien und anderen Ländern in eine erfolgreiche Phase geführt — es ist kaum daran zu zweifeln, daß sie alle beitreten können —; wir haben eine politische Konsultation und Kooperation durch vertragliche Vereinbarungen erreicht;
wir haben auf diesem Gebiete auch eine Menge an praktischer Zusammenarbeit zu Wege gebracht. Wir haben die Wirtschafts- und Währungsunion praktisch mit dem 1. Januar dieses Jahres begonnen.
— Meine Damen und Herren, wir haben doch die Dollar-Krise nicht erfunden!
Sie auch nicht. Aber wir sind der Meinung, daß wir trotz der Dollar-Krise mit unserem wichtigsten Verbündeten, den Vereinigten Staaten, in den Offset-Verhandlungen zu einem Ergebnis kommen sollten — im Gegensatz zu einigen Mitgliedern Ihrer Fraktion, die offenbar Leistungen der Bundesrepublik an die Vereinigten Staaten in der Zukunft nicht mehr begünstigen wollen.
— Frau Kollegin, ich weiß gar nicht, warum Sie „Unerhört!" sagen. Der Kollege Dr. Strauß hat in einem Interview ganz offen gesagt, daß er der Meinung ist, man solle das Geld jetzt nicht dorthin geben, sondern man solle mit ihm praktische Fortschritte in Europa finanzieren. Das, glaube ich, darf ich doch hier noch erläuternd erwähnen. Wir sind nicht dieser Meinung, aber immerhin kann ich das hier doch erwähnen, ohne daß ich dafür Ihren Zwischenruf „Unerhört!" entgegennehmen müßte.
Ich möchte zu dem, was Herr Weizsäcker gesagt hat, ein paar Bemerkungen machen. Er hat in beschwörendem Ton die Multilateralisierung der europäischen Politik gefordert.
— Er hat die europäische Multilateralisierung der Ostpolitik gefordert. — Ich folge ihm in dieser Forderung; aber diese Regierung hat nichts anderes getan als den Versuch gemacht, ihre eigene Osteuropapolitik in den Rahmen einer gesamteuropäischen Politik zu stellen.
Und das hat doch nicht nur zu Deklamationen geführt, sondern das hat zu der beeindruckendsten Zusammenarbeit unserer westlichen Verbündeten auf diesem Gebiet überhaupt geführt — durch das Berlin-Abkommen, meine Damen und Herren!
Wer hat es denn zustande gebracht? Doch Sie nicht!
Sie haben es nicht zustande gebracht, meine Damen und Herren, Es ist von unseren westlichen Verbündeten zustande debracht worden, aber nur, weil vorher politische Voraussetzungen geschaffen worden sind, die es erst möglich gemacht haben. Und dafür ist diese Regierung verantwortlich!
Ich glaube, daß Sie, Herr von Weizsäcker, niemand beauftragt hat, sich über einen Mangel an Konsultationen mit unseren westlichen Verbündeten zu beschweren. Ich weiß nicht, ob Ihnen ein solcher Auftrag gegeben worden ist. Es mag Ihre eigene Meinung sein,
daß hier ein Mangel bestanden hat. Unsere Verbündeten sind mit den Konsultationen, wie wir sie mit ihnen führen, vollkommen einverstanden, und wir haben die Absicht, sie in der gleichen vertrauensvollen Weise wie in der Vergangenheit auch in der Zukunft zu führen. Denn das ist die gesunde Basis unserer Politik Osteuropa gegenüber. Ohne das würden wir sie nicht machen können.
Und ich darf hier noch einmal als Information bestätigen, daß unsere Osteuropapolitik Teil unserer Westeuropapolitik ist. Wir führen sie als ein Teil Westeuropas, als ein Land und als eine Regierung, die die Union in Westeuropa will, die eine europäische Regierung will, die ein europäisches Parlament will, die ein einiges Europa will und die einiges dazu beigetragen hat, daß wir einige Schritte auf diesem Wege praktisch vorwärtsgekommen sind.