Rede von
Heinrich
Franke
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist immer mißlich, am Schluß einer langen Debatte, die stellenweise gut war und insbesondere von unseren Rednern, wie ich meine, mit hervorragenden Beiträgen bestritten worden ist,
hier noch mit zusätzlichen Argumenten die Dinge zu belegen. Wenn der Herr Kollege Schellenberg nicht an das Rednerpult gegangen wäre, hätte man es bei den Beiträgen, die meine Kollegen Dr. Götz und Frau Kalinke gebracht haben, belassen können. Sie haben aber, Herr Kollege Schellenberg, ich möchte sagen, einen ungeheuerlichen Vorwurf erhoben, indem Sie uns finanzpolitische Unsolidität in der Rentenversicherung vorgeworfen haben.
Den Beweis, Herr Kollege Schellenberg, sind Sie dann schuldig geblieben. Sie haben dann ganz schnell die Kurve genommen, indem Sie die Rentenerhöhungsanträge der CDU/CSU, das 15. Rentenanpassungsgesetz, etwas später sozusagen als Beweis nachgeschoben haben.
Ich erinnere mich noch sehr genau, daß eine der ersten „Großtaten" dieser sozialliberalen Koalition — ich will keine einzelne Person dafür verantwortlich machen ein Weihnachtsgeld für Rentner sein sollte.
7892 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode 135. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. September 1971
Franke
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn irgendwo von einer finanzpolitischen Unsolidität im Hinblick auf die Rentenversicherung oder auch auf den Haushalt — darauf komme ich gleich noch zu sprechen — die Rede sein konnte, dann hier bei diesem Punkt.
Ein Zweites, verehrter Herr Kollege Schellenberg. Sie haben gesagt, die Rentenautomatik würde einfach durch unser System, d. h. durch unseren Antrag, die Rentenanpassung um ein halbes Jahr vorzuziehen, unterbrochen bzw. in gewisser Weise außer Kraft gesetzt. Es gibt keinen besseren Beweis für die Zweifelhaftigkeit des Unterbrechens einer Rentenautomatik und der Rentenformel als diese einmalige Zugabe — Weihnachtsgeld für Rentner —, die dann nachher zu der Abschaffung des zweiprozentigen Krankenversicherungsbeitrags für Rentner geführt hat. Das war sozusagen das Hilfsinstrument aus der Diskussion über die Auszahlung eines Weihnachtsgeldes für Rentner.
Sie haben dann ein paar Bemerkungen gemacht, Herr Kollege Schellenberg, zur zusätzlichen Anpassung der Kriegsopferversorgung. Hier haben Sie die finanziellen Belastungen für den Haushalt an die Wand gemalt. Es ist doch wohl unsere Pflicht, daß wir uns den Kopf darüber zerbrechen angesichts einer Preiserhöhung in den Ballungsgebieten, Herr Kollege Nölling — das ist eine Feststellung der sozialdemokratisch geführten Landesregierung bzw. des Statistischen Landesamts in Nordrhein-Westfalen — in einer Höhe von 6 % und im Durchschnitt des Bundesgebietes von 5,4 % für den August 1971. Angesichts einer solchen, ich würde sagen, unsoliden Haushalts- und Wirtschaftspolitik dieser Bundesregierung müssen wir uns den Kopf darüber zerbrechen, wie man gerade diejenigen, die an der Peripherie der dynamischen Einkommen leben, ebenfalls an den Segnungen der expandierenden Wirtschaft teilhaben lassen kann.
Lassen Sie mich jetzt mit ein paar Bemerkungen den Beweis führen, daß nicht nur wir uns den Kopf darüber zerbrechen. Ich habe hier das Zitat des VdK-Landesbezirks Baden-Württemberg aus einer Zeitschrift; sie wird Ihnen bekannt sein, nachdem Sie gestern beim VdK in Bad Godesberg gewisse „Erfahrungen" gemacht haben; Herr Professor Schellenberg, das wird Ihnen nicht ganz unbekannt sein. So schreibt hier der VdK, daß über die normalen Anpassungen hinaus ein zusätzlicher Anpassungswert von 2 v. H. gegeben werden muß. Und jetzt kommt der Beweis: Die Schere, die sich gegenüber 1960 ergeben hat, der Unterschied zur vollen Grund-und Ausgleichsrente, betrug 1960 nur 22 DM gleich 5,5 % monatlich; 1971 beläuft sich der Abstand zur allgemeinen Bemessungsgrundlage bereits auf 253 DM, d. h. auf 27,7 %. Wenn Sie auf der einen Seite das Auseinanderklaffen der Schere in der Rentenversicherung beschwören — ich hatte den Eindruck, Sie wollten hier anfangen, so ein bißchen an der Automatik der Rentenformel herumzumanipulieren, — —
Aber den Schwung haben Sie dann gar nicht mehr
ganz gekriegt, weil Sie in dem Augenblick schon
gemerkt haben, daß Sie sich hier auf ein ganz gefährliches Gleis begeben, Herr Kollege Schellenberg; denn die Rentenautomatik läßt immer ein Auseinanderklaffen der Schere zu; dieses Auseinanderklaffen findet lediglich auf verschiedenen Ebenen statt. Den Kopf darüber haben Sie sich alle hier in diesem Hohen Hause 1957 zerbrochen, und Sie haben diese Automatik mit Ihrer Zustimmung in Kauf genommen.
— Ja, verehrter Herr Kollege Schellenberg, jetzt können Sie die Prioritäten setzen. Sie wollen also kein Auseinanderklaffen. Wir sagen auf alle Fälle, daß diejenigen Rentner, die die Mißerfolge oder „Erfolge" der Wirtschaftspolitik dieser Bundesregierung zu erleiden haben, nach unseren Anträgen mit einer zusätzlichen Erhöhung bedacht werden müssen.
Am Schluß Ihrer Ausführungen haben Sie gesagt, der CDU/CSU fehle es an einer Gesamtkonzeption. Darf ich Sie daran erinnern, daß die Gesamtkonzeption von Ihnen auch nicht auf den Tisch gelegt worden ist? Eigentlich ist „auch nicht" falsch, denn wir haben eine Gesamtkonzeption, und diese geht davon aus, mit einer wirtschaftlichen Sicherung auch diejenigen an den Segnungen unseres Industrielandes zu beteiligen, die nicht mit aktiver Arbeit ihr Einkommen verbessern können.
Dazu gehört, Herr Kollege Schellenberg, eine richtig durchgebrachte Steuerreform. Wir hören doch in den letzten Tagen, daß Sie die Steuerreform nicht zuwege kriegen. Wenn die Steuerreform ausbleibt, gibt es auch keine Verbesserungen z. B. wahrscheinlich im Hinblick auf eine betriebliche Altersversorgung, wenn ich mich hier auf das Sozialbudget beziehen darf. Oder die Abwehr unserer Preissteigerungen! Hier fehlt es bei Ihnen auch an einer Gesamtkonzeption, und Sie werden mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit an dieser Frage scheitern.
Dann haben Sie gesagt, der Mißbrauch parlamentarischer Arbeit sei durch das Einbringen unseres Entwurfs zum 15. Rentenanpassungsgesetz gegeben gewesen. Herr Kollege Schellenberg, ich halte das für einen ungeheuerlichen Vorwurf. Er kann nur dadurch zurückgewiesen werden, daß wir Ihnen und der Öffentlichkeit sagen, daß wir den zehn Millionen Rentnern einen Beitrag geben wollen, damit sie die Mißerfolge Ihrer Regierungspolitik nicht so direkt zu erleiden haben.