Ich werde das gerne tun, Herr Kollege Marx, und falls der Bundesnachrichtendienst in seiner gegenwärtigen Konsistenz dazu noch in der Lage sein sollte, würde mich das besonders freuen.
Der Verteidigungsminister sprach vorher von Truppenzustandsberichten. Er machte das sehr hübsch. Er zitierte zunächst und sagte dann die Jahreszahlen. Der gewünschte Effekt ist damit natürlich erreicht worden. Er hat nur eines unterlassen, nämlich zu erwähnen, daß das lauter Zitate aus der Truppe waren. Es waren keine Zitate aus der Umwelt.
Er hätte auch aus der Politik und aus dem, was damals — 1957, 1963, 1964, 1967, 1968 usw. — im Lande schallte, zitieren sollen. Da wären Zitate, die ich mir jetzt in dieser späten Stunde erspare, auch ganz hilfreich gewesen, wie denn damals die Umwelt der Bundeswehr ausgesehen hat.
Wenn hier gesagt worden ist, Geburtsfehler der Bundeswehr seien daran schuld, daß sie auch heute noch an abgestufter Präsenz leide und daß gar nichts anderes möglich sei, frage ich nur: Wie war denn die Geburt der Bundeswehr? Unter welchen Umständen hat sie stattgefunden? Wie lange und wie leidenschaftlich haben wir gefochten, bis die Geburt erfolgte?
Wie leidenschaftlich, wie hektisch, wie grandios und wie durchgängig war der Widerstand?
— Ja, das muß man aber. Wenn man Truppenzustandsberichte von vor 10 und 15 Jahren zitiert, muß man die Umwelt kennzeichnen, in der sie zustande gekommen sind.
Herr Minister Schmidt, Sie machen es sich zu einfach, wenn Sie so salopp und in der bei Ihnen gewohnten Bescheidenheit sagen: Ein bißchen Klagen muß ja sein, und wenn Sie dann hinzusetzen: Ich will es aber nicht gering achten. Reden wir denn wirklich nicht mehr vom Haar- und Barterlaß, den Sie am Anfang Ihrer Ausführungen so hübsch persifliert haben? Ich sagte vor sechs Wochen, das ist nur eines der vielen Symptome, von denen einfach zu viele zusammengekommen sind. Das sind nicht die üblichen Sorgen der Truppe, die älter als eineinhalb Jahre sind - das ist gar keine Frage -, sondern es ist die jetzige Verfassung der Truppe überhaupt, die sich auf Grund dieser Summierung von Kleinigkeiten und größeren Fehlern insgesamt schlecht fühlt.
Es ist nicht richtig, Herr Minister Schmidt, einfach zu sagen, die Bundeswehr wird von der weit überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung getragen. Hier müssen wir leider ein bißchen differenzieren. Ich mache das jetzt einmal, indem ich die Altersgruppen unter 21 Jahren und von 21 bis 29 Jahre zitiere. Von dieser Altersgruppe zusammengenommen finden 37,5 % die Bundeswehr eher sympathisch und 7 % eher unsympathisch. Aber auf die Frage, wie sie sie finden, sagen „weder noch" oder „kein Interesse" 55,5 %. Sehen Sie, diese Zahl gibt mehr her, weil sie nämlich zeigt, wie groß die Gleichgültigkeit der jungen Leute von 18 bis 30 Jahre der Bundeswehr gegenüber ist, daß sich 55,5% überhaupt nicht zu ihr äußern, sie als vollkommen gleichgültig empfinden, kein Interesse für sie haben.
Das muß uns alle zusammen besorgt machen. Was die Älteren angeht, sind die Zahlen anders. Es wird richtig sein, daß sie bei den über 30jährigen von einer überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung getragen wird. Aber daß sie von dem jüngeren Teil der Bevölkerung nicht in der gleichen Weise getragen wird, muß für uns Anlaß sein, gegenzuhalten und das nicht nur verbal zu beklagen.
Es wäre sehr schön, wenn bis Ende des nächsten Jahres 75 % der Wehrpflichtigen eingezogen werden könnten. Wenn ich mir aber die Zahl der Wehrdienstverweigerer im Jahre 1971 ansehe und die Progression von 1970 auf 1971 entsprechend von 1971 auf 1972 projiziere, muß ich sagen, daß es außerordentlich schwierig sein wird, einen solchen Prozentsatz zu erreichen. Eine Fortsetzung der gegenwärtigen Entwicklung würde uns aller Sorgen
Dr. Zimmermann
darüber entheben, wie viele junge Männer aus den in Frage kommenden Jahrgängen überhaupt noch eingezogen werden können und verteidigungsfähig sind. Deswegen ist die Lösung der Frage des Ersatzdienstes — der Verteidigungsausschuß wird sich als mitberatender Ausschuß bald mit dem entsprechenden Entwurf befassen das Problem Nr. 1.
Ich sage heute hier für meine Fraktion: Wir glauben nicht, daß der vorliegende Regierungsentwurf dieses Problem befriedigend löst.
Herr Minister Schmidt hat meinem Kollegen D r. Marx heute ein paar Worte gewidmet. Das ist auch so eine neue Übung, daß der Herr Minister jetzt abwechselnd Kollegen meiner Fraktion persönlich qualifiziert.
Zunächst war es Herr Klepsch und jetzt Herr Marx, der übrigens nicht Hilfsreferent, sondern Referent im Bundesverteidigungsministerium war. Ich glaube, man kann hier zum Vergleich sagen: Jeder General war ja auch einmal Gefreiter. Das sollte auch hier gelten.
Wenn hier gesagt wurde, man merke meinem Kollegen Marx noch heute an, was für ein Referat er damals verwaltet habe, so ist das eine Klassifizierung, die genauso plump ist wie diese — , dies könnte ich dann nämlich auch sagen : Man merkt es dem Herrn Minister an, daß er einmal Juso-Vorsitzender gewesen ist. Was soll denn diese Art von Klassifizierung und Qualifizierung?
Am Schluß wurde gesagt - dem stimme ich zu —,
in Wirklichkeit wüßten diejenigen, die bei dieser Debatte in den ersten Reihen sitzen, doch alle, daß wir beim Kritisieren Maß zu halten hätten; es gebe doch keinen breiten Graben. Herr Minister Schmidt, meine Damen und Herren, wann hat es in Verteidigungsfragen jemals eine Opposition wie diese gegeben, die bei keinem Beschaffungsvorhaben in den letzten anderthalb Jahren ihre Zustimmung verweigert hat und die sich in der letzten Woche das erste Mal aus ganz bestimmten Gründen mit einer Stimmenthaltung begnügen mußte? Wann hat es in diesem Hause in Verteidigungsfragen jemals eine Opposition gegeben, die so nahtlos die Verteidigung dieses Landes und den Platz im Bündnis bejaht hat?
Denken Sie bitte an Ihre eigene Zeit in der Opposition zurück, und vergleichen Sie die Kooperationsbereitschaft und die konstruktive Mitarbeit, die meine Fraktion in diesen Fragen auch in Ihrer Regierungszeit geboten hat und auch weiter bieten wird, mit der der Opposition in früheren Zeiten!