Herr Dr. Klepsch, reden wir nicht darum herum! Es geht hier darum, daß wir gemeinsam versuchen wollen oder versuchen sollten, die inneren Schwierigkeiten der Bundeswehr auszuräumen. Dazu gehört die Lösung der Ausbildungs- und Bildungsfragen.
Am ersten Diskussionsentwurf wird eine Kritik geübt, die unterschwellig Zweifel setzt, die durch nichts zu beweisen sind. Dies ist keine gemeinsame Politik in Grundfragen, dieses erfolgt — und das habe ich einleitend zu Ihnen gesagt — getreu der Devise, alles zu tun, was trennen und auseinandertreiben kann. Polemik überall dort anzusetzen, wo Sie glauben, eine Möglichkeit zu finden, wo Sie glauben, den emotionellen Boden vorzufinden. Das ist der tatsächliche Sachverhalt.
Wenn Sie sich mit diesen Fragen befaßt hätten, wüßten Sie, daß allein in den 14 Jahren, die es das Heer gibt, bis auf zwei Jahre jedes Jahr das Konzept der Offiziersausbildung geändert werden mußte. Natürlich müssen wir über die Fragen, wenn sie auf dem Tisch liegen, grundlegend diskutieren. Was soll denn diese vorausgehende Polemik, was soll diese Unterstellung, daß dies eine Kommission sei, die den Zweck habe, die Bundeswehr abzuschaffen?
— Der Minister braucht das nicht zurückzunehmen, weil er es nicht gesagt hat.
Der Auftrag der Kommission ist völlig klar.
Der andere Punkt betrifft die Fragen der Wehrgerechtigkeit. Sie fragen uns: Wo ist denn nun eigentlich die Lösung? Wieso sind noch nicht alle Tauglichen eingezogen, entweder zur Bundeswehr oder zum Ersatzdienst? Sie wissen, daß in 18 Monaten die Lösung nicht zu erreichen ist. Sie wissen, daß ein Ersatzdienstbeauftragter eingesetzt ist. Sie wissen, daß wir als erste an die Lösung dieser Probleme herangehen. Sie wissen, daß eine Vorarbeit durch die Kommission des Herrn Adorno 1968 vorgenommen wurde. Wir wissen aber, daß jemand 18 Jahre alt werden muß, bevor er eingezogen werden kann. Dies ist ein Problem, das Sie auf sich haben zukommen lassen, und zwar mit allen Schwierigkeiten, die wir jetzt öffentlich auszutragen haben.
Die Forderungen, die man von Ihrer Seite hört, der Bundeswehr durch zusätzliche Gesetze eine Schutzzone zu geben, die Forderung, notfalls mit Anordnung oder Befehl Jugendoffiziere in Schulen hineinzubringen, offenbar gegen den Willen von Lehrern und Schülern, sind doch keine Lösung. Sie leisten der Bundeswehr damit einen Bärendienst.
Deutscher Bundestag 6. Wahlperiode — 122. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Mai 1971 7117
Pawelczyk
Wir alle sind der Auffassung, daß in den Schulen neben Fragen der Wirtschafts- und Finanzpolitik auch die der Außen- und Sicherheitspolitik erörtert werden müssen. Wir sind aber auch der Meinung, daß die Diskussion angenommen werden muß. Das geht nur, indem wir uns alle gemeinsam an dieser Aufgabe beteiligen. Zur gemeinsamen Beteiligung gehört, daß wir uns gegenseitig zubilligen, daß wir das Optimale für die Bundeswehr leisten wollen.
In einem Punkt nehme ich an, besteht Übereinstimmung, und das ist die Frage der Lösung der Probleme der Kriegsdienstverweigerer. Natürlich muß man sich fragen, ob das, was Art. 4 Abs. 3 GG meint, auch heute in dieser Weise praktiziert wird. Art. 4 Abs. 3 GG meint im Kern, daß das unüberwindliche Gewissen geschützt werden soll. Nichts anderes ist gemeint: das unüberwindliche Gewissen desjenigen, der nicht in Aktion zu treten vermag. Wir sind uns wohl darüber einig, daß sich die Frage der Gewissensnot im Kriege auch den Soldaten stellt. Wir sollten gemeinsam dafür eintreten, daß in anderen Fällen, nämlich in Fällen der politischen Motivierung, keine Unterstützung gegeben wird.
Sie sollten nicht so tun, wie Sie es in der letzten Debatte getan haben, als ob es unstrittig sei, daß der Beitrag zur Sicherheit des eigenen Landes ausschließlich durch eine Armee geleistet werden könne. Sie und ich gehen nicht auseinander in der Auffassung, daß nur die Armee, daß nur das Gleichgewicht der militärischen Kräfte uns den Schutz gewährleisten kann. Aber in einer freien Gesellschaft muß doch wohl akzeptiert sein, daß die Debatte auch von der anderen Position geführt wird, nämlich von denjenigen, die glauben, daß mit Mitteln des gewaltfreien Widerstandes oder der sozialen Verteidigung, wie sie es nennen, die Lösung verantwortungsbewußter gestaltet werden kann. Beides muß ausgetragen werden. Meine Auffassung habe ich hier bereits vorausgeschickt.
Hier ist die Aussage des Herrn Barzel völlig überflüssig. Herr Jung hat vorhin bereits davon gesprochen. Herr Barzel sagte wörtlich: „Die diese Regierung tragenden Parteien müssen sich endlich in ihrer Gesamtheit zur Bundeswehr bekennen." Was heißt das eigentlich? Soll hier ein einstimmiger Beschluß herbeigeführt werden? Geschieht das in Ihrer Partei so auf Parteitagen, daß einstimmige Beschlüsse zu verschiedenen Problemen abgerufen werden? Oder halten Sie es nicht für besser, daß Probleme ausgetragen werden. Und gehen Sie nicht davon aus, daß in einer Volkspartei die gesamte Spannweite des Problems ausgetragen werden muß?
Dies alles sind Einzelpunkte zum Gesamtproblem. Sie wollen in Zweifel ziehen. Ich bin der Meinung, wir sollten diese Kontroverse abschließen. Bescheinigen wir uns gegenseitig, daß wir alle ernsthaft darum bemüht sind, zu einem stabilen Gleichgewicht beizutragen, und lassen wir die unterschwelligen Argumente! Die Zweifel, die eingepflanzt werden, sind es, die dafür sorgen, daß die Einsatzbereitschaft
der Bundeswehr gemindert wird. Daran sind wir alle nicht interessiert.