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ID0612219800

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 122. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 12. Mai 1971 Inhalt: Würdigung des 25jährigen Bestehens der Organisation CARE von Hassel, Präsident . . . . . . 7043 A Nachträgliche Überweisung eines Gesetzentwurfs 7043 B Sammelübersicht 21 des Petitionsausschusses über Anträge von Ausschüssen des Bundestages zu Petitionen (Drucksache 1/1/2141) Hussing (CDU/CSU) . . . . . . 7043 C Große Anfrage der Fraktionen der SPD, FDP betr. Sicherheitspolitik der Bundesregierung (Drucksache VI/ 1779, VI/ 1977) in Verbindung mit Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. Sicherheitspolitik der Bundesrepublik Deutschland (Drucksachen VI/1931, VI/1977), mit Schriftlicher Bericht des Verteidigungsausschusses über den Jahresbericht 1970 des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages (Drucksachen VI/1942, VI/2168) und mit Mündlicher Bericht des Verteidigungsausschusses über das Weißbuch 1970 zur Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und zur Lage der Bundeswehr (Drucksachen VI/765, VI/2167) Adorno (CDU/CSU) . . . . . . . 7044 C Buchstaller (SPD) . . . . . . 7050 B Jung (FDP) 7054 B Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) 7057 D Wienand (SPD) . . . . . . . . 7065 B Dr. Abelein (CDU/CSU) . . . . . 7069 D Schmidt (Würgendorf) (SPD) . . . 7072 A Schultz, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages . . . . 7073 C Dr. Klepsch (CDU/CSU) . . . . . 7089 D Schmidt, Bundesminister . 7093 B, 7106 D Dr. Barzel (CDU/CSU) . . . . . . 7105 B Dr. Bußmann (SPD) . . . . . . . 7108 B Ernesti (CDU/CSU) . . . . . . . 7110 D Pawelczyk (SPD) 7114 D Krall (FDP) 7117 C Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär 7119 D Stahlberg (CDU/CSU) 7121 B Haase (Kellinghusen) (SPD) . . . 7123 D Damm (CDU/CSU) . . . . . . 7125 D Neumann (SPD) 7128 D Dr. Zimmermann (CDU/CSU) . . 7130 B II Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 122. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Mai 1971 Absetzung eines Punktes von der Tagesordnung . . . . . 7076 B Fragestunde (Drucksache VI/2166) Frage des Abg. Dr. Mende (CDU/CSU) : Forderung der SED nach Abgrenzung der DDR von der Bundesrepublik Deutschland Herold, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 7076 D, 7077 B, C Dr. Mende (CDU/CSU) . . . . . 7077 C Frage des Abg. Dr. Schneider (Nürnberg) (CDU/CSU) : Merkblatt über Reisen in die DDR Herold, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 7077 D, 7078 C, D Dr. Schneider (Nürnberg) (CDU/CSU) 7078 C Dr. Haack (SPD) . . . . . . . . 7078 D Frage des Abg. Dr. Früh (CDU/CSU) : Äußerung des Bundesministers Dr. Eppler betreffend Aussiedlerhöfe in Baden-Württemberg Dr. Eppler, Bundesminister . , 7079 A, B, C Dr. Früh (CDU/CSU) . . . . . 7079 B, C Frage des Abg. Dr. Früh (CDU/CSU) : Beurteilung der Aussiedlung durch den Bundesminister Dr. Eppler Dr. Eppler, Bundesminister 7079 D, 7080 A Dr. Früh (CDU/CSU) . . 7079 D, 7080 A Fragen des Abg. Ehnes (CDU/CSU) : Pressemeldungen über Beihilfen für den Anbau von Grünfutter in den Niederlanden Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär . 7080 B, C, D, 7081 A, B Ehnes (CDU/CSU) 7080 C, D Röhner (CDU/CSU) . . . . . . 7081 A Dr. Früh (CDU/CSU) . . . . . 7081 B Bittelmann (CDU/CSU) . . . . 7081 B Fragen des Abg. Kiechle (CDU/CSU) : Überbrückungsmaßnahmen für niederländische Obsterzeugerbetriebe Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär . . 7081 C, D, 7082 A, B Kiechle (CDU/CSU) . . . . . . , 7082 A Dr. Ritz (CDU/CSU) . . . . . . . 7082 B Fragen des Abg. Rainer (CDU/CSU) : Gewährung staatlicher Hilfe an niederländische Gartenbaubetriebe bei Aufnahme von Krediten für die Beschaffung von Heizöl Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär . 7082 C, D, 7083 A, B, C Rainer (CDU/CSU) . . . . . . . 7082 C Kiechle (CDU/CSU) . . . . . . . 7082 D Ehnes (CDU/CSU) . . . . . . . 7083 A Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) . . 7083 B Fragen des Abg. Röhner (CDU/CSU) : Gewährung von Zuschüssen an Landwirte für den Aufbau einer neuen Existenz Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär . 7083 C, D, 7084 A, B, C Röhner (CDU/CSU) 7084 A, B von Thadden (CDU/CSU) . . . . 7084 C Fragen der Abg. Schröder (Wilhelminenhof) (CDU/CSU) und Susset (CDU/CSU) : Ausführungen in der „Verbraucherpolitischen Korrespondenz" über die Verhältnisse in der Landwirtschaft Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär . . 7084 C, 7085 A, B, D, 7086 A, B, D, 7087 A Schröder (Wilhelminenhof) (CDU/CSU) 7085 A Dr. Reinhard (CDU/CSU) . . . . 7085 B Susset (CDU/CSU) . 7085 D, 7086 A, C, D Biechele (CDU/CSU) . . . . . . 7087 A Frage des Abg. Dr. Hauser (Sasbach) (CDU/CSU) : Förderung von einzelbetrieblichen Investitionen in der Land- und Forstwirtschaft Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär 7087 B, C Dr. Hauser (Sasbach) (CDU/CSU) . 7087 C Dr. Früh (CDU/CSU) 7087 D Frage des Abg. Mursch (Soltau-Harburg) (CDU/CSU) : Zusammensetzung der Bundesversammlung unter Berücksichtigung der Bundestags- und Landtagswahlen seit dem 28. September 1969 Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 7088 A Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 122. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Mai 1971 III Frage des Abg. Dr. Meinecke (Hamburg) (SPD) : Mitwirkung der Bundesregierung in dem „Gemeinsamen Ausschuß für Kulturarbeit" Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . 7088 A, B, C Dr. Meinecke (Hamburg) (SPD) . 7088 B, C Frage des Abg. Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) : Besitz- und Beteiligungsverhältnisse der „Konzentration-GmbH" Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär 7088 D Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) . 7089 A Frage des Abg. Wagner (Günzburg) (CDU/CSU): Sofortprogramm der Bundesregierung zur Modernisierung und Intensivierung der Verbrechensbekämpfung Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär 7089 A, D Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) . 7089 C Nächste Sitzung 7133 D Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 7135 A Anlage 2 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Eyrich (CDU/CSU) betr. Einkommen in der Landwirtschaft . 7135 D Anlage 3 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Eyrich (CDU/CSU) betr. Möglichkeiten eines kostenorientierten Wirtschaftens für landwirtschaftliche Unternehmer . . . . . . . . . 7136 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 122. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Mai 1971 7043 122. Sitzung Bonn, den 12. Mai 1971 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Ahrens ** 15. 5. Alber ** 15. 5. Amrehn ** 15. 5. Bals ** 15. 5. Bauer (Würzburg) ** 15. 5. Berger 12. 5. Dr. Birrenbach 14. 5. Blumenfeld ** 15. 5. Frau von Bothmer 14. 5. Dasch 15. 5. Frau Dr. Diemer-Nicolaus ** 15. 5. Dr. Dittrich * 14. 5. Draeger ** 15. 5. Dr. Enders ** 15. 5. Faller * 13. 5. Fellermaier 21. 5. Fritsch ** 15. 5. Dr. Fuchs 14. 5. Dr. Furler ** 15. 5. Geldner 31. 5. Gerlach (Emsland) 14. 5. Freiherr von und zu Guttenberg 15. 5. Dr. Hallstein 13. 5. Frau Herklotz ** 15. 5. Dr. Hermesdorf (Schleiden) ** 15. 5. Hösl ** 15. 5. Dr. Jungmann 14. 5. Kahn-Ackermann ** 15. 5. Dr. Kempfler ** 15. 5. Frau Klee ** 15. 5. Dr. Klepsch ** 15. 5. Dr. Kley 15. 5. Dr. Kliesing (Honnef) ** 15. 5. Dr. Koch * 14. 5. Lemmrich ** 15. 5. Lenze (Attendorn) ** 15. 5. Dr. Löhr * 15. 5. Maucher 26. 6. Meister * 12. 5. Memmel * 14. 5. Michels 12. 5. Müller (Aachen-Land) * 14. 5. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an Sitzungen der Beratenden Versammlung des Europarates Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Müller (München) ** 15. 5. Frau Dr. Orth * 14. 5. Pöhler ** 15. 5. Dr. Reinhard 14. 5. Frau Renger 15. 5. Richarts * 14. 5. Richter ** 15. 5. Riedel (Frankfurt) * 14. 5. Dr. Rinderspacher ** 15. 5. Rollmann 18. 5. Roser ** 15. 5. Dr. Schmid (Frankfurt) ** 15. 5. Dr. Schmidt (Gellersen) 14. 5. Schmidt (Würgendorf) ** 15. 5. Dr. Schmücker ** 15. 5. Dr. Schulz (Berlin) ** 15. 5. Sieglerschmidt ** 12. 5. Dr. Siemer 14. 5. Simon 14. 5. Stein (Honrath) 15. 5. Dr. Stoltenberg 14. 5. Struve 12. 5. Frau Dr. Walz ** 15. 5. Dr. von Weizsäcker 14. 5. Wende 15. 5. Wienand ** 15. 5. Anlage 2 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Logemann vom 12. Mai 1971 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Eyrich (CDU/CSU) (Drucksache VI/2166 Frage A 57) : Hält die Bundesregierung angesichts des in wenigen Wochen abgeschlossenen Wirtschaftsjahrs 1970/71 ihre Aussage immer noch aufrecht, daß die Landwirtschaft annähernd das Einkommensniveau des zurückliegenden Wirtschaftsjahrs 1969'70 erreichen wird (Drucksache VI/1861)? Die Bundesregierung hält an ihrer Auffassung fest, daß in der Landwirtschaft das Einkommen je Vollarbeitskraft im Wirtschaftsjahr 1970/71 das Niveau des Vorjahres annähernd erreichen wird. In dieser Auffassung wird sie dadurch bestärkt, daß durch die Brüsseler Preisbeschlüsse vom 25. März 1971, die bei der Vorschätzung für den Agrarbericht 1971 seinerzeit noch nicht bekannt waren, zum Ende des Wirtschaftsjahres 1970/71 noch ein positiver Einkommenseffekt zu erwarten ist. Anlage 3 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Logemann vom 12. Mai 1971 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Eyrich (CDU/CSU) (Drucksache VI/2166 Frage A 58) : Bleibt die Bundesregierung im Hinblick auf den sich beschleunigenden Preisauftrieb bei ihrer Äußerung, daß die Landwirtschaft durch eine zeitliche Streckung der Investitionen und durch Verlageiungen innerhalb der Aufwandstruktur dem für sie unerträglichen Kostenanstieg entgegenwirken kann? Die Bundesregierung bleibt grundsätzlich bei ihrer Auffassung. Sie stützt sich dabei auf die unveränderte Annahme, daß die landwirtschaftlichen Unternehmer unter den gegenwärtigen schwierigen Bedingungen alle Möglichkeiten kostenorientierten Wirtschaftens ausschöpfen und im übrigen durch die die EG-Agrarpreisbeschlüsse ergänzenden nationalen Maßnahmen in Höhe von 480 Millionen DM, deren Akzent auf Entlastung der Kostenseite liegt, eine Hilfe erfahren.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Egon Alfred Klepsch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich den Vormittagsausführungen des Kollegen Wienand zunächst noch kurz einige Bemerkungen anfügen. Zunächst möchte ich es bedauern, daß er die sehr konkreten Fragen, die der Kollege Marx ihm gestellt hat, in keiner Weise hier beantwortet hat. Ich rufe sie noch einmal in Ihre Erinnerung. Herr Kollege Marx hat ihn hier gefragt, wer denn nun nach Meinung des Kollegen Wienand eigentlich die Spannungen hier in Europa geschaffen habe, etwa wir durch die Bun-



    Dr. Klepsch
    deswehr und unseren Eintritt in die NATO oder sogar die NATO selber? Er hat ihn weiter gefragt: Liegen die oftmals genannten und jetzt durch die Ostpolitik versteckten Spannungsursachen nicht vielmehr in der sowjetischen Teilungs- und rigorosen Machtpolitik mitten in Europa, mitten in Deutschland und in Berlin? Er hat ihn drittens gefragt: Wo, Herr Kollege Wienand, ist denn nun eigentlich Spannung abgebaut worden? Wir hätten es für gut gehalten, wenn der Kollege Wienand auf diese konkreten Fragen hier geantwortet hätte.
    Statt dessen hat er sich vor allem über zwei Fragenkomplexe verbreitet, zu denen es sich lohnt, eine kurze Bemerkung zu machen. Er hat einmal davon gesprochen, daß sich die Doktrin der friedlichen Koexistenz auf konservative Besitzstandswahrung beschränke. Ich glaube, daß wir es hier mit einem fundamentalen Mißverständnis hinsichtlich der Doktrin der friedlichen Koexistenz beim Kollegen Wienand zu tun haben. Er sieht die Sache statisch. Die Kommunisten haben sie zu allen Zeiten und ebenso heute ganz klar und präzis als ein dynamisches Prinzip verstanden, das sich unter drei Grundgesichtspunkten vollzieht. Einmal werden die Machtpositionen des sozialistischen Lagers, insbesondere der Sowjetunion, in der Zeit der friedlichen Koexistenz fortgesetzt ausgebaut - darüber haben die Kollegen Adorno und Marx heute morgen anschaulich berichtet -, während nach der Doktrin der friedlichen Koexistenz das gegenüberstehende sogenannte kapitalistische Lager einen dauernden Abbauprozeß durchlaufe. Zweitens wüßten die Kräfte der proletarischen Einheitsfront in dieser Zeit sich immer größeren Raum in den nicht kommunistisch beherrschten Ländern zu verschaffen mit dem Ziel des Übergangs von Land zu Land aus dem sogenannten kapitalistischen Lager in das sogenannte sozialistische Lager. Drittens beschleunige der Raum der Entwicklungsländer in dieser Phase diesen Prozeß. Das ist von Anfang an die Doktrin der friedlichen Koexistenz ihrem Inhalt nach gewesen und ist es ihrer Praxis nach auch heute. Es ist ganz sicher ein dynamisches Prinzip, das auch dynamisch gehandhabt wird, mit dem wir uns auseinanderzusetzen haben.

    (Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Sehr wahr!)

    Ein zweiter Punkt! Der hat uns nun nicht mehr gewundert nach dem, was wir in den letzten Tagen in diesem Haus erlebt haben. Herr Kollege Wienand sprach davon, daß wir die Krise in der Bundeswehr oder in der Verteidigungspolitik herbeizureden suchten.

    (Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Das ist die beliebte Methode!)

    Das besagt, daß wir dadurch, daß wir als Opposition im Deutschen Bundestag darauf hinweisen, welche Probleme uns jeweils besonders beschäftigen müssen und welche kritischen Anmerkungen vorzutragen sind — wobei wir durchaus der Auffassung sind, daß Verteidigungspolitik eine gemeinsame Aufgabe für uns ist —, daß wir also, wenn wir unsere Aufgabe als Opposition wahrnehmen, gewissermaßen die Dinge in Umordnung bringen. Ein so fundamentales Mißverständnis von den Aufgaben der Opposition in der parlamentarischen Demokratie muß uns um so mehr verwundern, als auch der Herr Bundeskanzler und andere in den letzten Tagen die kritischen Ausführungen der Opposition jeweils zur Politik der Regierung mit demselben Mißverständnis begleitet haben.

    (Zuruf des Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern]. — Zuruf des Abg. Würtz.)

    — Herr Würtz, das ist ja so. Der Kollege Wienand
    — Sie können es im Protokoll nachlesen — hat ja so geredet. Wir denken nicht daran, irgendeine Krise herbeizureden. Im Gegenteil, unser aller Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, daß der Verteidigungsauftrag von uns gemeinsam so abgedeckt wird, daß die notwendige Abschreckung, der notwendige Beitrag der Bundesrepublik Deutschland zur Sicherheit des Bündnisses der Nordatlantischen Verteidigungsgemeinschaft erbracht wird.
    Ich darf mich einigen Bemerkungen zu dem Fragenkomplex zuwenden, den wir heute erörtern. Ich möchte zunächst sagen, daß wir dabei sind, die Komponenten der Strategie der NATO, ob „flexible response" oder erst recht bei realistischer Abschreckung, neu zu überdenken. Ich hatte diese Frage schon bei meinem letzten Beitrag in diesem Hause aufgeworfen. Für jedermann ist heute sichtbar, dal3 der Einsatz sogenannter taktischer und sauberer Atomwaffen in Mitteleuropa immer problematischer wird. Ich darf in diesem Zusammenhang nur auf die sogenannte Lawrence-Studie verweisen. Der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr, General Trettner, hat unter Bezugnahme auf eben diese Studie ausgeführt, der Einsatz taktischer Nuklearwaffen würde unter Berücksichtigung des derzeitigen konventionellen Kräfteverhältnisses einen Angreifer insofern in eine günstige Lage versetzen, als sich dabei „die konventionellen Verbände der vorderen Welle in rasender Geschwindigkeit verzehren" und der Westen über weniger Reserven verfügt. Aber man muß auch ein anderes Argument des Generals Trettner würdigen. Er argumentiert nicht nur militärisch, sondern trägt auch vor, daß der Einsatz taktischer Nuklearwaffen überwiegend aus politischen und psychologischen Gründen abzulehnen sei, da sie das dichtbesiedelte Land
    — unser Land — zur Wüste machen und der Bevölkerung unzumutbare Verluste auferlegen würden. Es dürfte sinnvoll sein, einen Kommentar unserer Partner in der Nordatlantischen Verteidigungsgemeinschaft zur Lawrence-Studie einzuholen.
    Aber welche Bedeutung mißt dann die Bundesregierung den konventionellen Kräften des Bündnisses und vor allem der Bundeswehr bei? Was versteht sie unter realistischer Abschreckung? In der Antwort auf die Große Anfrage vermissen wir leider eine präzise Auskunft bzw. überhaupt eine Auskunft zu dieser Frage.

    (Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern]: Viele Worte, wenig Inhalt!)

    Der Kollege Wienand hat hier die Frage aufgeworfen, ob nicht durch eine Reduzierung der Zahl



    Dr. Klepsch
    der Divisionen -- er sprach von acht statt zwölf — die Probleme der Personallage unserer Armee bewältigt werden könnten. Dazu halte ich für meine Fraktion, die CDU/CSU, folgendes fest.
    Erstens. Es ist die vordringliche Aufgabe, die Kampfkraft und die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr im Rahmen des Bündnisses, ,das für die Gewährleistung unserer Sicherheit unabdingbar ist, zu erhalten und zu vermehren.
    Zweitens. Die Personallage in der Bundeswehr ist besorgniserregend. Die Beseitigung dieser Situation ist eine gemeinsame Aufgabe. Bei der gegenwärtigen Struktur unserer Einheiten ist dies ein außerordentlich schwieriges und komplexes Problem. Die Bundeswehr hat einen Personalstand von höchstens 500 000 Mann. Damit können, wie die Erfahrung gezeigt hat, zwölf Divisionen in ihrer gegenwärtigen Struktur neben den anderen Erfordernissen nicht voll aufgefüllt werden. Wie die von der Bundesregierung eingesetzte Wehrstrukturkommission in ihrem Bericht vom Februar feststellt, hat das Heer der Bundeswehr mit seinen 314 000 Mann ohnehin eine Aufgabe zu bewältigen, die in anderen Armeen nur mit 400 000 Mann geleistet werden kann.
    Drittens. Wenn die anhaltend problematische Personallage eine entscheidende Ursache der gegenwärtigen Schwierigkeiten ist, sehen wir unsere Aufgabe darin, die Bundesregierung bei der Lösung dieses Problems nachhaltig zu unterstützen.

    (Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Sehr gut!)

    Wir wissen, daß das nicht von heute auf morgen geht. Dies hängt nicht nur von der Bereitstellung zusätzlicher finanzieller Mittel ab. Es hängt auch davon ab, inwieweit es uns gelingt, Auftrag und Aufgabe der Bundeswehr wieder in der ganzen Gesellschaft glaubwürdig werden zu lassen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Um in dieser Zeit der Bundeswehr eine konsolidierende Entlastung zu gewähren, stellt die CDU/ CSU einen Notbehelf, wie wir ausdrücklich erklären, zur Diskussion. Die Bundesregierung sollte prüfen, Herr Minister, ob nicht die zwölf Divisionen in jeweils zwei voll aufgefüllte und eine Kaderbrigade gegliedert werden könnten. Dabei ist es unser Ziel, die Personallage in den aufgefüllten Brigaden entscheidend zu verbessern und zu entspannen und die Kaderbrigaden nur so lange bestehen zu lassen, bis sich die personelle Situation im Hinblick auf längerdienende Soldaten insgesamt entsprechend entschärft hat. Dieser Notbehelf setzt also voraus: Für die Kaderbrigaden muß die materielle Ausstattung mit Waffen und Gerät voll erhalten bleiben. Ihre potentielle Feuerkraft darf nicht eingeschränkt werden. Bei einer Verbesserung der Personallage muß dies Zug um Zug der Auffüllung der Kaderbrigaden zugute kommen. Die Allianz muß dieser organisatorischen Regelung zustimmen. Auch heute kommt es unseres Erachtens nicht in Betracht, an den beiden Eckpositionen, 500 000 Mann und zwölf Divisionen, zu rütteln.
    In diesem Zusammenhang frage ich die Regierung und insbesondere den Herrn Minister der Verteidigung nach den Ergebnissen, die die von Minister Schröder eingesetzte Kommission zur Straffung und Organisation der Streitkräfte erarbeiten sollte. Welche Straffungen sind inzwischen durchgeführt worden? Ist schon geprüft worden, welche Stabsebene oder welche Stabsebenen entfallen und wo Einsparungen im logistischen Bereich, der meines Erachtens ohnehin erheblich übersetzt ist, vorgenommen werden könnten? Kann nicht hierdurch der personelle Engpaß erheblich gemildert werden? Das freizusetzende Personal müßte doch dazu beitragen.
    Wir machen uns ernste Sorgen über die Entwicklung, die die Verteidigungsstreitmacht der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen des Bündnisses in den kommenden Jahren nehmen wird. Wir stehen dabei vor der Tatsache der Kostenexplosion; das wurde auch heute morgen schon von Ihnen berührt. Die inflationäre Entwicklung fordert unabdingbar, den Verteidigungshaushalt zu erhöhen. Die von der Regierung genannten bisherigen Zuschlagsraten der mittelfristigen Finanzplanung sind wie vieles dem Trümmerhaufen der Wirtschaftspolitik dieser Regierung zuzurechnen.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU. — Lachen und Zurufe von der SPD.)

    — Das ist doch klar, wenn Sie mit einer inflationären Rate von bis zu 5 % rechnen und nur 4 % Steigerungen für den Verteidigungshaushalt in der mittelfristigen Finanzplanung vorsehen, ergibt sich das ganz zwangsläufig.

    (Zuruf von der SPD: Tragen Sie doch nicht so dick auf!)

    — Das ist die reine und lautere Wahrheit. (Lachen bei der SPD.)

    Daran sollten Sie sich gewöhnen.
    Aber der Verteidigungsminister hatte ja recht, als er Mitte März in Essen feststellte, daß solche Genossen aus der Partei hinausgeschmissen werden müßten, die Forderungen erheben, die nicht realisierbar sind. Das ist eine Frage, die wir auch heute im Zusammenhang mit der Durchleuchtung der Probleme auf dem Verteidigungshaushaltssektor erörtern müssen.
    Wir können nicht glauben, daß Helmut Schmidt bei seinem Wort vor dem Parteirat der SPD bleibt — ich zitiere —:
    Ich habe gleichwohl nicht die Absicht, für den Verteidigungshaushalt auch nur eine Million oder 1 % mehr zu verlangen, als in der mittelfristigen Finanzplanung drinsteht.
    Das ergibt die Lage, die sich aus der Entwicklung des Bundeshaushaltes überhaupt ergeben hat, wie ich glaube.
    Aber uns macht zusätzlich Sorge, daß die Regierung in den zurückliegenden eineinhalb Jahren eine Vielzahl von zusätzlichen Programmen und Versprechungen verkündet hat, die eine Fülle von Erwartungen in der Öffentlichkeit und in der Truppe ausgelöst haben, Erwartungen, die sich auf eine ganze Reihe von Sektoren beziehen und die nicht nur mit außerordentlichen organisatorischen, juristischen und ge-



    Dr. Klepsch
    setzgeberischen Maßnahmen verbunden sein müssen, sondern die darüber hinaus beträchtliche finanzielle Mehraufwendungen erforderlich machen.
    Wenn der Verteidigungsminister in vielen seiner Erklärungen die 80er Jahre oder gar das Ende dieses Jahrhunderts anvisiert und dabei ein realistisches Bild der anhaltenden oder steigenden Bedrohung durch die Weltmacht Sowjetunion abgibt, so kann er sich nicht damit glaubwürdig entschuldigen, daß er nicht zu erklären in der Lage sei, wie die Rüstungsplanung im einzelnen und in der mittelfristigen Finanzplanung im besonderen für die nächsten vier Jahre aussehen soll. Von ihm erwarten wir eine Antwort auf die von uns in der Großen Anfrage gestellten Fragen.
    Die Bundesregierung hat sich ausgeschwiegen. Wir müssen uns die Frage stellen, warum sie das getan hat. Wir haben den Eindruck, daß sie zuerst einmal — wie auf so vielen anderen Gebieten — eine Bestandsaufnahme ihrer Ankündigungen machen muß, um dann festzustellen, wieviel diese Versprechungen kosten, und um dann weiter festzustellen, welche davon gestreckt, welche davon gekürzt, welche davon gesperrt und welche gestrichen werden müssen und so nur Theaterdonner bleiben.
    Frühzeitig haben wir darauf hingewiesen, welche Rückwirkungen die Umschichtung als Dauererscheinung auf den Rüstungshaushalt bei steigenden Personalkostenanteilen haben muß, und davor gewarnt. Bereits jetzt zeichnet sich dieses Dilemma auf dem Rüstungssektor deutlich ab. Nicht zuletzt deswegen ist wohl die dringend erforderliche Fortschreibung des Rüstungsplanes nicht erfolgt. Kann man heute noch angesichts dieser Entwicklung unsere Sorge in den Wind schlagen, daß uns ein Veralten unserer Ausrüstung droht? Gerade eine sozial voll zufriedengestellte Armee würde die Diskrepanz zwischen Auftrag und den durch die Ausstattung bedingten Möglichkeiten als unerträglich empfinden müssen.
    Wir hören nur unausgewogene partielle Aussagen. So müssen wir uns fragen, wie bei der immer schmaler werdenden Finanzdecke ein brauchbares Marinekonzept finanziert werden soll, ein Marinekonzept, das sich auch auf die Nordsee erstreckt. Was soll aus dem vom Bundestag einmütig gebilligten Großprojekt MRCA werden, das für die Kampfkraft und Einsatzstärke der gesamten Bundeswehr von so entscheidender Bedeutung ist? Wie soll schließlich die Lücke in der Luftabwehr und wie die Fülle von Beschaffungsprogrammen, die für das Heer notwendig sind, von uns bewältigt werden? Das Heer soll ja nach den Aussagen des Ministers wie des Bündnisses in Bewegung und Feuerkraft verstärkt werden. Werden die Sowjets nicht vermehrt die Gelegenheit erhalten, die drohende Zunahme der militärischen Asymmetrie in Europa politisch voll auszunutzen? Und wo und wann haben sie solche Gelegenheiten nicht genutzt?

    (Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Das ist die Frage!)

    Schon im Jahre 1970 wurde 1 Milliarde DM aus dem Haushalt gestrichen. Eine beklagenswerte Sache. Eine ähnliche Situation droht auch für das
    Jahr 1971. Das muß auch im Zusammenhang mit den Umschichtungsmaßnahmen gesehen werden, die den Haushalt künftig offenbar als Dauererscheinung begleiten und belasten. Sie bedeuten eine einschneidende Reduzierung des für den Rüstungsbereich vorgesehenen Finanzvolumens — und das ungeachtet der sich vollziehenden Kostenexplosion auf den Gebieten der Materialerhaltung, Reparatur, Ersatzteilbeschaffung und dergleichen mehr.
    Die Regierung wird sich auch fragen müssen, ob es der richtige Weg ist, mit großer Publizität Projekte — ich nenne hier nur die Vorschläge der Wehrstrukturkommission zu Fragen der Wehrgerechtigkeit und die von der sogenannten EllweinKommission erarbeiteten Modelle für Bildung und Ausbildung — in die öffentliche Diskussion zu bringen, ohne vorher die Verwirklichung und die Kostenfrage ausreichend geklärt zu haben. In beiden Fällen ist es doch so, daß überhaupt keine detaillierte Übersicht über die einmaligen Aufwendungen vorhanden ist. In dem einen Fall, dem ich mich nun zuwenden will, nämlich im Fall der Vorschläge der Wehrstrukturkommission sind erfreulicherweise wenigstens die laufenden Kosten schätzungsweise ermittelt worden. Nach den berichtigten Erhebungen dürften sie heute bei jährlich 600 Millionen DM liegen. Ich weise aber darauf hin, daß die einmaligen Kosten, die ich mit rund einer dreiviertel Milliarde DM veranschlagen würde, dabei nicht in Rechnung gestellt sind, Mittel, die dem Verteidigungshaushalt zusätzlich unbedingt zugeführt werden müßten. Ich frage mich, ob eine so aufwendige Maßnahme wie diese wirklich dazu beitragen wird, das angestrebte und vom Minister verkündete Ziel, nämlich die Heranziehung aller und somit die Wehrgerechtigkeit zu erreichen. Offenbar wird zunächst die Heranziehung von eingeschränkt Tauglichen die Personallage weiter belasten. Ist denn aber mit den Vorschlägen der Kommission zur Wehrgerechtigkeit die Lösung des Problems der Wehrgerechtigkeit für alle, die verkündet wird, verbunden? Man muß auf diese Frage leider mit Nein antworten. Allenfalls wird sich der Prozentsatz der Herangezogenen ändern. Rechtfertigt diese begrenzte Zielsetzung den Aufwand an Mitteln, an organisatorischen Veränderungen, an Kampfkrafteinbuße?

    (Abg. Buchstaller: Siehe Herr Adorno!)

    Ich muß hier auf den Adorno-Bericht zurückkommen. Die jetzigen Vorschläge führen hinter den AdornoBericht zurück. Wenn es uns darum zu tun ist, wirklich eine Lösung dieses Problems, so gut wir es immer vermögen, zu finden, müssen wir das ganze Paket so nehmen, wie es der Kollege Adorno heute morgen so einleuchtend gesagt hat.
    Die Regierung hat eine Fülle von Erwartungen geweckt, die schwer verwirklichbar und finanziell nicht abgesichert sind und die daher zu neuen 'Spannungen führen müssen. Auch der Verteidigungsminister hat sich, wie die übrigen Regierungsmitglieder, in einem Netz selbstgestrickter Ankündigungen gefangen. Wir empfehlen ihm, eine Bestandsaufnahme aller Versprechungen zu machen und dann Prioritäten zu setzen. Er sollte vor allem



    Dr. Klepsch
    klarstellen, was in dieser Legislaturperiode noch bewältigt werden kann. Dabei darf er aber auch nicht aus dem Auge verlieren, daß die fortlaufende Umrüstung und Weiterentwicklung der Ausrüstung unserer Streitkräfte auch über das Jahr 1973 hinaus eine vorrangige Aufgabe bleibt, die nur durch eine entsprechende Disposition von Mitteln bewältigt werden kann. Auch die schwierige Tagessituation — gerade auf dem Rüstungssektor darf nicht zu einem Verhalten führen, das man mit dem Wort „Nach uns die Sintflut!" umschreiben könnte. Wir hoffen sehr, daß wir den Herrn Minister dabei unterstützen können, daß es nicht zu einem solchen Verhalten kommt.
    Meine Damen und Herren, es ist ganz sicher außerordentlich schwierig, in der Fülle der Probleme dann einen Überblick über die finanziellen Möglichkeiten zu behalten, wenn fortgesetzt organisatorische Veränderungen, zusätzliche Projekte und Maßnahmen in die Diskussion eingeführt werden. Selbstverständlich gibt es auch bei uns niemanden, der nicht zur Kenntnis nähme, daß die allgemeine Entwicklung, die die Haushaltssituation dieser Regierung in erster Linie dank der von ihr zu vertretenden Politik genommen hat, ihre Auswirkungen auch auf den Verteidigungssektor hat. Um so mehr werden wir es uns angelegen sein lassen — und das möchte ich hier ausdrücklich sagen —, der Regierung und dem Minister bei den Aufgaben, die in dieser Legislaturperiode noch bewältigt werden müssen, so wie bisher — und ich darf an dieser Stelle einmal ausdrücklich sagen, daß wir allen hier zur Vorlage gekommenen Entwürfen unsere Zustimmung nicht versagt haben — unsere Stimmen leihen werden, um gemeinsam die Verteidigungsbereitschaft der Nordatlantischen Verteidigungsgemeinschaft mit zu gewährleisten und dafür Sorge zu tragen, daß die Bundesrepublik Deutschland weiter in Frieden und Freiheit leben kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von Dr. Hermann Schmitt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Herr Bundesminister der Verteidigung.

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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst ein paar Bemerkungen machen dürfen zu den Ausführungen des Herrn Wehrbeauftragten. Ich habe, für die Bundesregierung sprechend, schon in der letzten Debatte, die sich mit Fragen der Bundeswehr beschäftigte, dem Herrn Wehrbeauftragten Dank gesagt; ich muß das heute nicht wiederholen.
    Er hat heute vormittag ein paar Bemerkungen, wie auch schon schriftlich geschehen war, zu der kriegsentscheidenden Frage der Haartracht und der Barttracht gemacht und gemeint, dies sei ein Unruheherd in der Truppe. Da bin ich aber sehr dankbar, daß es ein so harmloser Unruheherd ist. Die Truppe muß ab und zu einmal einen Unruheherd haben, sonst weiß sie nicht, woran sie sich mit ihrer Unruhe aufhängen soll.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Ich kann dieses Thema nicht noch ein zweites Mal ernsthaft behandeln, das habe ich vor fünf Wochen hier schon getan. Aber um es ein bißchen zu persiflieren mit einem ganz kleinen Quäntchen Ernsthaftigkeit darin: wissen Sie, wenn ältere Soldaten, ältere Offiziere oder ältere zivile Bürger, die sich in der Denk- und Gefühlseinstellung mit älteren Offizieren einig wissen, meinen, wir sollten doch eigentlich den jungen Leuten auferlegen, kurze Haare zu tragen, die könnten sich doch schließlich an irgendwelche Vorschriften dieser Art halten, das wäre doch für die Disziplin und die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr sehr gut, wenn wir das gegenüber Wehrpflichtigen könnten, dann könnten wir das ja auch gegenüber älteren Offizieren. Dann bin ich dafür, daß wir auch älteren Offizieren Vorschriften über ihre Haartracht machen, aber nicht so, wie diese gern ihr Haar tragen möchten, sondern so, wie ich das anordne: lange Haare, lange Koteletten.

    (Heiterkeit. — Zuruf von der SPD: Das können sie nicht mehr alle!)

    Dann hätten wir ja auch das Recht dazu, denen vorzuschreiben, wie Herr Schulz beispielsweise Koteletten zu tragen; ich finde das ganz nett. Dann würde der Effekt eintreten, daß ein großer Teil der Wehrpflichtigen sich die Haare ganz kurz schneidet und keinen Bart mehr trägt aus Protest gegen die Modeauffassung der Alten. Was soils denn? Kann man denn wirklich nicht ein bißchen Humor walten lassen?
    Im übrigen hat Herr Schulz natürlich recht, wenn er darauf hinweist — so hat er sich ausgedrückt, meine ich; ich habe es mir aufgeschrieben, als er sprach —, daß mancherorts das Vertrauen zwischen Vorgesetzten und Untergebenen nicht ausreiche, daß Diskussion notwendig sei und daß man auch den Untergebenen erklären müsse, warum eine Lage so ist und nicht anders und warum ein Vorschlag nicht akzeptiert werden kann oder warum erst im nächsten Jahr.
    Dies möchte ich nun sehr ernsthaft vertiefen. Ich habe mir hier ein paar Truppenzustandsberichte von Hauptleuten, auch von etwas höheren militärischen Vorgesetzten mitgebracht, und wenn Sie erlauben, Herr Präsident, möchte ich Ihnen ein bißchen daraus zitieren. Manche werden sehr betroffen fragen, was das denn wohl soll, daß der Verteidigungsminister das öffentlich vorliest, aber ich habe eine Absicht dabei. Ich zitiere hier auszugsweise aus einem sehr sorgfältigen Beitrag zu einem Truppenzustandsbericht von einem Kompaniechef. Es ist ein langes Papier, ich zitiere Auszüge:
    Die Mannschaften fragen grundsätzlich nach der Ernsthaftigkeit des Bemühens, mit dem die Führung der Truppe die Voraussetzungen der echten Einsatzbereitschaft schafft. Wiederholt ist mir deutlich geworden, daß die Mannschaften von den sichtbaren Schwächen und Schwierigkeiten in ihrem Verband (die Soldaten der Kompanie haben noch niemals ihre Kompanie zu mehr als 50 °io einsatzbereit gesehen) Rückschlüsse ziehen auf die Verteidigungsbereitschaft der gesamten Bundeswehr und auf die



    Bundesminister Schmidt
    Ehrlichkeit der politischen Führung, der Truppe
    das Beste zur Erfüllung ihres Auftrags zu geben.
    Oder an anderer Stelle:
    In meiner Kompanie sind von zwölf Gruppenführern nur fünf Unteroffiziere. Von diesen fünf scheiden zwei im Laufe dieses Jahres aus. Die sieben anderen Gruppenführer stellen sich mit Gefreiten ohne U-Lehrgang bzw. mit zwei durchgefallenen Unteroffiziersanwärtern.
    Die notwendigerweise mangelnde Kenntnis der unausgebildeten Gruppenführer, die daraus entspringende Unsicherheit, das mangelnde Geschick im Umgang mit schwierigen Aufgaben wirken sich nachteilig auf den inneren Zusammenhalt der Gruppen aus, und die Gruppen werden oft nicht durch ihren Gruppenführer geführt, sondern die Gruppenführer werden durch ihre Gruppen geduldet.
    Oder an einer anderen Stelle:
    Es erscheint nicht als Vorzug und Auszeichnung, eine Gruppe führen zu dürfen, sondern als bittere Pflicht. Der gute Wille und die Mühe derer, die sich dieser Pflicht in der Kompanie zu unterziehen haben, ist hoch anzuerkennen. Aber Ausbildungsstand und Einsatzbereitschaft der Kompanie müssen bei dieser Personallage unter dem geforderten Minimum bleiben.
    Oder an einer anderen Stelle:
    All dies hat unter den Unteroffizieren zu einem tiefen Mißbehagen, zu Unbefriedigung und Unlust geführt. Die Bereitschaft, sich weiter zu verpflichten, ist auf ein Minimum gesunken. Der Unteroffizier sieht seine aufopferungsvolle Tätigkeit vom Staat her unterbewertet.
    Oder an anderer Stelle:
    Die Ernsthaftigkeit der Bemühung der Führung, wirklich verteidigen zu wollen, ist in letzter Zeit mehrfach in Frage gestellt worden. Jeder Unteroffizier weiß, wenn seine Gruppe, sein Zug, seine Kompanie einsatzbereit ist, und wenn er diese Vorstellung mit der Wirklichkeit in seiner Einheit vergleicht und mit der Bedrohung, so wird man die Berechtigung dieser Frage nicht bezweifeln.
    Oder wieder ein anderer Zustandsbericht:
    Die Ausbildung, Erziehung einer hochtechnisierten Truppe erfordert besondere pädagogische und psychologische Vorbildung. Die Ausbildung zum Offizier schafft in dieser Hinsicht keine ausreichenden Voraussetzungen. Die Anstrengungen der politischen Führung, ein schlagkräftiges militärisches Instrument zu schaffen, sind nicht intensiv. Der Offizier steht auf verlorenem Posten.
    Wollen Sie noch mehr hören? Dieses stammt — raten Sie, aus welchem Jahr! — Aus dem Jahre 1963!
    Jetzt lese rich Ihnen einen Truppenzustandsbericht von heute vor:
    Beklagt wird die mangelnde Information in dieser Zeit, das klärende Gespräch mit älteren Vorgesetzten, die den jungen Offizier auch bei dem Versuch einer geistigen Standortfindung weitgehend allein lassen. Weitere Ursachen des Vertrauensschwundes werden im politischen Bereich gesehen: sehr begrenztes Interesse des Politikers an der Bundeswehr und das Gefühl, daß die politische Führung den Auftrag an die Bundeswehr selbst nie so ganz ernst genommen hat und in ihr mehr ein außenpolitisches als ein Instrument der Landesverteidigung sieht. Im weitesten Sinne wird gezweifelt am Verteidigungswillen und am Veranwortungsbewußtsein der politischen Führung.
    Ich habe Sie irregeführt, meine Damen und Herren; das stammt nicht von heute, sondern von 1966. Es ist aus einem Vortrag eines älteren Stabsoffiziers, der in einer Offizierstagung die Meinung seiner Hauptleute vorträgt.
    Oder ich gebe Ihnen einen weiteren Truppenbestandsbericht:
    Ein Blick über die Kasernenmauer enthüllt erschütternde Zustände. Dem Fundament, auf dem die Streitkräfte errichtet wurden, mangelt es an Tragfähigkeit. Der Staatsbürger in Uniform ist ein Wunschbild geblieben, das Konzept Innere Führung durch die Wirklichkeit widerlegt worden.
    Und ähnlich markig-kernig geht es weiter. — Dies letztere ist nun, wie ich zugebe, ein besonderer Trick von mir. Das ist kein Truppenzustandsbericht, auch kein amtliches Papier. Alle anderen sind aus den Akten des Bundesverteidigungsministeriums entnommen, und ich könnte viele vorführen. Dieses ist nicht aus den Akten entnommen, sondern aus der Literatur; es stammt aus dem weiß Gott nicht lesenswerten Buch eines Herrn von Studnitz „Rettet die Bundeswehr" ; aber es kennzeichnet, was viele damals, 1966, über die Armee gedacht haben. Denn er hatte es ja nicht aus Eigenem, das war ihm ja so von Soldaten gesagt worden.
    Nun kommt ein amtliches Papier. Das ist eine Geheimsache; aber da sie schon zwei Jahre alt ist, erkläre ich sie hiermit für offen und lese sie vor. Man kann sie gut vorlesen; denn was darinsteht, ist überholt, es trifft nicht mehr zu. Es ist eine Geheimvorlage des Führungsstabes des Heeres vom 10. Februar 1969 an die damalige politische Leitung. Da waren Sie noch im Amt, Herr Adorno, da waren sie noch Staatssekretär im Verteidigungsministerium. Sie haben es wahrscheinlich damals auf dem Tisch gehabt. Darin heißt es:
    Seit Bestehen der Bundeswehr war der Zustand des Heeres noch nie so kritisch wie an dieser Jahreswende 1968/69. Er gibt zu ernster Sorge Anlaß.
    Bemerkenswert die nachstehende Festellung des II. Korps:
    — Ich zitiere wörtlich —:
    Die Resignation vor allem im Unteroffizier- und
    Offizierkorps hat zugenommen. Die nun schon



    Bundesminister Schmidt
    seit langer Zeit in vielfacher Form von den verschiedensten Organen geübte ständige Kritik am Zustand der Bundeswehr findet in der Truppe zunehmend Glauben.
    — Das ist für Sie geschrieben, Herr Klepsch; das haben die Leute bei Fü H damals vorausgesehen, daß es notwendig wäre, eine solche Warnung auszusprechen. —
    Erklärende Worte über die tatsächlichen Zusammenhänge (durch die Vorgesetzten) dürfen in ihrer Überzeugungskraft und Wirkung nicht überschätzt werden. Glaubt man an einem Tag irgendein Offizierkorps wieder etwas aufgerichtet und in seinem Zweifel abgefangen zu haben, so schlägt am nächsten Tag der Bericht eines „Militärexperten" alles wieder zusammen.
    Das ist alles wörtlich aus einer Geheimvorlage des Führungsstabes des Heeres. Ich kann nicht alle Einzelheiten vorlesen. Der wichtigste Satz kommt jetzt:
    Das Heer wird dieser Situation bei der sich abzeichnenden Verschärfung nicht mehr aus eigener Kraft Herr werden können. Es ist auch auf Maßnahmen der Leitung des Hauses und der politischen Führung angewiesen.
    Sie werden mir glauben, daß ich nicht übertreibe, wenn ich sage, ich kann Ihnen zwei Stunden lang aus den Akten des Verteidigungsministeriums solche amtlichen Berichte vorlesen.
    Ich tue das nicht, um zu sagen, daß diejenigen, die heute Sorgen haben und heute Klagen haben, und l daß die Abgeordneten, die sich zu Sprechern heutiger Sorgen und Klagen machen, willentlich übertreiben, ich tue das nur, um Ihnen deutlich zu machen, daß einige bitte ihre Sprache mäßigen sollten, wenn sie über die heutige Bundeswehr sprechen.

    (Beifall beiden Regierungsparteien.)

    Ich komme nachher auf das Thema zurück. Die Lage der Kampftruppen und die Lage im Unteroffizierkorps war damals schwierig, und sie ist heute schwierig. Ich bitte mir nur eines herzlich aus, daß jemand, der wie Herr Dr. Klepsch oder wie Herr Dr. Marx in den frühen 60er Jahren beruflich mit der Bundeswehr zu tun gehabt hat, in der Bundeswehr gearbeitet hat bei Dr. Marx und seiner Diktion hört man heute noch heraus, daß er damals Hilfsreferent für psychologische Kampfführung war —,

    (Heiterkeit bei den Regierungsparteien. Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Bei Ihnen hört man heute noch heraus, daß Sie einmal Vorsitzender des SDS waren!)

    daß Herren, die damals beruflich damit zu tun hatten und also Bescheid wissen, Herr Dr. Marx, nicht so tun, als ob die Geburtsfehler der Bundeswehr — als solche will ich sie bezeichnen — im Jahre 1969 oder 1970 entstanden seien. Es ist der Geburtsfehler, auf der einen Seite zwölf Divisionen mit den zugehörigen Verbänden aufstellen und dafür nur in einem so kleinen Umfang Soldaten zur Verfügung stellen zu wollen. Dieser Geburtsfehler hat von Anfang an alle Verbände, insbesondere des
    Heeres, unter die Notwendigkeit der abgestuften Präsenz gestellt. Das heißt, kein Verband konnte zu irgendeiner Zeit wirklich voll aufgefüllt sein, weder mit Mannschaften noch mit Unteroffizieren. Dieses ist die eigentliche Krux der Ausbildungssituation in den Verbänden des Heeres.
    Nun will ich auf der anderen Seite solche Truppenzustandsberichte und auch die Berichte der Hauptleute, die sich jetzt geäußert haben — die Leutnante voriges Jahr, demnächst vielleicht die Oberstleutnante —, nicht überbewerten. Ich habe neulich mit großem Gewinn eine Rede des Generalinspekteurs gelesen, die er im Siegerland, ich glaube, in Siegen, gehalten hat. Es ist ihm eine entzückende Lesefrucht zugefallen, die er dort verwendet hat. Er hat nämlich aus dem Vortrag eines Oberstleutnants zur Disposition Hartmann, gehalten in Erfurt vor der Akademie Gemeinnütziger Wissenschaften im Jahre 1858, zitiert, und was dieser Oberstleutnant zur Disposition Hartmann damals sagte, trifft heute, 113 Jahre später, immer noch:
    Das preußische Heerwesen ist eine kollektive Individualität von sehr starker Erregbarkeit.

    (Heiterkeit bei den Regierungsparteien.)

    Übrigens hatte der Vortrag damals - das hat auch
    eine gewisse Aktualität — die Überschrift: „Junge Generale und alte Soldaten". Heute könnte man es umkehren, aber ich will es lassen. Da hätte man einen aktuellen Aufhänger für neue Beschwerden, die Sie bisher noch nicht vorgetragen haben.

    (Heiterkeit bei den Regierungsparteien.)

    Da aber noch weitere 14 Redner auf der Liste stehen, wird das wohl noch kommen.

    (Abg. Baron von Wrangel: Wir stören Sie nicht!)

    — Ich habe nichts dagegen, wenn Sie stören.

    (Heiterkeit bei der SPD. — Abg. Baron von Wrangel: Ich störe doch gar nicht! Aber es scheint Sie zu stören, daß wir so ruhig zuhören!)

    — Ich habe nichts dagegen.
    Ich habe in diesem Jahr erst eine der Hauptleutetagungen gehabt. Das war vor zirka 14 Tagen in Koblenz; es kommen zwei weitere nach. Ich habe auch voriges Jahr viele Tagungen mit Hauptleuten, Leutnants, Unteroffizieren, Kommandeuren und Generalen veranstaltet. Ich bin wirklich der Meinung, daß Diskussion hilft, daß das Aussprechen der Probleme, auch das Aussprechen der Sorgen durch die Truppe und die Truppenvorgesetzten hilft. Eine Tagung habe ich in diesem Jahr erst gehabt, und ich habe den Teilnehmern die Wahrheit gesagt. Die Wahrheit ist, daß wir aus der außenpolitischen Situation heraus im Jahre 1971 weder vier Divisionen skelettieren können noch neun Brigaden; beides ist übrigens nur eine verschiedene façon de parler, es würde auf dasselbe hinauslaufen.
    Dies erscheint mir sowohl vis-à-vis Moskau als auch vis-à-vis eigenem Bündnis und eigenen Verbündeten heute genauso wenig, heute noch weniger möglich, als es 1967 möglich war, als der damalige Verteidigungsminister Schröder vornehmlich aus



    Bundesminister Schmidt
    finanzwirtschaftlichen Gründen zusätzlich auch
    aus anderen, aber vornehmlich aus haushaltswirtschaftlichen Gründen — ähnliche Erwägungen der damaligen Bundesregierung antrug und damit kein Gehör fand. Das war vor der Tschechenkrise, und nicht während einer Hängepartie, einer bisher noch nicht endgültig, erfolgreich erledigten Phase von Verhandlungen in Moskau, über Berlin etc. Wenn das 1967 in der Großen Koalition von den beiden damaligen Partnern abgelehnt wurde, so wird man auf Vorschläge, wie sie heute ventiliert werden, sagen müssen: im Grunde sehr zu überlegen, muß geprüft werden, kann aber nicht 1971 gemacht werden.
    Dies habe ich auch den Hauptleuten in Koblenz gesagt. Ich fand da sehr viel Aufgeschlossenheit. Ich habe ihnen gesagt: Ich kann euch nichts versprechen, außer daß es noch schwieriger wird. Ich erwarte allerdings auch von euch, daß ihr mit den Schwierigkeiten fertig werdet. Wozu seid ihr denn eigentlich jung, und wozu habt ihr denn diese Pflicht auf euch genommen? — Andere sind gefragt worden: Habt ihr eigentlich gar keine Lust mehr zum Beruf? — Nein, war die Antwort, so ist es auch nicht; Spaß macht es schon.
    Es ist halt so wie mit den Landwirten und mit den Handwerkern: Ein bißchen Klagen gehört neuerdings überall dazu. Es muß auch sein; siehe den Oberstleutnant Hartmann: kollektive Erregbarkeit.
    Ich will das nicht gering achten; ich will die Sorgen der Truppe um Gottes willen nicht gering achten. Ich arbeite seit eineinhalb Jahren sehr daran die Möglichkeiten eines Ministeriums oder einer Regierung oder einer Leitung eines Ministeriums, in eineinhalb Jahren viel von dem zu ändern, was in 15 Jahren entstanden ist, sind begrenzt —, der Truppe das Leben zu erleichtern. Aber ich warne davor, die Truppe glauben zu machen — ich hüte mich davor —, daß man ihre Lage wesentlich und schnell verändern kann.
    Lassen Sie mich etwas zur Diskussion sagen, weil im Laufe der letzten Wochen — auch da nehme ich auf Herrn Schultz Bezug — einige Bemerkungen zur Diskussion in der Armee gemacht worden sind. Es gibt Leute, die Diskussion mißverstehen und die meinen, da sei das Prinzip von Gehorchen und Befehlen durchbrochen. Das ist ein großer Irrtum.
    Ich habe zunächst einmal einen unverdächtigen Zeugen vor mir, einen von mir geschätzten Spitzenbeamten der Bundesrepublik, der sich im Augenblick im Wartestand befindet, Karl Carstens. Vor wenigen Tagen ist ein Buch erschienen, in dem der ehemalige Staatssekretär des Auswärtigen Amts, später des Verteidigungsministeriums, schließlich des Bundeskanzleramts die Summe seiner Erfahrungen als einer der höchsten politischen Beamten zieht; und da er auch ein Jahr lang Staatssekretär im Verteidigungsministerium war, steht ihm durchaus ein Urteil auch auf diesem Sachgebiet zu. Er führt aus, daß der Verteidigungsminister es bei der Bewältigung seiner Führungsaufgaben leichter habe als die anderen Minister, weil er durch Befehls- und Kommandogewalt höchster Vorgesetzter aller Soldaten sei.
    Jedenfalls so lange Frieden ist — und das ist ja so lange, wie wir leben, weil wir die richtige Sicherheitspolitik machen , ist er der höchste Vorgesetzte. Insofern habe er es leichter als die anderen Minister.
    Aber auch der Verteidigungsminister wird gut daran tun,
    sagt Carstens —
    seine Weisungen und Befehle durch eine vorangehende Diskussion mit den Adressaten vorzubereiten. Noch weniger als andere Minister kann er den gesamten, teilweise technisch höchst komplizierten Bereich seiner Verantwortung selbst überschauen und sich auf Grund eigener Kenntnis ein Urteil bilden.
    Dann geht es weiter: Er bedarf der Beratung. Carstens kommt dann ein paar Seiten später noch einmal zu diesem Diskussionthema zurück und sagt dort:
    Auch in der Bundeswehr ist die Diskussion ein wichtiges Führungsinstrument. Gewiß verlangt kein staatlicher Bereich mehr Disziplin und mehr Gehorsam gegenüber einem erteilten Befehl als die Streitkräfte. Trotzdem bin ich überzeugt, daß die Diskussion mit den Befehlsadressaten vor der Erteilung des Befehls auch hier sinnvoll ist, sicherlich nicht in jedem Einzelfall, aber doch generell in dem Sinne, daß das Verständnis der Soldaten für die Befehle, die sie erwarten, allgemein im Wege einer Diskussion mit ihnen geweckt wird.
    Ich weiß, daß dieses vielfach geschieht. Es sollte meiner Meinung nach aber noch in viel stärkerem Maße als allgemeines Prinzip durchgesetzt werden. Die Anwendung dieses Grundsatzes setzt hohe Eigenschaft der militärischen Vorgesetzten voraus. Ich kann nur sagen: In der Tat! Natürlich ist das nicht nur für hohe Vorgesetzte, sondern auch für Truppenführer, für Truppenvorgesetzte, schwierig und muß gelernt werden. Natürlich werden einige zunächst über die Stränge schlagen und haben es auch schon getan, nicht nur in diesem Jahr, sondern auch in den vorigen. Dagegen muß man mäßigend eingreifen, muß ihnen die Grenzen und die Spielregeln zeigen. Im Weißbuch 1970 hieß es: Der Gehorsam gegenüber dem Grundgesetz und gegenüber der verfassungsmäßigen Regierung, der Gehorsam gegenüber den Gesetzen, die auf dem Grundgesetz beruhen, der Gehorsam gegenüber Befehlen, die auf dieser Basis gegeben worden sind, kann nicht zur Diskussion stehen. Ich hatte Veranlassung, einigen Herren der Bundeswehr in freundschaftlicher Form in Erinnerung zu rufen, daß die Berufspflichten des Vorgesetzten und die Berufspflichten des Soldaten im deutschen Soldatengesetz normiert sind. Es ist schon 15 oder 16 Jahre alt, aber sehr aktuell. Der Paragraph über die Notwendigkeit der Zurückhaltung bei Äußerungen innerhalb und außerhalb des Dienstes, die dadurch gegeben ist, daß die Vorgesetzten das Vertrauen wahren müssen, das in sie gesetzt wird, könnte von heute sein. Dasselbe gilt für die Vorschrift von der Kameradschaft. Ich habe dazu gesagt: Sie gilt auch für die Kameradschaft von



    Bundesminister Schmidt
    unten nach oben und gilt auch für die Kameradschaft von oben nach unten, nicht nur für die unter Gleichgestellten. Es gilt auch für die Vorschriften über Verschwiegenheit über dienstlich bekanntgewordene Angelegenheiten. Manches von dem, was im Parlament vorgetragen wird, beruht darauf, daß sich nicht alle Informanten diesem Paragraphen entsprechend verhalten. Vom Paragraphen über die politische Betätigung will ich gar nicht sprechen. Ich habe mit Vergnügen gesehen, daß Herr Wörner - soeben war er noch anwesend —

    (Abg. Dr. Wörner: Ich bin hier!)

    sich neulich öffentlich zu diesen Diskussionen geäußert hat. Ich komme auf die Erklärungen Herrn Wörners noch ein zweites Mal zurück; er hat sich auch zweimal geäußert. Einmal hat er gesagt — wenn das richtig ist —, unter einer CDU/CSU-Regierung — wir sprechen von bestimmten Hauptleuten einer bestimmten Division — wäre das nicht ohne disziplinarische Maßnahmen abgegangen. So soll er es gesagt haben. Ich bin sehr vorsichtig; denn die Zeitungszitate dürften zu 80 % aller Fälle nicht stimmen. Ob er es so oder anders gesagt hat, bleibe dahingestellt. Jedenfalls hat Herr Wörner die Tendenz zum Ausdruck gebracht: Eigentlich sind die ein bißchen zu weit gegangen! So verstehe ich Sie.