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ID0609412400

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 94. Sitzung Bonn, Freitag, den 29. Januar 1971 Inhalt: Begrüßung einer Delegation der Zweiten Kammer des niederländischen Parlaments unter Führung des Präsidenten van Thiel 5127 A Amtliche Mitteilungen 5127 B Große Anfrage der Fraktionen der SPD, FDP betr. Außenpolitik der Bundesregierung (Drucksachen VI/1638, VI/ 1728) in Verbindung mit Aussprache über den Bericht der Bundesdesregierung zur Lage der Nation 1971 (Drucksache VI/ 1690) Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) 5127 C Dr. Achenbach (FDP) 5136 C Mattick (SPD) . . . . . . . . 5139 B Scheel, Bundesminister . . . . 5144 A Dr. Dr. h. c. Birrenbach (CDU/CSU) 5152 A Wehner (SPD) . . . . . . . 5157 B Dr. h. c. Kiesinger (CDU/CSU) . . 5162 D Moersch (FDP) . . . . . . . . 5167 C Dr. Schiller, Bundesminister . . . 5174 B Dr. Arndt (Hamburg) (SPD) . . . . 5177 A Dr. Mende (CDU/CSU) 5179 D Brandt, Bundeskanzler 5182 D Dr. Barzel (CDU/CSU) 5186 B Baron von Wrangel (CDU/CSU) . 5189 C Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 5191 A Anlagen 2 und 3 Entschließungsanträge Umdrucke 101 und 102 zur Großen Anfrage der Fraktionen der SPD, FDP betr. Außenpolitik der Bundesregierung (Drucksachen VI/1638, W1728) 5191 D Anlage 4 Änderungsantrag Umdruck 103 zum Entschließungsantrag Umdruck 101 zur Großen Anfrage der Fraktionen der SPD, FDP betr. Außenpolitik der Bundesregierung (Drucksachen VI/1638, VI/1728) . . 5191 D Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 94. Sitzung. Bonn, Freitag, den 29. Januar 1971 5127 94. Sitzung Bonn, den 29. Januar 1971 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Ahrens * 29. 1. Alber * 29. 1. Dr. Arndt (Berlin) 1. 2. Dr. Artzinger ** 29. 1. Bals * 29. 1. Bauer (Würzburg) * 29. 1. Blumenfeld 29. 1. Bühling 28. 2. Dr. Burgbacher ** 29. 1. Dasch 5. 4. van Delden 29. 1. Dichgans 29. 1. Frau Dr. Diemer-Nicolaus * 29. 1. Dr. Dittrich ** 29. 1. Dr. Dollinger 23. 2. Dorn 29. 1. Draeger *** 29. 1. Dröscher ** 29. 1. Fellermaier ** 1. 2. Flämig ** 29. 1. Fritsch * 29. 1. Dr. Furler * 29. 1. Gewandt 29. 1. Dr. Giulini 29. 1. Dr. Götz 13. 2. Frau Griesinger 29. 1. Grüner 29.1. Frhr. von und zu Guttenberg 29. 1. Dr. Hallstein 29. 1. Frau Herklotz * 29. 1. Dr. Hermesdorf (Sehleiden) * 29. 1. Hösl * 29. 1. Dr. Jobst 29. 1. Dr. Jungmann 15. 2. Dr. Kempfler 29. 1. Frau Klee * 29. 1. Klinker 29. 1. Dr. Koch ** 29. 1. Kriedemann ** 29. 1. Freiherr von Kühlmann-Stumm 29. 1. Lange ** 29. 1. Lautenschlager ** 29. 1. Leicht 29. 1. Lemmrich 29. 1. Lenze (Attendorn) * 29. 1. Dr. Löhr ** 2. 2. Dr. Martin 29. 1. Maucher 12. 2. Memmel ** 29. 1. Dr. Müller (München) * 29. 1. Pieroth 29. 1. Pöhler * 29. 1. * Für die Teilnahme an Sitzungen der Beratenden Versammlung des Europarates ** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments *** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen der Versammlung der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete() beurlaubt bis einschließlich Dr. Prassler 29. 1. Rasner 12. 2. Riedel (Frankfurt) *5 29. 1. Richarts * 29. 1. Richter *** 29. 1. Dr. Rinderspacher *** 29. 1. Roser 29. 1. Schachtschabel 29. 1. Schmidt (Würgendorf) * 29. 1. Dr. Schmücker * 29. 1. Dr. Schober 29. 1. Frau Schroeder (Detmold) 29. 1. Dr. Schulz (Berlin) * 29. 1. Saxowski 2. 2. Sieglerschmidt * 29. 1. Springorum ** 29. 1. Dr. Stark (Nürtingen) 29. 1. Steiner 29. 1. Strauß 29. 1. v. Thadden 6. 2. Frau Dr. Walz *** 29. 1. Dr. Warnke 29. 1. Weber (Heidelberg) 29. 1. Werner 29. 1. Wienand * 29. 1. Dr. Wörner 29. 1. Anlage 2 Umdruck 101 Antrag der Fraktionen der SPD, FDP zur Großen Anfrage der Fraktionen der SPD, FDP betr. Außenpolitik der Bundesregierung - Drucksachen VI/ 1638, VI/ 1728 . Der Bundestag wolle beschließen: Der Deutsche Bundestag stimmt der Politik des Nordatlantischen Bündnisses zu, wie sie im Kommuniqué der Ministertagung des Nordatlantikrates vom 3. und 4. Dezember 1970 in Brüssel niedergelegt worden ist (Drucksache VI/1686). Er fordert die Bundesregierung auf, ihre Politik im Einklang mit den darin enthaltenen Grundsätzen fortzuführen. Bonn, den 28. Januar 1971 Wehner und Fraktion Mischnick und Fraktion Anlage 3 Umdruck 102 Antrag der Fraktion der CDU/CSU zur Großen Anfrage der Fraktionen der SPD, FDP betr. Außenpolitik der Bundesregierung - Drucksachen VI/1638, VI/1728 -. 5192 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 94. Sitzung. Bonn, Freitag, den 29. Januar 1971 Der Bundestag wolle beschließen: Der Deutsche Bundestag verfolgt mit Sorge die ständigen Versuche, den freien Zugang nach Berlin zu behindern. Der Deutsche Bundestag sieht in diesen Behinderungen eine Aktion, die das Ziel verfolgt, West-Berlin von der Bundesrepublik und der freien Welt zu isolieren. Der Deutsche Bundestag ist der Auffassung, daß Behinderungen auf den Zufahrtswegen nach Berlin dem Geist der Entspannung, dem Geist des Gewaltverzichts und dem Geist der Normalisierung widersprechen. Bonn, den 29. Januar 1971 Dr. Barzel, Stücklen und Fraktion Anlage 4 Umdruck 103 Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zum Antrag der Fraktionen der SPD, FDP zur Großen Anfrage der Fraktionen der SPD, FDP betr. Außenpolitik der Bundesregierung — Drucksachen VI/1638, VI/1728 — Umdruck 101 —. Der Bundestag wolle beschließen: Der Antrag der Fraktionen der SPD, FDP — Umdruck 101 — wird durch folgenden Satz ergänzt: „Insbesondere betont der Bundestag — entsprechend dem NATO-Kommuniqué — das Recht des Volkes jedes europäischen Staates, sein eigenes Schicksal frei von äußerem Zwang zu gestalten." Bonn, den 29. Januar 1971 Dr. Barzel, Stücklen und Fraktion
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Prof. Dr. Claus Arndt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es läge natürlich nahe, obwohl Herr Kollege Kiesinger den Saal verlassen hat, einiges zu dem zu sagen, was er uns hier in der blumenreichen Sprache seiner schwäbischen Heimat dargelegt hat. Ich glaube, man könnte es auf zwei scheinbar nebensächliche Sätze aus seiner Rede konzentrieren, auf jene Sätze, in denen er gesagt hat, daß ohne die Mitwirkung der Opposition in diesem Hause die Ost- und Außenpolitik dieser Bundesregierung scheitern werde. Noch deutlicher hat er sich, ja, ich möchte sagen: entlarvt

    (Aha! bei der CDU/CSU)

    mit dem Satz, den er hier gesprochen hat, daß die Ost- und Deutschland- und Außenpolitik dieser Bundesregierung, der Koalition aus Sozialdemokraten und Freien Demokraten, innenpolitisch nichts eingebracht habe. Meine Damen und Herren, deutlicher kann man nicht zeigen, wie man die Opposition der CDU/CSU zu dieser Politik zu verstehen hat. Sie zielt darauf, innenpolitisch hier im Lande etwas zu erreichen. Sie zielt darauf, die Außenpolitik als Vehikel zum Sturz dieser Regierung zu benutzen.

    (Abg. Vogel: Sie verdrehen doch die Tatsachen!)

    Meine Damen und Herren, es ist sicherlich das gute Recht einer jeden Opposition, sich zu bemühen, die gegenwärtige Regierung durch eine eigene abzulösen. Ob aber die Außenpolitik unter dem Gesichtspunkt des nationalen Interesses eines Volkes das geeignete Vehikel ist, um die Regierung im Innern zu stürzen, darüber müssen Sie sich vor Ihrem Gewissen und vor dem deutschen Volke Rechenschaft ablegen. Ich will das hier gar nicht qualifizieren.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf des Abg. Vogel. — Abg. Ott: Wer hat denn vor den Landtagswahlen die Verträge unter Dach und Fach bringen wollen? Doch Sie!)

    Worum geht es, meine Damen und Herren? Wir im Westen Deutschlands vertreten das Recht, die Einheit in Freiheit für das deutsche Volk zu erstreben. Jenseits von Mauer und Stacheldraht in der DDR will man ,die staatliche Einheit nach deren Vorzeichen schaffen. Diese beiden Ziele schließen sich sicherlich aus. Daran kann man keinen Zweifel haben. Dennoch müssen wir aber, weil jeder Mensch dieses Leben auf dieser Erde nur einmal zu leben hat, miteinander auskommen. Um das tun zu können, müssen wir dieses Auskommen miteinander vertraglich absichern.

    (Abg. Ott: Ohne Selbstbestimmung?)

    Die Verträge der fünfziger Jahre sind heute Fakten, sie sind nicht rückgängig zu machen. Auf ihrer Basis machen wir heute Politik und müssen wir Politik machen. Aber die Vorstellungen, die damals gerade auf dieser Seite des Hauses, hier rechts, die Motive für diese Verträge lieferten, die damals um sie herum waberten, diese Vorstellungen und Motive sind es gewesen, die uns in die Sackgasse geführt haben.

    (Widerspruch des Abg. Ott.)

    Auch hierfür ist wieder der Rede des Herrn Abgeordneten Kiesinger ein deutliches Beispiel zu entnehmen gewesen. Er hat nämlich gesagt, es gebe keine Entspannung in Europa, wenn die Bundesregierung die Sowjetunion nicht zur Aufgabe ihrer weltrevolutionären Ziele bewege. Nun, meine Damen und Herren, wenn dieses Ihre Bedingung für die Entspannung ist, dann erklären Sie durch Ihren Parteivorsitzenden, daß Sie andere Ziele als die Entspannung haben, denn die Setzung einer unmöglichen Bedignung zeigt, daß Sie dieses nicht wollen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Das ist Dulles in seiner bösen Zeit, nicht en der letzten, von der Herbert Wehner, unser Vorsitzender, vorhin gesprochen hat. Diese Vorstellungen, wie sie der Abgeordnete Kiesinger hier dargelegt hat, meine Damen und Herren, können nicht die Basis sein, von der aus

    (Abg. Horten meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    nein, im Augenblick lasse ich keine Zwischenfrage zu — wir heute voranschreiten.
    Weil aber diese Vorstellungen und Motive falsch waren — wir haben Ihnen das damals von dieser Stelle aus gesagt, und dazu stehen wir auch noch heute —, müssen wir sehen, wie wir nunmehr aus dieser Sackgasse herauskommen. Wenn wir heute, wie Herr Kiesinger hier gesagt hat, sowenig Manövrierfähigkeit haben, wenn die Basis so schmal ist, dann danken wir das jener Politik von damals. Gott sei Dank hat uns das letzte Jahr gezeigt, daß die Manövrierfähigkeit größer ist als wir befürchtet haben, daß sie noch sei. Es ist aber nicht Ihr Verdienst, daß das so ist.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Unverschämtheit!)

    Meine Damen und Herren, wegen der fortgeschrittenen Zeit will ich mich kurz fassen. Ich meine aber, daß die Ausführungen, die ein Abgeordneter dieses Hauses gestern zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Ostverträge gemacht hat, hier nicht unwidersprochen im Raum stehenbleiben sollten. Sicherlich ist es nicht unsere Aufgabe, jetzt eine Ratifikationsdebatte vorwegzunehmen. Der Abgeordnete, von dem ich spreche, hat gesagt, ,die Gefühle des Volkes zeigten deutlich, daß das deutsche Volk die Verträge als verfassungswidrig ansähe. Dazu ist zunächst zu sagen, daß Gefühle sicherlich keine Basis sind, um die Verfassungsmäßigkeit von Verträgen in diesem Hause zu prüfen. Im übrigen ist diese Behauptung unbewiesen. Ich habe vielmehr den Eindruck, daß der Wunsch hier der Vater des Gedankens ist

    (Beifall bei der SPD)

    und daß einige von dieser Stelle aus jene Gefühle im deutschen Volk hervorlocken möchten, von denen sie behaupten, daß sie da seien. Diese Argumentation scheint mir sehr genau in eine Politik hineinzupassen, die wir im letzten Jahr hier mehr-



    Dr. Arndt (Hamburg)

    fach erlebt haben, von dieser Stelle aus etwas gemäßigter, im Lande sehr viel härter: Sie brauchen wieder ein Vehikel, um diese Regierung, mit welchem Mittel auch immer, zu stürzen.

    (Unruhe bei der CDU/CSU.)

    Sie haben mit der gleichen Argumentation versucht, die Inflationsangst in diesem Lande zu schüren. Sie haben versucht, die Kriminalitätsangst hochzupeitschen. Und jetzt versuchen Sie durch solche Reden bei der Bevölkerung den Eindruck zu erwecken, als seien die Verträge nicht mit der Verfassung in Einklang zu bringen.
    Diese Bundesregierung hat, bevor sie die Verträge unterzeichnete, die Aufgabe gehabt — und sie hat diese Aufgabe auch wahrgenommen —, zu prüfen, ob die Verträge mit unserer Verfassung vereinbar seien. Niemand in diesem Lande soll so tun, als ob die Mitglieder dieser Bundesregierung ihren Eid weniger ernst nähmen als andere vor ihnen. Wir Sozialdemokraten werden uns von niemandem, aber auch wirklich von niemandem in der Treue zur Verfassung übertreffen lassen.

    (Abg. Ott: Hoffentlich! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

    Die Sozialdemokraten — auch Personen, die heute hier handeln — haben in ihrer Geschichte so viele Opfer an Gut und Blut für die Treue zur demokratischen Verfassung gebracht, daß sie sich in dieser Treue zur demokratischen Verfassung von niemandem übertreffen lassen werden.

    (Abg. Ott: Sie sprechen von Opfern; das war nicht. nur Herr Wehner, sondern es waren andere auch! — Abg. Dr. Schäfer [Tübingen] : Was soll der Zwischenruf?)

    — Herr Ott, angesichts der Opfer der deutschen Sozialdemokratie halte ich es für unter meiner Würde, auf diesen Zwischenruf zu antworten.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Rock: Im Konzentrationslager haben alle nebeneinandergestanden, ob Priester, Kommunisten oder Sozialdemokraten!)

    — Sehr richtig! Aber der Abgeordnete, von dem ich soeben sprach, hat in einer Gruppe, die sich politische Partei nannte, mitgewirkt. Der Vorsitzende dieser Gruppe hatte den Eid auf die Verfassung bereits gebrochen, ehe er ihn als Reichskanzler geschworen hatte, und er kam durch den Verfassungsbruch des Reichspräsidenten in sein Amt, der damit ebenfalls seinen Eid brach. Dieser Abgeordnete ist deswegen, weil er dieser Gruppe angehörte, zuletzt legitimiert, dieser Bundesregierung implizite oder ausdrücklich zu unterstellen, daß sie die Verfassungsmäßigkeit ihrer Handlungen nicht ernst nähme.

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)

    Zurück zu dem Kernpunkt, der Verfassungsmäßigkeit unserer Ostpolitik. Diese Bundesregierung handelt, soweit sie Verbindlichkeiten setzt, nur für diejenigen, die ihr die Legitimation dazu gegeben haben. Sie handelt nur für den Geltungsbereich des Grundgesetzes, denn nur von den Deutschen im Gel tungsbereich des Grundgesetzes hat sie die demo- (I kratische Legitimation. Das ist die eine Einschränkung.
    Die andere Einschränkung ist die, daß diese Regierung ihre Politik auf jenen Gebieten, auf denen sich die Vier Mächte die aus der Besatzungszeit überkommenen Verantwortlichkeiten auf Grund des General- oder Deutschland-Vertrages noch vorbehalten, eben nur im Rahmen der Verantwortlichkeiten der Vier Mächte betreiben kann. Sie kann also für Gesamtdeutschland allenfalls Rechte wahren. Sie muß dies allerdings auch tun. Das schreibt uns die Präambel vor.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Aha!)

    Ich werde darauf gleich noch zurückkommen, Herr Vogel.

    ( Die EWG wurde abgeschlossen; wir traten der NATO bei. Eine Rechtsnorm allerdings, welche Politik verböte, sie verböte auch für die Zeit, in der eben eine deutsche Regierung nicht für alle Deutschen verpflichtend handeln, sondern nur deren Rechte wahren kann, eine solche Rechtsnorm wäre keine mehr; sie wäre auf etwas Unmögliches gerichtet, sie wäre der Versuch der institutionalisierten Unmenschlichkeit, denn sie verböte es, den Menschen, die nur einmal dieses Leben auf dieser Erde haben, mehr Sicherheit, mehr Freiheit zu geben, das Leben lebenswerter zu machen. (Abg. Vogel: Das klingt wie das „Wort zum Sonntag", Herr Arndt!)

    Eine Verfassung, die ein solches Ziel hätte, wäre eben keine Verfassung; das könnte keine Rechtsnorm sein. Das ist auch nicht das Grundgesetz. Es ist vielmehr das Gegenteil unserer Verfassung.
    Das kommt aber auch daher, meine Damen und Herren, weil die Wiedervereinigung nicht allein das höchste Verfassungsgut unseres Grundgesetzes ist. Art. 26 des Grundgesetzes macht völlig deutlich, daß die Sicherung des Friedens, d. h. der primitivsten Voraussetzung überhaupt, daß Menschen auf dieser Erde miteinander leben können, das höchste Gut ist, das eine Regierung, das auch unsere Regierung zu wahren hat.

    (Abg. Schulhoff meldet sich zu einer Zwischenfrage.)




    Dr. Arndt (Hamburg)

    — Herr Schulhoff, im Augenblick lasse ich keine Zwischenfragen zu.
    Das haben auch frühere Bundesregierungen anerkannt; denn auch sie haben ja in der Debatte die Frage Einheit oder Frieden oder die Frage Einheit oder Freiheit zugunsten des Friedens entschieden, aber auch zugunsten der Freiheit, zugunsten der Grundrechte. Nicht ohne Grund haben wir das Grundrecht des Art. 1, sozusagen das Muttergrundrecht der anderen, wenn auch nicht im rechtlichen, so doch im tatsächlichen Sinne, durch Art. 79 des Grundgesetzes sogar vor der legalen Verfassungsänderung geschützt. Hier sind also Güter, die noch höher zu bewerten sind als ,das freie Zusammenleben der Menschen in ganz Deutschland. Es war richtig und gut, daß diese Priorität so gesehen wurde.
    Über die Lebensform und über die Grenzen Deutschlands kann aber nur eine Regierung entscheiden, die von allen Deutschen dazu legitimiert ist. Das haben wir auch unseren Vertragspartnern ganz klar gesagt. Ich erinnere in dem Zusammenhang nur an die Briefe, die die Bundesregierung — unwidersprochen und vorher vereinbart — unseren Vertragspartnern übersandt hat, in denen das, was ich hier mit anderen Worten gesagt habe, zusammengefaßt ist in dem Satz, daß diese Regierung nur für die Bundesrepublik Deutschland sprechen könne. Das steht im übrigen auch in den Vertragstexten selbst, denn welch andere Bedeutung hätten sonst die Vorbehaltsklauseln der Verträge, etwa Art. 4 des Moskauer Vertrages und andere.
    )Diese Bundesregierung kann also Gesamtdeutsch-
    land nicht verpflichten. — Herr Czaja!


Rede von Dr. Herbert Czaja
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Kollege Dr. Arndt, würden Sie mir denn zustimmen, daß das Grundgesetz von Deutschland in den Grenzen von 1937 ausgeht und daß die Bundesrepublik nicht üer Teile dieses Deutschlands verfügen kann?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Prof. Dr. Claus Arndt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Das kann ich Ihnen nur teilweise konzedieren, und zwar deswegen, weil über die Grenzfrage selbst im Grundgesetz, wie Sie wissen, nichts gesagt ist. Allerdings gehört natürlich auch das Staatsgebiet zu den elementaren Bestandteilen eines Staates.
    Wir sind uns darüber im klaren, daß die Bundesregierung nicht befugt ist, von Rechts wegen Teile der Bundesrepublik Deutschland, Teile Deutschlands überhaupt — das ist für mich dasselbe — an fremde Mächte zu überantworten.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Aber, meine Damen und Herren, der Fehler in Ihrer Argumentation liegt eben darin, daß Sie behaupten, daß dies in den Verträgen geschehe.

    (Abg. Dr. Czaja: Eine Zwischenfrage!)

    — Herr Czaja, die Lampe leuchtet bereits; es tut mir leid.

    (Abg. Dr. Czaja: Ich wollte nur wissen, was die Bundesregierung sagt!)

    — Die Bundesregierung hat ganz deutlich gemacht, daß sie nur für den Geltungsbereich des Grundgesetzes etwas sagt. Die Vorläufigkeit aller Entscheidungen der Bundesregierung resultiert aus ihrer Legitimationsbasis in diesem Grundgesetz. Es ist infolgedessen kein Verfügen über Staatsgebiet für sich und. die Deutschen, die sie legitimiert haben, zu erklären, daß sie dann später einmal für diese Menschen, die sie legitimiert haben, d. h. für uns hier im Westen Deutschlands, etwas nicht mehr geltend machen wolle.