Rede:
ID0609403200

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 20
    1. daß: 2
    2. die: 2
    3. Glauben: 1
    4. Sie,: 1
    5. Herr: 1
    6. Kollege: 1
    7. Achenbach,: 1
    8. heute: 1
    9. fortdauernden: 1
    10. Schikanen: 1
    11. in: 1
    12. und: 1
    13. um: 1
    14. Berlin: 1
    15. Ulbrichts: 1
    16. Erfindung: 1
    17. sind: 1
    18. oder: 1
    19. Sowjetunion: 1
    20. dahintersteht?: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 94. Sitzung Bonn, Freitag, den 29. Januar 1971 Inhalt: Begrüßung einer Delegation der Zweiten Kammer des niederländischen Parlaments unter Führung des Präsidenten van Thiel 5127 A Amtliche Mitteilungen 5127 B Große Anfrage der Fraktionen der SPD, FDP betr. Außenpolitik der Bundesregierung (Drucksachen VI/1638, VI/ 1728) in Verbindung mit Aussprache über den Bericht der Bundesdesregierung zur Lage der Nation 1971 (Drucksache VI/ 1690) Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) 5127 C Dr. Achenbach (FDP) 5136 C Mattick (SPD) . . . . . . . . 5139 B Scheel, Bundesminister . . . . 5144 A Dr. Dr. h. c. Birrenbach (CDU/CSU) 5152 A Wehner (SPD) . . . . . . . 5157 B Dr. h. c. Kiesinger (CDU/CSU) . . 5162 D Moersch (FDP) . . . . . . . . 5167 C Dr. Schiller, Bundesminister . . . 5174 B Dr. Arndt (Hamburg) (SPD) . . . . 5177 A Dr. Mende (CDU/CSU) 5179 D Brandt, Bundeskanzler 5182 D Dr. Barzel (CDU/CSU) 5186 B Baron von Wrangel (CDU/CSU) . 5189 C Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 5191 A Anlagen 2 und 3 Entschließungsanträge Umdrucke 101 und 102 zur Großen Anfrage der Fraktionen der SPD, FDP betr. Außenpolitik der Bundesregierung (Drucksachen VI/1638, W1728) 5191 D Anlage 4 Änderungsantrag Umdruck 103 zum Entschließungsantrag Umdruck 101 zur Großen Anfrage der Fraktionen der SPD, FDP betr. Außenpolitik der Bundesregierung (Drucksachen VI/1638, VI/1728) . . 5191 D Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 94. Sitzung. Bonn, Freitag, den 29. Januar 1971 5127 94. Sitzung Bonn, den 29. Januar 1971 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Ahrens * 29. 1. Alber * 29. 1. Dr. Arndt (Berlin) 1. 2. Dr. Artzinger ** 29. 1. Bals * 29. 1. Bauer (Würzburg) * 29. 1. Blumenfeld 29. 1. Bühling 28. 2. Dr. Burgbacher ** 29. 1. Dasch 5. 4. van Delden 29. 1. Dichgans 29. 1. Frau Dr. Diemer-Nicolaus * 29. 1. Dr. Dittrich ** 29. 1. Dr. Dollinger 23. 2. Dorn 29. 1. Draeger *** 29. 1. Dröscher ** 29. 1. Fellermaier ** 1. 2. Flämig ** 29. 1. Fritsch * 29. 1. Dr. Furler * 29. 1. Gewandt 29. 1. Dr. Giulini 29. 1. Dr. Götz 13. 2. Frau Griesinger 29. 1. Grüner 29.1. Frhr. von und zu Guttenberg 29. 1. Dr. Hallstein 29. 1. Frau Herklotz * 29. 1. Dr. Hermesdorf (Sehleiden) * 29. 1. Hösl * 29. 1. Dr. Jobst 29. 1. Dr. Jungmann 15. 2. Dr. Kempfler 29. 1. Frau Klee * 29. 1. Klinker 29. 1. Dr. Koch ** 29. 1. Kriedemann ** 29. 1. Freiherr von Kühlmann-Stumm 29. 1. Lange ** 29. 1. Lautenschlager ** 29. 1. Leicht 29. 1. Lemmrich 29. 1. Lenze (Attendorn) * 29. 1. Dr. Löhr ** 2. 2. Dr. Martin 29. 1. Maucher 12. 2. Memmel ** 29. 1. Dr. Müller (München) * 29. 1. Pieroth 29. 1. Pöhler * 29. 1. * Für die Teilnahme an Sitzungen der Beratenden Versammlung des Europarates ** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments *** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen der Versammlung der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete() beurlaubt bis einschließlich Dr. Prassler 29. 1. Rasner 12. 2. Riedel (Frankfurt) *5 29. 1. Richarts * 29. 1. Richter *** 29. 1. Dr. Rinderspacher *** 29. 1. Roser 29. 1. Schachtschabel 29. 1. Schmidt (Würgendorf) * 29. 1. Dr. Schmücker * 29. 1. Dr. Schober 29. 1. Frau Schroeder (Detmold) 29. 1. Dr. Schulz (Berlin) * 29. 1. Saxowski 2. 2. Sieglerschmidt * 29. 1. Springorum ** 29. 1. Dr. Stark (Nürtingen) 29. 1. Steiner 29. 1. Strauß 29. 1. v. Thadden 6. 2. Frau Dr. Walz *** 29. 1. Dr. Warnke 29. 1. Weber (Heidelberg) 29. 1. Werner 29. 1. Wienand * 29. 1. Dr. Wörner 29. 1. Anlage 2 Umdruck 101 Antrag der Fraktionen der SPD, FDP zur Großen Anfrage der Fraktionen der SPD, FDP betr. Außenpolitik der Bundesregierung - Drucksachen VI/ 1638, VI/ 1728 . Der Bundestag wolle beschließen: Der Deutsche Bundestag stimmt der Politik des Nordatlantischen Bündnisses zu, wie sie im Kommuniqué der Ministertagung des Nordatlantikrates vom 3. und 4. Dezember 1970 in Brüssel niedergelegt worden ist (Drucksache VI/1686). Er fordert die Bundesregierung auf, ihre Politik im Einklang mit den darin enthaltenen Grundsätzen fortzuführen. Bonn, den 28. Januar 1971 Wehner und Fraktion Mischnick und Fraktion Anlage 3 Umdruck 102 Antrag der Fraktion der CDU/CSU zur Großen Anfrage der Fraktionen der SPD, FDP betr. Außenpolitik der Bundesregierung - Drucksachen VI/1638, VI/1728 -. 5192 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 94. Sitzung. Bonn, Freitag, den 29. Januar 1971 Der Bundestag wolle beschließen: Der Deutsche Bundestag verfolgt mit Sorge die ständigen Versuche, den freien Zugang nach Berlin zu behindern. Der Deutsche Bundestag sieht in diesen Behinderungen eine Aktion, die das Ziel verfolgt, West-Berlin von der Bundesrepublik und der freien Welt zu isolieren. Der Deutsche Bundestag ist der Auffassung, daß Behinderungen auf den Zufahrtswegen nach Berlin dem Geist der Entspannung, dem Geist des Gewaltverzichts und dem Geist der Normalisierung widersprechen. Bonn, den 29. Januar 1971 Dr. Barzel, Stücklen und Fraktion Anlage 4 Umdruck 103 Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zum Antrag der Fraktionen der SPD, FDP zur Großen Anfrage der Fraktionen der SPD, FDP betr. Außenpolitik der Bundesregierung — Drucksachen VI/1638, VI/1728 — Umdruck 101 —. Der Bundestag wolle beschließen: Der Antrag der Fraktionen der SPD, FDP — Umdruck 101 — wird durch folgenden Satz ergänzt: „Insbesondere betont der Bundestag — entsprechend dem NATO-Kommuniqué — das Recht des Volkes jedes europäischen Staates, sein eigenes Schicksal frei von äußerem Zwang zu gestalten." Bonn, den 29. Januar 1971 Dr. Barzel, Stücklen und Fraktion
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ernst Achenbach


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion der Freien Demokraten — lassen Sie mich dies zu Beginn meiner Darlegungen ganz klar sagen — billigt uneingeschränkt die Außenpolitik, die die Regierung Brandt/Scheel seit ihrer Bildung betrieben hat.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Es war nach Westen wie nach Osten wie auch gegenüber der Dritten Welt eine Politik redlicher und zäher Bemühungen zur Sicherung und Festigung des Friedens.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    Welch vornehmeres Ziel könnte es für einen Deutschen, der sein Land und sein Volk liebt, aber auch in einer durch die moderne Technik klein gewordenen Welt um seine Verantwortung für das Schicksal der anderen Völker weiß, geben, als unserem Volk, unseren Nachbarn, ja der ganzen Welt den Frieden zu erhalten, soweit dies von unserer Politik abhängt! Dieses Volk und ebenso seine europäischen Nachbarvölker in West und Ost, die in diesem Jahrhundert durch zwei große Weltkriege haben hindurchgehen müssen, haben es wahrlich verdient, Herr Kollege Stücklen, daß ihre aus dem Leid der Kriege geborene Sehnsucht nach dauerhaftem Frieden von allen politisch Verantwortlichen als sie bindende Verpflichtung respektiert wird, alles in ihren Kräften Stehende zu tun, eben um diesen dauerhaften Frieden herbeizuführen.
    Aus der Rede des Bundeskanzlers und den Antworten, die der Bundesaußenminister im Namen der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Fraktionen der SPD und FDP betreffend die Außenpolitik der Bundesregierung gegeben hat, habe ich im Gegensatz zu Ihnen, Herr Kollege Marx, die feste Überzeugung gewonnen, daß sich in unserer Regierung redliche Menschen redlich darum bemühen, neuem Unheil vorzubeugen. Ich freue mich, daß diese Redlichkeit der Gesinnung und der Bemühungen in West und Ost anerkannt wird, was ich selbst in vielen Gesprächen an Ort und Stelle in West und Ost feststellen konnte.
    Mit der Regierung bedauere ich allerdings zutiefst — und dies als ein Mann, der seit Jahren gerade auch für innerdeutsche Gespräche eingetreten ist —, daß die Friedenspolitik der Regierung Brandt/Scheel in der DDR noch nicht den Widerhall



    Dr. Achenbach
    gefunden hat, den sie verdient. Ich hoffe mit der Regierung, daß die DDR in absehbarer Zeit die mit dem gleichen Gewicht wie auf der Bundesrepublik auch auf ihr lastende Verantwortung für den Frieden unseres Volkes und den Frieden in Europa ebenso stark empfindet wie wir und ihr Verhalten danach einrichtet.
    In dem Moskauer Vertrag, Art. 1 Abs. 2, bekunden die Sowjetunion und die Bundesrepublik „ihr Bestreben, die Normalisierung der Lage in Europa und die Entwicklung friedlicher Beziehungen zwischen allen europäischen Staaten zu fördern, und gehen dabei von der in diesem Raum bestehenden wirklichen Lage aus". Dieses sollte auch die DDR tun, hat sie doch den Moskauer Vertrag zwischen der Sowjetunion und der Bundesrepublik offiziell begrüßt, und ist sie doch auch sicherlich von der Sowjetunion über den Gang der Verhandlungen genauestens unterrichtet worden, auch darüber, daß der sowjetische Außenminister der deutschen Verhandlungsdelegation in Moskau bei der Eröffnungssitzung im Spiridonowka-Palais erklärte, die Sowjetunion wünsche eine Wende in ihren Beziehungen zur Bundesrepublik, eine Wende zur vertrauensvollen Zusammenarbeit. Dabei betonte der sowjetische Außenminister, die Sowjetunion wolle die Bundesrepublik nicht deren Freunden und Verbündeten abspenstig machen, ebenso wie sie davon ausgehe, daß die Bundesrepublik die Sowjetunion nicht deren alten Freunden abspenstig machen wolle. Die DDR weiß auch, daß gemäß Ziffer 5 des sogenannten Bahr-Papiers zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der ) Sowjetunion Einvernehmen darüber besteht, daß der Moskauer Vertrag und entsprechende beabsichtigte Verträge der Bundesrepublik mit anderen sozalistischen Ländern, insbesondere die mit der Deutschen Demokratischen Republik, der Volksrepublik Polen und der Tschechoslowakei zu schließenden Verträge, ein einheitliches Ganzes bilden in dem Sinne, daß überall für den angestrebten Modus vivendi von der bestehenden wirklichen Lage auszugehen ist und diese nicht durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt, sondern nur in friedlichem Einvernehmen geändert werden kann.
    Daß das Wirksamwerden der von der Bundesrepublik abzuschließenden Verträge, die, wie gesagt, ein einheitliches Ganzes bilden, an die politische Voraussetzung eines befriedigenden Ergebnisses der Viermächteverhandlungen über die Lage in und um Berlin geknüpft ist, brauche ich nicht erneut zu unterstreichen. Diesen politischen Zusammenhang versteht man, wie ich meine, auch in Moskau. Darüber gibt es auch in diesem Hohen Hause keine Meinungsverschiedenheit. Lassen Sie mich auch meinerseits unterstreichen, daß Störungen auf den Zugangswegen nach Berlin Störungen der Viermächteverhandlungen sind und mit dem Geist des Moskauer Vertrages nicht vereinbar sind.
    Ich weigere mich jedoch, Herr Kollege Barzel, Ihre Unterstellung und auch die Unterstellung einiger Kollegen zu akzeptieren, Herr Ulbricht handle nach sowjetischen Regieanweisungen, d. h. praktisch die Unterstellung, die Sowjetunion rate Herrn Ulbricht zu einer intransigenten Haltung. Dies wäre unzweifelhaft, Herr Kollege Marx, nach dem Geist des Vertrages von Moskau ein Verstoß gegen Treu und Glauben.

    (Abg. Dr. Barzel meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

    - Darf ich das eben zu Ende führen, Herr Barzel?
    Abg, Dr. Barzel: Es ist sehr wichtig, Herr
    Achenbach!)
    - Bitte!


Rede von Dr. Rainer Barzel
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Glauben Sie, Herr Kollege Achenbach, daß die heute fortdauernden Schikanen in und um Berlin Ulbrichts Erfindung sind oder daß die Sowjetunion dahintersteht?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ernst Achenbach


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Kollege Barzel, das wissen weder Sie noch ich präzise.

    (Abg. Wehner: Sehr gut!)

    Hören Sie daher genau zu, was ich hierzu zu sagen habe.

    (Abg. Dr. Barzel: Das ist ja eine dolle Antwort!)

    Ich glaube, ich mache hier verantwortliche Äußerungen. Ich sagte, daß, falls die Sowjetunion Herrn Ulbricht zu dieser intransigenten Haltung ermutigt, dies unzweifelhaft nach dem Geist des Vertrages von Moskau und auch nach den Verhandlungen in Moskau ein Verstoß gegen Treu und Glauben wäre.
    Treu und Glauben verlangt — das habe ich jedenfalls und hat auch mein Freund Walter Scheel allen
    Gesprächspartnern in Moskau, die wir dort hatten, erklärt —, daß die Sowjetunion den Einfluß, den sie bei ihren Freunden in der DDR hat, in Zukunft dahin ausübt, daß diese wie die Sowjetunion selbst in ihrem Verhältnis zur BRD im Geiste friedlicher Koexistenz den innerdeutschen Dialog ohne ideologische Scheuklappen mit dem Ziel führt, einen vernünftigen Modus vivendi zu finden.
    Hierbei gestehe ich ganz offen, daß ich wie mein Freund Mischnick kein Verständnis dafür habe, daß die DDR es beanstandet, wenn der Vorsitzende der FDP-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus seine Kollegen aus den FDP-Fraktionen der Länder der Bundesrepublik Deutschland zu einer Besprechung nach Berlin einlädt oder wenn der Bundeskanzler oder der Bundespräsident Berlin besucht. Ich vermag beim besten Willen nicht einzusehen — Herr Kollege Wehner, ich nehme an, Sie stimmen mit mir überein —, wieso die Interessen der DDR dadurch beeinträchtigt werden, ebensowenig wie ich im übrigen verstehe, daß dadurch berechtigte sowjetrussische Interessen verletzt werden. Unter vernünftigen Leuten, die ein Gespür für wirkliche Probleme haben, sollten solche gekünstelten Streitereien keine Rolle spielen. Dafür ist die internationale Lage — ich nenne nur den Nahen Osten und Ostasien — zu ernst, und dafür ist das Elend in weiten Teilen der Dritten Welt, der wir, die Industriestaaten von Amerika über Westeuropa, die Sowjetunion bis hin nach Japan, gemeinsam helfen sollten, zu groß.



    Dr. Achenbach
    Meine Damen und Herren, ich habe schon in Moskau den Moskauer Vertrag als einen Akt der Hoffnung bezeichnet. Wir verbinden mit ihm zunächst die Hoffnung auf einen vernünftigen Modus vivendi, aber darüber hinaus — das lassen Sie mich hier sehr deutlich sagen — auf einen Modus vivendi, der in absehbarer Zeit zu einer dauerhaften Friedensordnung führen muß. Denn 25 Jahre nach Beendigung der Feindseligkeiten ist es bei Gott nicht zu früh. Wenn der Kollege von Weizsäcker gemeint hat, es handle sich hierbei nicht um einen Modus vivendi, sondern bereits um einen Friedensvertrag, so ist das nicht richtig. Ein Friedensvertrag kann sich nicht mit Situationen abfinden, wie sie jetzt in Berlin sind. In einem Friedensvertrag, der den Frieden dauernd sichern soll, muß das deutsche Volk die gleichen Rechte haben wie alle anderen Völker Europas. Da kann es keine originären Rechte mehr geben, und da wird man uns auch zubilligen müssen, daß Berlin die Hauptstadt unseres Landes ist.
    Nun hat man der Regierung vorgeworfen, daß sie das Selbstbestimmungsrecht des deutschen Volkes aufgebe. Ich möchte in diesem Zusammenhang nur noch einmal den Brief verlesen, den unser Außenminister in Moskau übergeben hat, den Brief an Herrn Gromyko:
    Im Zusammenhang mit der heutigen Unterzeichnung des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken beehrt sich die Regierung der Bundesrepublik Deutschland festzustellen, daß dieser Vertrag nicht im Widerspruch zu dem politischen Ziel der Bundesrepublik Deutschland steht, auf einen Zustand des Friedens in Europa hinzuwirken, in dem das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung seine Einheit wiedererlangt.
    Ich glaube, eine klarere und präzisere Definition unserer deutschen Politik, die, wie ich hoffe, von allen hier im Hause getragen wird, kann es doch wohl kaum geben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Und dabei werden wir auch bleiben. Wir verlangen für unser Volk nicht mehr, als wir allen anderen Völkern zuzugestehen bereit sind.
    Nun lassen Sie mich auch einige Worte zur Europapolitik sagen. Es ist sehr leicht, zu sagen, es sei alles dünner geworden, oder, die Regierung tue nicht genug. Die CDU-Kollegen, die mit uns im Europäischen Parlament tätig sind, sind doch wirklich mit den ständigen Bemühungen unserer Regierung vertraut, mit den unerhört zähen Bemühungen, die gerade unser Außenminister in den letzten sechs Monaten an den Tag gelegt hat, als er den Vorsitz im Ministerrat führte. Ich möchte dieser Bundesregierung wirklich nach bestem Wissen und Gewissen bescheinigen, daß sie gerade in der europäischen Einigungspolitik von sich aus das Menschenmögliche getan hat.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Meine Damen und Herren, verfallen wir doch nicht in den jahrelangen Fehler, immer wieder Diskussionen über die Begriffe Integration und Kooperation zu führen. Wir sind uns doch in diesem Hohen Hause einig, wir alle, die Regierungskoalition und die Opposition. Wir wollen als Ziel den europäischen Bundesstaat, und dabei bleibt es.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Aber wir sind vernünftige Menschen. Wir haben es mit selbständigen Partnern zu tun, und wir müssen daher pragmatisch und vernünftig alles begrüßen — ob es nun zunächst im Wege der Kooperation oder dem der Integration geschieht —, was die Erreichung dieses Zieles nicht gefährdet, sondern auf dieses Ziel hinführt. Meine Damen und Herren, wenn man sich über das einigen kann, was in den nächsten drei Jahren geschehen kann, aber noch nicht endgültig über das, was dann in vier Jahren geschehen soll, nun, dann macht man erst einmal das, was in den nächsten drei Jahren nach gemeinsamer Meinung vernünftig ist

    (Beifall bei den Regierungsparteien)

    und entscheidet dann auf dieser neuen Basis, was weiter zu geschehen hat. So verhalten sich politisch verantwortliche Menschen, die wissen, wie es in der Welt zugeht.

    (Abg. Dr. Apel: Sehr gut!)

    Meine Damen und Herren, ich habe nicht die Neigung, im einzelnen auf alle Dinge hier einzugehen. Ich möchte vielmehr zum Schluß meiner Ausführungen noch etwas Allgemeines sagen.
    Meine verehrten Kollegen von der CDU, daß die Opposition diese Regierung nicht mag, hat sie nun hinlänglich klargemacht. Das wissen wir. Die CDU, diese starke Partei unseres Hohen Hauses, darf jedoch nicht vergessen, daß wir gerade auf dem Gebiet der Außenpolitik alle in einem Boot sitzen. Wir Freien Demokraten haben immer, wenn es irgend möglich war, einer gemeinsamen Außenpolitik das Wort geredet.
    In der Tat,
    — so habe ich schon 1958 hier erklärt -
    eine Außenpolitik, die in kritischen Zeiten der Nation von allen Seiten dieses Hauses aus ehrlicher Überzeugung mitgetragen wird, hat international ein stärkeres Gewicht, als wenn sich in wesentlichen Lebensfragen der Nation ganz verschiedene Auffassungen der Regierung und der Opposition gegenüberstehen. Es ist deshalb, wie ich meine, unser aller Pflicht
    — auch die Pflicht der Opposition; und damals sprach ich als Vertreter der Opposition —
    unserem Volke gegenüber, immer wieder unter Zurückstellung jeglicher Ressentiments und auch unter Zurückstellung parteipolitischer und wahltaktischer Gesichtspunkte zu prüfen, ob nicht eine gemeinsame Grundlage für eine gemeinsame richtige Außenpolitik gefunden werden kann.
    Ich richte diesen Appell an alle Mitglieder dieses Hohen Hauses. Denn, meine Damen und Herren, wir müssen in den außenpolitischen Debatten her-



    Dr. Achenbach
    unter von dem hohen Pferd der Polemik. Die Polemik nützt gar nichts.
    Ich meine, es gibt auch heute noch fundamentale Gemeinsamkeiten zwischen der Regierung und der Opposition. Wer wollte bestreiten, daß wir alle ehrlich den Frieden wollen? Wir alle stehen treu zu unseren Bündnissen mit den Vereinigten Staaten, Frankreich, England und den anderen westeuropäischen Staaten. Wir alle sind entschlossen, unseren freiheitlichen Rechtsstaat zu verteidigen und für die Verteidigung das aufzuwenden, was notwendig ist. Wir lassen uns da nicht beeinträchtigen von gewissen Vorstellungen, daß eine Konsumgesellschaft dazu nicht in der Lage sei. Nein, wir sind alle entschlossen, diesen freiheitlichen Rechtsstaat zu verteidigen. Wir alle sind sicherlich — ich glaube nicht, daß Sie mir widersprechen werden — für ausgewogene Abrüstungsmaßnahmen, wenn das irgend zu machen ist. Wir alle sind auch bereit, mitzuhelfen, daß auch in den am wenigsten begünstigten Entwicklungsländern die Menschen ein menschenwürdiges Dasein führen können. Wir alle ersehnen mit ganzem Herzen eine dauerhafte und gerechte Friedensordnung in ganz Europa, im Westen wie aber auch im Osten. Sie werden mir nicht widersprechen, Herr Barzel, daß wir gemeinsam eine gerechte und dauerhafte Friedensordnung ersehnen.
    Ich habe seinerzeit im Jahre 1958, als wir uns auch hier über Schicksalsfragen der Nation unterhielten, einen Appell an den damaligen Bundeskanzler gerichtet und habe ihm zugerufen:
    Suchen Sie mit allen Kräften Ihres Herzens und Ihrer Intelligenz nach vernünftigen und friedlichen Lösungen! Greifen Sie jeden möglichen Versuch auf! Verhandeln Sie mit Geduld und unermüdlicher Zähigkeit! Sorgen Sie dafür, Herr Bundeskanzler, daß die ganze Welt erkennt und anerkennt: Die Deutschen haben sich redlich bemüht, neuem Unheil vorzubeugen!
    Meine Damen und Herren, ich richte den gleichen Appell heute an Bundeskanzler Brandt und an meinen Freund Walter Scheel. Sie haben beide schon viel für dieses Ziel, insbesondere im letzten Jahr, getan. Fahren Sie, Herr Bundeskanzler und Herr Bundesaußenminister, in Ihren Bemühungen beharrlich fort und lassen Sie sich durch Polemik nicht beirren! Das Ziel, das wir gemeinsam haben, lohnt den ganzen Einsatz.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)