Rede von
Baron
Olaf
von
Wrangel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wäre der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion zweifellos lieber gewesen, wenn wir auf den Antrag, der Ihnen mit Drucksache VI/1193 vorliegt, hätten verzichten können. Wir sehen uns nun leider doch nicht in der Lage, diesen Antrag zurückzuziehen, weil der Herr Bundesfinanzminister die kollektiven Beleidigungen gegenüber der CDU/CSU-Fraktion nicht zurückgenommen hat.
Es macht die Sache schlimmer, weil der Minister selbst oder seine Mitarbeiter zu dieser Äußerung Beifallsbekundungen verbreitet haben, so z. B. von den Jungsozialisten und von Herrn Steffen, die sich nun in ihren extremen Ansichten durch einen Bundesminister bestätigt fühlen.
Dieses Verhalten zeigt, daß der Bundesminister der Finanzen jenes Maß an demokratischer Fairneß aufzubringen nicht in der Lage ist, das die Grundvoraussetzung für die Beratungen in diesem Hohen Hause ist.
Meine Damen und Herren, ein Bundesminister darf die Gesetze des Parlamentarismus auch dann nicht in Frage stellen, wenn ihm die berechtigte Kritik der Opposition auf die Nerven geht. Ich möchte mit Nachdruck darauf hinweisen, daß nach Durchsicht des Protokolls vom 23. September 1970 weder vorher gemachte Äußerungen unsererseits noch der Zwischenruf meines Kollegen Haase die Äußerung des Bundesministers der Finanzen in irgendeiner Form rechtfertigen.
Denn es gehört eben zur wirtschaftspolitischen Auseinandersetzung, daß Tatbestände als Tatbestände
beschrieben werden. Wir haben gerade zur Frage der Inflation Sachverständige in diesen Tagen gehört.
Ich muß etwas zur Vorgeschichte sagen. Der Bundesminister der Finanzen hat keine Haushaltsrede gehalten. Seine Erklärung war doch ein Versuch, durch Polemik gegenüber der CDU/CSU von den Ungereimtheiten der eigenen Haushaltspolitik abzulenken.
Vergessen Sie doch bitte nicht, meine Damen und Herren von der Bundesregierung und der Koalition, der SPD in diesem Falle, daß diese mißglückte Rede des Finanzministers zu einem Zeitpunkt stattfand, da wir noch Äußerungen im Ohr hatten, die damals noch nicht zurückgenommen worden waren. Der Herr Bundeskanzler — und wir haben dies, Herr Bundeskanzler, ausdrücklich anerkannt hat das zurückgenommen, was er vor der SPD-Fraktion sagte. Herr Kollege Wehner seinerseits hat seine Äußerungen relativiert und verändert; aber es wäre uns lieber gewesen, wenn auch dies von diesem Platz aus geschehen wäre und nicht außerhalb des Bundestages.
Ich möchte im Interesse der Atmosphäre auf diese Vorgänge jetzt nicht näher eingehen. Wer also mit unseren Zwischenrufen die Äußerungen des Bundesministers der Finanzen rechtfertigen will, verwechselt Ursache, Wirkung und Folgen.
Es wäre doch nicht Sache der CDU/CSU gewesen, jetzt noch Signale der Verständigung zu setzen, nachdem die Brücken, insbesondere die Brücke, die Herr Dr. Barzel hier Herrn Möller gebaut hatte, nicht betreten worden sind.
Die CDU/CSU — dies ist gestern geschehen, und dies wird heute geschehen — wird die Finanz-, Wirtschafts-, Haushalts- und Konjunkturpolitik dieser Regierung weiterhin mit Härte und Leidenschaft kritisieren. Dies ist nicht nur das Recht der Opposition, dies ist eine so selbstverständliche demokratische Pflicht, daß ich darüber nicht zu sprechen brauche. Wir treten aber — das werden Sie gestern gemerkt haben — für eine sachliche Beratung ein. Ich glaube, daß die Beratungen und die ganze Zusammenarbeit in diesem Hohen Hause doch entscheidend beeinflußt und auch beeinträchtigt werden kann durch das Verhalten des Bundesministers der Finanzen.
Herr Schiller sprach gestern vom Entspannungskurs. Ich meine, Herr Minister, daß Sie den ersten Beitrag zu dieser Entspannung leisten müßten.
Ich muß hier noch einmal sagen, daß mit diesen Äußerungen ja nicht nur die CDU/CSU-Fraktion,
Baron von Wrangel
sondern Millionen von Wählern in unserem Lande beleidigt und gekränkt worden sind.
Wir fühlen uns verpflichtet, von dieser Stelle aus diese Kränkungen zurückzuweisen. Es geht uns nicht um Haarspaltereien oder Spitzfindigkeiten.
Es geht uns aber wohl darum, daß dieses Parlament nicht zu einem Forum vordergründiger Verleumdungen degradiert werden darf.
Uns geht es auch nicht darum, hier und heute historische Vorgänge im einzelnen zu werten, aber uns geht es darum, ganz klarzumachen, daß unter Führung der CDU/CSU nach einem Trümmerhaufen, den das Dritte Reich hinterlassen hat, hier eine lebendige stabile Demokratie entstanden ist, die von der ganzen Welt bewundert wurde.
Wir werden diese demokratischen Verdienste von niemandem und schon gar nicht von einem Mitglied der Bundesregierung herabsetzen lassen.
Ein letztes Wort an Sie, Herr Bundeskanzler. Sie bestimmen die Richtlinien der Politik. Sie haben anspruchsvoll erklärt, daß mit Ihrem Regierungsantritt die Demokratie erst beginnen wird. Wir haben diesen Ausspruch, der ein Stück Geschichtsklitterung darstellt, seinerzeit mit Empörung zurückgewiesen, und wir sehen heute, daß diese Empörung absolut berechtigt gewesen ist.
Herr Bundeskanzler, wir müssen Sie nun bitten, wenigstens im engeren Bereich von Ihrer Richtlinienkompetenz Gebrauch zu machen, indem Sie den Stil dieser Regierung gegenüber der Opposition beeinflussen. Sie haben dies ja dankenswerterweise durch Ihre Zurücknahme bereits getan. Es wäre aber gut, wenn Sie den Finanzminister auch dazu bewegen könnten.