Ich begreife nicht, in welchem Hause wir sitzen. Hier wird doch der Haushalt verabschiedet, und zwar Ende dieses Jahres,
und ich muß Sie nun einmal fragen, ob Sie nicht begreifen, daß Konjunkturbremsung heute und innere Reformen im nächsten Jahr auch in einem inneren politischen Zusammenhang stehen.
Wenn wir uns einen so in die Zukunft gerichteten Termin, den 31. März 1973, ausgesucht haben, dann nicht, weil damit der Wähler bestochen werden könnte
— so primitiv sind wir nicht, Herr Strauß —, sondern deswegen, weil wir eben der jeweiligen Konjunkturlage angemessene Entscheidungen fällen wollen, und da brauchen wir, da wir nicht wissen, wie lange der Boom anhält, eben Zeit.
Dazu ist im übrigen auch von den Herren Vorrednern schon einiges gesagt worden.
Herr Strauß, ich brauche auf die Frage der Verzinsung nicht einzugehen. Frau Funcke hat schon deutlich gemacht, daß die Verzinsung, wie Sie sie fordern, dem normalen Einkommensbezieher von 1500 DM im Monat bei zwei Kindern monatlich 11 DM Zinsen bringen würde, dem Großverdiener von 8000 DM aber 175 DM und mehr. Das hieße also, der kleine Mann müßte die Zinsleistungen für die Großen bezahlen. Wir können diese Art von sozialer Symmetrie nicht akzeptieren.
Letzte Bemerkung!
Herr Strauß, Sie haben mitgeteilt, daß die CDU/ CSU sich der Stimme enthalten will. Wir nehmen das zur Kenntnis; aber wir halten das für eine recht schwache Leistung. Denn die Opposition müßte in der Lage sein, nach der umfassenden Debatte in diesem Hause, die auch nicht die erste Debatte über diese Fragen ist, sich zu entscheiden, ob sie diese Maßnahmen für konjunkturgerecht oder für nicht konjunkturgerecht hält. Enthaltung ist für eine so große Fraktion eine wirklich schwache Leistung und macht deutlich, daß Sie in der Konjunkturpolitik immer noch Passen und Schweigen besser finden, als sich klar zum Ja oder Nein zu entscheiden.
Unsere Fraktion wird aus den folgenden Gründen diesen Vorlagen, diesem Paket der Bundesregierung zustimmen:
Erstens. Diese Maßnahmen sind sozial gerecht. Die Aussetzung der degressiven Abschreibung trifft die Unternehmer.
Zweitens. Die Steuervorauszahlung trifft den normalen Einkommensbezieher mit rund 1 % seines Bruttoeinkommens, den Großverdiener mit 3 bis 5 % seines Bruttoeinkommens. Hier ist also die so-
3494 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Sonnabend, den 11. Juli 1970
Dr. Apel
ziale Gerechtigkeit durch diese Maßnahme voll gewahrt.
Drittens. Wir stimmen diesem Paket zu, weil das Geld zurückgezahlt wird und es dazu eine verbindliche Erklärung gibt.
Viertens stimmen wir dem Paket zu, weil diese Maßnahmen schnell und wirksam rückgängig gemacht werden können, wenn sich die konjunkturelle Lage ändern sollte.
Fünftens stimmen wir diesem Paket zu, weil es darauf ankommt, in unserem Lande die Inflationsmentalität zu brechen.
Wir stehen hinter diesen Maßnahmen und werden zustimmen.