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ID0606200400

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    1. tocInhaltsverzeichnis
      Deutscher Bundestag 62. Sitzung Bonn, Freitag, den 10. Juli 1970 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Tobaben und Borm 3443 A Amtliche Mitteilungen 3443 A Erweiterung der Tagesordnung 3444 B Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung Dr. Schiller, Bundesminister 3444 C Entwurf eines Gesetzes über die Erhebung eines rückzahlbaren Konjunkturzuschlags zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer (SPD, FDP) (Drucksache VI/ 1017) —Erste Beratung — in Verbindung mit Zweite Verordnung über steuerliche Konjunkturmaßnahmen (Drucksache VI/ 1013) und mit Antrag der Fraktion der CDU/CSU betr. konjunkturpolitische Dämpfungsmaßnahmen (Drucksache VI/1025 [neu]) Mertes (FDP) 3447 D Dr. Stoltenberg (CDU/CSU) 3450 C Brandt, Bundeskanzler 3456 A Junghans (SPD) 3460 B Kienbaum (FDP) 3462 C Höcherl (CDU/CSU) 3463 D Dr. Schellenberg (SPD) . 3466 B, 3467 D Nächste Sitzung 3468 C Anlagen: Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten 3469 A Anlage 2 Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1970 (Hauhaltsgesetz 1970) 3469 C Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 62. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Juli 1970 3443 62. Sitzung Bonn, den 10. Juli 1970 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr
    2. folderAnlagen
      Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Abelein 11. 7. Dr. Achenbach * 11.7. Adams * 11.7. Dr. Aigner * 11. 7. von Alten-Nordheim 11. 7. Dr. Artzinger * 11.7. Baier 11.7. Dr. Barzel 11.7. Dr. Becher (Pullach) 11.7. Behrendt * 11.7. Benda 11.7. Dr. Burgbacher * 11. 7. Dr. Czaja 11.7. Dr. Dittrich * 11. 7. Dichgans * 11. 7. Dröscher * 11.7. Faller * 11.7. Fellermaier * 11. 7. Flämig * 11.7. Dr. Furler * 11. 7. Gewandt 11. 7. Gerlach (Emsland) * 11.7. Dr. Gradl 11.7. Haage (München) * 11. 7. Dr. Hein * 11. 7. Frau Dr. Henze 11. 7. Dr. Hupka 11.7. D. Jahn (Braunschweig) * 11. 7. Klinker * 11.7. Katzer 11.7. Dr. Kley 11.7. Dr. Koch * 11.7. Frau Krappe 11.7. Kriedemann * 11. 7. Frau Dr. Kuchtner 11. 7. Lange * 11. 7. Lautenschlager * 11. 7. Leisler Kiep 11. 7. Lemmer 11. 7. Lenze (Attendorn) 11.7. Liehr 11.7. Dr. Lohmar 11. 7. Dr. Löhr * 11.7. Lücker (München) * 11.7. Meister * 11. 7. Memmel * 11.7. Müller (Aachen-Land) * 11.7. Ollesch 11.7. Frau Dr. Orth * 11. 7. Picard 11.7. Pieroth 11.7. Porzner 11. 7. Richarts * 11.7. Riedel (Frankfurt) * 11.7. Schmidt (Braunschweig) 11. 7. Schmidt (Würgendorf) 11.7. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Schwabe * 11.7. Schröder (Wilhelminenhof) 11. 7. Dr. Schwörer * 11. 7. Seefeld * 11.7. Springorum * 11.7. Dr. Starke (Franken) * 11.7. Frau Dr. Walz 11. 7. Dr. Freiherr v. Weizsäcker 11. 7. Werner * 11.7. Wolfram * 11. 7. Dr. Wörner 11. 7. Wohlrabe 11.7. Anlage 2 Anlage zum Schreiben des Präsidenten des Bundesrates vom 26. Juni 1970 an den Bundeskanzler Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1970 (Haushaltsgesetz 1970) a) Der Bundesrat hält die Ermächtigung an den Bundesminister der Finanzen, eine „Bildungsanleihe" bis zur Höhe von 1 Milliarde DM aufzunehmen, allein nicht für geeignet, das Problem der Bildungsfinanzierung zu lösen. Es geht bei der Bildungsfinanzierung nicht darum, einen einmaligen investiven Nachholbedarf zu finanzieren, sondern es müssen vor allem die progressiv wachsenden Folgekosten, die Länder und Gemeinden zu tragen haben, finanziell gesichert werden. Im übrigen geht der Bundesrat davon aus, daß von der Anleiheermächtigung nur dann Gebrauch gemacht wird, wenn die Verhältnisse am Kapitalmarkt eine solche Anleihe zulassen und wenn außerdem die Anleihebedürfnisse der übrigen öffentlichen Gebietskörperschaften ausreichend berücksichtigt werden. b) Der Bundesrat bedauert, daß die Bundesregierung die verfügte Aussetzung der Frachthilfe für die Beförderung von Steinkohle ab 10. Februar 1970 nicht rückgängig gemacht hat. Er bittet die Bundesregierung, im weiteren Vollzug des Bundeshaushalts alles zu unternehmen, um die Fortsetzung der Steinkohlefrachthilfe zu ermöglichen. *) Für die Teilnahme an einer Sitzung des Europäischen Parlaments 3470 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 62. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Juli 1970 Der Bundesrat bedauert, daß seine Forderung, im Bundeshaushalt 1970 einen Ansatz von 100 Millionen DM für Investitionshilfen gemäß Art. 104 a Abs. 4 GG zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft oder zur Förderung des wirtschaftlichen Wachstums auszubringen, bei den Beratungen im Deutschen Bundestag unberücksichtigt geblieben ist. Durch gezielten Einsatz derartiger Finanzhilfen hätten strukturpolitisch wichtige Maßnahmen, auf die nach den Grundsätzen des Konjunkturrats vom Januar 1969 Konjunkturdämpfungsmaßnahmen nicht angewendet werden sollen, insbesondere in Problemgebieten leistungsschwacher Länder im Interesse eines stabilitätskonformen Wachstums ermöglicht werden können. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, im Rahmen der Haushaltsberatungen für 1971 und der Fortschreibung der Finanzplanung zu prüfen, ob und in welchem Umfang die Gewährung von Investitionshilfen nach Art. 104 a Abs. 4 GG ab 1971 notwendig und möglich ist.
    • insert_commentVorherige Rede als Kontext
      Rede von Dr. Werner Mertes


      • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
      • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

      Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu den wichtigsten Pflichten aller Mitglieder dieses Hauses gehört es, über die gesunde Entwicklung der materiellen Basis unseres Volkes zu wachen und sie zu fördern. Die-



      Mertes
      ser schweren Pflicht kann weder durch hektische Betriebsamkeit noch durch Untätigkeit genügt werden.

      (Demonstrativer Beifall bei der CDU/CSU. — Beifall bei Abgeordneten der Regierungsparteien.)

      Sie erfordert vielmehr — und das vor allem in der Konjunkturpolitik — eine gründliche und nüchterne Analyse, die Bildung eines wohlabgewogenen Urteils und entschlossenes Handeln, wenn es die zugegebenermaßen häufig nicht leicht zu interpretierenden Indikatoren der wirtschaftlichen Entwicklung angezeigt erscheinen lassen. Die dem Wirtschaftsprozeß innewohnende Dynamik duldet keinen Aufschub, und diese Dynamik orientiert sich auch nicht an dem saisonalen Rhythmus der Parlamente. Das mag bedauerlich sein, ist aber leider nicht zu ändern.
      Lassen sie mich zunächst mit einigen großen Pinselstrichen ein Bild der heutigen wirtschaftlichen Lage zeichnen. Die Überhitzung in der Wirtschaft der Bundesrepublik hält an. Ich glaube, daran besteht wohl kein Zweifel.

      (Abg. Leicht: Und warum?)

      Beschäftigungspotential und Produkktionskapazitäten sind bis zum äußersten gefordert. Bisher kam es noch nicht zu einem Abbau der sehr hohen Auftragsbestände und mithin auch nicht zu der wünschenswerten Verringerung des Nachfragedrucks. Die Auftragsbestände der Industrie sichern eine Produktionsdauer von über vier Monaten. Die Bestellungen der Industrie liegen weiterhin über den gleichzeitigen Lieferungen. Im April und Mai waren es 5 %, in der Verbrauchsgüterindustrie sogar 10 %. Ein solches, noch nie gekanntes Auftragspolster hat natürlich seine Rückwirkungen auf das Denken und Handeln der am Wirtschaftsprozeß Beteiligten. Maßstäbe drohen verlorenzugehen, deren Verlust die Solidität der deutschen Wirtschaft erschüttern könnte.
      lm Bereich der Bauwirtschaft hat die Nachfrage im öffentlichen Tiefbau im bisherigen Jahresverlauf konjunkturell abgenommen, doch zeigten die Hochbaugenehmigungen nach einem Rückgang im ersten Jahresviertel im April wieder einen sehr kräftigen Anstieg. Der private Verbrauch entwickelte sich, begünstigt durch die kräftigen Einkommenssteigerungen, sehr lebhaft. Selbstverständlich soll wohlverdientes Einkommen der Erfüllung der Verbraucherwünsche dienen; aber wir müssen uns ernsthaft die Frage vorlegen, oh der Produktionsapparat nicht überfordert wird, wenn alle Wünsche gleichzeitig befriedigt werden sollen.
      Die Industrieproduktion erweist sich zwar weiterhin als bemerkenswert elastisch, jedoch sind bei deutlicher Verlangsamung der Produktivitätsfortschritte gewisse Grenzen deutlich geworden. Die Bautätigkeit kam nach dem strengen Winter erst im späten Frühjahr wieder richtig in Gang. Die starke Anspannung des heimischen Produktionsapparates wird, mindestens teilweise, durch die kräftige Einfuhr insbesondere von Fertigwaren gemildert. Es gilt jedoch zu bedenken, meine Damen und Herren, daß per Saldo den deutschen Märkten durch den Exportüberschuß Güter entzogen werden.
      Besonders deutlich signalisiert der Arbeitsmarkt die Überbeanspruchung. Bei einer Arbeitslosenquote von 0,4 % kann das Angebot an Arbeitskräften praktisch nur noch durch zusätzliche Gastarbeiter erhöht werden. Aber auch diese Entlastungsmöglichkeit ist begrenzt, da die Anwerbung von Gastarbeitern, deren Zahl, wie Sie wissen, bereits 1,8 Millionen beträgt, allmählich schwierig wird.
      Wie hat sich nun dieser Arbeitskräftemangel auf die Lohnentwicklung ausgewirkt? Die tariflichen Verdienstaufbesserungen fielen im ersten .Jahresdrittel 1970 mit rund 11 °'o gegenüber dem Vorjahr größer aus als im letzten Drittel von 1969, obwohl damals unter dem Eindruck der Arbeitsniederlegungen vom September eine fällige Anpassung an den fortgeschrittenen konjunkturellen Aufschwung vollzogen wurde. Das volle Ausmaß der Lohn- und Gehaltsexpansion wird jedoch erst deutlich an der Entwicklung der Effektivverdienste je Beschäftigten, die im ersten Drittel 1970 um knapp 16 % über dem entsprechenden Vorjahresniveau lagen. Da die Produktivitätszunahme mit der Lohn- und Gehaltssteigerung des gegenwärtigen Ausmaßes nicht Schritt halten kann, wird die Diskrepanz zwischen Lohnkosten und Produktivität zunehmend größer.
      Um nun, meine Damen und Herren, das aktuelle Konjunkturbild zu komplettieren, möchte ich mich der Preissituation auf den Gütermärkten, die zwar nicht letzte Ursache, aber doch wichtiger Anlaß dieser Sitzung ist, zuwenden.
      Der Anstieg der industriellen Erzeugerpreise, der am Jahresanfang sehr steil war, hat sich abgeflacht. Der Abstand zum entsprechenden Vorjahresniveau liegt jedoch noch immer über 6 %, bei den Baupreisen sogar bei 14,8 %. Die private Lebenshaltung hat sich von Januar bis Mai weiter verteuert. Der Anstieg war im Mai und .Juni aber nicht mehr stärker als im Vorjahr, so daß der Preisabstand gegenüber der entsprechenden Vorjahreszeit, der im April 3,8 % erreicht hatte, zuletzt unverändert geblieben ist.
      Die Abflachung der ansteigenden Preiskurve gibt allerdings weder bei den industriellen. Erzeugerpreisen noch beim Preisindex für die Lebenshaltung Gewähr für eine künftige ruhigere Preisentwicklung.
      Nach den jüngsten Ergebnissen des Ifo-Konjunkturtestes — es wurde bereits darauf hingewiesen — hat die Zahl der Unternehmer, die in der Zukunft mit Preissteigerungen rechnen, sowohl in der verarbeitenden Industrie als auch im Einzelhandel wieder zugenommen. Solange die Spannungen auf den Märkten und der Kostendruck auf die Preise anhalten, ist die Gefahr nicht beseitigt, meine Damen und Herren, daß die Preise stärker ansteigen, als politisch toleriert werden kann.
      Angesichts der jüngsten Konjunkturdaten dürfen wir uns nicht dem Gedanken hingeben, daß die Erschwerung der Finanzierung, die seit der Aufwertung bewirkt wurde, sowie die zurückhaltende Haushaltsgebarung des Bundes allein schon die



      Mertes

      (d die restriktive Kreditpolitik, ein Hauptpteiler im Gebäude der bisherigen Stabilitätspolitik, in zunehmender Gefahr schwebt, vom Ausland her unterspült zu werden. Deutliche Hinweise auf das Ausmaß dieser Gefahr haben die Devisenzuflüsse von 3,4 Milliarden DM im Juni und 2,8 Milliarden DM in den ersten acht Juli-Tagen ergeben. Wenn die weitere Entwicklung dem gegenwärtig noch wirksamen Bündel restriktiver Maßnahmen überlassen bleibt, das sich hinsichtlich der Kreditpolitik zudem bald auflösen kann, wird das Dilemma einer Stagnation der Nachfrage bei fortgesetztem Preisund Kostenanstieg akut. Einen Augenblick, Herr Abgeordneter. Ich bitte diejenigen, die Gespräche längerer Art zu führen haben, sich etwas in den Hintergrund zu begeben. Es ist sonst sehr schwer für die gesamte Verhandlungsführung. Bitte schön, Herr Abgeordneter. Meine Damen und Herren, der Preisanstieg ergibt sich dabei nicht zuletzt daraus, daß bei noch angespanntem Arbeitsmarkt die Effektivlöhne weiterhin in einem Ausmaß steigen, daß bei abnehmender Produktivitätssteigerung nicht stabilitätskonform ist. Je tiefer die Konjunkturpolitik in dieses Dilemma gerät, desto stärker sind ihr die Hände für eine dann möglicherweise notwendige expansive Politik gebunden. Wohin das führen kann, zeigen z. B. die Vorgänge in den USA. Angesichts dieser Situation eröffnet, wie ich schon sagte, nur schnelles und in der Wahl der Instrumente abgewogenes Handeln die Aussicht, diesem Dilemma zu entgehen. Ich komme damit auf den vorliegenden Gesetzentwurf zu sprechen, der von den Koalitionsfraktionen eingebracht wurde und der die Erhebung eines rückzahlbaren Konjunkturzuschlages zur Einkommenund Körperschaftsteuer vorsieht. Dieser Gesetzentwurf stellt einen bedeutenden Fortschritt in der Entwicklung des konjunkturpolitischen Instrumentariums der Steuerpolitik dar. Die erheblichen budgetpolitischen Anstrengungen der Bundesregierung und die kreditpolitischen Maßnahmen der Bundesbank haben nicht ausgereicht — das muß offen zugegeben werden , (Abg. Dr. Müller-Hermann: Wem sagen Sie das?)


      (Unruhe.)


    Rede von Kai-Uwe von Hassel
    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
    • insert_commentNächste Rede als Kontext
      Rede von Dr. Werner Mertes


      • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
      • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)


      (Abg. Dr. Stoltenberg: Was?)

      die Übernachfrage in der deutschen Volkswirtschaft und die daraus resultierenden Preiserhöhungstendenzen zu dämpfen. Deshalb sind steuerpolitische Mittel erforderlich, um ein Überschlagen der Konjunktur zu verhindern. Da der Boom mittlerweile die ganze Wirtschaft einschließlich der Verbrauchernachfrage erreicht hat,

      (Abg. Dr. Stoltenberg: Vor einem Jahr hat er die erreicht!)

      erscheint es unumgänglich, die Bremsen auf breiter Front, auch von der Einnahmenseite her, anzuziehen, um Kaufkraft. sowohl im gewerblichen als auch im privaten Bereich abzuschöpfen und, was das Entscheidende ist, stillzulegen.
      An und für sich hätte man dazu auf die Bestimmung des § 26 Nr. 3 Buchstabe b des Stabilitätsgesetzes zurückgreifen können, nach der die Bundesregierung ermächtigt ist, die Einkommen- und Körperschaftsteuer auf dem Verordnungswege zeitweilig um 10 % zu erhöhen. Dieser Weg — das muß ebenfalls sehr deutlich gesagt werden — hätte allerdings zu einer definitiven Steuererhöhung geführt, weil diese Gesetzesbestimmung eine Rückzahlung des zusätzlichen Steuerbetrages nicht vorsieht.

      (Abg. Dr. Schmidt eine Änderung des Stabilitätsgesetzes vornehmen können!)

      Der Entzugseffekt bei den Steuerpflichtigen hätte also einen endgültigen Charakter gehabt. Wir alle wissen, auf welchen Widerstand Steuererhöhungen in der Bevölkerung stoßen, und zwar mit Recht angesichts einer gesamtwirtschaftlichen Steuerquote von derzeit bereits rund 24 %. Es wäre daher wesentlich schwieriger gewesen, bei einem endgültigen Entzugseffekt die Zustimmung breiter Bevölkerungskreise für die steuerpolitischen Maßnahmen des Dämpfungsprogramms zu gewinnen. Mir scheint, daß der Weg, den wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf einschlagen, besser ist als die Anwendung der entsprechenden Bestimmungen des Stabilitätsgesetzes. Deshalb möchte ich an dieser Stelle auch anregen, bei einer künftigen Novellierung des Stabilitätsgesetzes diese Erfahrungen zu berücksichtigen und u. a. einen rückzahlbaren Konjunkturzuschlag in das Instrumentarium dieses Gesetzes aufzunehmen.
      Überdies scheint mir der Weg über den rückzahlbaren Zuschlag zur Lohn- und Einkommensteuer auch konjunkturpolitisch besser zu sein. Bei einer zeitweiligen Kaufkraftabschöpfung läßt sich nämlich niemals mit völliger Sicherheit ausschließen, daß Unternehmen und Haushalte entsparen, d. h. daß sie den zeitlich begrenzten Kaufkraftverlust durch Auflösung von Sparguthaben kompensieren, um dadurch ihr Konsumniveau unverändert zu lassen. Ein solches Verhalten, das die Wirksamkeit des Dämpfungsprogrammes beeinträchtigen könnte, ist meines Erachtens bei einem rückzahlbaren Steuerzuschlag aber weniger zu erwarten als bei einer wenn auch zeitlich begrenzten definitiven Steuererhöhung. Auch von dieser Seite her ist also dem rückzahlbaren Konjunkturzuschlag der Vorzug zu geben.
      Wir können heute, meine Damen und Herren, noch nicht sagen, welche Erfahrungen administrativer Art diese Konjunkturdämpfungsmaßnahme bringen wird.

      (Zuruf des Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal].)

      Sicher ist, daß insbesondere die Unternehmen eine gewisse Mehrarbeit auf sich zukommen sehen. Meine Bitte an die Verwaltung geht deshalb dahin, alles, aber wirklich auch alles zu unternehmen, um die verwaltungstechnischen Schwierigkeiten bei der



      Mertes
      Durchführung des Gesetzes auf ein Minimum zu reduzieren.
      Der Konjunkturzuschlag als Kaufkraft abschöpfende Maßnahme wird bei vielen von ihm Betroffenen sicherlich zuerst auf wenig Verständnis stoßen, weil in der Regel die eigenen Konsumausgaben als keineswegs überhöht oder auch nur einschränkungsfähig angesehen werden. Tatsächliche Schonung verdienen aber nur die Einkommen, für die der Konjunkturzuschlag zu Einschränkungen bei lebensnotwendigem Bedarf führen könnte. Aus diesem Grunde sieht der Gesetzentwurf eine Sozialklausel vor, nach der nur Steuerpflichtige mit einer monatlichen Steuerschuld von über 100 DM von dem Zuschlag betroffen werden. Mir scheint, daß diese Regelung die minderbemittelten Einkommensgruppen in hinreichender Weise schont, so daß sozialpolitische Einwendungen kaum erhoben werden dürften.
      Betrachtet man den vom Konjunkturzuschlag ausgenommenen Personenkreis einmal näher, so erkennt man, daß nur weniger als die Hälfte aller mit Lohn- und Einkommensteuer Belasteten den Zuschlag überhaupt zahlen müssen. Angesichts der Schonung breiter Kreise durch die Sozialklausel ist es nicht recht verständlich, wenn vereinzelt von der mangelnden Ausgewogenheit des Konjunkturprogramms und von einer Benachteiligung der lohnsteuerpflichtigen Arbeitnehmer im Vergleich zu den einkommensteuerpflichtigen Selbständigen gesprochen wird. Dieser Vorwurf geht auf § 1 des vorliegenden Gesetzentwurfes zurück, nach dem der Zuschlag bei Einkommensteuerpflichtigen nur auf die Vorauszahlung und nicht auch auf die Abschlußzahlungen erhoben wird. Abgesehen davon, daß die Einbeziehung auch der Abschlußzahlungen in die Bemessungsgrundlage des Konjunkturzuschlages u. a. eine nur schwer zu rechtfertigende Komplizierung des Gesetzes mit sich gebracht hätte, muß vor allem auch die Gesamtbelastung gesehen werden. Sie besteht bei den Selbständigen ja nicht nur aus dem 10%igen Konjunkturzuschlag, sondern auch aus der zeitweiligen Aussetzung der degressiven Abschreibung. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß die Vorauszahlungen der Einkommensteuerpflichtigen schon seit einiger Zeit in recht großem Umfang an die wirtschaftliche Entwicklung angepaßt werden und damit die früheren erheblichen Abschlußzahlungen seit längerem der Vergangenheit angehören.
      Zusammenfassend möchte ich sagen, daß der uns vorliegende Gesetzentwurf ein gutes Mittel darstellt, um zusammen mit den anderen Maßnahmen die gegenwärtige konjunkturelle Übernachfrage zu drosseln und die Wirtschaft wieder auf die Gangart zurückzuführen, die es erlaubt, die Ziele des Stabilitätsgesetzes — insbesondere aber Geldwertstabilität und Vollbeschäftigung gleichermaßen — zu verfolgen. Ich bitte Sie daher, dem vorliegenden Gesetzentwurf Ihre Zustimmung zu geben.

      (Beifall bei den Regierungsparteien.)