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ID0606200200

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    Deutscher Bundestag 62. Sitzung Bonn, Freitag, den 10. Juli 1970 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Tobaben und Borm 3443 A Amtliche Mitteilungen 3443 A Erweiterung der Tagesordnung 3444 B Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung Dr. Schiller, Bundesminister 3444 C Entwurf eines Gesetzes über die Erhebung eines rückzahlbaren Konjunkturzuschlags zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer (SPD, FDP) (Drucksache VI/ 1017) —Erste Beratung — in Verbindung mit Zweite Verordnung über steuerliche Konjunkturmaßnahmen (Drucksache VI/ 1013) und mit Antrag der Fraktion der CDU/CSU betr. konjunkturpolitische Dämpfungsmaßnahmen (Drucksache VI/1025 [neu]) Mertes (FDP) 3447 D Dr. Stoltenberg (CDU/CSU) 3450 C Brandt, Bundeskanzler 3456 A Junghans (SPD) 3460 B Kienbaum (FDP) 3462 C Höcherl (CDU/CSU) 3463 D Dr. Schellenberg (SPD) . 3466 B, 3467 D Nächste Sitzung 3468 C Anlagen: Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten 3469 A Anlage 2 Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1970 (Hauhaltsgesetz 1970) 3469 C Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 62. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Juli 1970 3443 62. Sitzung Bonn, den 10. Juli 1970 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Abelein 11. 7. Dr. Achenbach * 11.7. Adams * 11.7. Dr. Aigner * 11. 7. von Alten-Nordheim 11. 7. Dr. Artzinger * 11.7. Baier 11.7. Dr. Barzel 11.7. Dr. Becher (Pullach) 11.7. Behrendt * 11.7. Benda 11.7. Dr. Burgbacher * 11. 7. Dr. Czaja 11.7. Dr. Dittrich * 11. 7. Dichgans * 11. 7. Dröscher * 11.7. Faller * 11.7. Fellermaier * 11. 7. Flämig * 11.7. Dr. Furler * 11. 7. Gewandt 11. 7. Gerlach (Emsland) * 11.7. Dr. Gradl 11.7. Haage (München) * 11. 7. Dr. Hein * 11. 7. Frau Dr. Henze 11. 7. Dr. Hupka 11.7. D. Jahn (Braunschweig) * 11. 7. Klinker * 11.7. Katzer 11.7. Dr. Kley 11.7. Dr. Koch * 11.7. Frau Krappe 11.7. Kriedemann * 11. 7. Frau Dr. Kuchtner 11. 7. Lange * 11. 7. Lautenschlager * 11. 7. Leisler Kiep 11. 7. Lemmer 11. 7. Lenze (Attendorn) 11.7. Liehr 11.7. Dr. Lohmar 11. 7. Dr. Löhr * 11.7. Lücker (München) * 11.7. Meister * 11. 7. Memmel * 11.7. Müller (Aachen-Land) * 11.7. Ollesch 11.7. Frau Dr. Orth * 11. 7. Picard 11.7. Pieroth 11.7. Porzner 11. 7. Richarts * 11.7. Riedel (Frankfurt) * 11.7. Schmidt (Braunschweig) 11. 7. Schmidt (Würgendorf) 11.7. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Schwabe * 11.7. Schröder (Wilhelminenhof) 11. 7. Dr. Schwörer * 11. 7. Seefeld * 11.7. Springorum * 11.7. Dr. Starke (Franken) * 11.7. Frau Dr. Walz 11. 7. Dr. Freiherr v. Weizsäcker 11. 7. Werner * 11.7. Wolfram * 11. 7. Dr. Wörner 11. 7. Wohlrabe 11.7. Anlage 2 Anlage zum Schreiben des Präsidenten des Bundesrates vom 26. Juni 1970 an den Bundeskanzler Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1970 (Haushaltsgesetz 1970) a) Der Bundesrat hält die Ermächtigung an den Bundesminister der Finanzen, eine „Bildungsanleihe" bis zur Höhe von 1 Milliarde DM aufzunehmen, allein nicht für geeignet, das Problem der Bildungsfinanzierung zu lösen. Es geht bei der Bildungsfinanzierung nicht darum, einen einmaligen investiven Nachholbedarf zu finanzieren, sondern es müssen vor allem die progressiv wachsenden Folgekosten, die Länder und Gemeinden zu tragen haben, finanziell gesichert werden. Im übrigen geht der Bundesrat davon aus, daß von der Anleiheermächtigung nur dann Gebrauch gemacht wird, wenn die Verhältnisse am Kapitalmarkt eine solche Anleihe zulassen und wenn außerdem die Anleihebedürfnisse der übrigen öffentlichen Gebietskörperschaften ausreichend berücksichtigt werden. b) Der Bundesrat bedauert, daß die Bundesregierung die verfügte Aussetzung der Frachthilfe für die Beförderung von Steinkohle ab 10. Februar 1970 nicht rückgängig gemacht hat. Er bittet die Bundesregierung, im weiteren Vollzug des Bundeshaushalts alles zu unternehmen, um die Fortsetzung der Steinkohlefrachthilfe zu ermöglichen. *) Für die Teilnahme an einer Sitzung des Europäischen Parlaments 3470 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 62. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Juli 1970 Der Bundesrat bedauert, daß seine Forderung, im Bundeshaushalt 1970 einen Ansatz von 100 Millionen DM für Investitionshilfen gemäß Art. 104 a Abs. 4 GG zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft oder zur Förderung des wirtschaftlichen Wachstums auszubringen, bei den Beratungen im Deutschen Bundestag unberücksichtigt geblieben ist. Durch gezielten Einsatz derartiger Finanzhilfen hätten strukturpolitisch wichtige Maßnahmen, auf die nach den Grundsätzen des Konjunkturrats vom Januar 1969 Konjunkturdämpfungsmaßnahmen nicht angewendet werden sollen, insbesondere in Problemgebieten leistungsschwacher Länder im Interesse eines stabilitätskonformen Wachstums ermöglicht werden können. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, im Rahmen der Haushaltsberatungen für 1971 und der Fortschreibung der Finanzplanung zu prüfen, ob und in welchem Umfang die Gewährung von Investitionshilfen nach Art. 104 a Abs. 4 GG ab 1971 notwendig und möglich ist.
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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


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    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung hat in dieser Woche ein konjunkturpolitisches Programm erarbeitet, das nun in diesem Hohen Hause zur Diskussion und in seinen Kernpunkten zur Abstimmung steht.
    Sie, meine Damen und Herren, sind hierzu auf Antrag der Koalitionsfraktionen und des Herrn Bundeskanzlers zu einer Sondersitzung in den Parlamentsferien zusammengetreten. Die Bundesregierung dankt Ihnen allen dafür, daß Sie nach dem anstrengenden und arbeitsreichen ersten Jahr des 6. Deutschen Bundestages auch diese Mühe auf sich genommen haben, um wichtige Beschlüsse für die Sicherung der Stabilität unserer Wirtschaft zu fassen.

    (Abg. Rasner: Das hätten wir eher haben können!)

    Mit dieser Parlamentssitzung wird dokumentiert, daß wir alle in diesem Hause die Grundsätze des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes sehr ernst nehmen. Das war auch die Quintessenz des Nachtrages zum Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung vom 26. Mai 1970. Es heißt dort unter Ziffer 23:
    Die Bundesregierung betont — ich darf zitieren --,
    daß sie Geldwertstabilität und hohen Beschäftigungsstand nach wie vor für gleichrangige Ziele hält. Das bedeutet einerseits, daß sie nicht bereit ist, angemessenes Wachstum und hohen Beschäftigungsstand aufs Spiel zu setzen. Das heißt andererseits ebenso eindeutig, daß sie nicht zögern würde, ihre Stabilitätspolitik zu verschärfen, wenn sich der Preisauftrieb erneut beschleunigen sollte oder die Kreditpolitik der Deutschen Bundesbank wegen der Entwicklung auf den internationalen Geld- und Kapitalmärkten entlastet werden müßte.
    Die Bundesregierung ist der Meinung, daß diese Bedingungen sich jetzt erfüllen, daß also zusätzliche stabilitätspolitische Maßnahmen erforderlich sind. Die Bundesregierung hat im Zusammenwirken mit den Fraktionen der SPD und der FDP eine stabilitätspolitische Strategie entwickelt,

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    die auf folgenden vier Überlegungen beruht. — Warten Sie nur ab!

    (Abg. Dr. Müller-Hermann: Wir haben lange gewartet!)

    Erstens. Die Maßnahmen sollen der konjunkturellen Übersteigerung entgegenwirken und zugleich die sich an einigen Stellen zeigenden Entspannungstendenzen fördern. Die Lage ist immer noch durch eine extrem hohe Anspannung aller Kräfte der



    Bundesminister Dr. Schiller
    Wirtschaft gekennzeichnet. Das gilt für den Produktionsbereich ebenso wie für den Arbeitsmarkt.

    (Abg. Leicht: Das ist doch schon seit Monaten so!)

    Die Arbeitslosenquote sank im Juni — das ist die letzte Zahl — auf 0,4 °/o. Die Zahl der offenen Stellen von fast 900 000 übersteigt die Zahl der Arbeitssuchenden gegenwärtig um mehr als das Neunfache. Die hohen Auftragspolster der Industrie, insbesondere der Investitionsgüterindustrie, sind in den letzten Monaten nicht abgebaut worden. Die Elastizität der Produktion wird nach der nun zweijährigen Periode der Höchstleistung schwächer. Das Arbeitskräfteangebot kann praktisch nur noch vom Ausland her ausgeweitet werden; die Zahl der Gastarbeiter ist im Juni auf 1,84 Millionen angestiegen.

    (Abg. Dr. Müller-Hermann: Das alles war auch schon vor 14 Tagen!)

    Die Produktivitätssteigerung zeigt nach den Rekordzunahmen der jüngsten Vergangenheit Ermüdungserscheinungen.
    Meine Damen und Herren, der Preisindex für die Lebenshaltung lag auch im Juni, wie schon in den beiden Vormonaten, um 3,8 % über dem Vorjahresstand. Der Anstieg gegenüber dem Vormonat hat sich dabei wieder etwas beschleunigt, von 0,2 % im Mai auf 0,3 % im Juni. Der Index für industrielle Erzeugerpreise liegt mit 6,2 % gegenüber dem Vorjahr noch auf einem zu hohen Niveau. Die Preise der Investitionsgüter sind in den letzten Monaten sogar um 10 % angestiegen.

    (Abg. Dr. Müller-Hermann: Was ist daran neu?)

    Der Index der Großhandelsverkaufspreise ist im .Juni dieses Jahres — und das ist eine ganz neue Zahl — allein um 1,6% gegenüber dem Vormonat gestiegen und steht damit um 7,1 % über dem Vorjahresstand. Gleichzeitig gibt der in die Zukunft gerichtete Konjunkturtest des Ifo-Instituts neue Warnzeichen: nach einer Phase, in der die Preissteigerungserwartungen bei Industrie und Handel zurückgingen, nimmt die Erwartung steigender Verkaufspreise wieder zu. Ich glaube sagen zu können: alle diese Indikatoren rufen uns zum zusätzlichen Handeln auf.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Das ist nicht neu!)

    Die neuen Maßnahmen sollen zugleich, wie erwähnt, die Tendenzen zum Gleichgewicht fördern, die als Anfangserfolge der bisherigen Stabilisierungsmaßnahmen von Bundesregierung und Bundesbank sichtbar geworden sind. Die Entspannungstendenzen zeigen sich bisher in einer Beruhigung des Nachfrageanstiegs bei der Industrie, d. h. die Auftragseingänge gehen — wenn auch auf hohem Niveau -- leicht zurück. Von hier betrachtet, dürfte der Boom seinen Höhepunkt überschritten haben. Aber gerade in einer solchen Situation muß die „nachhinkende" Preisentwicklung schnell an die ruhigere Nachfrageentwicklung herangeführt werden.
    Was die im Nachtrag zum Jahreswirtschaftsbericht angesprochene Geldpolitik angeht, so machen es die internationalen Vorgänge der Bundesbank schwerer, Liquiditätszuflüssen vom Ausland her entgegenzuwirken. So war auch die jüngste Erhöhung der Mindestreservesätze vom 1. Juli um 15% ausschließlich als teilweise Kompensation auslandsbedingter Liquiditätsvermehrung gedacht. Diese Entwicklung zeigt deutlich genug, daß die Bundesbank durch die staatliche Konjunkturpolitik jetzt entlastet werden muß. Es muß alles getan werden, damit es nicht zu einer zweiten Preiswelle im Herbst dieses Jahres kommt. Sonst droht die Gefahr einer Stagnation mit weiterwirkenden Inflationstendenzen. Ausländische Beispiele sollten uns warnen. Sie sollten es überflüssig machen, daß wir eigene Erfahrungen sammeln. Wer diese Lehre versteht, muß heute handeln.
    Zweitens. Die zweite Überlegung ist die, daß eine Akzentverschiebung im Ansatz unserer Dämpfungsmaßnahmen von der Ausgabenpolitik der öffentlichen Haushalte zur Steuerpolitik notwendig ist. Im Nachtrag zum Jahreswirtschaftsbericht hat es hierzu in Ziffer 24 geheißen, daß bei Anhalten der Auftriebstendenzen eine ausgewogene Stabilitätspolitik auch eine Eindämmung der nichtöffentlichen Nachfrage erforderlich machen würde. Natürlich heißt das nicht, daß nun nach Verabschiedung des Haushalts 1970 bisher aufgeschobene Ausgaben ohne konjunkturpolitische Rücksichten massiert getätig werden könnten. Das bringt Punkt 1 der sechs Regierungsbeschlüsse vom 7. Juli zum Ausdruck. Wir können aber eine auf möglichst stetiges Wachstum angelegte Politik nicht so betreiben, meine Damen und Herren, daß im Bedarfsfall immer die öffentliche Investition hinter der privaten Investition zurücktreten muß.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir können auf die Dauer die öffentlichen Investitionsausgaben nicht zum alleinigen Mittel staatlicher Konjunkturpolitik machen. Die so entstehenden Engpässe im Bereich der Infrastruktur behindern dann auch die Entfaltung der privaten Investitionstätigkeit, denn beide private und öffentliche Investition — sind in der Nutzung weitgehend komplementär.
    Und noch ein Weiteres ist zu bedenken. Mit steigendem Einkommen der privaten Haushalte wachsen nicht nur die Bedürfnisse nach privatem Konsum, sondern auch, und zwar überproportional, die Bedürfnisse nach mehr und nach besserer öffentlicher Leistung. Auch das, meine Damen und Herren, ist individueller Bedarf, Nachfrage der Bürger dieses Landes und nicht etwa Ehrgeiz eines anonymen Leviathans. Das ist unser Staat, der ein größeres und besseres Angebot an Leistungen darbieten muß.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Eindämmung der nichtöffentlichen Nachfrage in der mehr kurzfristig orientierten konjunkturpolitischen Sicht bedeutet Investitionsaufschub und Abschöpfung von Kaufkraft im privaten Bereich. Diese Zielsetzung hat zu den Punkten 2 bis 4 des Konjunkturprogramms der Regierung geführt.



    Bundesminister Dr. Schiller
    Befristete Aussetzung der degressiven Abschreibung, Verabschiedung des Steueränderungsgesetzes zu einem konjunkturpolitisch geeigneten Zeitpunkt im Lauf der Legislaturperiode und Erhebung eines zehnprozentigen befristeten Konjunkturzuschlages zur Einkommen- und Körperschaftsteuer mit Sozialklausel und mit individueller Rückerstattung spätestens bis zum 31. März 1973, diese Maßnahmen deuten die Verlagerung von der Ausgabenpolitik zur Steuerpolitik an. In dieser Verlagerung, meine Damen und Herren, liegt der „harte Kern" des Programms. Hier zeigt sich auch, daß Stabilität weh tun kann. Aber jeder wird den Schmerz, den der Eingriff verursacht, schließlich dem Schmerz einer unkontrolliert ablaufenden Krankheit eben dem Preisauftrieb — vorziehen.
    Drittens. Es findet aber nicht nur ein fiskalpolitisches „Umrüsten" von der Ausgabenpolitik zur Steuerpolitik statt. Die Beschlüsse der Bundesregierung sind nach Beratungen zwischen Regierung und Vertretern der Bundesbank erfolgt. Die Bundesregierung geht davon aus, daß die Bundesbank ihre Kreditpolitik auf diese Maßnahmen der Bundesregierung abstimmt. Wir sind mit der Bundesbank im Gespräch, wie im Verlauf der staatlichen Stabilisierungsmaßnahmen ein Abbau des Zinsniveaus zu erreichen ist. Dabei werden die Effizienz der staatlichen Maßnahmen und die internationale Entwicklung auf dem Gebiet von Geld und Zins ausschlaggebend sein. Jedenfalls ist die Voraussetzung dafür geschaffen, daß in der Zinspolitik die Bundesbank die internationalen Aspekte wieder stärker beachten kann.
    Viertens. Die zusätzlichen konjunkturpolitischen Stabilisierungsmaßnahmen der Bundesregierung sollen auch die Erwartungen und Verhaltensweisen der Menschen in der Wirtschaft beeinflussen. Die lange Dauer der konjunkturellen Überhitzung hat vielfach die Preissteigerungserwartungen in der Bevölkerung weiter angefacht. Dem muß eine staatliche Aktion entgegengesetzt werden. Der Wille der Regierung zur Stabilität, den diese Regierung bereits mit der Aufwertung der D-Mark, mit den Ausgabensperren und mit den Konjunkturausgleichsrücklagen unter Beweis gestellt hat, muß erneut allen in Erinnerung gerufen werden. Dieses Programm, das vorgeschlagene Paket und Bündel von Maßnahmen, läßt für Inflationspsychose und für lnflationsmentalität keinen Raum.

    (Beifall bei der SPD.)

    Das Paket von Maßnahmen ist ein deutliches Signal an alle, auch an die autonomen Gruppen der Gesellschaft, damit sie ihre Rolle in einer abgestimmten Stabilisierungsaktion durch entsprechendes preispolitisches und lohnpolitisches Verhalten spielen können. Die Gespräche im Rahmen der Konzertierten Aktion am 17. Juli werden dies verdeutlichen müssen. Sie werden gleichzeitig ein Test darauf sein, ob dieses Programm vom gesellschaftlichen Bewußtsein verstanden wird.
    Das vorgelegte Programm ist ein Ganzes. Sie, meine Damen und Herren, werden auch den konjunkturpolitischen Fortschritt, der sich darin verkörpert, erkennen. In Brüssel ist dieser Fortschritt bereits vom Konjunkturausschuß der Europäischen Gemeinschaften anerkannt worden, auch weil durch diese deutschen Maßnahmen die Stabilisierungsbemühungen der anderen Länder unterstützt werden. Zugleich hat der Währungsausschuß der OECD die neuen deutschen Maßnahmen begrüßt.
    Die Bundesregierung ist aber auch nicht überrascht, daß die Maßnahmen in der deutschen Öffentlichkeit nicht nur auf Zustimmung gestoßen sind, sondern auch auf Kritik, eine Kritik mit wechselnden Fronten und verteilten Rollen. Dieses Gegeneinander von Zustimmung und Ablehnung in unserer Gesellschaft zeigt aber auch: Dieses Programm verteilt die Belastungen und Risiken auf alle; dieses Programm ist ausgewogen und in seiner sozialen Gestaltung so gerecht wie möglich.

    (Lachen bei der CDU/CSU.)

    Das Programm widersteht zugleich gewissen Einwendungen und Vorwürfen:
    Erstens. Wir werden die Konjunktur in dieser Spätphase des Booms auf keinen Fall übersteuern. Die vorgeschlagenen Maßnahmen sind jederzeit variabel und reversibel, sie können jederzeit gemildert und rückgängig gemacht werden. Das gilt für eine vorzeitige Beendigung der Aussetzung der degressiven Abschreibung ebenso wie für den rückzahlbaren Zuschlag zur Einkommen- und Körperschaftsteuer, den die Regierung vorzeitig senken oder aufheben kann. Es gilt auch für die Vertagung des Steueränderungsgesetzes auf einen konjunkturpolitisch richtigen Zeitpunkt in dieser Legislaturperiode. Durch die Flexibilität werden die Maßnahmen, die jetzt gegen Überhitzung und Preisauftrieb eingesetzt werden, im Bedarfsfall Waffen gegen mögliche Anzeichen der konjunkturellen Abschwächung oder gar gegen eine Rezession. Es sind hier Instrumente gegeben, die über die Möglichkeiten des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes hinausreichen.
    Zweitens. Das Programm widersteht auch dem Vorwurf, es mache den Arbeitnehmer zum Prügelknaben der Konjunktur. Meine Damen und Herren, die zeitlich begrenzte Vorauszahlung zur Einkommen- und Körperschaftsteuer ist einmal keine Steuererhöhung; es besteht vielmehr ein individueller, gesetzlich fixierter Anspruch auf Anrechnung oder Rückzahlung. Die Bundesbank wird in der ganzen Zeit die vorausgezahlten Steuerbeträge treuhänderisch verwalten. Zum anderen trifft die Steuervorauszahlung auch die Selbständigen und die Unternehmen. Und sie trifft nicht die lohnsteuerpflichtigen kleinen Einkommen. Rund 14 Millionen Lohnsteuerpflichtige werden wegen der Freigrenze von Steuervorauszahlungszuschlag überhaupt nicht berührt. Die Vorauszahlung beginnt z. B. bei einem verheirateten Arbeitnehmer mit zwei Kindern bei einem steuerpflichtigen Monatslohn von 1195 DM mit einer Belastung von 0,84 % dieses Monatslohns. Bei einem Monatslohn von 1500 DM beträgt die vorübergehende Last 1,05%, und erst hei einem Monatslohn von 4000 DM beläuft sie sich auf 2,10 %.
    Drittens. Die vorgelegten Maßnahmen trifft ebensowenig der Vorwurf, sie würden einseitig die Investitionen belasten. Zwar sind die Unternehmen



    Bundesminister Dr. Schiller
    dem rückzahlbaren Einkommen- und Körperschaftsteuerzuschlag und dem befristeten Wegfall der degressiven Abschreibung ausgesetzt. Jedoch verzeichnen die Konjunkturdaten gerade hier noch immer den größten Nachfrageüberhang und die höchsten Zuwachsraten bei den Preisen. Der Sinn der befristeten Aussetzung der degressiven Abschreibung ist überdies nicht die Erzielung von mehr Staatseinnahmen, sondern eine gewisse Verschiebung von Investitionsaufträgen. Wer hier unter dem Einfluß der Aussetzung der degressiven Abschreibung Aufträge hinausschiebt und damit der Steuer ausweicht, handelt also durchaus im Sinne dieses Programms. Das sollte um so leichter fallen, als dem Investor im nächsten Jahr auch die weitere Senkung der Investitionssteuer um zwei Prozentpunkte zugute kommt.
    Meine Damen und Herren, Initiative und Fleiß werden durch dieses Programm nicht bestraft, sondern es werden neue Rahmenbedingungen für eine stabile gesamtwirtschaftliche Entwicklung geschaffen, eine Entwicklung, die die Früchte privater Initiative und individuellen Fleißes erst nachhaltig sichert. Das sollte auch der bedenken, der durch Weniger-Sparen oder gar durch Entsparen den Auswirkungen der Konjunkturzuschläge auf seine Konsumausgaben zu entgehen sucht. Er verzichtet dann freiwillig darauf, bei hohen Zinsen die Ausgabensteigerung etwas zu drosseln, um später bei niedrigem Zinssatz mehr für sein Geld zu kaufen. Das hochentwickelte Stahi]itätsbewußtsein der deutschen Sparer gibt der Bundesregierung die Zuversicht, daß gerade sie dieses Programm unterstützen werden.
    Die Bundesregierung ist überzeugt, daß es der Wirtschaft der Bundesrepublik mit diesem Programm erleichtert wird, auf den Pfad zu gelangen, auf dem sie 1971 ihr Wachstum bei voller Ausnutzung aller Ressourcen, aber ohne schädliche Überhitzungen, fortsetzen kann. Das wird sich schon im weiteren Ablauf dieses Jahres 1970 zeigen. Ein besserer Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage wird den Unternehmern mehr Vorsicht bei ihrer Kosten- und Preisgestaltung ratsam erscheinen lassen. Eine weitere Dämpfung des Preisauftriebs wird es erlauben, die jetzt erreichte Lohnquote beizubehalten, ohne daß bei den zukünftigen Lohnsteigerungen weitere Preissteigerungserwartungen die Nominallöhne aufblähen, dem Lohnempfänger aber keinen entsprechenden Gegenwert an realer Kaufkraft bringen.
    Ich fasse zusammen. Die Maßnahmen von heute sind mit umgekehrten Vorzeichen — auch die stabilisierenden Maßnahmen von morgen. Das setzt allerdings voraus, daß diese Aktion der Regierung von diesem Parlament gebilligt wird. In diesem Sinne bittet die Bundesregierung den Deutschen Bundestag um Zustimmung zur vorgelegten Zweiten Verordnung über steuerliche Konjunkturmaßnahmen. Und in diesem Sinne begrüßt die Bundesregierung den Gesetzentwurf von SPD und FDP über die Erhebung eines rückzahlbaren Konjunkturzuschlags zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, die Fraktionen, die diese Regierung tragen, haben das von der Regierung vorgelegte Programm in ihren Vorverhandlungen ausführlich diskutiert und in den Grundzügen gebilligt. Auch Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, haben sich in den letzten Wochen immer wieder für zusätzliche Stabilisierungsmaßnahmen ausgesprochen. Es wäre deshalb logisch, wenn die vorgeschlagenen Maßnahmen auch Ihre Billigung fänden.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    Ein deutliches und klares Wort von diesem Parlament in diesen Tagen gesprochen, das wäre ein besonders wichtiges und unüberhörbares Zeichen für die deutsche Bevölkerung und für die deutsche Wirtschaft. Es wäre ein Zeichen dafür, daß die Signale eindeutig auf Stabilität und Wachstum gestellt sind.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien. — Lachen bei der CDU/CSU.)



Rede von Kai-Uwe von Hassel
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren, das Haus ist wohl damit einverstanden, daß ich nunmehr gleichzeitig die Tagesordnungspunkte 2, 3 und 4 aufrufe und daß die Aussprache zu den vier Punkten der Tagesordnung miteinander verbunden wird:
Erste, zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Erhebung eines rückzahlbaren Konjunkturzuschlags zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer
Drucksache VI/ 1017 —
Beratung der von der Bundesregierung beschlossenen Zweiten Verordnung über steuerliche Konjunkturmaßnahmen
— Drucksache VI/1013 —
Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/ CSU betr. konjunkturpolitische Dämpfungsmaßnahmen
— Drucksache VI/1025 (neu)
Dabei werde ich wie folgt verfahren: Zunächst wird die Vorlage zu 2, also das Initiativgesetz der Fraktionen der SPD und der FDP, begründet, und zwar durch den Abgeordneten Mertes. Danach wird die Aussprache eröffnet, und zwar durch den Abgeordneten Dr. Stoltenberg, der in seinem Debattenbeitrag gleichzeitig den Antrag der CDU/CSU-Fraktion mit begründen wird. Ich verweise darauf, daß die Drucksache, die ursprünglich verteilt wurde — VI/1025 —, die diesen Antrag enthält, durch die Drucksache VI/1025 (neu) ersetzt worden ist, die entweder schon verteilt wird oder in einigen Minuten verteilt werden wird.
Das Wort hat nunmehr zur Begründung des unter Tagesordnungspunkt 2 eingebrachten Gesetzentwurfs der Abgeordnete Mertes.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Werner Mertes


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu den wichtigsten Pflichten aller Mitglieder dieses Hauses gehört es, über die gesunde Entwicklung der materiellen Basis unseres Volkes zu wachen und sie zu fördern. Die-



    Mertes
    ser schweren Pflicht kann weder durch hektische Betriebsamkeit noch durch Untätigkeit genügt werden.

    (Demonstrativer Beifall bei der CDU/CSU. — Beifall bei Abgeordneten der Regierungsparteien.)

    Sie erfordert vielmehr — und das vor allem in der Konjunkturpolitik — eine gründliche und nüchterne Analyse, die Bildung eines wohlabgewogenen Urteils und entschlossenes Handeln, wenn es die zugegebenermaßen häufig nicht leicht zu interpretierenden Indikatoren der wirtschaftlichen Entwicklung angezeigt erscheinen lassen. Die dem Wirtschaftsprozeß innewohnende Dynamik duldet keinen Aufschub, und diese Dynamik orientiert sich auch nicht an dem saisonalen Rhythmus der Parlamente. Das mag bedauerlich sein, ist aber leider nicht zu ändern.
    Lassen sie mich zunächst mit einigen großen Pinselstrichen ein Bild der heutigen wirtschaftlichen Lage zeichnen. Die Überhitzung in der Wirtschaft der Bundesrepublik hält an. Ich glaube, daran besteht wohl kein Zweifel.

    (Abg. Leicht: Und warum?)

    Beschäftigungspotential und Produkktionskapazitäten sind bis zum äußersten gefordert. Bisher kam es noch nicht zu einem Abbau der sehr hohen Auftragsbestände und mithin auch nicht zu der wünschenswerten Verringerung des Nachfragedrucks. Die Auftragsbestände der Industrie sichern eine Produktionsdauer von über vier Monaten. Die Bestellungen der Industrie liegen weiterhin über den gleichzeitigen Lieferungen. Im April und Mai waren es 5 %, in der Verbrauchsgüterindustrie sogar 10 %. Ein solches, noch nie gekanntes Auftragspolster hat natürlich seine Rückwirkungen auf das Denken und Handeln der am Wirtschaftsprozeß Beteiligten. Maßstäbe drohen verlorenzugehen, deren Verlust die Solidität der deutschen Wirtschaft erschüttern könnte.
    lm Bereich der Bauwirtschaft hat die Nachfrage im öffentlichen Tiefbau im bisherigen Jahresverlauf konjunkturell abgenommen, doch zeigten die Hochbaugenehmigungen nach einem Rückgang im ersten Jahresviertel im April wieder einen sehr kräftigen Anstieg. Der private Verbrauch entwickelte sich, begünstigt durch die kräftigen Einkommenssteigerungen, sehr lebhaft. Selbstverständlich soll wohlverdientes Einkommen der Erfüllung der Verbraucherwünsche dienen; aber wir müssen uns ernsthaft die Frage vorlegen, oh der Produktionsapparat nicht überfordert wird, wenn alle Wünsche gleichzeitig befriedigt werden sollen.
    Die Industrieproduktion erweist sich zwar weiterhin als bemerkenswert elastisch, jedoch sind bei deutlicher Verlangsamung der Produktivitätsfortschritte gewisse Grenzen deutlich geworden. Die Bautätigkeit kam nach dem strengen Winter erst im späten Frühjahr wieder richtig in Gang. Die starke Anspannung des heimischen Produktionsapparates wird, mindestens teilweise, durch die kräftige Einfuhr insbesondere von Fertigwaren gemildert. Es gilt jedoch zu bedenken, meine Damen und Herren, daß per Saldo den deutschen Märkten durch den Exportüberschuß Güter entzogen werden.
    Besonders deutlich signalisiert der Arbeitsmarkt die Überbeanspruchung. Bei einer Arbeitslosenquote von 0,4 % kann das Angebot an Arbeitskräften praktisch nur noch durch zusätzliche Gastarbeiter erhöht werden. Aber auch diese Entlastungsmöglichkeit ist begrenzt, da die Anwerbung von Gastarbeitern, deren Zahl, wie Sie wissen, bereits 1,8 Millionen beträgt, allmählich schwierig wird.
    Wie hat sich nun dieser Arbeitskräftemangel auf die Lohnentwicklung ausgewirkt? Die tariflichen Verdienstaufbesserungen fielen im ersten .Jahresdrittel 1970 mit rund 11 °'o gegenüber dem Vorjahr größer aus als im letzten Drittel von 1969, obwohl damals unter dem Eindruck der Arbeitsniederlegungen vom September eine fällige Anpassung an den fortgeschrittenen konjunkturellen Aufschwung vollzogen wurde. Das volle Ausmaß der Lohn- und Gehaltsexpansion wird jedoch erst deutlich an der Entwicklung der Effektivverdienste je Beschäftigten, die im ersten Drittel 1970 um knapp 16 % über dem entsprechenden Vorjahresniveau lagen. Da die Produktivitätszunahme mit der Lohn- und Gehaltssteigerung des gegenwärtigen Ausmaßes nicht Schritt halten kann, wird die Diskrepanz zwischen Lohnkosten und Produktivität zunehmend größer.
    Um nun, meine Damen und Herren, das aktuelle Konjunkturbild zu komplettieren, möchte ich mich der Preissituation auf den Gütermärkten, die zwar nicht letzte Ursache, aber doch wichtiger Anlaß dieser Sitzung ist, zuwenden.
    Der Anstieg der industriellen Erzeugerpreise, der am Jahresanfang sehr steil war, hat sich abgeflacht. Der Abstand zum entsprechenden Vorjahresniveau liegt jedoch noch immer über 6 %, bei den Baupreisen sogar bei 14,8 %. Die private Lebenshaltung hat sich von Januar bis Mai weiter verteuert. Der Anstieg war im Mai und .Juni aber nicht mehr stärker als im Vorjahr, so daß der Preisabstand gegenüber der entsprechenden Vorjahreszeit, der im April 3,8 % erreicht hatte, zuletzt unverändert geblieben ist.
    Die Abflachung der ansteigenden Preiskurve gibt allerdings weder bei den industriellen. Erzeugerpreisen noch beim Preisindex für die Lebenshaltung Gewähr für eine künftige ruhigere Preisentwicklung.
    Nach den jüngsten Ergebnissen des Ifo-Konjunkturtestes — es wurde bereits darauf hingewiesen — hat die Zahl der Unternehmer, die in der Zukunft mit Preissteigerungen rechnen, sowohl in der verarbeitenden Industrie als auch im Einzelhandel wieder zugenommen. Solange die Spannungen auf den Märkten und der Kostendruck auf die Preise anhalten, ist die Gefahr nicht beseitigt, meine Damen und Herren, daß die Preise stärker ansteigen, als politisch toleriert werden kann.
    Angesichts der jüngsten Konjunkturdaten dürfen wir uns nicht dem Gedanken hingeben, daß die Erschwerung der Finanzierung, die seit der Aufwertung bewirkt wurde, sowie die zurückhaltende Haushaltsgebarung des Bundes allein schon die



    Mertes

    (d die restriktive Kreditpolitik, ein Hauptpteiler im Gebäude der bisherigen Stabilitätspolitik, in zunehmender Gefahr schwebt, vom Ausland her unterspült zu werden. Deutliche Hinweise auf das Ausmaß dieser Gefahr haben die Devisenzuflüsse von 3,4 Milliarden DM im Juni und 2,8 Milliarden DM in den ersten acht Juli-Tagen ergeben. Wenn die weitere Entwicklung dem gegenwärtig noch wirksamen Bündel restriktiver Maßnahmen überlassen bleibt, das sich hinsichtlich der Kreditpolitik zudem bald auflösen kann, wird das Dilemma einer Stagnation der Nachfrage bei fortgesetztem Preisund Kostenanstieg akut. Einen Augenblick, Herr Abgeordneter. Ich bitte diejenigen, die Gespräche längerer Art zu führen haben, sich etwas in den Hintergrund zu begeben. Es ist sonst sehr schwer für die gesamte Verhandlungsführung. Bitte schön, Herr Abgeordneter. Meine Damen und Herren, der Preisanstieg ergibt sich dabei nicht zuletzt daraus, daß bei noch angespanntem Arbeitsmarkt die Effektivlöhne weiterhin in einem Ausmaß steigen, daß bei abnehmender Produktivitätssteigerung nicht stabilitätskonform ist. Je tiefer die Konjunkturpolitik in dieses Dilemma gerät, desto stärker sind ihr die Hände für eine dann möglicherweise notwendige expansive Politik gebunden. Wohin das führen kann, zeigen z. B. die Vorgänge in den USA. Angesichts dieser Situation eröffnet, wie ich schon sagte, nur schnelles und in der Wahl der Instrumente abgewogenes Handeln die Aussicht, diesem Dilemma zu entgehen. Ich komme damit auf den vorliegenden Gesetzentwurf zu sprechen, der von den Koalitionsfraktionen eingebracht wurde und der die Erhebung eines rückzahlbaren Konjunkturzuschlages zur Einkommenund Körperschaftsteuer vorsieht. Dieser Gesetzentwurf stellt einen bedeutenden Fortschritt in der Entwicklung des konjunkturpolitischen Instrumentariums der Steuerpolitik dar. Die erheblichen budgetpolitischen Anstrengungen der Bundesregierung und die kreditpolitischen Maßnahmen der Bundesbank haben nicht ausgereicht — das muß offen zugegeben werden , (Abg. Dr. Müller-Hermann: Wem sagen Sie das?)


    (Unruhe.)