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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 59. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 17. Juni 1970 Inhalt: Begrüßung des Präsidenten des indischen Unterhauses . . . 3215 A Amtliche Mitteilungen . . . . . . . 3215 A Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. Deutschland-, Ost- und Europapolitik (Drucksachen VI /691, VI /757) in Verbindung mit Entwurf eines Gesetzes zu dem Beschluß des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 21. April 1970 über die Ersetzung der Finanzbeiträge der Mitgliedstaaten durch eigene Mittel der Gemeinschaften (Drucksache VI /880) — Erste Beratung — und mit Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 22. Arpil 1970 zur Änderung bestimmter Haushaltsvorschriften der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften und des Vertrags zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften (Drucksache VI /879) — Erste Beratung — Brandt, Bundeskanzler . 3215 C, 3244 C Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) 3219 B Wienand (SPD) 3226 C Borm (FDP) 3230 D Scheel, Bundesminister . 3235 D, 3268 A Dr. h. c. Kiesinger (CDU/CSU) . . . 3240 B, 3248 C Dr. Barzel (CDU/CSU) . . 3245 A, 3275 D Dr. Apel (SPD) 3248 D Dr. Ehmke, Bundesminister 3250 A, 3272 B Dr. Rutschke (FDP) 3252 B Baron von Wrangel (CDU/CSU) 3254 D Behrendt (SPD) . . . . . . . 3256 C Strauß (CDU/CSU) 3261 B Mischnick (FDP) 3273 D Nächste Sitzung 3276 D Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 3277 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 59. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Juni 1970 3215 59. Sitzung Bonn, den 17. Juni 1970 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 59. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Juni 1970 3277 Anlage zum Stenographischen Bericht Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Bartsch 19. 6. Breidbach 19. 6. Frau Dr. Focke 17. 6. Heyen 19. 6. Katzer 17. 6. Freiherr von Kühlmann-Stumm 17. 6. Dr. Lohmar 30. 6. Müller (Remscheid) 17.6.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wolfgang Rutschke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Barzel hat vorhin seine Ausführungen damit geschlossen, daß er bestrebt sei, Erleichterungen des Klimas in diesem Bundeshaus zwischen der Opposition und den Koalitionsparteien zu erreichen. Auch ich kann nur, wie es eben schon geschehen ist, die Feststellung treffen, daß er genau das Gegenteil dessen getan hat. Die Polemik, die seit einiger Zeit in verstärktem Maße in dieses Haus eingezogen ist, führt uns doch nicht weiter. Ich glaube, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß wir damit dem Ansehen dieses Bundestages in der Öffentlichkeit keinen Gefallen tun,

    (Beifall bei den Regierungsparteien)

    sondern daß wir dem Parlament durch diese unsachliche Polemik schaden.
    Die Regierung gibt Antworten auf Fragen, die von der Opposition gestellt werden. Es hört aber von der Opposition offensichtlich niemand zu; denn man kommt drei Minuten später mit denselben Fragen, mit denselben Behauptungen, mit denselben Unterstellungen. Dann ist es natürlich sehr schwierig für die Regierung und die Koalitionsparteien, wieder von vorn anzufangen und sich gegen diese Gebetsmühlen zu wehren.
    Herr Barzel leider ist er nicht hier — gefällt
    sich dann in rabulistischen Darstellungen, indem er sagt, die CDU/CSU sei einverstanden, die Grenzen zu achten, aber das sei etwas völlig anderes, als wenn der Bundeskanzler sage, daß er die Grenzen achten werde und sie künftig als unverletzlich ansehe. Meinen Sie denn, wenn Sie sagen, daß Sie die Grenzen achten wollen, daß das nur eine Momentaufnahme ist, und wollen Sie gleichzeitig damit sagen, daß Sie in Zukunft nicht bereit sind, diese Aussage weiterhin aufrechtzuerhalten? — Ja, Herr Kiesinger, das ist doch aber die logische Folge daraus. Das ist doch die eine reine Rabulistik, was hier getrieben wird, was Herr Barzel hier tut.

    (Abg. Dr. h. c. Kiesinger: Sagen Sie doch klar, Sie wollen die Grenzen achten, aber nicht anerkennen! Dann wissen wir es! Sagen Sie das Wort!)

    — Aber verzeihen Sie, die Grenzen achten heißt,
    daß ich die Grenzen als bestehend sehe. Oder nicht?

    (Abg. Dr. h. c. Kiesinger: Wollen Sie sie auch anerkennen?)

    Und wenn ich sage, daß ich diese Grenzen auch künftig unverletzlich halte, dann bezieht sich das doch auf Gewalt.

    (Abg. Dr. h. c. Kiesinger: Sehr gut!)

    Denn verletzen kann man doch nur durch Gewalt. Also!

    (Beifall bei den Regierungsparteien. -Abg. Dr. h. c. Kiesinger: Sehr gut! Das Wort hätte ich nur gern von dem Herrn Außenminister selbst gehört!)

    — Dann müssen Sie zuhören, Herr Kiesinger! Nur so ist es aufzufassen: Sie wollen eben in einer Form Unterschiede konstruieren, die letzten Endes in der Sache überhaupt nicht weiterführen.
    Ich hatte mir an sich vorgenommen, hier zur Europapolitik zu sprechen. Ich glaube, daß das zweckmäßiger sein wird; denn ich habe das Gefühl, daß das andere sinnlos ist. Man überzeugt niemanden, weil niemand überzeugt werden will. Das ist wirklich schlimm.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Anlaß für die heutige Debatte sind Vorlagen, die zeigen, daß wir auf dem Weg nach Europa ein entscheidendes Stück vorwärtsgekommen sind. Wir Freien Demokraten sind über diesen Fortschritt besonders befriedigt; denn hier zeigen sich Früchte einer Politik, die wir seit langem betrieben und maßgeblich mitgestaltet haben. Es ist seit jeher unsere Überzeugung, daß die politische Zukunft unseres Landes mitbestimmt wird von dem Fortgang der europäischen Einigungsbewegung.
    Diese europäische Bindung bedeutet für uns die feste Verankerung unseres Landes mit dem freiheitlichen und rechtsstaatlichen System des Westens. Nur mit dieser Verankerung sehen wir uns in der Lage, unsere Blicke auch auf jenen anderen Teil Europas zu richten, der nach dem Krieg in einer für



    Dr. Rutschke
    das deutsche Volk besonders schmerzlichen und tragischen Weise von uns getrennt worden ist. Wenn wir uns heute der Hoffnung hingeben, daß es uns gelingen kann, neue Brücken nach Osten zu schlagen, die unser Verhältnis zu Sowjetrußland und den anderen Staaten des östlichen Europas verbessern, wenn wir vielleicht auch einen Hoffnungsschimmer sehen, daß es uns gelingen kann, das Verhältnis zum anderen Teil Deutschlands zu normalisieren — in einem schweren und sicher sehr langwierigen Prozeß, an dessen Beginn wir eben erst stehen —, so war Voraussetzung für dieses Bemühen die Zuversicht, daß gleichzeitig das Ineinanderwachsen im freien Teil Europas und besonders innerhalb der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft fortschreiten werde. Diese Symmetrie in der Entwicklung unserer Beziehungen nach beiden Seiten ist für die FDP ein kardinaler Punkt ihres politischen Konzepts.
    Wie war die Lage im Herbst 1969, als wir mit der SPD die Koalition eingingen und diese Regierung bildeten? Die europäische Einigungsbewegung war festgefahren. Der europäische Gedanke schien erstickt in bürokratischem Tauziehen um technische Details, um Marktordnungen, von denen der Normalbürger dieses Landes wenig oder nichts versteht, von einem kleinlichen Feilschen um Zugeständnisse und Vorteile. Der große politische Schwung schien nach der Krise durch den zeitweiligen Auszug Frankreichs aus dem Ministerrat verloren. Es war offen, ob der europäische Gedanke noch eine Zukunft hätte, ob wir jemals aus der Zerstrittenheit herausfinden würden.
    Es ist dieser Bundesregierung und ihrer Initiative zu danken, wenn wir heute wieder hoffnungsfroher auf das kommende Europa blicken können.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Schon fünf Wochen nach dem Regierungswechsel haben Bundeskanzler und Außenminister entscheidend zu einem neuen Durchbruch für den europäischen Gedanken auf der Haager Gipfelkonferenz beigetragen. Es ist ihnen gelungen, Frankreich aus seiner schwankenden Haltung mitzureißen. Daß es nicht bei einem Lippenbekenntnis geblieben ist, haben die Verhandlungen im EWG-Ministerrat während des letzten Winters gezeigt. Es ging darum, die Gemeinschaft zu vervollständigen und zu vertiefen, um den Weg für die Erweiterung freizumachen. Es galt, ein Bündel von Interessen in einen ausgewogenen Kompromiß aufzulösen. Die schwersten Brocken, die dabei aus dem Weg geräumt werden mußten, waren die Beschlußfassungen über die Agrarmarktordnungen für Tabak und Wein, auf die Italien auf Grund eines Ratsbeschlusses vom Mai 1960 einen Anspruch erhob.
    Gleichzeitig mußte die endgültige Finanzierungsregelung für den Agrarmarkt im ganzen gefunden werden, auf der Frankreich bestand, bevor über die Erweiterung • der Gemeinschaft verhandelt werden konnte. Auch Frankreich konnte sich auf eine Grundsatzregelung in Art. 2 der bekannten Finanzverordnung Nr. 25 berufen, die im Jahre 1962 vom Ministerrat verabschiedet worden war.
    Die deutschen Interessen lassen sich einfacher umschreiben und darstellen: Deutschland mußte sicherstellen, daß seine finanziellen Belastungen in Grenzen gehalten und die Haushaltsbefugnisse des Europäischen Parlaments gestärkt wurden. Denn dies letztere ist nach unserer Meinung von besonderer Bedeutung für die Entwicklung der Gemeinschaft, für ihre politische Selbständigkeit, für ihre Handlungsfähigkeit und für das Eigengewicht, das ihr zunehmend wird zukommen müssen.
    Es ging auch diesmal nicht ohne Marathonverhandlungen ab. Unseren Unterhändlern — und ich möchte hier neben dem Bundesaußenminister den Bundeslandwirtschaftsminister, aber auch den Staatssekretär des Bundesministeriums der Finanzen nennen — sind wir besonderen Dank schuldig. Sie haben Unermüdlichkeit und Verhandlungsgeschick bewiesen, womit sie entscheidend zu einem ausgewogenen und auch für die Bundesrepublik befriedigenden Ergebnis beigetragen haben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich glaube, es ist kein Zufall, daß mit den Genannten drei Freie Demokraten in vorderster Linie diese Schlacht für Europa geschlagen haben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Besonders hervorheben möchte ich die folgenden Punkte: Erstens. Mit der Übertragung der eigenen Einnahmen wird die Grundlage für eine neue europäische Finanzverfassung geschaffen. Ab 1. Januar 1971 werden die Matrikularbeiträge an die Gemeinschaft mit unbeschränkter Nachschußpflicht abgelöst durch ein ausgewogenes Finanzierungssystem, in dem zugleich die Lasten begrenzt werden. Dieser Gesichtspunkt scheint mir für den deutschen Steuerzahler von besonderem Interesse zu sein. In den früheren Diskussionen war dieser Gedanke nicht oder allenfalls nur in Andeutungen zu finden.
    Zweitens. Verbunden hiermit ist es gelungen, den Gedanken einer mehrjährigen Finanzplanung im europäischen Bereich durchzusetzen. Kernstück dieser Regelung ist eine dreijährige Finanzplanung. Dies bedeutet nicht nur mehr Vorausschaubarkeit und mehr Sicherheit für die Entwicklung in Europa. Es gibt auch den Partnerländern und vor allem uns selbst eine Grundlage für unsere eigenen Haushaltsund Finanzplanungen. Das Damoklesschwert der unvorhersehbar und ins Ungemessene wachsenden Nachschußpflichten an europäische Fonds ist beseitigt worden.
    Drittens. Mit der Übertragung eigener Einnahmen und der Verstärkung der Haushaltsbefugnisse des Europäischen Parlaments wird endlich auch im europäischen Bereich das originärste parlamentarische Recht, das Budgetrecht, mit einem ersten Schritt eingeführt.

    (Beifall bei der FDP.)

    Ich brauche hier nicht zu unterstreichen, was das bedeutet, denn in der geschichtlichen Entwicklung des Parlamentarismus spielt das Haushaltsrecht eine überragende Rolle. Und ,ich bin sicher, daß das in Zukunft nicht anders sein wird.



    Dr. Rutschke
    In der Interimszeit, also vom 1. Januar 1971 bis 31. Dezember 1974, hat noch der Ministerrat das letzte Wort beim Europäischen Parlament Eine weitergehende Befugnis für das Europäische Parlament wäre wünschenswert. Sie ließ sich aber angesichts des Widerstandes der anderen Mitgliedstaaten noch nicht durchsetzen. Ich möchte an dieser Stelle die Bundesregierung auffordern, diesem Punkt ihre besondere Aufmerksamkeit zu widmen und bei günstiger Gelegenheit neue Vorstöße zu unternehmen, damit wir in diesem kardinalen Punkt baldmöglichst weitere Fortschritte verzeichnen können.
    Viertens. Mit den Marktordnungen für Tabak und Wein ist der Agrarsektor in dieser europäischen Verhandlungsrunde weitgehend bereinigt worden. Besonders bedeutsam waren die Verordnungen auf dem Tabaksektor, denn hier verknüpfen sich Marktordnungsprobleme mit großen Steuerproblemen. Wir haben verhindern können, daß wir uns dem Diktat anderen Verbrauchergeschmacks unterwerfen müssen, und wir haben sichergestellt, daß unsere Handelsbeziehungen zu dritten Ländern nicht gestört werden.
    Bei der Verabschiedung der Weinmarktordnung hat es äußerst schwieriger und zäher Verhandlungen von Minister Ertl bedurft, um sowohl die Interessen der deutschen Verbraucher als auch die Interessen der deutschen Weinanbauer zu wahren. Der deutsche Wein hat in der Welt 'seine Qualitätsgeltung, und er wird sie unter den neuen Marktordnungen behalten und sogar noch ausbauen können.
    Diesen Teil der Einigungsfortschritte im Bereich der Agrarmarktordnungen, der von diesem Hausse nicht ratifiziert zu werden braucht, muß man kennen, wenn man ,das Gesamtwerk würdigen will, von dem hier ein entscheidender Teil auf dem Tisch liegt.
    Meine Damen und Herren, so begrüßenswert diese Fortschritte für den Gemeinsamen Markt der Sechs sind, wesentlich bedeutsamer ist noch, daß damit der Schlüssel für das Tor gefunden ist, durch das weitere Länder Eingang in die Gemeinschaft finden können und sollen. Die Freien Demokraten begrüßen es in ganz besonderer Weise, daß in diesem Sommer endlich ein neuer Anlauf unternommen wird. Wir hoffen sehr, daß nun der Beitritt Großbritanniens und der anderen beitrittswilligen Länder, Dänemark, Norwegen und Irland, gelingen möge. Wir möchten den Herrn Bundeskanzler und den Herrn Außenminister insbesondere darum bitten, alles in ihren Kräften Stehende zu tun, diesen Erfolg herbeizuführen. Wir wissen, daß die Verhandlungen schwierig sein werden. Wir wissen, daß viele technische, im einzelnen äußerst schwierige Probleme gelöst werden .müssen.
    Wir wissen 'aber auch, daß es gilt, entscheidende berechtigte 'deutsche Interessen zu wahren, und daß wir uns auch hier wieder mit einer gewissen Geduld wappnen müssen. Die neu eröffnete Chance, die Gemeinschaft auf ein größeres Europa zu erweitern, darf nicht verspielt werden. Dieser Zwang darf uns aber andererseits nicht davon abhalten, unsere berechtigten Interessen nachdrücklich zu vertreten. Wir haben die Zuversicht, daß 'dies bei dem Verhandlungsgeschick, da's unsere Unterhändler bei den Verhandlungen im letzten halben Jahr bewiesen haben, gelingen wird.
    Der Vorteil Europas für den europäischen Verbraucher darf nicht durch untragbare Belastungen für den europäischen Steuerzahler erkauft werden. Andererseits wissen wir aber auch, daß die europäische Einigung ihren Preis hat und einen Preis wert ist.
    Um eines ganz klar zu sagen: die Erweiterung und Vollendung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ist nur vordergründig eine vorwiegend wirtschaftliche Frage. Sie ist ihrem Kern nach eine politische Frage, und zwar eine politische Existenzfrage dieses Kontinents. Die Freien Demokraten begrüßen die Gesetzesvorlage und werden ihr zustimmen. Wir sehen darin eine Ermutigung und Ermunterung. Wir werden fortfahren, auf der Grundlage der fortschreitenden europäischen Einigung zur Entspannung in Europa — und ich meine hier ganz Europa — entscheidend beizutragen. So verstehen wir europäische Politik und deutsche Politik, denn deutsche Politik muß immer Europapolitik sein.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Liselotte Funcke
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Meine Damen und Herren, der Ältestenrat war für 14 Uhr einberufen. Er tritt zusammen, sobald das Plenum zu Ende ist. Wir haben noch neun Redner, mehrere mit verlängerter Redezeit; es wird sich also wohl noch eine Weile hinziehen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete von Wrangel.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Baron Olaf von Wrangel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich hätte es begrüßt, wenn wir diese Debatte dazu benutzen könnten, die europäischen Probleme jetzt hier zu vertiefen.

    (Zurufe von der SPD: Das hätten wir auch begrüßt!)

    Aber, meine Damen und Herren von der SPD, nach der Rede, die Herr Professor Ehmke hier gehalten hat, sind wir gezwungen, diesen Teil der Debatte fortzusetzen; denn dies war eine Rede nach dem Motto „Haltet den Dieb!", es war ein billiger Versuch, so zu tun, als sei die Gemeinsamkeit in diesem Hause von der CDU/CSU aufgekündigt worden.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Hermsdorf [Cuxhaven]: Es ist auch so!)

    Es war ein billiger Versuch, Herr Kollege Wehner, Herrn Barzel als Popanz aufzubauen, obwohl Sie es doch gewesen sind, der die Gemeinsamkeit in diesem Hause mit Ihren letzten Reden aufgekündigt hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Wehner: Davon verstehen Sie nichts! — Abg. Rasner: Der Wähler hat es quittiert! — Abg. Dr. Apel: Warten Sie doch einmal ab!)




    Baron von Wrangel
    Ich muß darüber hinaus feststellen, daß auch heute weder der Herr Bundeskanzler noch der Herr Bundesaußenminister auf die zehn Punkte eingegangen sind, die hier vom Vorsitzenden der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion nicht zum erstenmal genannt worden sind. Und, Herr Kollege Wehner, wenn Sie sagen, davon verstünde ich nichts, so kann ich nur wiederholen: Sie sind nach Ihren Reden bestimmt nicht mein Lehrmeister, und ich werde mir von Ihnen auch nicht diese Maßstäbe setzen lassen. Sie befinden nicht darüber, wovon ich etwas verstehe und wovon nicht.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Apel: Das ist auch hoffnungslos!)

    Meine Damen und Herren, nach dem Versuch von Herrn Ehmke, in einer Mischung von professoraler Arroganz und vordergründiger Polemik mit uns herumzurechten,

    (Lachen und Zuruf von der SPD: Das macht Herr Barzel!)

    kann man nur feststellen: ich habe gerade heute wieder den Eindruck bekommen, als handle diese Regierung nach dein Motto „Maxi-Deklamationen und Mini-Aussagen" von sich zu geben.

    (Zurufe von der SPD: Ha, ha!)

    Wir haben heute morgen erlebt, daß der Bundeskanzler wieder einmal von der Kontinuität und von der Gemeinsamkeit und der Notwendigkeit einer Gemeinsamkeit gesprochen hat. Ich glaube doch, daß es gut gewesen wäre, wenn der Bundeskanzler von sich aus gesagt hätte, was er denn nun genau unter dieser Gemeinsamkeit versteht. Er ist auch in seiner kurzen polemischen Intervention die notwendigen klaren Antworten schuldig geblieben. Ich frage mich außerdem gerade nach dieser Rede des Bundeskanzlers und — wenn man so will — auch gerade nach dem, was hier vom Kollegen Marx, von Herrn Dr. Kiesinger, von Herrn Dr. Barzel gesagt worden ist, warum diese Regierung und diese Koalition nicht bereit sind, wenn sie die Gemeinsamkeit wollen, mit uns z. B. eine gemeinsame Resolution zu verabschieden, eine Resolution auf der Grundlage der Politik der letzten zwanzig Jahre. Diese Weigerung muß doch einen Grund haben.

    (Zurufe von der SPD.)

    — Meine Damen und Herren von der SPD, wenn Sie es als Pamphlet bezeichnen, dann denke ich z. B. an die Resolution vom 26. September 1968, die ja Ihre Zustimmung gefunden hat. Wenn das heute ein Pamphlet ist, dann fällt es auf Sie selber zurück.
    Wir haben heute über den 17. Juni gesprochen, und es wäre vielleicht Anlaß, hier auch einmal zu erwähnen, daß wir als Opposition in diesem Hause eine Kontrollfunktion wahrzunehmen haben, um so mehr, als sich große Teile der Koalition offenbar nur noch als Hilfstruppe der Regierung betrachten.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    lch würde dann sagen, daß auch eine solche kontroverse Diskussion durchaus ein demokratisches Kontrastprogramm zu jener monotonen Hetze ist, wie wir sie drüben erleben.

    (Zurufe von der SPD.)

    Ich brauche Herrn Dr. Kiesinger nicht noch einmal zu interpretieren. Festzuhalten bleibt, daß Dr. Kiesinger die Streitfragen, von denen wir wissen, daß sie im Augenblick leider nicht gelöst werden können, einem Friedensvertrag vorbehalten lassen wollte und will. Sie wollen sich möglicherweise aber schon in eine Verhandlungsphase begeben, in der — jedenfalls nach dem, was wir vom Bahr-Papier wissen — nun eben doch so etwas wie ein Minifriedensvertrag paraphiert wird. Es ist doch die Pflicht der Bundesregierung, den Nachweis zu erbringen — ich will mich hier gar nicht weiter mit der juristischen Auslegung des Art. 79 beschäftigen —, daß das, was wir von den sogenannten Bahr-Papieren wissen, in der Substanz falsch ist. Wenn es richtig ist, befinden wir uns in einer Situation, in der dies alles — ich will mich vorsichtig ausdrücken — involviert sein könnte.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Ich will jetzt nicht die Märchenstunden wiederholen, die. hier andere über die Politik der Vergangenheit immer wieder inszenieren, vielleicht um sich ein tagespolitisches Alibi zu verschaffen, sondern ich will nur eins sagen. Herr Professor Ehmke hat hier erklärt: Wenn wir die Gelegenheit heute nicht ergreifen, wird vielleicht morgen oder übermorgen oder in fünf Jahren wieder die Rede von verpaßten Chancen sein. -- Meine Damen und Herren, wo sind denn die Chancen? Wo ist es denn gelungen, etwas für die Menschen zu erreichen? Wir bedauern es mit Ihnen, daß es nicht gelungen ist. Aber tun Sie doch nicht so, als würde es Ihnen trotzdem gelingen!

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Rutschke: Warten Sie doch mal ab!)

    Das ist doch eine Irreführung der öffentlichen Meinung.

    (Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Es gibt manche Leute, für die ist nichts sicherer als die Zukunft und nichts ungewisser als die Vergangenheit!)

    Wir sind der Meinung, daß gerade in Fragen, die das Selbstbestimmungsrecht unseres Volkes betreffen, es eben auch in verbalen Einlassungen nicht so etwas wie eine Resignation geben darf. Wenn eines Tages die Resignation in diesem Lande triumphiert, sind doch die ersten Zeichen gesetzt, möglicherweise eben auch die Zeichen für eine Begrenzung und Beschränkung der Freiheit in der Bundesrepublik selbst.
    Abschließend möchte ich vier Kriterien nennen, von denen ich glaube, daß man sie beachten sollte.
    Erstens. Herr Außenminister, was nützt und was schadet diese Politik, in der Sie z. B. — das muß man hier noch einmal deutlich sagen — in diplomatischen Verhandlungen das Selbstbestimmungsrecht verschweigen und hier im Hause postulieren? Was soll diese Politik dem Selbstbestimmungsrecht des deutschen Volkes nützen? Durch diese Politik wer-



    Baron von Wrangel
    den doch Erwartungen geweckt, deren Erfüllung zur Demontage des Selbstbestimmungsrechts führen würde. Erfüllen Sie diese Erwartungen aber nicht, dann leiten Sie sicherlich eine neue Phase des kalten Krieges ein. Eines von beiden ist aber nur möglich.
    Zweites Kriterium: was nützt und was schadet eine solche Politik den Menschen? Doch gewiß nicht eine Politik, deren Verhandlungsmethode so angelegt ist, daß die andere Seite mögliche Opfer kennt und genau weiß, daß diese Bundesregierung eben vielleicht doch bereit ist, diese Barrieren anzuerkennen, die das Fundament für eine unmenschliche Politik sind.
    Drittes Kriterium: was nützt und was schadet diese Politik dem Status von Berlin? Die Festschreibung von Grenzen, so wie sie in den Bahr-Papieren steht, bedeutet doch in jedem Fall, daß Berlin juristisch und politisch einen Status quo minus erhält.

    (Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Und bedeutet, daß Ostberlin die Hauptstadt der DDR ist!)

    Deshalb sagen wir ganz deutlich, man müsse zunächst einmal die Sondierungen der Alliierten abwarten.
    Wir fragen viertens: was schadet und was nützt diese Politik der Bundesrepublik Deutschland selbst? Wenn wir uns in dieser Weise in die Defensive begeben, dann muß doch eine Situation eintreten, in der der Bundesrepublik Deutschland im Wettkampf der Systeme das notwendige Instrumentarium genommen wird, um diesen Wettkampf friedlich zu gewinnen.

    (Zurufe des Abg. Mattick.)

    Und weiter: die Festschreibung der Grenzen — es wurde schon angedeutet -- bedeutet ja doch, Herr Kollege Mattick, daß möglicherweise bei der ideologisch-aggressiven Struktur der Sowjetunion es möglich sein könnte, daß man versuchen will, die europäische Politik einem sowjetischen Veto auszusetzen. Dies will und wird die CDU/CSU nicht mitmachen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir vertreten eine Politik des vernünftigen Ausgleichs, und wir sind auch hier bereit zu kooperieren. Wir wollen eine Politik der klaren Bekenntnisse. Wir wollen eine Politik, die der Bundesrepublik Deutschland mindestens Chancengleichheit erhält. Wir wollen eine Politik weiterentwickeln, die in Jahrzehnten zu den gemeinsamen Grundsätzen dieses Hohen Hauses gehört hat. Wir wollen eine Politik der Klarheit. Dies ist doch die Alternative der CDU/CSU. Die Bundesregierung, Herr Bundeskanzler, muß hier die Rückkehr antreten, wenn die Bundesrepublik als Ganzes eine glaubwürdige Politik betreiben will.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)