Rede von
Alfons
Pawelczyk
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich gehe davon aus, daß wir alle das Weißbuch durchgelesen und durchgearbeitet haben und daß wir hier unsere Stellungnahmen, auch darüber hinausgehende, abgeben.
Das ist die Grundlage der Diskussion, und dazu sollte man es genau lesen. Deswegen habe ich meine Eingangsbemerkung gemacht.
Für falsch halte ich es — um das hier abschließend zu diesem Teil zu sagen —, in Zukunft Versuche zu unternehmen, die den Soldaten wieder in eine Sonderstellung führen sollen. Das muß zwangsläufig dazu führen, daß das Trennende zwischen Armee und Gesellschaft gesucht wird. Das wäre integrationshemmend und würde eine Entwicklung einleiten, die wir nicht zulassen können.
Einsatzwert und Berufsattraktivität hängen im übrigen nicht von der Einräumung einer Sonderstellung ab. Der Einsatzwert hängt dagegen allerdings davon ab, in wie großem Umfang Staatsbürger in Uniform und Staatsbürger die Abschreckungsfunktion, die wir alle in diesem Staat zu leisten haben, verstehen. Hier, glaube ich, hat die neue Bundesregierung in einem dreiviertel Jahr Erhebliches an Bewußtseinsbildung geschaffen durch die Veranstaltung der Bestandsaufnahme, durch die Anteilnahme des Bundeskanzlers.
Ich will hier ausdrücklich die Beteiligung des Bundespräsidenten an den Sorgen der Soldaten erwähnen. Ich habe mir eine Zusammenstellung geben lassen, aus der zweifelsfrei hervorgeht, daß sich dieser Bundespräsident in nicht ganz einem Jahr mehr mit den Problemen der Soldaten beschäftigt hat — durch Besuche, durch Gespräche, — als sein Vorgänger in den zehn Jahren davor.
— Für Sie — lassen Sie mich das auf diesen Zwischenruf sagen — gab es doch wohl ständig Anlaß, daran zu zweifeln, daß dieser Bundespräsident von der Notwendgikeit einer einsatzfähigen Armee überzeugt ist. Ich glaube, er hat hier einen Beweis geliefert, der diese Zweifel klar und eindeutig widerlegt.
Dieses Weißbuch, das uns vorgelegt worden ist, ist ein Weißbuch, das es nach 14 Jahren jedem ermöglicht, sich an den Diskussionen über sicherheitspolitische Fragen und über Probleme der Bundeswehr zu beteiligen. Es gab bisher kein Buch — das hat Herr Dr. Klepsch vorhin bestätigt —, das so klar und verständlich für den Laien die Probleme aufzeigt. Und wir sollten nicht versäumen, dieses Weißbuch allen Schulen in etlichen Exemplaren zur Verfügung zu stellen.
Wir stehen auch vor der Frage, ob die Verteilung des Etats, der uns zur Verfügung steht, richtig vorgenommen wurde. Ich bin der Überzeugung, daß eine Senkung des Etats nicht verantwortbar wäre, ich bin aber genauso der Auffassung, daß es nicht verantwortbar wäre, den Nachholbedarf an sozialpolitischen Maßnahmen immer weiter hinaus-
2798 Deutscher Bundestag —6. Wahlperiode — 54. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1970
Pawelczyk
zuzögern. Nur wenn das vermieden wird, werden wir auch in Zukunft eine einsatzfähige Armee haben.
An den bestehenden Schwierigkeiten, die die Bundeswehr hat, tragen Sie — das will ich Ihnen deutlich sagen — ein erhebliches Maß an Schuld. Sie haben 14 Jahre lang ununterbrochen den Verteidigungsminister gestellt;
keiner Ihrer Koalitionspartner
hat jemals dieses Ressort geführt. Sie haben —
lassen Sie mich es noch einmal sagen; in meiner Zwischenfrage war es wahrscheinlich nicht deutlich genug — immer die Mehrheit gehabt, um die sozialpolitischen Maßnahmen, die Sie jetzt für so besonders wichtig halten, durchzusetzen.
Seit 1956 batten Sie jeden Tag diese Möglichkeit!