Rede von
Gerd
Springorum
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Wenn ich jetzt ebenfalls einige Worte zu dem sechsten Kapitel des Jahreswirtschaftsberichts, das sich mit Energiepolitik und Energiewirtschaft befaßt, sage, tue ich das nicht, um hier einer Energiedebatte das Wort zu reden. Dafür ist jetzt wohl nicht der richtige Zeitpunkt. Ich möchte vielmehr an Hand dieses konkreten Kapitels - das Energiekapitel ist wohl das konkreteste des ganzen Berichts — einmal unsere Sorge wegen der Art der Selbstdarstellung der Bundesregierung in diesem Bericht deutlich machen. Der Bericht liest sich wie eine Hofberichterstattung alter, vergessener, längst vergangener Zeit.
Alles Positive wird irgendwie auf die Handlungen der Regierung bezogen, sehr breit und deutlich dargestellt. Das Negative wird entweder gar nicht oder so zwischen den Zeilen versteckt gebracht, daß es der unvoreingenommene Leser nicht merkt. Ich meine, für eine Berichterstattung ist die Objektivität einfachste Voraussetzung.
Ich möchte das an der Darstellung der einzelnen Energieträger deutlich machen.
Zum Schluß des Berichts kommt die sowohl von der Länge als auch vom Inhalt her sehr dürftige Stellungnahme zur Kernenergie. Hier gibt die Bundesregierung die Verantwortung für die Leichtwasserbaureihe ab. Sie nimmt die Verantwortung nur noch für die zukünftigen Reaktoren, Hochtemperaturreaktoren und Brutreaktoren in Anspruch. Das Augenblickliche fällt in die andere Verantwortung. Warum?, fragt man sich. Wir wissen, daß der erste Reif auf die Euphorie für die Kernenergie gefallen ist.
Obwohl im vergangenen Jahr die Darbietung um 44 % gestiegen ist und hier eine Leistungsbilanz wirklich einmal am Platz gewesen wäre, schweigt sich der Bericht hierüber aus, weil es nicht zu dem Kommentar der Regierung paßt. Im Kommentar dieses ganzen Berichts heißt es: Die Preise gehen herunter. Das soll dem Leser suggeriert werden.
In dem Bericht über die Stromwirtschaft und Energiewirtschaft wird versucht, mit geradezu schlagzeilenartigen Darstellungen die Hoffnung zu erwecken, daß nun dank der Handlung der Bundesregierung die Preise sinken werden. Hier wird die Auflockerung der Monopolstellung zugesagt. Hier wird eine verbrauchsfördernde Ausgestaltung der Tarife angedeutet. Hier wird die Änderung des Konzessionsabgabenrechts zugesagt, alles Dinge, die bei dem Leser den Eindruck erwecken müssen, daß die Preise sinken. Zum Teil hat die Bundesregierung sich selbst eingeschränkt, indem sie sagt, diese Fragen bedürfen der Prüfung.
Dann kommt das Erdgas. Hier werden zwei wichtige Entscheidungen angekündigt. Die erste Entscheidung betrifft den Vertrag mit der Sowjetunion über die Lieferung von Erdgas. Hier wird gleichzeitig die große Vision des Erdgasverbundes vom
Ural bis zum Atlantik angedeutet. Ich will mich hier nicht über den Vertrag auslassen. Wir müssen uns aber klar sein, daß dieser Vertrag eine ganze Reihe technischer und wirtschaftlicher Probleme mit sich bringt, die sich nicht wegdiskutieren lassen. Darüber schweigt der Wirtschaftsbericht selbstverständlich.
Die zweite Entscheidung, die Senkung der Borderpreise, steht bevor, d. h. daß die Preise für das grenzüberschreitende niederländische Erdgas fallen werden. Ich freue mich darüber, daß sie demnächst fallen werden, obwohl es sich voraussichtlich nur um einige hundertstel Pfennige je 1000 WE handeln wird. Aber die Holländer werden hierfür eine Gegenleistung verlangen. Diese wird wahrscheinlich in einer Aufstockung der Mengenabnahme liegen. Es ist im Grunde nichts anderes als ein Mengenrabatt. Das aber wird wieder in dem Bericht verschwiegen.
Dann zum Mineralöl. Hier wird selbstverständlich der Vertrag mit der Deminex sehr groß herausgestellt. Hier wird gesagt, daß damit der deutschen Mineralölindustrie ein sicheres Fundament gegeben wird. Ich will hier nicht auf Schauerbohrungen vor Gabun und nicht auf die Verhandlungen mit Jordanien eingehen, aber: kein Wort in dem Bericht über die bedrückende wirtschaftliche Situation der deutschen Mineralölindustrie, kein Wort über den Verkauf von Frisia. Ich weiß noch, wie die damalige Oppositionspartei Anfang 1966 dem damaligen Bundeswirtschaftsminister mit großer Lautstärke vorwarf, daß er zuließe, daß deutsche Mineralölunternehmen ans Ausland verkauft würden.
Heute kann ein mittelbar bundeseigenes Mineralölunternehmen verkauft werden, ohne daß irgendeine Stellungnahme dazu erfolgt.