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ID0602902700

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    Deutscher Bundestag 29. Sitzung Bonn, Dienstag, den 17. Februar 1970 Inhalt: Anteilnahme an dem Anschlag auf das Altersheim der israelitischen Kultusgemeinde in München 1245 A Überweisung einer Vorlage an den Haushaltsausschuß 1245 B Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Frau Dr. Diemer-Nicolaus, Berlin, Dr. von Nordenskjöld, Dr. Erhard, Frau Seppi und Becker (Pirmasens) 1245 B Amtliche Mitteilungen 1245 C Beratung des Jahresgutachtens 1969 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Drucksache VI/100) in Verbindung mit Beratung des Jahreswirtschaftsberichts 1970 der Bundesregierung (Drucksache VI/281) Dr. Schiller, Bundesminister 1247 B, 1297 A, 1328 A Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) 1255 A Kienbaum (FDP) 1263 B Dr. Stoltenberg (CDU/CSU) (zur GO) 1267 B Junghans (SPD) 1267 B, 1323 D Dr. Stoltenberg (CDU/CSU) 1272 A Brandt, Bundeskanzler 1281 C Mertes (FDP) 1282 D Dr. Schachtschabel (SPD) 1284 B Höcherl (CDU/CSU) 1288 A Dr. von Dohnanyi (SPD) 1294 D Graaff (FDP) 1303 D Zander (SPD) 1304 C Dr. Luda (CDU/CSU) 1306 D Lenders (SPD) 1310 D Dr. Burgbacher (CDU/CSU) 1313 C Rosenthal (SPD) 1314 B Gewandt (CDU/CSU) 1316 B Wolfram (SPD) 1318 B Springorum (CDU/CSU) 1321 A Dr. Frerichs (CDU/CSU) 1322 C Dr. Warnke (CDU/CSU) 1324 A Wehner (SPD) 1325 B Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär 1326 C Nächste Sitzung 1330 II Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 29. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 17. Februar 1970 Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten 1331 A Anlage 2 Schriftliche Antwort auf die Zusatzfrage des Abg. Niegel betr. Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände 1331 B Anlage 3 Schriftliche Antwort auf die Zusatzfrage des Abg. Meister betr. Freigabe von Wohnungen durch die Stationierungsstreitkräfte 1331 D Anlage 4 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Strohmayr betr. Wohngeld für Sozialhilfeempfänger 1332 A Anlage 5 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Breidbach betr. Kompetenzen in bezug auf Hilfsmaßnahmen für Nigeria 1332 B Anlage 6 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Wulff betr. Hilfsmaßnahmen für Biafra 1332 C Anlage 7 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Petersen betr. Verfolgung von Mängelrügen durch Käufer von Eigentumswohnungen und Eigenheimen im Prozeßwege 1332 D Anlage 8 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Baier betr. Maßnahmen gegen den Mietwucher 1333 A Anlage 9 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Mertes betr. Übergang von mit Bundesmitteln geförderten Wohnungen in Privatbesitz 1333 B Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 29. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 17. Februar 1970 1245 29. Sitzung Bonn, den 17. Februar 1970 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Adams * 17. 2. Adorno 20. 2. Dr. Artzinger * 17. 2. Dr. Bayerl 28. 2. Behrendt * 17. 2. Biechele 28. 2. Dr. Dittrich * 20. 2. Frehsee 28. 2. Geldner 20. 2. Freiherr von und zu Guttenberg 20. 2. Hauck 28. 2. Kater 20. 2. Memmel * 20. 2. Müller (Aachen-Land) * 20. 2. Dr. Prassler 20. 2. Richarts * 19. 2. Schirmer 17. 2. Stücklen 18. 2. Vogel 17. 2. Dr. Freiherr von Weizsäcker 20. 2. b) Urlaubsanträge Burgemeister 31. 3. Dohmann 31.3. Dr. Pohle 28. 2. Schröder (Sellstedt) 6. 3. *Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments Anlage 2 Schriftliche Antwort des Bundesministers Ertl vom 28. Januar 1970 auf die Zusatzfrage des Abgeordneten Niegel zu seiner Mündlichen Frage *). Die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände e. V., Bonn, (AGV) ist ein Zusammenschluß von 20 Verbänden und Organisationen, die sich laut Satzung überwiegend mit Verbraucherfragen beschäftigen; die Finanzierung erfolgt durch Mitgliedsbeiträge, Verkaufserlöse der Publikationen und zweckgebundene Zuwendungen der öffentlichen Hand für spezielle Aufklärungsmaßnahmen. Die AGV erhält vom BML keine globalen Zuschüsse zur Deckung ihrer laufenden Personal- und Sachkosten. Die AGV verfügt über gute Verbindungen zur Tagespresse sowie zum Rundfunk und Fernsehen; sie ist für die Information der Verbraucher über das *) Siehe 22. Sitzung Seite 833 B Anlagen zum Stenographischen Bericht aktuelle wirtschaftspolitische Geschehen eine wichtige Einrichtung. Da mir an einer schnellen und weitgestreuten Verbraucherinformation gelegen ist, erhält die AGV von meinem Hause zweckgebundene Zuwendungen mit dem Auftrag, a) jahrlich bis zu 70 Rundfunksendungen und 40 Fernsehsendungen zu warenkundlichen und verbraucherpolitischen Themen auf dem Ernährungsgebiet im überregionalen Programm eingenverantwortlich durchzuführen, b) wöchentlich Angaben über Verbraucherpreise für Nahrungsmittel im gesamten Bundesgebiet - besonders in Mittel- und Kleinstädten - zu sammeln und die Ergebnisse der Zentralen Markt- und Preisberichtstelle der Deutschen Landwirtschaft und der Unterabteilung für Verbraucherangelegenheiten in meinem Hause für Auswertungen zur Verfügung zu stellen, c) jährlich bis zu 100 Schreibmaschinenseiten Informationen über verbraucherpolitische Themen sowie Warenkunde, Marktzusammenhänge und richtiges Verhalten beim Einkauf von Nahrungsmitteln in der Verbraucherpolitischen Korrespondenz (VPK) oder Verbraucherrundschau (VR) zu veröffentlichen. Eine Beeinflussung der AGV etwa in der Richtung, daß sie ihre Veröffentlichungen mit den agrar- und ernährungspolitischen Zielsetzungen der Bundesregierung in Einklang bringt, ist nicht möglich und auch nicht beabsichtigt. Es besteht mit dem Vorstand und der Geschäftsführung der AGV Übereinstimmung darüber, daß sich die Arbeitsgemeinschaft bei ihren Veröffentlichungen um eine objektive Darstellung des Sachverhalts zu bemühen und bei ihrer Meinungsäußerung jede Polemik zu vermeiden hat. Anlage 3 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Reischl vom 10. Februar 1970 auf die Zusatzfrage des Abgeordneten Meister zu seiner Mündlichen Frage *). Die Unterhaltskosten für die freigegebenen und wegen der laufenden Instandsetzung zur Zeit noch nicht besetzten rd. 1400 Wohnungen betragen pro Monat schätzungsweise rd. 31 220 DM (22,30 je Wohnung und Monat im Durchschnitt). Die Kosten werden vom Bund als Eigentümer getragen. Die Wohnungen befinden sich zur Zeit in einem Zustand, der es nicht gestattet, sie sofort zu beziehen. Da sie unmittelbar nach der notwendigen Instandsetzung vermietet werden, ist ein Mietausfall nicht zu erwarten. *) Siehe 25. Sitzung Seite 1012 B 1332 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 29. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 17. Februar 1970 Anlage 4 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Ravens vom 30. Januar 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordnerten Strohmayr (Drucksache VI/273 Frage A 49): Welche Maßnahmen sind erforderlich oder bereits getroffen worden, daß die Sozialhilfeempfänger nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum § 29 des Wohngeldgesetzes vom 1. April 1965 nunmehr und noch nachträglich Wohngeld erhalten? In einem gemeinsamen Rundschreiben vom 19. Dezember 1969 haben die Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen, für Jugend, Familie und Gesundheit sowie für Arbeit und Sozialordnung die für die Durchführung des Wohngeldgesetzes, der Sozialhilfe und der Kriegsopferfürsorge zuständigen obersten Landesbehörden über den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 14. November 1969 unterrichtet. Das Rundschreiben stellt klar, daß alle Empfänger von Sozialhilfe und Kriegsopferfürsorge einen Rechtsanspruch auf Wohngeld haben, wenn die sonstigen Voraussetzungen nach dem Wohngeldgesetz erfüllt sind. Ab November 1969, dem Monat, in dem der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts erlassen worden ist, werden die Anträge des genannten Personenkreises unter Nichtbeachtung des § 29 Wohngelde vom 1. April 1965 beschieden. Es ist sichergestellt, daß die Antragberechtigten neben dem ihnen zustehenden Wohngeld soviel Sozialhilfe oder Kriegsopferfürsorge erhalten, daß sie nicht schlechter gestellt sind, als wenn sie wie früher lediglich Sozialhilfe oder Kriegsopferfürsorge erhalten würden. Im Interesse einer zügigen und möglichst reibungslosen Abwicklung der etwa 350 000 Wohngeldanträge werden zunächst die Anträge bearbeitet, die sich auf den Zeitraum ab November 1969 erstrecken. Die Entscheidungen über das Wohngeld für die zurückliegende Zeit werden vorerst zurückgestellt, weil die damit zusammenhängenden Fragen noch nicht abschließend geklärt sind. Dem begünstigten Personenkreis entstehen dadurch jedoch keine Nachteile. Zur Erörterung des gesamten Fragenkomplexes hat im Bundesministerium für Städtebau und Wohnungswesen am 15. Januar 1970 eine Ressortbesprechung und gestern eine Besprechung mit Vertretern der zuständigen Länderminister stattgefunden. Anlage 5 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Dahrendorf vom 30. Januar 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Breidbach (Drucksache VI/273 Frage A 98) : Wie lange haben die Kompetenzschwierigkeiten zwischen dem Bundesinnenministerium und dem Auswärtigen Amt gewisse Hilfsmaßnahmen der Bundesregierung an Nigeria verzögert, und erklärt sich damit die Tatsache, daß der Vertreter des für humanitäre Hilfe angeblich zuständigen Bundesinnenministeriums nicht nach Lagos ausreisen konnte? Zwischen dem Auswärtigen Amt und dem Bundesministerium des Innern hat es keine Kompetenzstreitigkeiten gegeben, noch hat es in irgend einer Weise Verzögerungen der Hilfsmaßnahmen durch die Bundesregierung gegeben. Wie mir der Bundesminister des Innern mitgeteilt hat, ließen sich die bisher in Frage kommenden Soforthilfen weitgehend anhand der Berichte der Deutschen Botschaft in Lagos und der Hilfsorganisation aus Nigeria in die Wege leiten. Eine Reise eines Vertreters des Bundesministeriums des Innern nach Nigeria ist deshalb bis jetzt nicht vorgesehen worden. Erweist sich eine Prüfung an Ort und Stelle als zweckmäßig, wird dei Bundesminister des Innern unverzüglich einen Vertreter nach Nigeria entsenden. Anlage 6 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Dahrendorf vom 30. Januar 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Wulff (Drucksache VI/273 Frage A 101) : Zu welchem Zeitpunkt hat die Bundesregierung begonnen, Hilfsmaßnahmen für Biafra zu koordinieren? Die Bundesregierung hat seit Bekanntwerden der Not in der Ostregion Nigerias im Sommer 1968 die nach dortigen Verhältnissen mögliche Hilfe geleistet. Seit diesem Zeitpunkt werden auch die deutschen Hilfsmaßnahmen koordiniert, und zwar sowohl zwischen den in Frage kommenden Bundesministerien als auch mit den nichtstaatlichen Hilfsorganisationen. Diese Koordinierung ist auch jetzt laufend fortgesetzt worden. Anlage 7 Schriftliche Antwort des Bundesministers Jahn vom 30. Januar 1970 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Petersen (Drucksache VI/273 Fragen A 109 und 110) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß die in der Regel hohen Abzahlungsquoten die Inhaber von Eigentumswohnungen oder Kaufeigenheimen hindern, mögliche Mängelrügen angesichts des hohen Streitwertes im Prozeßwege zu verfolgen? Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um in solchen Fallen den Bürgern den Rechtsweg zu erleichtern? Fälle, in denen die Eigentümer von Eigentumswohnungen und Kaufeigenheimen durch die hohen Belastungen aus dem Erwerb ihres Eigentums ernsthaft daran gehindert worden sind, Mängelrügen im Prozeßwege zu verfolgen, sind der Bundesregierung nicht bekannt. Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß dem Erwerber einer Eigentumswohnung oder eines Eigenheimes in Fällen, in denen er die zusätzlichen Mittel für eine Prozeßführung zur Verfolgung von Mängel- Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 29. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 17. Februar 1970 1333 rügen nicht aufbringen kann, bereits im Rahmen des geltenden Rechts hinreichend durch die Inanspruchnahme des Armenrechts geholfen werden kann. Anlage 8 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Ravens vom 30. Jannuar 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Baier (Drucksache VI/273 Frage A 129) : Was gedenkt der Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen zu unternehmen, nachdem er im Süddeutschen Rundfunk am 10. Januar 1970 erklärte, daß die vorhandenen Vorschriften gegen den Mietwucher nicht ausreichen? Die Mietwuchervorschrift des § 302 Buchst. e Strafgesetzbuch ist nicht sehr wirksam, denn die Straftatbestände sind so gefaßt, daß man in der Praxis damit sehr wenig anfangen kann, insbesondere was die subjektive Seite dieser Rechtsnorm angeht. Deshalb soll die Mietwuchervorschrift des § 302 e Strafgesetzbuch im Zuge der Strafrechtsreform geändert werden. Das hat der Herr Bundesminister der Justiz bereits in der Fragestunde am 4. Dezember 1969 in Aussicht gestellt. Seine Ausführungen zu diesem Fragenkreis bitte ich im Protokoll der 17. Sitzung auf Seite 612 nachzulesen. Wir werden Herrn Minister Jahn in seinem Bemühen um eine Lösung dieses Problems voll unterstützen. Anlage 9 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Ravens vom 30. Januar 1970 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Mertes (Drucksache VI/273 Fragen A 130 und 131) : In welchem Umfang sind Wohnungen, die mit Bundesmitteln gefördert wurden, nach Kenntnis der Bundesregierung in Privatbesitz übergegangen und in welchem Umfang befinden sich derartige noch in Händen von Kommunen oder Baugesellschaften? Welche Überlegungen hat die Bundesregierung hinsichtlich eines verstärkten Einsatzes des öffentlich geförderten Wohnungsbaues als Mittel der privaten Vermögensbildung? Insgesamt sind in den Jahren 1949 bis 1968 rd. 1,3 Millionen Eigentümerwohnungen — das sind Wohnungen, die der Eigentümer selbst bewohnt - mit öffentlichen Mitteln gefördert worden. Das sind etwas mehr als ein Viertel aller mit Bundes- und Landesmitteln geförderten Sozialwohnungen. Für den Bereich der Kommunen liegen keine Zahlen vor, die als Antwort auf Ihre Frage dienen können. Die Gemeinden haben im allgemeinen auch keine Wohnungen selbst gebaut. Für den Bereich der gemeinnützigen Wohnungsunternehmen ist zu sagen, daß in den letzten Jahren durchschnittlich 23 v. H., also nahezu ein Viertel, ihrer gesamten Bauleistung in eigener Bauherrschaft Wohnungen waren, die sie anschließend an Einzelbewerber zur Eigennutzung veräußert haben. Von den in den Jahren 1949 bis 1968 in eigener Bauherrschaft von den gemeinnützigen Wohnungsunternehmen errichteten Wohnungen sind nahezu 600 000 in Ein- und Zweifamilienhäusern und fast 75 000 Wohnungen in Wohnungseigentum in Mehrfamilienhäusern, zusammen also fast 700 000 Sozialwohnungen von den Unternehmen zur Veräußerung erstellt und dementsprechend als privates Einzeleigentum veräußert worden. Daneben haben die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen noch den Bau von mehreren hunderttausend Wohnungen in Eigenheimen und in Mehrfamilienhäusern also Eigentumswohnungen — für private Bauherren betreut. Sie haben hiermit einen beachtlichen Beitrag zur privaten Vermögensbildung geleistet. Die Bundesregierung wird auch weiterhin an der im Zweiten Wohnungsbaugesetz festgelegten Förderung der Eigentumsbildung für breite Volksschichten festhalten. Das Förderungsvolumen wird sich in erster Linie am Bedarf orientieren sowie an den im II. Wohnungsbaugesetz vorgeschriebenen Förderungsschwerpunkten. Das gilt auch für das vorgesehene langfristige Wohnungsbauprogramm.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans Georg Schachtschabel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Darf ich darauf antworten. Ich glaube ganz sicher, daß die Auftragseingänge im Augenblick noch massiert da sind. Das ist ganz richtig, daran ist auch gar nicht gezweifelt worden. Aber vergessen Sie bitte nicht, in welchen Monaten des Jahres wir uns befinden. Wir befinden uns zu Beginn dieses Jahres, und es ist eine bekannte Tatsache, daß Auftragseingänge — und das ist ein Erfahrungsgrundsatz, den man allgemein kennt -- sehr schnell eine rückläufige Tendenz aufweisen können. Ich schätze und achte die Ergebnisse der Deutschen Bundesbank außerordentlich, aber — ich komme gleich darauf — ich bin auch der Meinung, daß damit noch nicht ein endgültiges Resultat zum Ausdruck gebracht worden ist.
    Meine Damen und Herren, darf ich noch einmal an die Zusammenfassung anknüpfen, die ich eben für diesen Teil meiner Ausführungen vorgesehen habe. Ich habe gesagt, daß von diesen boomtreibenden Kräften, von denen ich gesprochen habe, keine neuen Gefahren für die Geldwertstabilität ausgehen dürften. Wir sind durchaus der Meinung, daß im Bereich des privaten Konsums vorübergehend mit einer gewissen boomtreibenden Kraft zu rechnen ist. Von anderer Seite ist beispielsweise auch vorausgesagt worden, daß im Bereich des privaten Verbrauchs für das zweite Halbjahr 1970 ein Rückgang der Zuwachsrate gegenüber dem zweiten Halbjahr 1969 anzunehmen ist. Sicherlich kann im Rahmen der Globalsteuerung — und darauf müssen wir nachher noch einige Akzente legen - auch auf den privaten Bereich eingewirkt werden, doch sollte stets beachtet werden, daß stabilitätspolitische Maßnahmen das Ziel eines stetigen Wirtschaftswachstums nicht beeinträchtigen.
    Die Gefahren einer Rezession, meine Damen und Herren, auf die auch der Sachverständigenrat hinweist, können nicht mit einem Hinweis auf die gegenwärtige Lage vom Tisch gewischt werden. Wenn man nämlich die mit großer Wahrscheinlichkeit - ich sage: mit großer Wahrscheinlichkeit -
    für das zweite Halbjahr 1970 vorausgesagte Entwicklung im Auge behält, so wäre es unter Berücksichtigung des time-lag zwischen Einleitung und Wirkung wirtschaftspolitischer Maßnahmen — ich möchte vorsichtig formulieren - gefährlich, zu harte stabilitätspolitische Maßnahmen zu ergreifen,



    Dr. Schachtschabel
    die an den gegenwärtigen, aus verzögerter Stabilitätspolitik des vergangenen Jahres resultierenden Folgen nichts mehr ändern, wohl aber zu einer neuen gefährlichen Abflachung im zweiten Halbjahr 1970 führen können. Da, meine Damen und Herren, gilt wohl auch das Wort, daß man sorgsam darum bemüht sein muß, die gegenwärtige Konjunkturpolitik im Sinne der Abschwächung und der Bremsung nicht zu übersteuern. Es ist durchaus richtig, was in diesem Zusammenhang auch vorhin gesagt worden ist, daß Schritt für Schritt das abgebaut werden muß, was auf uns zugekommen ist.
    Lassen Sie mich noch auf einen Punkt aufmerksam machen, von dem ich glaube, daß er heute morgen in einer gewissen Art und Weise hervorgehoben worden ist, um die Wirtschaftspolitik in Frage zu stellen. Dazu, glaube ich, ist es notwendig, ein paar Bemerkungen zu den Grundlagen der jetzigen Wirtschaftspolitik zu machen, die von der Bundesregierung vertreten wird. Mag man sie nennen, wie immer man will, ich würde sie als eine rationale Wirtschaftspolitik bezeichnen, wobei ganz gewiß die Prognosen und Projektionen als Grundlage einer solchen Wirtschaftspolitik ausschlaggebende Bedeutung haben. Wir haben heute morgen in einem anderen Zusammenhang gehört, daß man Projektionen als schlechte Wetterberichte bezeichnet hat, ganz zu schweigen von einigen anderen Bemerkungen, die über Prognosen und Projektionen gefallen sind, und abgesehen davon, daß ich sicher bin, daß darüber auch von anderer Seite noch gesprochen werden wird.
    Lassen Sie uns diese Vorgänge einmal verdeutlichen. Denn für die Wirtschaftspolitik und die wirtschaftspolitische Aktivität werden in zunehmendem Maße Wirtschaftsprognosen und Zielprojektionen herangezogen. Ich verweise nicht nur auf den Sachverständigenrat, nicht nur auf das Bundeswirtschaftsministerium, nicht nur auf den Deutschen Gewerkschaftsbund, sondern auch auf die vielen privaten Konjunkturforschungsinstitute. Allerdings — und darüber soll in keiner Weise der Schleier des Geheimnisses gedeckt werden — weichen die gerade für das Jahr 1970 vorausgesagten makroökonomischen Zielgrößen teilweise voneinander ab. Insofern sind Zweifel aufgetaucht, ob Wirtschaftsprognosen und Zielprojektionen geeignete Grundlagen der Wirtschaftspolitik sind, ob sie der Orientierungshilfe zur Abstimmung des Verhaltens autonomer Gruppen dienen, speziell auch für konzertierte Aktionen. Die Frage stellt sich auch für die im Rahmen des Jahreswirtschaftsberichts der Bundesregierung vorgelegten Jahresprojektionen.
    Prognosen und Projektionen beruhen auf einer Analyse zur Berechnung und Vorbestimmung künftiger Wirtschaftsverhältnisse unter Annahme bestimmter Daten. Die Analyse stellt also — ich zitiere — „ein Urteil über künftige Wirtschaftslagen" auf der Grundlage einer Diagnose der gegebenen Gegenwartslage dar. Sie dient der Festlegung und laufenden Überprüfung wirtschaftspolitischer Zielsetzungen. Die Prognose bildet somit die Voraussetzung und den Ausgangspunkt rationaler Wirtschaftspolitik, rationaler wirtschaftspolitischer Entscheidungen und Maßnahmen.
    Ich möchte an dieser Stelle gleich noch eines sagen, um damit etwaigen Erwägungen seitens der Opposition in einer bestimmten Richtung entgegenzutreten. Noch nie hat jemand, weder in der Wissenschaft noch in der Politik — es sei denn in Kreisen, die ich nicht kenne —, eine Prognose oder eine Projektion als Dogma oder als Evangelium bezeichnet.

    (Beifall bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, an Prognose und Projektion — ich glaube, das wissen wir aus unserem Erfahrungsbereich — sind allerdings zwei Anforderungen zu stellen. Zum einen sollen sie inhaltsvoll sein, und zum anderen müssen sie aller Wahrscheinlichkeit nach sicher und zutreffend sein und damit weitgehend oder gar perfekt realisiert werden können. Erfahrungsgemäß wird diese Bedingung bei langfristigen Wachstumsprognosen eher erfüllt als bei kurzfristigen Konjunkturprognosen.
    Es besteht kein Zweifel darüber, daß Prognosen und Projektionen seit ihrer Anwendung — auch hier im Rahmen der von der Bundesregierung praktizierten Wirtschaftspolitik — wesentlich verbessert worden sind. Sie sind schon geschmeidiger geworden, und es ist mit Gewißheit anzunehmen, daß sich dieser Vorgang der Verbesserung der Projektionen weiterhin fortsetzen wird. Es muß Ziel sein und bleiben, vor allem die Konjunkturprognosen zu verfeinern und gesichert auszugestalten. Auch der Sachverständigenrat stellt in diesem Sinne fest — ich verweise auf Ziffer 265 —, daß sich die Möglichkeit der Konjunkturprognose nachhaltig erweitern läßt — ich zitiere —, „wenn man die ökonometrische Konjunkturforschung intensiviert".
    Meine Damen und Herren, hier bietet sich für die Wissenschaft wie für die Praxis ein weites Feld der Betätigung. Herr Kollege Stoltenberg, ich greife Ihren Hinweis von heute morgen auf, den Sie zum Schluß Ihrer Rede gegeben haben, daß es eines intensiven Dialogs mit der Wissenschaft bedarf. So haben Sie es wohl formuliert. Ich möchte das, was ich hier als eine Ausweitung der ökonometrischen Konjunkturforschung bezeichne, auch mit in diesen Katalog eingefügt wissen. Wie hoch die ökonometrische Forschung veranschlagt wird, beweist die erstmalige Verleihung des Nobelpreises an die Wirtschaftswissenschaftler Ragnar Frisch aus Norwegen und Jan Tinbergen aus den Niederlanden. Beide Forscher haben sich u. a. durch ihre Forschungen und ihre praktische Tätigkeit auf dem Gebiet der Wirtschaftsprognose verdient gemacht.
    Noch eine Bemerkung zur Aussagefähigkeit von Jahresprojektionen. Die Aussagefähigkeit von Jahresprojektionen ist vor allem ein Problem der Informationsbeschaffung. Sowohl der Sachverständigenrat als auch die Bundesregierung haben darauf abgehoben, daß das konjunkturpolitisch relevante Informationssystem dringend verbesserungsbedürftig sei. Die Bundesregierung fügt ergänzend hinzu, daß sie sich bemühen will, „die Statistik" — ich zitiere —„hinsichtlich der Aussagekraft und der Aktualität weiter auszubauen", obwohl dieses Anliegen — darüber sollte man sich im klaren sein — sicherlich auch mit relativ hohen Kosten verbunden ist.



    Dr. Schachtschabel
    Ziel muß es aber sein, Zielprojektionen auf der Grundlage einer flexiblen oder rollierenden Planung zu erstellen, wie dies im unternehmerischen Bereich schon längst praktiziert wird, dort allerdings mit dem Unterschied, daß offenbar diese Prognosen und Projektionen oder, wie man gemeinhin sagt, die Planungen nicht ideologisch belastet zu sein scheinen. Bei uns herrscht immer die Vorstellung, daß man, wenn man die Worte „Prognose", „Projektion" oder gar „Planung" in den Mund nimmt, in die Nähe irgendwelcher autoritären und zentralverwaltungswirtschaftlichen Systeme rückt.
    Im unternehmerischen Bereich ist die Planung eine übliche Angelegenheit; denken Sie an Finanzplanung, Absatzplanung und entsprechende Überlegungen.

    (Abg. Dr. Müller-Hermann: Das Problem des menschlichen Verhaltens spielt eine große Rolle!)

    — Ich komme gleich darauf. — Wie dort, so lassen sich auch für die gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen gewisse, wenn auch elastisch zu haltende Prognosen und Projektionen erarbeiten.
    Es kann und soll nicht behauptet werden, daß Prognosen und Zielprojektionen gegenwärtig schon absolut sicher oder gar unfehlbar sind. Doch besteht kein Zweifel darüber, daß sie trotz ihrer derzeitigen Mängel die Grundlage einer zielorientierten und wirkungsvollen Wirtschaftspolitik sind. Sie ermöglichen eine rationale wirtschaftspolitische Aktivität, die unbestreitbar besser und erfolgreicher ist als der im Rahmen wirtschaftlicher Laissez-faire-Vorstellungen praktizierte Interventionismus, der nachträglich an Symptomen herumkorrigiert hat,

    (Beifall bei der SPD)

    wobei es sich um eine Wirtschaftspolitik handelt, die fallweise, punktuell und meistens nur nachträglich dann eingesetzt worden ist, wenn es schon zu spät gewesen ist.

    (Abg. Köppler: Gehen Sie doch mit Herrn Schiller nicht so hart ins Gericht!)

    Es geht heute, wie der Sachverständigenrat bereits in seinem Jahresgutachten 1967 Ziffer 282 konstatiert und wie er im Jahresgutachten 1969/70 Ziffer 266 erneut betont, darum, daß — Zitat —„die Wirtschaftssubjekte mit glaubwürdigen Zukunftsinformationen versorgt werden müssen, um die Funktionsfähigkeit des Marktmechanismus" zu verbessern. Ziel ist in der Tat, darüber gibt es keinen Zweifel, ein System der Globalsteuerung zu entwickeln und improvisierte konjunktur- und haushaltspolitische Maßnahmen — ich sage: improvisierte — zu vermeiden, die bekanntlich wenig erfolgreich eingesetzt worden sind.
    Allerdings ist verschiedentlich behauptet worden, und jüngstens sogar da und dort in gewissen Veröffentlichungen, die den Anspruch erheben, wissenschaftlicher Art zu sein, daß die Zielprojektionen, weil sie der Globalsteuerung im makroökonomischen Bereich dienen, den Verhandlungsspielraum der privaten Wirtschaftssubjekte einengen und wegen der geringen Glaubwürdigkeit das unternehmerische Risiko erhöhen. Es ist, wenn ich es recht verstanden habe, heute morgen am Rande auch darauf abgehoben worden. Nun, meine Damen und Herren: „Einengung des Verhandlungsspielraums" und gar „wegen der mangelnden Glaubwürdigkeit eine Erhöhung des unternehmerischen Risikos" — wir können derartigen Argumentationen nicht folgen. Denn für den Unternehmer sind makroökonomische Größen einerseits Daten, also Größen, die er durch sein Handeln nicht direkt beeinflussen kann, sie sind keine sogenannten Instrumentvariablen. Andererseits erhöhen Prognosen und Projektionen den Grad der Information über diese Daten. Zugleich sind sie Informationsquelle für alle Instanzen der staatlichen Wirtschaftspolitik sowie der Finanz- und Sozialpolitik und Richtschnur ihres Handelns.
    Auf alle Fälle zeigt die auf diesen Grundlagen aufgebaute Globalsteuerung an, in welcher Richtung der Wirtschaftsprozeß abläuft und welche Maßnahmen von den wirtschaftspolitischen Instanzen gemäß ihren Absichtserklärungen jeweils ergriffen werden. Ich bitte Sie, auch den Jahreswirtschaftsbericht zu vergleichen.
    Dies allerdings ist eine wesentlich bessere Grundlage für unternehmerische Entscheidungen als die in der Vergangenheit betriebene, wie es der Bundeswirtschaftsminister Professor Karl Schiller einmal formuliert hat, partielle und ad-hoc-Konjunktur- und Wachstumspolitik; wobei zu berücksichtigen ist, daß eine solche partielle und ad-hoc-Konjunktur- und Wachstumspolitik den Unternehmer plötzlich und unvorhergesehen vor völlig neue Situationen stellt.
    Schließlich ist es völlig abwegig, meine Damen und Herren, das System der Globalsteuerung auch nur in die Nähe zentralverwaltungswirtschaftlicher Systeme zu rücken oder rücken zu wollen. Wer dies tut, hat nicht die geringste Ahnung von einer modernen rationalen Wirtschaftspolitik.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD.)

    Denn bei der Globalsteuerung handelt es sich nicht um ein imperatives System, um ein befehlendes System, so wie es in der Zentralverwaltungswirtschaft praktiziert wird, sondern um ein indikatives System, um ein richtungweisendes System. Diese Globalsteuerung ist und will nichts anderes sein als eine notwendige Orientierungshilfe, und zwar eine notwendige Orientierungshilfe wirtschaftspolitischer Aktivität im makroökonomischen Raum. Globalsteuerung ist für die unternehmerischen Entscheidungen, so meinen wir, eine grundlegende Hilfe. Sie baut Unsicherheiten und damit Risiken ab. Überdies trägt sie zur Erhöhung der Transparenz der Märkte bei und fördert die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs auch im mikroökonomischen Raum.
    Dies allerdings sollte zu dem Jahreswirtschaftsbericht gesagt werden, weil dieser Jahreswirtschaftsbericht nicht nur rückblickend ein' Ergebnis aufzeigt, von dem wir alle wissen, wie es politisch und wirtschaftspolitisch entstanden ist, sondern weil dieser Jahreswirtschaftsbericht auch eine



    Dr. Schachtschabel
    Grundlage für das darstellt, was vor uns liegt. Ich glaube, wenn man unter Berücksichtigung dieser Ausführungen und der damit gegebenen Einzelheiten, die ich andeuten konnte, auf die kommende Zeit unserer Wirtschafts- und Konjunkturpolitik blickt, daß man wohl das geeignete Instrumentarium hat, um auch der jetzt gegebenen Situation Herr zu werden, also eine Situation zu meistern, die ganz gewiß — und das soll nicht geleugnet werden — doch immerhin den gravierenden Punkt der Preisinstabilität zeigt. Doch sind wir der Meinung, daß ein solch ausgebautes wirtschaftspolitisches Instrumentarium auf der Grundlage der angedeuteten Voraussetzungen den Erfolg sichert, uns auch über die weitere Entwicklung hin in eine wachsende Wirtschaft hineinzuführen, und zwar bei gegebener Preisstabilität.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Höcherl.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hermann Höcherl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob es Ihnen ähnlich gegangen ist wie mir, aber ich hatte den Eindruck, die Einbringungsrede des Herrn Bundeswirtschaftsministers wirkte etwas müde. Ich habe durchaus Verständnis für ihn. Er ist in einer schwierigen Situation: kaum 120 Tage an der Regierung und schon so ernste Schwierigkeiten, die auch den Herrn Bundeskanzler veranlaßten, das Wort zu ergreifen mit einer allgemeinen Vertrauenswerbung. Zur Sache selbst ist noch nicht viel gesagt worden. Ich nehme an, daß das noch kommt.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

    Es ist schade, Herr Bundeswirtschaftsminister Schiller, wir kennen Sie als einen feurigen und angriffslustigen Redner. Das war heute ganz und gar nicht so die Art, wie wir Sie kennen. Aber wenn man unter dem Druck eines so verschwenderisch ausgestatteten Regierungsprogramms steht und halten soll, was so großartig versprochen wurde, dann kann ich verstehen, daß das nicht so einfach ist.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

    Wie mutig und aggressiv Professor Schiller zu argumentieren wußte, meine Damen und Herren, das sollten Sie einmal aus folgenden Sätzen entnehmen, die am 1. Dezember 1965 in der Jungfernrede — nein, ich muß sagen: Premiere, Jungfernrede ist hier nicht angebracht — gefallen sind:

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

    Aber mich interessiert außerordentlich . . . — und ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie darüber Auskunft geben könnten —, . . . was für eine Preissteigerungsrate Sie für die mittelfristige Finanzplanung einsetzen.
    Darüber möchte ich gern eine Auskunft von
    Ihnen haben. Ich habe Ihnen gesagt, daß wir in
    unseren Planungen eine abfallende Preissteigerungsrate eingesetzt haben. Sie mögen darüber reden, wie Sie wollen. Aber wir haben eine Zielgröße, die als solche doch schon von Bedeutung ist, weil sie die Absichten derjenigen, die das machen, wiedergibt.
    Heute sind Sie diejenigen, die das machen.

    (Zuruf von der SPD.)

    — Wir werden sehen, ob der Dank berechtigt ist.
    Dann wollen wir also wieder auf die Zahlen zurückkommen. Ich war bei der einkalkulierten, antizipierten . . . Preissteigerungsrate für die nächsten vier Jahre.
    Da hätte ich gern gewußt, was der Herr Bundesfinanzminister vorhat. Wir haben von uns aus bekannt, wie wir uns die Sache vorstellen . . . Vielleicht kommen Sie auch auf die abfallenden Preissteigerungsraten 3 — 2, 2 — 1. Dann würde ich mich sehr freuen. Aber gehört haben wir die Zahlen noch nicht.
    Wir auch nicht, Herr Bundeswirtschaftsminister.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

    Das war ein Zitat aus der Bundestagssitzung vom 1. Dezember 1965. Sprecher war der damalige Bundestagsabgeordnete, der letzte und heutige Bundeswirtschaftsminister Professor Dr. Schiller, den wir aus der „Talsohle" über den „Aufschwung nach Maß" — bis zum Übermaß — in der Großen Koalition jetzt auch noch auf eine Konjunktursafari „Stabilität ohne Stagnation" begleiten sollen.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

    Dieses Zitat, meine Damen und Herren, aus der Premiere des damaligen Bundestagsabgeordneten Schiller, das ich in Ihr Gedächtnis zurückrufen durfte, hat hohen Aktualitätswert. Es stammt sozusagen aus der „klassischen Zeit" von Professor Schiller.

    (Erneute Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

    Weil die Frage so klassisch und so aktuell ist, möchte ich sie mir aneignen und die Bundesregierung, vor allem den für die Konjunkturpolitik verantwortlichen Bundeswirtschaftsminister fragen — das ist die berühmte Gretchenfrage, die heute schon gestellt wurde —: Wie halten Sie es mit der Preissteigerungsrate für die nächsten vier Jahre? Haben Sie in Ihrer Planung eine Kadenz 3 — 2 — 1 vorgesehen?
    Wir alle wissen, wie sehr die Bevölkerung von dieser Entwicklung beunruhigt ist. Niemand sollte sich über diesen Prozeß der Preissteigerungen wundern. Was hat die Regierung in dieser Situation getan? Was sie getan hat, war „Seelenmassage nach freischaffender Künstler Art; aber wohin soll die Reise gehen?" — ebenfalls ein Zitat von Herrn Professor Schiller. „Wo ist das sagenhafte Instrumentarium, wo das moderne Lehrbuch, wo die Wirksamkeit Ihrer Wirtschafts- und Finanzpolitik? Wo ist die Politik, um die ungeheuren Preissteigerungsraten" — damals — „Schritt für Schritt zurückzubringen? Im nebligen Dämmerlicht dieser Re-



    Höcherl
    gierung wird nichts klar, nichts deutlich" - so
    damals gesagt, so heute gültig.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Der Jahreswirtschaftsbericht, über den wir zu diskutieren haben, ist sozusagen der amtliche Überbau über dem Jahresgutachten des Sachverständigenrates, das im agrarpolitischen Teil eine sehr, sehr schwache Stelle hat,

    (Abg. Struve: Das kann man wohl sagen!)

    meines Erachtens die schwächste Stelle. Genau das gilt auch für den Jahreswirtschaftsbericht. Dort wird in allem Ernst die Alternative aufgestellt, daß es dem deutschen Bauern gleichgültig sein könne, ob er das Geld aus der Staatskasse oder über den Markt und über den Preis bekomme.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Der Überbau über dem Jahresgutachten des Sachverständigenrates und alle übrigen mit der Erforschung des Konjunkturverlaufs befaßten Einrichtungen ist für meinen Geschmack zu polemisch und stellenweise sogar feuilletonistisch abgesetzt. An mehr als zehn Stellen wiederholt sich der Hinweis auf die verspätete Aufwertung und ihre Folgen, und auch heute hat es in allen Regierungsbeiträgen nicht nur Fußnoten, sondern nur diesen einzigen Grund gegeben. Der Bericht geht großzügig an den liquiditäts- und zinspolitischen Folgen der Aufwertung vorbei, mit denen wir uns zur Zeit auseinandersetzen müssen. Diese Methode ist nicht neu. Mit der Gründung der Großen Koalition wurde der gleiche Film abgespult, als Sie eine Rezession aus koalitionstaktischen und profiltaktischen Gründen zu einer großen Krisis umfunktionierten.

    (Abg. Dr. Müller-Hermann: Jawohl, so war das!)

    Ich will nun den unseligen Aufwertungsstreit nicht wieder abspulen. Aber so viel steht nach dem öffentlichen Hearing mit dem früheren Bundesbankpräsidenten Blessing vor dem Bundestag fest, nämlich daß die Bundesbank die Aufwertung schon im September 1968 gefordert hat. Sie haben heute den schönen Leitsatz gebraucht: „Mit der Bundesbank Arm in Arm." Als Sie noch fleißig Koks in den Ofen der Konjunktur schütteten, hat die Bundesbank die Aufwertung gefordert. Wenn man sich also auf den Boden der Aufwertungsbefürworter stellt — das ist für mich kein Dogma, sondern eine technische Frage , war auch das Frühjahr 1969 zu spät;

    (Abg. Dr. Schwörer: Sehr richtig!) um auch hier die Dinge einmal klarzustellen.


    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich will auf eine Wiedergabe Ihrer vielen, vom November 1968 his in das Frühjahr 1969 reichenden prozyklischen Äußerungen und Vorschläge zu dieser Frage verzichten. Im Mai 1969 aber war ein Vorschlag von 6,25 % angesichts der bereits bestehenden 4%igen außenwirtschaftlichen steuerlichen Absicherung nicht mehr als seriös zu bezeichnen.
    Sie, Herr Professor Schiller, haben mehr als jeder andere die Aufwertung zu einem Wahlkampfthema
    gemacht und die Öffentlichkeit in den Glauben versetzt, daß die Aufwertung die einzige Wunderwaffe sei, den Boom in Wachstum mit Stabilität zu verwandeln. Wenn aber jemandem in öffentlichen Äußerungen Zurückhaltung in bezug auf die Währungsfrage auferlegt war, dann dem für die Währungspolitik verantwortlichen Ressortminister.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Aber damals schien es Ihnen wichtiger zu sein, Schiller-Kreuze für die Wahl zu sammeln. Sie haben Ihre währungspolitischen Vorschläge sogar mit dem sehr seichten Argument des Tourismus unterstützt und dabei die auf der Lauer liegende internationale Spekulation geradezu angereizt.

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir stehen heute vor den Folgen, nachdem andere Partnerstaaten, mit denen wir eng verflochten sind und die ebenfalls bis zum heutigen Tage aufwertungsverdächtig sind, nicht mitgezogen haben. Es ist auch intellektuell nicht zu rechtfertigen, aus dem dichten Netz von Sachbezügen, das für eine Konjunkturlage verantwortlich ist, einen wenn auch sehr bedeutsamen - das soll nicht bestritten werden - Faktor herauszugreifen und die ganze Analyse darauf zu konzentrieren.
    Sie haben schließlich Ihre Aufwertung am 27. Oktober vergangenen Jahres de jure vollzogen, aber ohne ausreichende Vorbereitung wenigstens im EWG-Bereich, der sich seit dem 17. Juli 1969 zu einer gemeinsamen Konjunkturpolitik verbunden hatte. Im übrigen hatte ich schon zum Ausdruck gebracht, daß die Koordinierung der wirtschaftlichen Zielvorstellungen innerhalb der EWG nach unserer Auffassung nicht die Preisgabe der Währungsstabilität bedeuten darf.
    Wir bejahen die in dem EWG-Wirtschaftsbericht programmierten Leitvorstellungen, aber wir vermissen hinrreichend konkrete Harmonisierungsschritte in wichtigen Bereichen und wir bedauern vorschnelle Kompromisse. Wir bezweifeln aber auch, ob bei dem gegenwärtigen Stand das Instrumentarium zur tatsächlichen Koordinierung der Wirtschaftspolitik bereits ausreicht.
    Der sprachschöpferischen Beredsamkeit, die wir so sehr an Ihnen schätzen, Herr Minister Schiller, folgen ein Tal des Schweigens und eine Zone des Zögerns im Handeln, nachdem Sie immer so viel geredet hatten.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Mit erheblicher Verzögerung ist dann Ende Januar 1970 unter dem Druck der öffentlichen Meinung und dem Drängen der Opposition der Katalog flankierender Maßnahmen gefolgt, den wir im Ansatz für richtig, im Zeitpunkt aber und im Ausmaß für unzureichend, unterernährt und zu schematisch halten. Eine Haushaltsführung über ein halbes Jahr mit einem Zwölftel läßt jede Prioritätsrücksicht vermissen. Vor allem auf dem konjunkturneutralen, ja, ich möchte sagen, antizyklischen Sektor der Strukturpolitik wären heute, in dieser Situation, einmalige Gelegenheiten.



    Höcherl
    Sie, Herr Professor Schiller, und ich haben damals zusammen strukturpolitische Projektionen entworfen. Jetzt, in der Zeit des Booms, wäre Gelegenheit und stünden auch die Mittel zur Verfügung, um hier Entscheidendes nachzuholen. Wäre es nicht angebracht, in der jetzigen Phase hoher Steuerüberschüsse und der Haushaltssperren der Strukturpolitik ein verstärktes Augenmerk zu widmen, aber auch auf dem Gebiet der Altenfürsorge, der Krankenfürsorge, der Erholungs- und Sportstätten und nicht zuletzt im Bildungsbereich etwas zu tun? Zu allermindest müßten meines Erachtens die zweifellos zu erwartenden Steuermehreinnahmen, die über die Schätzungen hinausgehen werden, für diese Zwecke sichergestellt und gebunden werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die Reduktion der Ausgaben noch im Haushaltsjahr 1969 hätte dem Aufwertungsbeschluß auf dem Fuße folgen müssen. Dann wäre es auch nicht zu der Ausgabenhypertrophie, zu diesem Wildwuchs im November und Dezember 1969 gekommen. Kollege Stoltenberg hat einen Betrag von 3 Milliarden DM als Vergleichszahl genannt, die dann listig zur Verniedlichung des Ausgabensteigerungssatzes Verwendung gefunden hat. Eine wirkliche Flaggenparade!
    In diesem Zusammenhang darf nicht die verschwenderische, auf Schau gemachte Regierungserklärung mit dem Füllhorn von Versprechungen vergessen werden. Wir warten aber noch heute auf die Antwort auf die Kleine Anfrage — Drucksache VI/215 — der Abgeordneten Strauß und Genossen, in der auf vier Seiten dieses maßlos übersetzte Programm der inneren Reformen auf den Prüfstand des Haushalts und des Stabilitätsgesetzes gestellt werden muß. Wenn auch ein großer Teil dieses Premierenerfolges in der Regierungserklärung durch Abstriche, Verschiebungen und Korrekturen wieder verblaßt ist, so hätten Sie als der für die Konjunkturpolitik und für die Konjunktur verantwortliche Minister ein solches Tableau nicht durchgehen lassen dürfen. Sie waren drei Jahre in der letzten Regierung und hatten Zugang zu allen Informationen. Es gibt also keine Entschuldigung für eine solche unhaltbare politische Versprechenseskalation.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, wenn das, was man aus dem schwachen Rinnsal der für die Opposition fließenden Informationen aus dem Regierungslager entnehmen kann, richtig ist, wollten Sie in den Dämpfungsmaßnahmen — genauso wie damals beim Aufwertungssatz — noch etwas höher greifen. Dieses Mal hat Sie aber nicht eine starke Regierungspartei an den guten Werken konjunkturpolitischer Barmherzigkeit gehindert, sondern es waren Ihre eigenen Freunde und der David der Kleinen Koalition.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

    In diesem Zusammenhang muß ich die Frage stellen, wie einige Textziffern des Jahreswirtschaftsberichts aufzufassen sind. Dort ist in verschleiernden Worten die Möglichkeit angesprochen, offen auch weiterhin in die Saiten des Aufwertungsinstruments zu greifen. Soll das heißen, daß Sie — worüber es
    Informationen gibt — bei Fortsetzung dieser Preisentwicklung in anderen Ländern, vor allem die zweite Rate der Aufwertung, mit der Sie im Kabinett durchgefallen sind, aus dem Zylinder Ihres magischen Trickkastens holen oder überhaupt immer nach Bedarf hilfreich für die anderen an dieser Schraube drehen wollen? Können Sie, Herr Professor Dr. Schiller, die Inflationspolitik des Auslandes sachgerecht einschätzen?
    Der Jahreswirtschaftsbericht mündet wie in den vergangenen Jahren in die kurz- und mittelfristigen Zielvorstellungen. Ich brauche hier den Weg der Irrungen und Wirrungen, die bis in Ihre letzte Projektion hineinreichen, nicht nachzumessen. Der Bericht der Bundesbank muß eine arge Enttäuschung für Sie gewesen sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die Zielvorstellungen stimmen zum Teil bis zu hundert Prozent nicht. Projektionen sind sicher ein wichtiges Instrument, aber man sollte sie nicht als Dogma hinnehmen. Zahlenspiele dienen gewöhnlich mehr zur Vernebelung der Schau. Die neuen Projektionen stellen darüber hinaus einen Bruch in der bisherigen Entwicklung dar, den wir als Opposition nur zutiefst bedauern können.
    Sie haben in der Textziffer 24 die Abweichungen des Ist vom Soll sehr geschickt in absolute Zahlen verpackt und in Relation zum Bruttosozialprodukt gesetzt und damit einen Test Ihrer prophetischen Kraft gegeben. In Prozentsätzen ausgedrückt ist dieses Bild etwas eindrucksvoller. Wir kommen bei den Prozentsätzen zu Abweichungen bis zu 100 % und mehr. Das will schon etwas bedeuten. Wenn auch diesen Zahlen keine verpflichtende Kraft zukommt, so sind sie doch in offizielle Gewänder und Kostüme gekleidet, die in der Regel Aufmerksamkeit und Beachtung bei dem obrigkeitshörigen Bürger — und so ist das System auch angelegt und gemeint — finden. Die kleinen Verbesserungen durch das Abgehen von den letzten Stellen hinter dem Komma und das Ausweichen auf Margen und Bandbreiten ist zwar ein Ansatz, aber eben nur ein Ansatz zu besserer intellektueller Reflexion.
    Das Bundeswirtschaftsministerium hat im November 1968 in einer Broschüre über die Methoden zur Erstellung und Projektierung der mittelfristigen Wirtschaftsentwicklung mit bemerkenswerter Offenheit die vielen Unbekannten einer solchen Gleichung dargestellt. Für die Öffentlichkeit erscheinen aber schließlich immer wieder kompakte und feste Zahlen, die nach Abstammung und Herkunft regierungsamtlichen Charakter tragen und damit geeignet sind, die Wirtschaftssubjekte zu beeinflussen.

    (Abg. Frau Griesinger: Hört! Hört!)

    Warum werden im Jahreswirtschaftsbericht, der doch letzten Endes eine politische Aussage darstellt, diese vielen Fehlerquellen angesichts der unübersehbaren Faktoren, die den Wirtschaftsprozeß steuern, bei den nach wie vor dürftigen statistischen Unterlagen — um deren Verbesserung sich die Regierung bemühen sollte — nicht deutlicher herausgestellt? Dabei kommt es entscheidend auf die nicht quantifizierbaren psychologischen Faktoren in



    Höcherl
    einer freiheitlichen Wirtschaft an, die durch die Entscheidungsträger in diesen Prozeß hineinwirken, so daß es an einer tragfähigen Basis sowohl für eine sichere Prognose als auch noch mehr für eine Globalsteuerung, dem liebsten Kind unseres Bundeswirtschaftsministers, fehlt.
    Natürlich soll nichts generell gegen das Instrument einer Globalsteuerung, gegen diese Methode gesagt werden. Aber es hat keinen Sinn, dieses Instrument wie ein Evangelium zu behandeln. Viel wichtiger wäre es, das Vertrauen zu stärken, die selbstregulierenden Kräfte in der Wirtschaft zu wecken, um dem Volk das Bild einer Regierung zu geben, die mit Wachstum und Stabilität umzugehen weiß, wachsam, skeptisch und ohne heimliche Fluchtgedanken in eine gemütlichere Welt des sogenannten modernen SPD-Deutschland.

    (Beifall und Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

    Gravierend und hochpolitisch wird die Sache aber, wenn diese Projektionen als wirtschaftspolitische Zielsetzungen aufgenommen werden und die kurz- und mittelfristige Wirtschaftspolitik allein darauf abgestellt wird. Hier stellt sich für die Opposition die entscheidende Frage, die immer und von allen Rednern hier angesprochen worden ist. Ich möchte sie von einer anderen Seite beleuchten: Das Problem der Stabilität, verbunden mit den weitreichenden Zielen einer besseren Verteilung des Vermögens und der Gesellschaftspolitik, die nicht nur auf lange Sicht die Vollbeschäftigung, Wachstum und eine ausgeglichene Zahlungsbilanz bestimmen. Für die Opposition ist die Stabilität der zentrale Faktor in dem magischen Viereck der Stabilitäts-
    und Wachstumsgesetze.
    Es geht um ein entscheidendes wirtschaftliches Gut der breiten Schichten unseres Volkes, was folgende Zahlen zeigen mögen. Eine Preissteigerungsrate von 3 °/o, wie Sie vor wenigen Tagen noch geschrieben haben — die Tinte ist noch nicht trokken —, die heute bereits bei 31/2 % steht, bedeutet einen Kaufkraftverlust für den Verbraucher von jährlich 10 Milliarden DM und für den Sparer einen Verlust von 7 bis 8 Milliarden DM pro Jahr.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Ein solcher Betrag entspricht in etwa den Dimensionen, die für ,die Vermögensbildung insgesamt eingesetzt werden. Das ist eine Zumutung für den deutschen Sparer; denn der Betrag erreicht die Größenordnung aller Förderungsmaßnahmen der Regierung zur Vermögensbildung der breiten Schichten.
    Für uns ist die Sicherheit der Währungsstabilität das Kernproblem, ebenso wie eine gleichmäßige Verteilung der Vermögen. Wir sind auch nicht bereit, im Interesse kurzfristiger Wachstumsgewinne dieses Anliegen in Frage stellen zu lassen. Wenn sich diese Regierung als Regierung der inneren Reformen deklariert, dann ist es um so unverständlicher und widersprüchlicher, wenn sie von vornherein zuwenig Willen und Tatkraft zur Erhaltung dieser gefährdeten Stabilität bekundet.
    Es sind so unerhörte Beträge, die hier in der Diskussion stehen und die sich nur kraft des mehr oder weniger anonymen Ablaufs in ihrer Bedeutung nicht mehr und nicht ganz ins Bewußtsein der breiten Öffentlichkeit einprägen. Damit ist ihre Wirkung aber keineswegs erschöpft. In unserer bisherigen Wirtschaftspolitik über 20 schwere Jahre hinweg, in den Aufbaujahren während der Nachkriegszeit, ist es uns gelungen, Sie, die Linken, einmal zur sozialen Marktwirtschaft zu erziehen

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    und die Kontinuierlichkeit des Wachstums und des Zahlungsbilanzausgleichs sicherzustellen, mit der wir mit einigen wenigen Staaten vergleichbarer Art über 20 Jahre einsam die Spitze der Stabilität gehalten haben. Damit ist nachgewiesen, daß die Stabilität — und nur sie — die wahre Quelle der Vollbeschäftigung, aber auch des Wachstums und damit auch einer geordneten Zahlungsbilanz ist, die uns zu den Leistungen an das Ausland, zu den politischen Zahlungen, dem erstaunlichen Beitrag zur Entwicklungshilfe und dem zunehmenden Kapitalexport befähigen. Wir sind der Auffassung, daß das wirtschaftliche Wachstum langfristig nur durch die Erhaltung der Währungsstabilität gesichert werden kann. Kurzfristige Wachstumsschwankungen, auch wenn es einmal jährlich nur 1 bis 2 % sein sollten, sind langfristig letztlich eine solidere Politik.
    Nach § 1 des Stabilitätsgesetzes — daran muß neuerdings erinnert werden — ist die Regierung verpflichtet, „bei ihren wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen die Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zu beachten". Alle diese Maßnahmen „sind so zu treffen, daß sie im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung gleichzeitig zur Stabilität des Preisniveaus" und zu den übrigen Kategorien beitragen. Nun frage ich Sie: Wo ist der 'Beitrag der Bundesregierung zur Stabilität? Im übrigen hat ein internationaler Vergleich, der jüngst in einer wissenschaftlichen Arbeit an 15 Industriestaaten über 50 Jahre hinweg geführt wurde, ergeben, daß es die Stabilität und nur sie ist, die auch die entsprechenden Wachstumsraten gesichert hat. Das beste Beispiel sind die 20 Jahre, in denen wir selbst die entscheidende Regierungsverantwortung mit der Stabilitätspolitik getragen haben,

    (Beispiel bei der CDU/CSU.)

    Wir verstehen aber diesen Begriff der Stabilität keineswegs in den engen Grenzen einer Zahlenreihe von 1 oder 2 0/0; wir verabsolutieren ihn auch nicht. Selbstverständlich muß dieser Begriff in einer Volkswirtschaft mit unausgenützten Produktionsfaktoren abgewandelt werden. Für uns aber ist Stabilität aus den angeführten Gründen der Basisfaktor jeder auf die Dauer erfolgreichen Konjunkturpolitik, und hier beginnen unsere ernsten Zweifel. Eine Preissteigerungsrate von 3 % für 1970 und von 2 bis 3 % für die mittelfristige Finanzplanung, die ihrerseits methodisch nach Ihrer Ausarbeitung, die ich zitieren konnte, in eine langfristige Vorausschau auf 15 Jahre eingebunden ist, ist für uns unerträglich, nicht nur deshalb, weil schon das Inkaufnehmen
    1292 Deutscher Bundestag — 6. WahlperIode — 29. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 17. Februar 1970
    Höcherl
    eines für unsere bisherige Praxis und für unser Empfinden — wir Deutschen sind nach den Währungskatastrophen hochempfindlich — extrem hohen Satzes bedeutet, daß man erst bei Erreichen oder gar bei Überschreiten dieses bereits zu hohen Ansatzes auf die Bremsen tritt. Wir glauben, daß eine Projektion von 3 % auch bei weiter Interpretation des Stabilitätsgesetzes im Widerspruch zu dem Geist und dem Wortlaut dieses Gesetzes steht.
    Für uns ist es keineswegs eine Empfehlung, daß die EWG in ihrer mittelfristigen Finanzplanung einen ähnlichen Satz für die harmonisierte EWG-Wirtschaftspolitik empfiehlt. Koordinierung der EWG-Konjunkturpolitik muß mehr sein als nur die Mittlung der Inflationsraten, zumal wenn der deutsche Wirtschaftsminister, wie er auch heute bekannt hat, die Federführung und die Initiative für die Koordinierung der EWG-Konjunkturpolitik in Anspruch nimmt. Wir sehen in diesem Vorgehen der EWG vielmehr eine offene Verletzung des Art. 104 der Römischen Verträge und ein trauriges Eingeständnis der Hilflosigkeit der EWG-Wirtschaft, Währungsdisziplin zu halten. Daß andere Staaten noch weit darüber hinaus geraten, erfüllt uns keineswegs mit Selbstgefühl, sondern mit Bedauern für die breiten Schichten von Sparern und Arbeitnehmern in diesen Volkswirtschaften.
    Das Wort „wirtschaftliches Wachstum" geht Ihnen so leicht von den Lippen, Herr Bundeswirtschaftsminister. Ich will dabei gar nicht auf Ihre sehr anfechtbare Behauptung zurückkommen, 1966 und 1967
    3) seien uns Produktionen im Werte von 30 Milliarden DM entgangen, wobei Sie das Ergebnis des Booms von 1965 großzügig aus der Rechnung herausgelassen haben. Es gibt aber keine Auslegung, auch nicht der Keynes'schen Theorien, die es gestatten würde, wirtschaftliches Wachstum auf andere Gründe zurückzuführen als auf mehr Arbeit oder höhere Produktivität.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Das sind die beiden Elemente des Wirtschaftswachstums. Da für uns die Arbeitszeit nach unserem Menschenbild unter dem Gesetz der Degression steht, gibt es für dauerhaftes Wachstum nur den Weg über die ständig steigende Produktivität der Volkswirtschaft. Diese Produktivität hängt von einem ausreichenden Maß an Investitionen ab. Soweit diese Investitionen nicht durch Eigenfinanzierung entstehen, werden sie volkswirtschaftlich korrekt nur über den Sparprozeß ermöglicht. Es genügt also nicht das Strohfeuer einer manipulierten Konjunkturanheizung, sondern entscheidend ist die Förderung der Sparfähigkeit und des Sparwillens der breiten Bevölkerungsschichten.
    Ich darf wiederholen: diese Investitionen zur Verbesserung der Produktivität sind in korrekter Form nur über den Sparer zu gewinnen. Der verdienstvolle, unentbehrliche, meist verschwiegene Partner der wachsenden Volkswirtschaft, nämlich der Sparer, braucht Stabilität und Vertrauen. Deshalb auch ist für uns die Stabilität der zentrale Faktor als Voraussetzung für eine gleichgewichtige Entwicklung in Vollbeschäftigung und Wachstum mit geordneter
    Zahlungsbilanz. Für unsere politische Auffassung garantiert die Stabilität auch die freiheitlich-wirtschaftliche Ordnung, die wir im Wettbewerb gegen die kollektiven Kräfte der östlichen Zentralverwaltungswirtschaften einzusetzen haben.
    Meines Erachtens kommt in den Diskussionen zum Sachverständigengutachten und zum Jahreswirtschaftsbericht ein Gedanke zu kurz, nämlich der Gedanke der rechten Ordnung im ökonomischen Bereich, vor allem einer besseren Vermögensbildung für die breiten Schichten. Die Opposition wird mit eigenen Vorschlägen und Konzeptionen ein weiteres Stockwerk auf ihre bisherige Vermögenspolitik über Sparförderung, Volksaktien und Eigenheime aufzubauen wissen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wie könnte diese Sparfähigkeit, diese Sparneigung besser gefördert werden als über die Stabilität, die die bisherigen Werte bewahrt und die neu zu schaffenden ermöglicht und sie garantiert? Wenn Sie aber schon 3 °/o Preissteigerungsrate einsetzen, dann erblicken wir darin eine Schwäche, eine Kapitulation vor den Einflüsterungen falsch verstandener Wachstumspolitik.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Im übrigen ist die Entwicklung bereits über diese 3 %hinweggegangen. Die Preise für die Investitionsgüter sind um mehr als 5 % gestiegen. Bis sie die Produktions- und Handelsstufe erreichen, wird ein weiterer Druck auf die Verbraucherpreise ausgeübt, ganz zu schweigen von den administrierten Preisen. Ich habe durchaus Verständnis und erkenne es an, wenn Sie auf dem Verkehrssektor zu Margentarifen übergehen wollen. Aber sehen Sie sich auf dem breiten Sektor der administrierten Preise die Lage einmal an, vor allem in den städtischen Gemeinwesen, dann wissen Sie, wieviel es geschlagen hat! Die hohen Kreditkosten bei fallender Selbstfinanzierungsrate müssen sich mit der üblichen Verzögerung auf die Verbraucherpreise niederschlagen.
    Hilft eine internationale konzertierte Aktion oder, wie Sie es genannt haben, eine Abrüstung in der Zinspolitik? Wir haben Erfahrung mit Abrüstungskonferenzen. Diese internationale Abrüstungskonferenz zur Zinssenkung wird genau das Schicksal wie alle bisherigen Genfer Abrüstungskonferenzen haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Nach dem letzten Bericht der Deutschen Bundesbank wird auch die Bundesbank — wenigstens für die nächste Zeit — Sie auf dieser Expedition gar nicht begleiten können. Das ist deutlich und klar zum Ausdruck gebracht worden. Ihre Erwartungen hinsichtlich der Senkung der Nahrungsmittelpreise sind nur sehr bescheiden in Erfüllung gegangen. Es hat sich nämlich deutlich gezeigt, daß die Senkung der landwirtschaftlichen Erzeugerpreise wegen ihres zunehmend geringeren Anteils am Endprodukt, das seinerseits die steigenden Kosten verdauen muß, sich eben nicht niederschlägt. Ihre Kraftanstrengung, der Kraftakt beim Mühlenkartell beleuchtet besser als andere Beispiele diese



    höcherl
    Situation. Meines Erachtens ist Ihnen hierbei sogar ein Rechenfehler unierlaufen, weil Weizen heute über dem Interventionspreis gekauft wird und eine ganze Reihe von kostensteigernden Faktoren unberücksichtigt geblieben sind.
    Die kalkulierte Importverbilligung hat ebenfalls enttäuscht. Das Ausland hat seine Preise erhöht und sie, von Ausnahmen abgesehen, auf unseren Markt abgewälzt. Die Preissteigerung des Auslandes hält an. Ob es in den hauptsächlichsten Konkurrenzländern zu einer Konjunkturabkühlung kommen wird, ist fraglich.
    Deshalb erscheint es unwahrscheinlich, daß die Zinsen auf dem Geld- und Kapitalmarkt angesichts des drohenden Liquiditätskollapses — um eine Neuschöpfung von Ihnen hier zu zitieren, Herr Bundeswirtschaftsminister in absehbarer Zeit fallen. Die Bundesrepublik ist im Bereich der Geld- und Kreditpolitik infolge der zunehmenden Integration im europäischen Bereich und der freien Konvertibilität, die als hoher Wert sicherzustellen ist, in ihrer Währungspolitik nicht mehr unabhängig. Diesem Umstand müssen wir konjunktur- und zahlungsbilanzpolitisch Rechnung tragen. Daher muß man immer mit einer Abhängigkeit des deutschen Zinsniveaus vom internationalen rechnen. Daß Ihnen der Zentralbankrat noch einmal entgegengekommen ist, ändert nichts an der prekären Situation. Es bleibt abzuwarten, ob uns eine Zinserhöhung zu einem Zeitpunkt aufgenötigt wird, zu dem es uns aus zahlungsbilanzpolitischen Gründen noch unangenehmer wäre als heute. Wir halten auch nichts von dem gekünstelten Versuch einer internationalen konzertierten Zinsmanipulation.
    Alles zusammengenommen stehen wir vor einer Steigerung des Kosten-Lohn- oder Lohn-KostenPaares - wie Sie wollen —, die es heute schon sicher erscheinen läßt, daß die 3 % weit überstiegen werden. Damit ist der Boden der Stabilität verlassen, für die Sie von der Oppositionsbank aus 1965 so goldene und stabile Worte gefunden haben.
    Auch Ihre Konzertierte Aktion agiert nicht für Sie genauso wenig wie der erfreuliche Versuch des neuen Präsidenten der Bundesbank, mit den Geschäftsbanken zu einer freiwilligen Selbstbeschränkung im Kreditbereich zu kommen, Erfolg hatte. Sie, Herr Professor Schiller, hatten mit Ihren wendungsreichen Soloaktionen im vergangenen Herbst selber dazu beigetragen, die Funktionsfähigkeit dieses Instruments zu mindern.
    Nachdem die lohnpolitische Entwicklung nun einmal in Gang gekommen ist; kann man sie schweilich für Nachzügler im Lohnprozeß abstoppen. Hier wäre z. B. ein entschiedenes Dirigieren am Beginn der Lohnentwicklungen notwendig und richtig gewesen.

    (Zustimmung hei der CDU/CSU.)

    Wir haben volles Verständnis dafür, daß die Arbeitnehmer nicht in der Rezessionsphase der Konjunktur und ebenso in der Hochkonjunktur Zurückhaltung üben wollen. Wir sind auch hier für ein kontinuierliches Verhalten und nicht für ein hektisches Hin und Her. Wir sind für Gespräche, die der Verständigung dienen. Aber sie können Kontinuität und Entschiedenheit im wirtschaftlichen Handeln nicht ersetzen.
    Im übrigen eine Bemerkung zu der von seiten der Regierungskoalition wiederholt aufgeworfenen Frage der Anhebung der Beamtenbezüge um 12 %. Meine Damen und Herren, studieren Sie einmal ganz genau, was in dem Bundesbankbericht steht! Auch dort ist die Frage abgehandelt. Dort steht, daß der Regierungsentwurf und die Entscheidung der Mehrheit genau die 12 % enthalten. Damit dürfte dieser Streit und dieses Argument wohl aus der Diskussion kommen.

    (Abg. Matthöfer: 12 % wovon?)

    — 12 % insgesamt. Eine Steigerung von 12 % stellt
    der Bundesbankbericht, den ich Ihnen dringend zu
    lesen empfehle, bei Ihrer Besoldungsregelung dar.

    (Abg. Matthöfer: 12 % worauf?)

    - Da waren es auch 12 %. Hier ist gleichgezogen. Lesen Sie doch erst den Bericht! Sie haben ihn nicht gelesen.

    (Abg. Wehner: Das steht nicht im Manuskript!)

    - Nein, nicht in dem Manuskript, sondern in dem Bericht steht es. Auch Ihnen, Herr Wehner, würde es nicht schaden, wenn Sie gelegentlich Ihre Entwürfe mit etwas Material untermauern könnten.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Wehner: Immer mit dem Bericht unter dem Arm herumlaufen, nicht?)

    - Das wäre besser, als ohne Bericht Zwischenbemerkungen zu machen.

    (Abg. Wehner: Man kennt Sie gar nicht wieder!)

    Wer hätte im übrigen gedacht, daß der Star von einst, Herr Professor Schiller, der Hohn und Spott über die Maßhaltemaßnahmen Ludwig Erhards ausgegossen hat, auf dieses Instrument zurückgreifen muß!

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich habe in diesem Zusammenhang eine ernste Frage. Aus ihrem Hause stammt das gefährliche Wort von der Preishysterie, das damals bei einer Steigerungsrate von 2,8 % gefallen ist. Ich frage Sie hiermit ausdrücklich: Identifizieren Sie sich mit diesen Äußerungen von maßgeblicher Seite Ihres Hauses? Wird hier in einer geschickten Rollenverteilung mit zwei Zungen gesprochen, die wir auch auf anderen Gebieten — ohne mich näher damit zu befassen — zu erkennen glauben?

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ist das jetzt die Stunde, in der die Preisstabilität im guten Sinne des Wortes Stück für Stück preisgegeben wird?

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    In der weiteren Folge des Jahreswirtschaftsberichts haben Sie das Programm der inneren Reformen, unter das Sie Ihre Regierung gestellt haben, wieder aufgenommen. Wir warten auf die finanzielle Darstellung dieses Programms und die Ab-



    Höcherl
    stimmeng mit Ihren Projektionen. Die bisherigen finanzpolitischen Maßnahmen stehen eher in Widerspruch zu den konjunkturpolitischen Notwendigkeiten. Die Sperrungen — nichts gegen die Methode —sind nicht ausreichend, weil sie nachweislich den Rhythmus der öffentlichen Ausgaben, des Haushaltsgebarens, fortsetzen — aber das kommt später, morgen in der Debatte -, wenngleich wir nicht verkennen wollen, daß in der Finanzpolitik ein höheres Maß an Stabilitätsbewußtsein zu erkennen ist. Die Haushaltszahlen lassen sich mit größerer Sicherheit ermitteln als das Zahlenwerk Ihrer Projektionen. Legen Sie diese Zahlen auf den Tisch, dann werden Regierungsprogramm, Konjunkturpolitik und Haushaltspolitik konkretisiert und konfrontiert werden. Sie selber haben 1965 den Satz ausgesprochen, daß die Regierung mit ihrer Opposition die Aufgabe hat, ihre Berechnungen vorzulegen, und entscheidend ist, daß das Parlament durch eine zentrale Stelle, die im vollen Besitz aller Informationen ist, orientiert wird — rechtzeitig orientiert wird — und die Möglichkeiten eines substantiellen politischen Entscheidungsspielraums bekommt.

    (Zuruf von der SPD: Wir kennen das alles!)

    — Das sollten Sie jetzt praktizieren, damals haben Sie das alles beanstandet. Ich stimme Ihnen zu, Sie sind am Zuge.
    Sie haben bei der Einführung des neuen Bundesbankpräsidenten von einer Allianz gesprochen, die zwischen der Bundesregierung und der Bundesbank geschlossen ist. Hoffentlich bleibt es eine Allianz und wird keine unheilige Allianz. Stabilität — ich darf es wiederholen — ist für uns die zentrale Aufgabe, weil sich alles andere davon ableitet. Unsere bisherige Politik der Stabilität, des Wachstums und der Vollbeschäftigung und des Zahlungsbilanzausgleichs hat eine Atmosphäre des Vertrauens geschaffen, den Arbeitnehmern eine ständige Wohlstandsvermehrung — der Herr Bundeskanzler hat heute mit Recht die 16 Milliarden Wertschöpfung allein des Jahres 1969 genannt — und ein anhaltendes Wachstum mit Stabilität garantiert, die Sparer überzeugen können und die Unternehmer ermutigt, den Verbraucher geschont und vor allem den Arbeitern eine immer bessere soziale Ausgestaltung ihrer Arbeitsplätze ermöglicht. Dieser ganze Prozeß — Sie haben ihn alle miterlebt und mitgestaltet — steht wohl einmalig im internationalen Vergleich da.
    Heute müssen wir um die Entwicklung der Preise und der Stabilität der D-Mark schon nach wenigen Monaten Ihrer Regierungszeit Sorge haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die gleiche Sorge bewegt uns um unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit, den Zahlungsbilanzausgleich und die freie Konvertierbarkeit der D-Mark. Der Schlüssel zur Lösung ist nur die Stabilitätspolitik in der modernen Version ohne Frustrierung oder deflatorische Experimente und mit all der Heilkraft, die sie einschließt. Diejenigen, die den entscheidenden Teil unserer Wirtschaft tragen und die im Wirtschaftsprozeß in eigener, freier Verantwortung täglich ihre Aufgaben lösen, brauchen nur Zuversicht und Vertrauen, das ihnen nicht durch
    einfallsreiche und schillernde Werbetexte, sondern durch die überzeugende Sachlichkeit moderner Wirtschaftspolitik zuwächst. Was bisher versprochen wurde, meine Damen und Herren, ist nicht zu halten. Was an Voraussicht geboten wurde — nur z. B. in der Einschätzung der Aufwertungsfolgen —, war unzulänglich und kurzsichtig, die Maßnahmen zögernd und ungenügend.
    Heute hat man einen neuen Sündenbock entdeckt, nämlich einen entlassenen Ministerialdirektor, der seinerseits durch eine Verordnung zu der Konjunkturanheizung beigetragen haben soll. Eine späte Entdeckung. Ich bin überzeugt, daß Herr Kollege Strauß morgen hier in aller Öffentlichkeit diesen späten Sündenbock schlachten wird.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

    Aber es ist mir ganz unbegreiflich, Herr Kollege Schiller, wie Sie aus einem solchen Vorgang eine Entschuldigung für Ihr drittes und viertes Anheizungsprogramm hernehmen wollen, nachdem Sie angeblich erst heute auf einen solchen Vorgang gestoßen sind. Ihr Bewußtsein konnte er damals nicht beflügeln oder beeinflussen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Der Arzneimittelschrank des Stabilitätsgesetzes enthält noch eine Reihe von Medikamenten. Den Mut, sie anzuwenden, müssen Sie schon selber aufbringen.
    Summierung von Leistung, Wettbewerb sind die Herausforderungen unserer Zeit, die nur mit einer soliden Stabilitätspolitik durchgehalten werden können. Die Regierung sollte nicht etwas versprechen, was sie nur um den Preis der Stabilität in unserem Land realisieren könnte. Sie sollte überzeugend handeln, statt Zahlenakrobatik zu betreiben und einem fragwürdigen Prognosenglauben zu huldigen. Für eine ernsthafte, korrekte, stabilitätsbewußte Politik hat die Regierung unsere Unterstützung.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU.)