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    Deutscher Bundestag 29. Sitzung Bonn, Dienstag, den 17. Februar 1970 Inhalt: Anteilnahme an dem Anschlag auf das Altersheim der israelitischen Kultusgemeinde in München 1245 A Überweisung einer Vorlage an den Haushaltsausschuß 1245 B Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Frau Dr. Diemer-Nicolaus, Berlin, Dr. von Nordenskjöld, Dr. Erhard, Frau Seppi und Becker (Pirmasens) 1245 B Amtliche Mitteilungen 1245 C Beratung des Jahresgutachtens 1969 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Drucksache VI/100) in Verbindung mit Beratung des Jahreswirtschaftsberichts 1970 der Bundesregierung (Drucksache VI/281) Dr. Schiller, Bundesminister 1247 B, 1297 A, 1328 A Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) 1255 A Kienbaum (FDP) 1263 B Dr. Stoltenberg (CDU/CSU) (zur GO) 1267 B Junghans (SPD) 1267 B, 1323 D Dr. Stoltenberg (CDU/CSU) 1272 A Brandt, Bundeskanzler 1281 C Mertes (FDP) 1282 D Dr. Schachtschabel (SPD) 1284 B Höcherl (CDU/CSU) 1288 A Dr. von Dohnanyi (SPD) 1294 D Graaff (FDP) 1303 D Zander (SPD) 1304 C Dr. Luda (CDU/CSU) 1306 D Lenders (SPD) 1310 D Dr. Burgbacher (CDU/CSU) 1313 C Rosenthal (SPD) 1314 B Gewandt (CDU/CSU) 1316 B Wolfram (SPD) 1318 B Springorum (CDU/CSU) 1321 A Dr. Frerichs (CDU/CSU) 1322 C Dr. Warnke (CDU/CSU) 1324 A Wehner (SPD) 1325 B Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär 1326 C Nächste Sitzung 1330 II Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 29. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 17. Februar 1970 Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten 1331 A Anlage 2 Schriftliche Antwort auf die Zusatzfrage des Abg. Niegel betr. Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände 1331 B Anlage 3 Schriftliche Antwort auf die Zusatzfrage des Abg. Meister betr. Freigabe von Wohnungen durch die Stationierungsstreitkräfte 1331 D Anlage 4 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Strohmayr betr. Wohngeld für Sozialhilfeempfänger 1332 A Anlage 5 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Breidbach betr. Kompetenzen in bezug auf Hilfsmaßnahmen für Nigeria 1332 B Anlage 6 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Wulff betr. Hilfsmaßnahmen für Biafra 1332 C Anlage 7 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Petersen betr. Verfolgung von Mängelrügen durch Käufer von Eigentumswohnungen und Eigenheimen im Prozeßwege 1332 D Anlage 8 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Baier betr. Maßnahmen gegen den Mietwucher 1333 A Anlage 9 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Mertes betr. Übergang von mit Bundesmitteln geförderten Wohnungen in Privatbesitz 1333 B Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 29. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 17. Februar 1970 1245 29. Sitzung Bonn, den 17. Februar 1970 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Adams * 17. 2. Adorno 20. 2. Dr. Artzinger * 17. 2. Dr. Bayerl 28. 2. Behrendt * 17. 2. Biechele 28. 2. Dr. Dittrich * 20. 2. Frehsee 28. 2. Geldner 20. 2. Freiherr von und zu Guttenberg 20. 2. Hauck 28. 2. Kater 20. 2. Memmel * 20. 2. Müller (Aachen-Land) * 20. 2. Dr. Prassler 20. 2. Richarts * 19. 2. Schirmer 17. 2. Stücklen 18. 2. Vogel 17. 2. Dr. Freiherr von Weizsäcker 20. 2. b) Urlaubsanträge Burgemeister 31. 3. Dohmann 31.3. Dr. Pohle 28. 2. Schröder (Sellstedt) 6. 3. *Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments Anlage 2 Schriftliche Antwort des Bundesministers Ertl vom 28. Januar 1970 auf die Zusatzfrage des Abgeordneten Niegel zu seiner Mündlichen Frage *). Die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände e. V., Bonn, (AGV) ist ein Zusammenschluß von 20 Verbänden und Organisationen, die sich laut Satzung überwiegend mit Verbraucherfragen beschäftigen; die Finanzierung erfolgt durch Mitgliedsbeiträge, Verkaufserlöse der Publikationen und zweckgebundene Zuwendungen der öffentlichen Hand für spezielle Aufklärungsmaßnahmen. Die AGV erhält vom BML keine globalen Zuschüsse zur Deckung ihrer laufenden Personal- und Sachkosten. Die AGV verfügt über gute Verbindungen zur Tagespresse sowie zum Rundfunk und Fernsehen; sie ist für die Information der Verbraucher über das *) Siehe 22. Sitzung Seite 833 B Anlagen zum Stenographischen Bericht aktuelle wirtschaftspolitische Geschehen eine wichtige Einrichtung. Da mir an einer schnellen und weitgestreuten Verbraucherinformation gelegen ist, erhält die AGV von meinem Hause zweckgebundene Zuwendungen mit dem Auftrag, a) jahrlich bis zu 70 Rundfunksendungen und 40 Fernsehsendungen zu warenkundlichen und verbraucherpolitischen Themen auf dem Ernährungsgebiet im überregionalen Programm eingenverantwortlich durchzuführen, b) wöchentlich Angaben über Verbraucherpreise für Nahrungsmittel im gesamten Bundesgebiet - besonders in Mittel- und Kleinstädten - zu sammeln und die Ergebnisse der Zentralen Markt- und Preisberichtstelle der Deutschen Landwirtschaft und der Unterabteilung für Verbraucherangelegenheiten in meinem Hause für Auswertungen zur Verfügung zu stellen, c) jährlich bis zu 100 Schreibmaschinenseiten Informationen über verbraucherpolitische Themen sowie Warenkunde, Marktzusammenhänge und richtiges Verhalten beim Einkauf von Nahrungsmitteln in der Verbraucherpolitischen Korrespondenz (VPK) oder Verbraucherrundschau (VR) zu veröffentlichen. Eine Beeinflussung der AGV etwa in der Richtung, daß sie ihre Veröffentlichungen mit den agrar- und ernährungspolitischen Zielsetzungen der Bundesregierung in Einklang bringt, ist nicht möglich und auch nicht beabsichtigt. Es besteht mit dem Vorstand und der Geschäftsführung der AGV Übereinstimmung darüber, daß sich die Arbeitsgemeinschaft bei ihren Veröffentlichungen um eine objektive Darstellung des Sachverhalts zu bemühen und bei ihrer Meinungsäußerung jede Polemik zu vermeiden hat. Anlage 3 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Reischl vom 10. Februar 1970 auf die Zusatzfrage des Abgeordneten Meister zu seiner Mündlichen Frage *). Die Unterhaltskosten für die freigegebenen und wegen der laufenden Instandsetzung zur Zeit noch nicht besetzten rd. 1400 Wohnungen betragen pro Monat schätzungsweise rd. 31 220 DM (22,30 je Wohnung und Monat im Durchschnitt). Die Kosten werden vom Bund als Eigentümer getragen. Die Wohnungen befinden sich zur Zeit in einem Zustand, der es nicht gestattet, sie sofort zu beziehen. Da sie unmittelbar nach der notwendigen Instandsetzung vermietet werden, ist ein Mietausfall nicht zu erwarten. *) Siehe 25. Sitzung Seite 1012 B 1332 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 29. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 17. Februar 1970 Anlage 4 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Ravens vom 30. Januar 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordnerten Strohmayr (Drucksache VI/273 Frage A 49): Welche Maßnahmen sind erforderlich oder bereits getroffen worden, daß die Sozialhilfeempfänger nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum § 29 des Wohngeldgesetzes vom 1. April 1965 nunmehr und noch nachträglich Wohngeld erhalten? In einem gemeinsamen Rundschreiben vom 19. Dezember 1969 haben die Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen, für Jugend, Familie und Gesundheit sowie für Arbeit und Sozialordnung die für die Durchführung des Wohngeldgesetzes, der Sozialhilfe und der Kriegsopferfürsorge zuständigen obersten Landesbehörden über den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 14. November 1969 unterrichtet. Das Rundschreiben stellt klar, daß alle Empfänger von Sozialhilfe und Kriegsopferfürsorge einen Rechtsanspruch auf Wohngeld haben, wenn die sonstigen Voraussetzungen nach dem Wohngeldgesetz erfüllt sind. Ab November 1969, dem Monat, in dem der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts erlassen worden ist, werden die Anträge des genannten Personenkreises unter Nichtbeachtung des § 29 Wohngelde vom 1. April 1965 beschieden. Es ist sichergestellt, daß die Antragberechtigten neben dem ihnen zustehenden Wohngeld soviel Sozialhilfe oder Kriegsopferfürsorge erhalten, daß sie nicht schlechter gestellt sind, als wenn sie wie früher lediglich Sozialhilfe oder Kriegsopferfürsorge erhalten würden. Im Interesse einer zügigen und möglichst reibungslosen Abwicklung der etwa 350 000 Wohngeldanträge werden zunächst die Anträge bearbeitet, die sich auf den Zeitraum ab November 1969 erstrecken. Die Entscheidungen über das Wohngeld für die zurückliegende Zeit werden vorerst zurückgestellt, weil die damit zusammenhängenden Fragen noch nicht abschließend geklärt sind. Dem begünstigten Personenkreis entstehen dadurch jedoch keine Nachteile. Zur Erörterung des gesamten Fragenkomplexes hat im Bundesministerium für Städtebau und Wohnungswesen am 15. Januar 1970 eine Ressortbesprechung und gestern eine Besprechung mit Vertretern der zuständigen Länderminister stattgefunden. Anlage 5 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Dahrendorf vom 30. Januar 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Breidbach (Drucksache VI/273 Frage A 98) : Wie lange haben die Kompetenzschwierigkeiten zwischen dem Bundesinnenministerium und dem Auswärtigen Amt gewisse Hilfsmaßnahmen der Bundesregierung an Nigeria verzögert, und erklärt sich damit die Tatsache, daß der Vertreter des für humanitäre Hilfe angeblich zuständigen Bundesinnenministeriums nicht nach Lagos ausreisen konnte? Zwischen dem Auswärtigen Amt und dem Bundesministerium des Innern hat es keine Kompetenzstreitigkeiten gegeben, noch hat es in irgend einer Weise Verzögerungen der Hilfsmaßnahmen durch die Bundesregierung gegeben. Wie mir der Bundesminister des Innern mitgeteilt hat, ließen sich die bisher in Frage kommenden Soforthilfen weitgehend anhand der Berichte der Deutschen Botschaft in Lagos und der Hilfsorganisation aus Nigeria in die Wege leiten. Eine Reise eines Vertreters des Bundesministeriums des Innern nach Nigeria ist deshalb bis jetzt nicht vorgesehen worden. Erweist sich eine Prüfung an Ort und Stelle als zweckmäßig, wird dei Bundesminister des Innern unverzüglich einen Vertreter nach Nigeria entsenden. Anlage 6 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Dahrendorf vom 30. Januar 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Wulff (Drucksache VI/273 Frage A 101) : Zu welchem Zeitpunkt hat die Bundesregierung begonnen, Hilfsmaßnahmen für Biafra zu koordinieren? Die Bundesregierung hat seit Bekanntwerden der Not in der Ostregion Nigerias im Sommer 1968 die nach dortigen Verhältnissen mögliche Hilfe geleistet. Seit diesem Zeitpunkt werden auch die deutschen Hilfsmaßnahmen koordiniert, und zwar sowohl zwischen den in Frage kommenden Bundesministerien als auch mit den nichtstaatlichen Hilfsorganisationen. Diese Koordinierung ist auch jetzt laufend fortgesetzt worden. Anlage 7 Schriftliche Antwort des Bundesministers Jahn vom 30. Januar 1970 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Petersen (Drucksache VI/273 Fragen A 109 und 110) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß die in der Regel hohen Abzahlungsquoten die Inhaber von Eigentumswohnungen oder Kaufeigenheimen hindern, mögliche Mängelrügen angesichts des hohen Streitwertes im Prozeßwege zu verfolgen? Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um in solchen Fallen den Bürgern den Rechtsweg zu erleichtern? Fälle, in denen die Eigentümer von Eigentumswohnungen und Kaufeigenheimen durch die hohen Belastungen aus dem Erwerb ihres Eigentums ernsthaft daran gehindert worden sind, Mängelrügen im Prozeßwege zu verfolgen, sind der Bundesregierung nicht bekannt. Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß dem Erwerber einer Eigentumswohnung oder eines Eigenheimes in Fällen, in denen er die zusätzlichen Mittel für eine Prozeßführung zur Verfolgung von Mängel- Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 29. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 17. Februar 1970 1333 rügen nicht aufbringen kann, bereits im Rahmen des geltenden Rechts hinreichend durch die Inanspruchnahme des Armenrechts geholfen werden kann. Anlage 8 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Ravens vom 30. Jannuar 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Baier (Drucksache VI/273 Frage A 129) : Was gedenkt der Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen zu unternehmen, nachdem er im Süddeutschen Rundfunk am 10. Januar 1970 erklärte, daß die vorhandenen Vorschriften gegen den Mietwucher nicht ausreichen? Die Mietwuchervorschrift des § 302 Buchst. e Strafgesetzbuch ist nicht sehr wirksam, denn die Straftatbestände sind so gefaßt, daß man in der Praxis damit sehr wenig anfangen kann, insbesondere was die subjektive Seite dieser Rechtsnorm angeht. Deshalb soll die Mietwuchervorschrift des § 302 e Strafgesetzbuch im Zuge der Strafrechtsreform geändert werden. Das hat der Herr Bundesminister der Justiz bereits in der Fragestunde am 4. Dezember 1969 in Aussicht gestellt. Seine Ausführungen zu diesem Fragenkreis bitte ich im Protokoll der 17. Sitzung auf Seite 612 nachzulesen. Wir werden Herrn Minister Jahn in seinem Bemühen um eine Lösung dieses Problems voll unterstützen. Anlage 9 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Ravens vom 30. Januar 1970 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Mertes (Drucksache VI/273 Fragen A 130 und 131) : In welchem Umfang sind Wohnungen, die mit Bundesmitteln gefördert wurden, nach Kenntnis der Bundesregierung in Privatbesitz übergegangen und in welchem Umfang befinden sich derartige noch in Händen von Kommunen oder Baugesellschaften? Welche Überlegungen hat die Bundesregierung hinsichtlich eines verstärkten Einsatzes des öffentlich geförderten Wohnungsbaues als Mittel der privaten Vermögensbildung? Insgesamt sind in den Jahren 1949 bis 1968 rd. 1,3 Millionen Eigentümerwohnungen — das sind Wohnungen, die der Eigentümer selbst bewohnt - mit öffentlichen Mitteln gefördert worden. Das sind etwas mehr als ein Viertel aller mit Bundes- und Landesmitteln geförderten Sozialwohnungen. Für den Bereich der Kommunen liegen keine Zahlen vor, die als Antwort auf Ihre Frage dienen können. Die Gemeinden haben im allgemeinen auch keine Wohnungen selbst gebaut. Für den Bereich der gemeinnützigen Wohnungsunternehmen ist zu sagen, daß in den letzten Jahren durchschnittlich 23 v. H., also nahezu ein Viertel, ihrer gesamten Bauleistung in eigener Bauherrschaft Wohnungen waren, die sie anschließend an Einzelbewerber zur Eigennutzung veräußert haben. Von den in den Jahren 1949 bis 1968 in eigener Bauherrschaft von den gemeinnützigen Wohnungsunternehmen errichteten Wohnungen sind nahezu 600 000 in Ein- und Zweifamilienhäusern und fast 75 000 Wohnungen in Wohnungseigentum in Mehrfamilienhäusern, zusammen also fast 700 000 Sozialwohnungen von den Unternehmen zur Veräußerung erstellt und dementsprechend als privates Einzeleigentum veräußert worden. Daneben haben die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen noch den Bau von mehreren hunderttausend Wohnungen in Eigenheimen und in Mehrfamilienhäusern also Eigentumswohnungen — für private Bauherren betreut. Sie haben hiermit einen beachtlichen Beitrag zur privaten Vermögensbildung geleistet. Die Bundesregierung wird auch weiterhin an der im Zweiten Wohnungsbaugesetz festgelegten Förderung der Eigentumsbildung für breite Volksschichten festhalten. Das Förderungsvolumen wird sich in erster Linie am Bedarf orientieren sowie an den im II. Wohnungsbaugesetz vorgeschriebenen Förderungsschwerpunkten. Das gilt auch für das vorgesehene langfristige Wohnungsbauprogramm.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Hans-Jürgen Junghans


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ich will mich jetzt auf Tabellen nicht einlassen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Erst zitieren Sie aber! Sowas haben wir gerne! — Weitere Zurufe von der Mitte.)

    — Entschuldigen Sie, ich habe es bewußt vermieden, mich hier in einer ersten Runde in Prozentrechnungen zu üben, wie Sie das offenbar wollen, auch noch nach dem Komma, Herr Stoltenberg, vielleicht bis zur zweiten Stelle hinterm Komma.
    Aber eines will ich hier noch sagen: Herr Kohl hat die Möglichkeit, hier auf der Bundesratsbank Platz zu nehmen.

    (Zuruf von der Mitte.)

    Ja, entschuldigen Sie mal, er hat doch die Möglichkeit, hier teilzunehmen. Sie beschimpfen doch Leute, die überhaupt nicht die Möglichkeit haben, in diesem Hause zu sein.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. MüllerHermann: Wenn er gewußt hätte, daß Sie ihn zitieren, wäre er gekommen!)

    — Das glaube ich beinahe. Wenn er aber gewußt hätte, was ihm heute morgen entgangen ist, wäre er bestimmt gekommen, Herr Müller-Hermann.

    (Heiterkeit.)

    Herr Müller-Hermann wirft dieser Bundesregierung vor, daß sie bereit sei, eine Preissteigerungsrate von 3 % für 1970 als unausweichlich hinzunehmen. Ich sage für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion: In dieser konjunkturpolitischen Situation ist Ziel Nummer eins die Eindämmung des Preisauftriebs. Daran kann kein Zweifel sein.

    (Beifall bei der SPD. Zurufe von der CDU/ CSU.)

    Aber die Situation ist nun einmal so, daß durch Ihre Stabilitätsverhinderungspolitik im vorigen Sommer und Herbst eine Preiswelle in Gang gesetzt worden ist, die heute in der Spätphase einer Hochkonjunktur bei den Verbraucherpreisen durchschlägt.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    Aber es dient nicht der wirtschaftlichen Stabilität und der Ruhe in diesem Lande, wenn Sie überall eine Preishysterie entfachen wollen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ach ja! Jetzt sind wir da!)

    Es kommt jetzt darauf an, dafür zu sorgen, daß die gegenwärtigen Überhitzungserscheinungen durch sanftes Bremsen in ein Gleichgewicht übergeleitet werden. Dazu verpflichtet § 1 des Stabilitätsgesetzes. Erfolgreich kann eine Konjunkturpolitik nur dann sein, wenn sie vorbeugend wirkt. Das hat der Sachverständigenrat in seinem Gutachten gesagt. Dort heißt es in Ziffer 263:
    Denn wirkt man Fehlentwicklungen nicht vorbeugend entgegen, so besteht, wie gezeigt, die Gefahr, daß das Richtige zu spät geschieht und dadurch falsch wird. Im ersten Fall wird der nächste Rückschlag verstärkt, im zweiten Fall der nächste Boom angeheizt.
    Nehmen Sie zur Kenntnis: Wir werden uns auch von Ihnen nicht verleiten lassen, in dieser Situation das Falsche zu tun.
    Die heutige Preisbewegung hätte im vorigen Frühjahr verhindert werden müssen und können, zu dem Zeitpunkt, als unser Wirtschaftsminister dem damaligen Bundeskanzler Kiesinger seine Vorschläge zur Dämpfung der Konjunktur auf den Tisch gelegt hatte.

    (Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal] : Im November 1968 hatte er ja Gelegenheit!)

    — Ich weiß, es ist Ihnen unangenehm,

    (Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal] : Nein, mir nicht! Ich bin nämlich für die Aufwertung eingetreten!)

    daß Sie das immer wieder aufgetischt bekommen. Aber die Zusammenhänge sind nun einmal so und lassen sich nicht aus der Welt schaffen.
    Ich möchte in diesem Zusammenhang, damit Sie es noch einmal hören,

    (erneuter Zuruf des Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal])




    Junghans
    aus ,der Stellungnahme der Sparerschutzgemeinschaft zum Jahreswirtschaftsbericht zitieren:
    Die wirtschaftspolitischen Versäumnisse des vergangenen Jahres können in ihren Folgen für den Geldwert natürlich nicht mit einem Schlage behoben werden. Durch sie ist eine ungünstige Ausgangslage entstanden. Gegen Jahresende 1969 lag das Preisniveau um 1,3 % über dem Jahresdurchschnitt. Selbst wenn die Preise im Laufe von 1970 nicht mehr steigen würden, ergäbe sich im Jahresdurchschnitt 1970 gegenüber dem Vorjahr bereits ein erheblicher — statistisch bedingter — Anstieg.
    Aber die Probe darauf, wie tief denn der Wunsch nach stabilen Preisen bei Ihnen wirklich verwurzelt ist, können wir im übrigen bald machen. Sie wissen, daß diese Koalition bzw. diese Bundesregierung zwei Gesetzentwürfe in Vorbereitung hat, die auch von Bedeutung für die Entwicklung der Preise in einzelnen Sektoren sein werden. Ich denke da zunächst einmal — Sie werden überrascht sein; auch das haben Sie ja verhindert. — an das, Städtebauförderungsgesetz, das in der letzten Woche den Bundesrat passiert hat. Dieses Gesetz hat preispolitisch insofern eine Bedeutung — die man nicht zu gering einschätzen sollte —, als es die Bodenpreisspekulation so weit wie möglich beseitigen will. Durch die Eindämmung der Bodenspekulation hoffen wir, die Entwicklung der Bodenpreise wieder in vernünftige Bahnen zu lenken, Das muß sich dann auch positiv auf die Entwicklung der Mieten auswirken. Wir hoffen dabei besonders auf die Unterstützung der preisbewußten Kollegen der CDU/CSU.
    Dann steht 'demnächst die Novellierung des Kartellgesetzes an. Der Sachverständigenrat hat in seinem Gutachten schon darauf hingewiesen, daß einer der Faktoren, die im letzten Jahr dämpfend auf den Preisauftrieb gewirkt haben, die verstärkte wettbewerbspolitische Aktivität des Kartellamtes war. Wir hoffen auf Ihre Unterstützung, wenn wir dieses Gesetz ausbauen wollen.
    Sie werden in der nächsten Zeit bei anderen Debatten von uns auch daran gemessen werden, welche konstruktiven Beiträge Sie leisten können, welche konkreten Vorschläge hier dargelegt werden. Dieses Haus — das muß die Opposition lernen — ist für uns dazu da — —

    (Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal] : Jetzt haben Sie den Vortritt, nicht wir! Jetzt müssen Sie zeigen, was Sie können! — Weitere Zurufe bei der CDU/CSU.)

    — Selbstverständlich, Herr Schmidt (Wuppertal), aber Sie wollen sich doch in diesem Hause nicht nur hinsetzen und nur meckern. Sie wollen doch Einfluß nehmen auf die Politik. Das ist doch auch Sache der Opposition.

    (Weitere Zurufe bei der CDU/CSU.)

    Wenn die nächsten Redner von Ihnen hier konkrete Vorschläge machen würden, wäre ich Ihnen
    sehr dankbar. Wir würden Sie uns auch einmal ansehen

    (Abg. Lemmrich: Das ist aber rührend! Sehr gnädig!)

    und eingehend prüfen, ob sie zu verwirklichen sind. Wir erwarten Ihre konkreten Vorschläge in der nächsten Runde. —. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Hermann Schmitt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Stoltenberg.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Gerhard Stoltenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Professor Schiller hat die erste programmatische Rede dieses Jahres im Januar 1970 in Bremen vor der „Eiswette" mit einer skeptischen Bemerkung von Erich Kästner beschlossen: „Leben ist immer lebensgefährlich." Wir fragen uns, gerade auch unter dem Eindruck der bisherigen Ausführungen des Kollegen Schiller und der Koalition, ob das nun ein Motto für die Wirtschaftspolitik dieses Jahres werden soll. Ein Motto für die neue Regierung, vielleicht zur Eingewöhnung der Bürger unseres Landes an unangenehme Wechselfälle nach all den schönen Dingen, die man ihnen vor der Wahl versprochen hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Nun, wie immer das gemeint ist — das wird vielleicht noch interpretiert werden —, es klingt in der Tat anders als die großzügigen Versprechungen Karl Schillers in einer technisch gekonnten Werbekampagne vor der Wahl, auch anders als die ersten Fanfarenstöße, die wir von ihm hier am 30. Oktober in der Debatte nach der Regierungsbildung gehört haben, Fanfarenstöße, denen gegenüber er heute in seinem Bericht doch schon sichtbar auf Moll umgeschaltet hat.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Auf Flöte!)

    Jetzt sollte es doch „erst richtig losgehen", nicht nur mit der deutschen Demokratie, wie Willy Brandt in Anlehnung an Günther Grass sagte,

    (Heiterkeit und Beifall 'bei der CDU/CSU)

    sondern auch mit einer wissenschaftlich exakt fundierten, genau geplanten Wirtschaftspolitik, Wachstum nach Maß, solider Stabilität, endlich befreit von den lästigen Hemmnissen und Behinderungen eines mächtigen und zugleich nach Auffassung Schülers auch uneinsichtigen Koalitionspartners.
    Meine Damen und Herren, statt dessen haben wir in den letzten ,drei Monaten das heute hier vertretene „Prinzip der Pause" erlebt, mit sehr viel verwirrenden Äußerungen, sehr widerspruchsvollen Meldungen — bis 'in die Morgenzeitungen dieses Tages hinein —; wir haben wachsende Besorgnis in der Öffentlichkeit erlebt. Auch Herr Kienbaum hat darauf hingewiesen, daß es mit den zurückgehenden Spareinlagen erste Anzeichen eines Vertrauensschwundes unter den Sparern 'und Bürgern gibt.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)




    Dr. Stoltenberg
    Das ist natürlich mit begründet durch die sehr widerspruchsvollen und rasch wechselnden Ankündigungen in der Konjunktur-, Steuer- und Finanzpolitik, die diese Pause der nun fast vier Monate währenden wirtschaftspolitischen Inaktivität bestimmt haben. Es sind ja nun Vokabeln aus dem Regierungslager, zum Teil aus dem Munde des Bundeswirtschaftsministers, die ich hier zitieren möchte: „Droheader Liquiditätskollaps". Was bedeutet das, Herr Kollege Schiller? Wir möchten das gerne genauer hören. „Drohende Eskalation einer Preis- und Lohnspirale". „Hausgemachte Inflation". Ebenso die lapidare Feststellung aus Ihrem Hause um Weihnachten: „Stabilität kann sehr weh tun." Ich hoffe nicht, daß Ihnen diese Feststellung eines Tages in die böse Unterstellung einer gewollten Rezession umgemünzt wird,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    wie das Herr Junghans heute wieder einmal mit anderen Zitaten, gewissen Äußerungen von Politikern aus unseren Reihen, getan hat.
    Im übrigen haben wir den Versuch erlebt, nach dem Motto zu verfahren: Angriff ist die beste Verteidigung. Vergangenheitsbewältigung im Sinne der Legendenbildung soll das fehlende Konzept für die Gegenwart und die Zukunft ersetzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Mich hat das ein bißchen an die Prosa eines bekannteren Professors Schiller erinnert, der vor 170 Jahren geschrieben hat — ich darf zwei Sätze aus dem Gedächtnis zitieren —:
    Der spanische Befehlshaber erkannte jetzt, in was für eine unglückliche Lage er durch seine Irrtümer geraten war. Er versuchte jedoch, durch kühnes Manövrieren und herausfordernde Gesten dem Gegner und seinen eigenen Truppen die wahre Natur der Gefahren zu verbergen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren! Für Karl Schiller kommt noch ein weiteres belastendes Problem hinzu, nämlich die Uneinigkeit im eigenen Lager, d. h. im Lager der Koalition, aber, wenn man genau sieht, trotz aller nachbarschaftlichen Nähe bis in die letzten Tage hinein auch manche sachlichen Meinungsverschiedenheiten in der eigenen Partei, mit seinem Nachbarn zur Linken. Er hat uns heute genau so wenig wie der Kollege Junghans als Sprecher der SPD gesagt, was die Regierung nun konkret nach dem Bericht der Bundesbank und ihren sehr intensiven internen Auseinandersetzungen und Differenzen in den anstehenden Fragen tun will.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die heutigen Zeitungen berichten ja darüber, daß die tiefgreifenden Auseinandersetzungen noch in der gestrigen Kabinettsitzung ausgetragen wurden. Sie berichten übereinstimmend von Vorschlägen des Wirtschaftsministers etwa auf dem Gebiete der Steuerpolitik, die er hier nicht vortragen durfte. Er ist wieder einmal mit seinen steuerpolitischen Vorschlägen nicht durchgedrungen, ebensowenig wie im Dezember, als er für die Erhöhung der Investitionsteuer war und als Kollege Alex Möller in einem Interview statt dessen für die Einschränkung der degressiven Abschreibung eintrat. Sie sind sich nicht einig geworden. Offenbar hat er es mit dem neuen Kabinett nicht leichter als mit dem alten,

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    und offenbar hat es — das ist mein Eindruck, wenn ich mit dem einen oder anderen aus Ihren Reihen spreche — das neue Kabinett mit ihm auch nicht leichter als das alte.

    (Erneute Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

    Auch der Bundeskanzler wird darüber einiges sagen können.
    Wenn Herr Schiller hier heute ausdrücklich vor dem „nie", das man nicht sagen soll, gewarnt hat, so hat er zwar rückblickend Herrn Dr. Kiesinger gemeint, aber natürlich auch Herrn Genscher, auch die FDP. Herr Kienbaum hat hier ein ganz klares Nein, ein bedingungsloses Nein, ein „Nie" zu Ihren Vorschlägen und Gedanken der Steuererhöhung ausgesprochen, weil sie nach Auffassung der FDP die Investitionstätigkeit der Wirtschaft entscheidend treffen können. Aber, Herr Kollege Schiller, wenn Sie diese Meinungsverschiedenheiten in der Koalition und im Kabinett nicht überbrücken können, dann halte ich es doch für sehr bedenklich, daß Sie in der vom letzten Jahr nur zu bekannten Form persönlicher Anmerkungen über die Regierungsbeschlüsse hinaus oder in der Form unklarer Andeutungen zu § 26 des Stabilitätsgesetzes zu erkennen geben, daß Sie etwas wollen, was Sie im gegenwärtigen Augenblick zumindest nicht dürfen. Ich halte es für bedenklich — Sie haben ja den vorbereiteten Text in Ihrer Rede noch etwas verschärft in der Aussage —, daß Sie hier wieder die Möglichkeit von Steuererhöhungen andeuten, ohne präzise zu sagen, was jetzt die Regierung in dieser Situation, in der das Vertrauen schon sehr strapaziert ist, will oder nicht will.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal] : Wie gehabt!)

    Wer verzögert hier Entscheidungen? Wer vermag sich im Streit der Koalitionsparteien und der Minister nicht zu entscheiden?

    (Abg. Dr. Müller-Hermann: Wer verunsichert?)

    Es genügt nicht mehr — Herr Kollege Junghans, Sie haben das ausführlicher getan, und auch Herr Schiller hat es getan —, das abgenutzte Alibi vom Mai auf Oktober 1969 der verspäteten Aufwertung zu benutzen, um diesen tiefgreifenden Dissens innerhalb der Bundesregierung und der Koalition zu übertünchen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir werden die Schlachten des vergangenen Jahres um die Aufwertung nicht wieder aufnehmen. Sie ist ein Datum, das — Herr Kollege Müller-Hermann hat es gesagt — gesetzt ist und bei dem wir uns heute in einer Zwischenbilanz — eine end-



    Dr. Stoltenberg
    gültige Bilanz mit dem Für und Wider ist sicher zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich — über die Auswirkungen zu unterhalten haben. Was wir aber nicht akzeptieren, ist der heute wieder eifrig unternommene Versuch der Legendenbildung, der Umschreibung der Geschichte der letzten zwei Jahre, und was wir diskutieren müssen, sind die Auswirkungen dieser Aufwertung im Positiven und Negativen als Grundlage für die Orientierung einer künftigen Politik.
    Zur Legendenbildung bleibt nicht mehr viel zu sagen. Karl Schiller war ein entschiedener Gegner der Aufwertung,

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU)

    als die klassischen Befürworter dieser Maßnahme, allen voran die Bundesbank, sie im Herbst 1968 für zeitgerecht und optimal wirksam hielten.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Das hat der ehemalige Präsident der Bundesbank, Karl Blessing, noch vor wenigen Wochen im Haushaltsausschuß klar in der Sache zum Ausdruck gebracht.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Er ist ja noch im Mai 1969, Herr Junghans, für diese Haltung von Ihnen gepriesen worden. In der sozialdemokratischen Wählerzeitung „Dafür", die wahrscheinlich auch in Ihrem Wahlkreis für eine Mark verteilt und verkauft wurde, hat der Münchener Oberbürgermeister Dr. Vogel im Mai 1969 über Karl Schiller folgendes geschrieben:
    Seine denkwürdigen Bonner Verhandlungen im November 1968 mit den europäischen Partnerstaaten zur Abwendung der Mark-Aufwertung haben gezeigt, daß der Begriff von sozialer Symmetrie eine höchst praktische Seite hat.

    (Heiterkeit, Bravo-Rufe und Beifall bei der CDU/CSU.)

    Nun, meine Damen und Herren von der Koalition, das ist Ihr Problem. Wir beabsichtigen nicht, uns hier sehr lange mit dieser Art der Umschreibung der Geschichte zu befassen.
    Im Frühjahr 1969 hat Herr Kollege Schiller seine Meinung geändert. Das ist sein Recht gewesen. Jedermann, der an diesen Verhandlungen teilgenommen hat, weiß, wie schwer ein Votum war, wie stark die Argumente dafür und dagegen standen, jenseits aller billigen Vereinfachungen, vor denen wir uns hüten sollten. Aber Herr Kollege Schiller sollte sich nicht aus einem verspäteten Konvertiten zum Vorkämpfer der angeblich reinen Lehre umstilisieren.

    (Beifall und Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

    Denn es bleibt nach den Erfahrungen der letzten drei Monate doch manches bedenkenswert. Karl Schiller hat vor seiner Konversion selbst immer wieder über die binnenwirtschaftlichen und die preispolitischen Wirkungen der Aufwertung Zweifel geäußert, etwa als er noch am 27. Februar, vor weniger als einem Jahr, im deutschen Fernsehen sagte:
    Bei jeder außenwirtschaftlichen Absicherung, auch wenn wir eine klassische Aufwertung gemacht hätten im November, was wir aus wohlüberlegten Gründen nicht getan haben und auch nicht vorhaben,

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    wäre das, was an Preisbewegung jetzt ist, ohnehin eingetreten.

    (Lachen in der Mitte.)

    Vieleicht kann das eine prophetische Bemerkung für den Wirtschaftsablauf des Jahres 1970 sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir wollen über die Wirkungen diskutieren, ohne Anspruch auf Unfehlbarkeit. Wir halten es auch nicht für richtig, wenn der Bundeswirtschaftsminister, wie er es hier am 30. Oktober getan hat, Kritik an sich und seinen Entscheidungen mit Kritik an der Wissenschaft gleichsetzen will. Das klingt etwas nach dem Motto: „Sobald der Professor seine Meinung geändert hat, ist eine neue unbezweifelbare wissenschaftliche Erkenntnis geboren,

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    und alle Sozialdemokraten — als eine wissenschaftsbewußte und auch disziplinierte Partei — schließen sich dieser neuen Erkenntnis an."

    (Erneute Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, das kann heute nicht einmal mehr in den Universitäten von den Professoren durchgehalten werden, ganz gewiß nicht im Deutschen Bundestag und in der deutschen Öffentlichkeit.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir wissen, wie komplex die Ursachen für unsere gegenwärtigen Sorgen„ das starke Steigen der Preise, die Überhitzung in weiten Bereichen der Wirtschaft, sind. Sicher sind die Kräfte des Aufschwungs von vielen unterschätzt worden — wir nehmen uns hier im Prinzip gar nicht aus auch von bedeutenden wirtschaftswissenschaftlichen Instituten. Wenn man die Prognosen etwa des IFO-
    Instituts vom Frühjahr 1969 und im Jahreswirtschaftsbericht noch einmal nachliest, aber vor allem und in erster Linie auch vom Bundesminister für Wirtschaft, und wenn hier, Herr Kollege Schiller, vom „dritten und vierten Investitionsprogramm" bei Ihnen die Rede war, dann muß doch einmal im Interesse der Wahrheit festgehalten werden, daß wir im Kabinett im März vergangenen Jahres lebhafte Auseinandersetzungen hatten, an denen wir beide persönlich beteiligt waren, über Ihre Absicht, damals noch viele hundert Millionen D-Mark aus dem Absicherungsgesetz zusätzlich zur Konjunkturbelebung auszugeben.

    (Hört! Hört! bei der. CDU/CSU.) Das ist keine elf Monate her.


    (Abg. Wehner: Das ist falsch dargestellt!)

    Deswegen wollen wir uns über das „dritte und vierte Investitionsprogramm" gern unterhalten. Sie haben damals Mittel für die zusätzliche Belebung der Stahlindustrie vorgesehen, die wenige Wochen später in einem Auftragsboom überbordete. Sie



    Dr. Stoltenberg
    haben Ihren Kritikern, darunter mir, damals gesagt: „Rühren Sie nicht an diesen Dingen, sie sind notwendig." Auch das gehört zur Geschichte, Herr Kollege Junghans, wenn wir uns schon, wie Sie es getan haben, über die Vergangenheit unterhalten.
    Neben den psychologischen Wirkungen dieser Vorgänge einer objektiven Fehleinschätzung über das Wirtschaftsgeschehen, von der viele in allen Lagern ausgingen, hat es auch die ganz negativen psychologischen Wirkungen der überhitzten Debatte vor der Wahl gegeben, auf die Herr Kollege MüllerHermann hingewiesen hat. Ich will auch hierzu nur ein Zitat aus den letzten Wochen sagen, aus dem Artikel einer bedeutenden deutschen Wochenzeitung, die Ihnen etwas kritisch gegenübersteht, aber uns auch, der „Zeit", die am 9. Januar zu diesem Problem, an Sie gewandt, geschrieben hat:
    Man kann den Menschen nicht Monat für Monat einreden, daß wir vor der größten Preissteigerungswelle der Nachkriegszeit stehen, und sich dann wundern, wenn daraufhin überzogene Forderungen gestellt werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Das sind neben den Fragen der außerwirtschaftlichen Absicherung, glaube ich, entscheidende Tatbestände, die man berücksichtigen muß, wenn man über die Ursachen der Schwierigkeiten der Gegenwart spricht.
    Aber vielleicht. sollten wir uns jetzt stärker den Folgen zuwenden, dem, was vor uns liegt. Im Oktober ist hier von den Sprechern der neuen Regierung die Hoffnung auf eine rasche Dämpfung vor allem des Preisanstiegs als Konsequenz der Aufwertung ausgesprochen worden. Das ist wahrscheinlich auch der Grund dafür, daß Ihnen damals das schwere Versäumnis unterlaufen ist, hier kein binnenwirtschaftlich ergänzendes Programm einzubringen. Sie haben am, 30. Oktober so gesprochen. Ihr Parlamentarischer Staatssekretär, Herr Arndt, hat damals gesagt — ich zitiere es aus dem Protokoll —:
    Schon in ein, zwei Wochen kommt ein neuer Preisindex, der schon für Oktober gilt. Das ist der erste Monat des freien Wechselkurses. Warten wir doch einmal ab, ob der Preisauftrieb sich fortgesetzt hat oder schon gestoppt worden ist!
    Herr Arndt hat dann im November aus doch etwas einseitigen statistischen Zahlen in einem Vortrag vor der Industrie- und Handelskammer in Mainz oder in Koblenz erklärt, daß jetzt bereits die Spitze erreicht sei und der Boom der Preise, das Ansteigen der Preise, sich breche. Er hat damals im Oktober in diesem Haus hinzugefügt, wir würden nicht noch im Frühjahr sagen, der Höhepunkt der Preissteigerungen liege noch vor uns.
    Ich glaube, heute müssen Sie sagen, daß diese Erwartungen über die unmittelbaren Wirkungen einer Aufwertung zu optimistisch waren, daß diese Erwartungen stark erschüttert sind und das Versäumnis und der falsche Ansatz Ihrer Steuer- und Wirtschaftspolitik ganz klar werden.
    Es ist für mich schon damals unbegreiflich gewesen — ich kann mich hier auf meine eigenen Ausführungen am 30. Oktober berufen —, daß sich die neue Koalition in der Hektik ihrer Verhandlungen in der Woche nach der Bundestagswahl auf ein Programm von Steuersenkungen im völlig konjunkturwidrigen Ausgangspunkt geeinigt hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir haben Woche für Woche bis zum Dezember gesagt — zunächst mit Widerspruch von Ihrer Seite —, daß es unbegreiflich ist, wie man in einer sich abzeichnenden, zum Teil schon überbordenden Hochkonjunktur mit Steuersenkungen beginnen kann, obwohl es für eine Opposition, Herr Kollege Junghans, gar nicht so selbstverständlich und populär ist, gegen Steuersenkungen der Regierung zu sprechen. Sie haben sich sehr spät, für die psychologischen Wirkungen vielleicht zu spät, dazu bekannt, diese Steuersenkungen zu vertagen.
    Herr Kollege Schiller, wo waren Sie denn damals, als diese Dinge vereinbart wurden? Sie haben doch nach unseren Informationen an diesen Gesprächen teilgenommen. Daß Sie eine längere Zeit geschwiegen hätten, halten alle für ausgeschlossen, die mit Ihnen einmal im Kabinett zusammen waren.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir hatten dann den sehr ernsten Mißerfolg der Konzertierten Aktion in zwei Sitzungen im Dezember und Januar, Herr Kollege Schiller. Aus offiziellen Berichten und aus manchem, was darüber hinaus bekannt geworden ist, wissen wir, mit welchem Nachdruck Sie und Herr Arndt versucht haben, das Problem der Eingrenzung eines Spielraums für die Einkommenspolitik dort in den Mittelpunkt der Beratungen zu stellen. Wir haben auch erlebt und gehört, daß Sie damit gescheitert sind. Die Gründe liegen vielleicht doch in. dem, was Herr Kollege Müller-Hermann sagte: Die Tarifpartner sind nicht mehr bereit, Ihren Prognosen und Daten zu vertrauen, und auch Ihre Politik der angekündigten Steuersenkungen gab der Regierung nicht die Glaubwürdigkeit, die sie brauchte, um mit sachlicher Autorität mit den Sozialpartnern zu verkehren.
    Im Dezember kam dann die Ankündigung von Steuererhöhungen — der eine für Einschränkung der degressiven Abschreibungen, der andere für die Investitionsteuer, der dritte für einen Zuschlag zur Einkommen- und Körperschaftsteuer —, danach eine Entscheidung, das nicht zu tun, und nun wieder, wie ich schon eingangs sagte, ein Aufleben dieser Diskussion. Das ist rätselhaft, rätselhaft wie auch der Satz zur degressiven Abschreibung im Jahreswirtschaftsbericht, auf den ich verweisen möchte: „ihre Aussetzung und Einschränkung wäre im Sommer 1969, als sie vom Bundesminister für Wirtschaft vorgeschlagen worden war, richtig gewesen". So heißt es im Jahreswirtschaftsbericht. Wenn es richtig gewesen wäre, warum haben Sie es denn acht Tage nach Sommerschluß, als Sie Ihre Koalitionsvereinbarungen trafen, nicht getan? Warum reden wir jetzt im Februar darüber, ohne zu wissen, was Sie wollen?



    Dr. Stoltenberg
    Meine Damen und Herren, nach diesem Hin und Her, nach der Prüfung und Verwerfung aller anderen Instrumente, liegt jetzt nach dem Willen der Regierung die volle Last der Konjunkturpolitik bei der Hauskaltspolitik. Deshalb müssen wir auch heute schon, ohne den Einzelberatungen am Donnerstag vorzugreifen, doch einige Eckdaten jedenfalls dieses Etats in die kritische Betrachtung einbeziehen. Das ist erschwert durch die späte Vorlage des Haushalts — aus Gründen, die wir kennen, aber dennoch bedauern —, aber auch deshalb, weil wir gelernt haben, leider gelernt haben, statistischen Angaben dieser Regierung auch mit einer gewissen Vorsicht zu begegnen, bevor wir sie selbst geprüft haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Aber nach diesen Vorbemerkungen gehen wir einmal von einem Wachstum um 12,1 %, bei den Sperren von 8,8 % und einem Beitrag des Bundes zur Konjunkturausgleichsrücklage von 1,5 Milliarden DM aus. Eine erste Analyse zeigt, daß das tatsächliche Bild noch ungünstiger ist. Wir haben die ungewöhnliche Tatsache, daß im Dezember 1969 durch zusätzliche forcierte Ausgaben die Kassenausgaben des Bundes auf fast 12 Milliarden DM — 11,8 Milliarden — angestiegen sind, 3 Milliarden DM mehr als im Vorjahr und in den Jahren 1967 bis 1969. Diese forcierten Ausgaben haben zu einer Überschreitung des Haushaltssolls geführt, und darunter befinden sich ohne Zweifel Ausgaben — etwa in der Finanzierung der Einfuhr- und Vorratsstellen —, die konjunkturell erst im Jahr 1970 wirksam werden. Damit liegen wohl die konjunkturwirksamen Ausgaben im ersten Halbjahr 1970 über 9 %, vielleicht — auch unter Berücksichtigung der Sperren — sogar eher an 10 als 9 %. Wir werden das genau zu untersuchen haben.
    Vor allem aber hat uns überrascht — ein Tatbestand, den die Bundesbank noch gar nicht in ihre kritische Würdigung von gestern einbezogen hat —, daß sich offenbar das Volumen der Bindungsermächtigungen im Jahr 1970 verdoppeln soll,, d. h., daß sich der Finanzminister Verpflichtungsermächtigungen für künftige Jahre in der Größenordnung von 17 Milliarden DM statt 8 Milliarden DM im Vorjahr vom Parlament bewilligen lassen will.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Jedermann, der das Einmaleins der Haushalts- und Wirtschaftsdiskussion gelernt hat, weiß natürlich, daß für die konjunkturelle Wirkung Bindungsermächtigungen, Verpflichtungsermächtigungen, die jetzt in der Form von Aufträgen herausgehen, entscheidender sein können als Kassenmittel, die vielleicht für Aufträge gezahlt werden, die schon im vergangenen Jahr abgeschlossen sind. Dies ist ein im höchsten Grade beunruhigender Tatbestand, und hier ist die Regierung uns und der Öffentlichkeit eine Aufklärung schuldig.
    Aber auch ohne Berücksichtigung des letzten Punktes müssen Sie sich, Herr Kollege Schiller und Herr Kollege Möller und Herr Kollege Junghans, schon mit dem Votum der Bundesbank auseinandersetzen, die vorgestern im Gegensatz zu dem Selbstlob, das Sie sich gezollt haben und das Ihnen manche anderen Stimmen in der Öffentlichkeit gezollt haben, klar gesagt hat: von den öffentlichen Ausgaben wird voraussichtlich kein dämpfender Effekt auf die Gesamtwirtschaftslage ausgehen. Vielleicht wäre diese harte Feststellung, Herr Bundeskanzler, auch eine Sondersitzung des Kabinetts wert, um Ihre finanzpolitischen Beschlüsse für das Jahr 1970 im einzelnen zu überprüfen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Obwohl wir nicht in der Lage sind, Herr Junghans, jetzt hier Punkt für Punkt zu sagen, wo wir den Haushalt anders ordnen wollen — das werden Sie von uns nicht ernsthaft erwarten, nachdem wir ihn vor zwei, drei Tagen bekommen haben;

    (Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal] : Gestern mittag haben wir ihn bekommen!)

    — gestern ist er bei mir eingegangen —, können wir Ihnen im Hinblick auf Ihre Frage, was wir wollen, eines schon konkret sagen: Wir werden einer Verdoppelung der Bindungsermächtigung nicht zustimmen, weil wir das für konjunkturwidrig halten.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir werden hier mit Einzelanträgen eine einschneidende Begrenzung beantragen, und wir werden auch Anträge mit der klaren Tendenz stellen, das Haushaltsvolumen selbst zu begrenzen und vor allem auch die Sperren, wo immer es möglich ist, auszuweiten.
    Wenn Sie nun meinen, wir hätten durch unsere Anträge in den letzten Monaten die Legitimation dazu etwas verwirkt, dann müssen wir auf die Richtigstellung verweisen, die wir gegenüber den Zahlen des Bundesfinanzministers über Anträge der Koalition, der Regierung einerseits und der Opposition andererseits vorgenommen haben. Nach unseren Zahlen, die bis heute nicht widerlegt sind, hat die Koalition, die Regierung seit Oktober Ausgabenbeschlüsse vollzogen und für den Zeitraum der mittelfristigen Finanzplanung beantragt in einer Größenordnung von 22,4 Milliarden DM gegenüber Anträgen der Opposition von 13,3 Milliarden DM.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Wir müssen bedauern, Herr Kollege Möller, daß Sie dem Hohen Hause und der Öffentlichkeit eine Antwort vom 15. Januar zuleiten, in der Sie uns z. B. Milliarden für die Beamtenbesoldung einrechnen, aber einen im Dezember vom Kabinett beschlossenen Gesetzentwurf für die Beamtenbesoldung in Ihre Statistik, in Ihre Belastung einzurechnen vergessen.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Wir müssen erwarten, daß solche elementaren Verstöße gegen die Pflicht der Bundesregierung, sorgfältig zu berichten, nicht vorkommen und daß der Bundesfinanzminister eine Adresse bleibt, auf deren statistische Angaben man sich verlassen kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Diese Situation wird natürlich verschärft durch den politischen Druck auf Freigabe der Sperre im Sommer. Der Bundesfinanzminister sagt: Ich kenne nur



    Dr. Stoltenberg
    einen Nettohaushalt, d. h. abzüglich der gesperrten Mittel. Aber jeder Ressortminister operiert heute in seinen politischen Reden und Engagements mit den Bruttozahlen. Das wird Ihnen noch einige Probleme verschaffen, auch hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der einzelnen Ressortminister, die mit Etatzahlen operieren, von denen der Finanzminister sagt, daß sie noch gar nicht existierten und daß es sehr zweifelhaft sei, ob sie freigegeben würden.
    Herr Kollege Müller-Hermann hat das Problem der Preissteigerungen und der Maßstäbe dafür ausführlich behandelt. Ich will darauf nicht näher eingehen. Aber wir vermissen — ich sage das auch nach Ihren Ausführungen, Herr Kollege Junghans — die Begründung für diesen Meinungswandel. Sie können durch die Berechnung von fiktiven Raten von 5 bis 6 % für dieses Jahr, von denen Herr Blessing uns schriftlich mitgeteilt hat, daß es keine amtliche Feststellung der Bundesbank in diesem Sinne gibt — Sie sollten insoweit etwas vorsichtiger sein —, nicht die Tatsache verharmlosen, daß wir auf der Treppe nach oben, nämlich jetzt in die Nähe der 4 % zu steigen drohen. Sie müssen uns, glaube ich, hier eine Antwort darauf geben, ob das Konzept der schrittweisen, geplanten Verminderung der Preissteigerungssätze weiterhin gilt, ob das ein Konzept der Sozialdemokratischen Partei ist und wie Sie es in den kommenden Jahren verwirklichen wollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die Regierung ist im Wort. Wir wollen eine Wirtschaftspolitik der Vollbeschäftigung, des Wachstums und der wirklichen Stabilität. Wenn es bei dem Mangel an Entschlossenheit, dem Mangel an entschlossenem Handeln bleibt, kann es gefährlich werden. Dann droht auch nach Auffassung mancher bedeutender Nationalökonomen, die sich in den letzten Wochen dazu geäußert haben, eine sich steigernde Wechselwirkung von Preisen und Löhnen, wobei der berühmte Streit, wer was bewirkt, ziemlich unergiebig ist. Hier gibt es Wechselwirkungen, die man nicht mehr streng nach Ursache und Wirkung, Schuld und Unschuld auflösen kann.
    Dies kann, wie wir alle wissen, bei schwierigeren internationalen Bedingungen die Gefahr für die Wettbewerbsfähigkeit und im schlimmsten Fall — den wir nicht hoffen und nicht beschwören wollen — auch für die Arbeitsplätze bedeuten. Sie können nicht übersehen, daß unsere Partnerländer Großbritannien, die USA und Frankreich ernsthafte Versuche zur Stabilisierung unternehmen, während bei uns die Maßstäbe der vermeintlich vertretbaren Raten etwas laxer werden, wie wir heute morgen gehört haben. Das Ergebnis dieser Bemühungen ist offen. Aber sollten sie Erfolg haben, dann können wir uns allerdings einer erheblich verschlechterten Situation gegenübersehen, in der dann die Aufwertung bei einer schwierigeren Wettbewerbslage gegenüber dem Ausland ohne binnenwirtschaftliche Absicherung ein Bumerang werden könnte.
    Meine Damen und Herren, was bleibt nun außer einer konsequenteren und stabilitätsgerechteren Finanzpolitik? Die Bundesregierung hat auf die Ausweitung der Vermögensbildung auch im Jahreswirtschaftsbericht hingewiesen. Darin sind wir uns im Grundsatz völlig einig. Aber wenn im Jahreswirtschaftsbericht die Vorlage einer Novelle zum 312-Mark-Gesetz bis zum Sommer angekündigt wird, dann müssen wir sagen: Erstens ist es reichlich spät, und zweitens kann es für die gegenwärtige konjunkturelle Diskussion leider keine Bedeutung mehr haben. Wir halten das für enttäuschend. Wir erinnern daran, daß im Sommer 1968 in der Großen Koalition der Kollege Hans Katzer zusammen mit dem Finanz- und dem Wirtschaftsminister mehrere detaillierte Alternativvorschläge für den Ausbau der Vermögensbildung gemacht hat. Warum legt die Regierung sie nicht jetzt vor? Warum spricht sie von der Zeit bis zum Sommer, wenn das auch nach Auffassung des Wirtschaftsministers für die Beeinflussung der Konjunktur so wichtig ist.
    Die Bundesregierung spricht vom Wettbewerbsrecht. Auch hier wird eine Novelle in der ersten Jahreshälfte in Aussicht gestellt. Hier gilt das gleiche. Ein Gesetz, das zum Sommer in den Bundestag kommt, kann natürlich keine Wirkungen für 1970 mehr haben. Der Hinweis auf diese Pläne in der aktuellen Debatte, etwa in den Kommuniqués der Konzertierten Aktion zur gegenwärtigen Konjunktursituation, ist dann doch ein Ausdruck der Verlegenheit, so langfristig bedeutsam diese Regelungen auch nach unserer Auffassung für die Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik sind.
    Wir werden unsere eigenen Vorstellungen zum Wettbewerbsrecht hier in diesem Hohen Hause durch andere Kollegen noch ausführlicher darlegen; ich möchte es mir im Augenblick ersparen. Aber wir sehen doch mit Interesse, Herr Kollege Schiller, wie bei Ihnen die entscheidenden Punkte wechseln. Jetzt ist es das Problem der Fusionskontrolle, das wir aufgeschlossen und kritisch diskutieren werden, das in den Mittelpunkt rückt; im vergangenen Jahr haben Sie gesagt, ohne eine entscheidende Maßnahme zur Einschränkung oder Aufhebung der Preisbindung der zweiten Hand seien Sie nicht in der Lage, eine solche Vorlage zu vertreten. Mittlerweile sind Sie auf dem Rückmarsch zu Überlegungen über ein verstärktes Zulassungsverfahren. Darüber werden wir diskutieren.
    Wir werden aber vor allem auch über die Frage der Vermögensbildung diskutieren. Was die Regierungserklärung hier angekündigt hat, steht in seiner Bescheidenheit in einem bemerkenswerten Gegensatz zu dem; was wir hier vor der. Wahl an scharfer Gesellschaftskritik über eine einseitige Vermögenskonzentration gehört haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Es ist nicht sehr einfallsreich, das von uns gegen viele Widerstände geschaffene 312-Mark-Gesetz mit 2 zu multiplizieren und so 'auf 624 DM zu kommen. Das mag nützlich sein, das mag hilfreich sein, es reicht aber nicht aus.
    Wir werden deshalb auf der Grundlage sorgfältiger Arbeiten weitergreifende Lösungen zur Vermögensbildung in breiten Volksschichten vorlegen, eingepaßt in unser auf persönlichem Eigentum beruhendes wirtschaftliches System und auf die lang-



    Dr. Stoltenberg
    fristigen konjunkturpolitischen Erfordernisse hin orientiert. Dies ist natürlich auch im Interesse der ausreichenden Eigenkapitalversorgung der deutschen Betriebe und ihrer langfristigen stärkeren Fundierung im internationalen Wettbewerb absolut notwendig.
    Hier ist ein unmittelbarer Zusammenhang von moderner Wirtschafts-, Finanz-, Gesellschafts- und Bildungspolitik gegeben. Wir brauchen in der Tat in den 70er Jahren eine kohärente Politik in diesen verschiedenen Bereichen. Ich räume gern ein, daß das in den vergangenen zehn Jahren noch nicht voll erreicht wurde. Ich betone aber, daß wir in den letzten Jahren doch wesentliche erste Erfolge erzielt haben: etwa in der modernen Sozialpolitik Hans Katzers, die sich bewußt auf gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge richtete; etwa in der Agrarpolitik unseres Kollegen Hermann Höcherl, der bewußt eine neue agrarpolitische Konzeption entwickelt hat — vom Kabinett der Großen Koalition bewilligt —, die die Landwirtschaft in die Marktwirtschaft, in die europäischen Bezüge, hineinstellt; etwa in dem, was wir, Herr Kollege Kienbaum, in den letzten Jahren auf dem Gebiet ,der angewandten Forschung und technischen Entwicklung, über das Sie gesprochen haben, in ersten Schritten getan haben.
    Was wir jetzt mit Sorge sehen, ist, daß in diesen Punkten eigentlich kein Fortschritt im Jahreswirtschaftsbericht, in der Praxis der neuen Regierung teilweise sogar ein Rückschritt erkennbar ist. Es geht hier um Modelle zur Vermögensbildung, die vorliegen, um Probleme der Berufsausbildungsgesetze und des Arbeitsförderungsgesetzes, um die Neuverteilung der Finanzierungslasten der Rentenversicherung, die in einer meisterhaften Weise gelungen ist, jetzt aber durch unüberlegte Improvisationen, weil man vor den Wahlen in NordrheinWestfalen leichtfertige Versprechungen gegeben hat, gefährdet wird. Das sind Dinge, die wir, glaube ich, in diesen Zusammenhängen sehen müssen.
    Wir müssen fragen, was die 'Entscheidung des Bundesministers Arendt bedeutet, seine eigene konzertierte Aktion als „Sozialpolitische Gesprächsrunde" zu installieren.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Ist das ein Konkurrenzunternehmen, wie manche Beobachter in der Öffentlichkeit meinen? Bedeutet das eine Verfestigung der Trennungslinien, wieder eine stärkere Isolierung der verschiedenen Bereiche, die in einer modernen Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik zusammengehören? Das müssen wir mit Sorge kommentieren. Wir können die Regierung nur warnen, diesen. Weg der Isolierung der einzelnen Bereiche zu gehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Was wir im Jahreswirtschaftsbericht konkret über Bildungspolitik, sektorale Strukturpolitik oder Gesellschaftspolitik lesen, ist auch nicht sehr ermutigend. Es finden sich dort sicher manche guten Einzelgedanken, denen wir völlig zustimmen, aber insgesamt handelt es sich doch mehr um die Arbeit von Fachreferenten des Wirtschaftsministeriums als um
    einen Gesamtentwurf der Regierung. Die neue Regierung hat Kompetenzfragen und Kooperationsfragen auch nach der beschlossenen Umorganisation hier nicht gelöst. Ich verweise auf das Gebiet der Entwicklungshilfe, das Herr Kollege Schiller am Schluß seiner Ausführungen zu Recht in seiner eminenten wirtschaftlichen und außenpolitischen Bedeutung gewürdigt hat. Beherzigenswerte Worte! Aber warum wird denn nicht endlich die Kapitalhilfe und technische Hilfe bei dem zuständigen Bundesminister zusammengefaßt,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    wie wir es bereits mit dem zuständigen Minister im vergangenen Kabinett in den Diskussionen gefordert haben? Es ist am Widerspruch des Wirtschaftsministers gescheitert. Warum ist es nicht möglich, endlich zwischen angewandter Forschung, technischer Entwicklung und Industriepolitik eine sinnvolle Abgrenzungslinie zu finden, die unsere Beamten, Herr Kollege Schiller, bereits vor anderthalb Jahren in einer Verbesserung der jetzigen Regelung erarbeitet hatten, die an Ihrem Widerspruch gescheitert ist, ohne daß mein Nachfolger offenbar bisher auf diesem Gebiet mehr Glück hatte? Der Bundeswirtschaftsminister sollte weniger ein um seines Kompetenzbewußtseins gefürchteter Kollege sein, mehr der Koordinator und Inspirator übergreifender großer Aufgaben und Erfordernisse der Gesamtpolitik.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Was wir wollen — ich sage das auf der Grundlinie des Berichts und auch der Punkte, die dort nicht angesprochen sind —, ist neben einer Politik der aktiven Vermögensbildung, neben einer Neuordnung des Wettbewerbsrechts und einer antizyklischeren Haushaltspolitik der weitere Ausbau des Arbeitsförderungs- und Berufsausbildungsgesetzes. Das sind entscheidende Erfordernisse auch für eine moderne Wirtschaft, die ja den Menschen unter einen stärkeren Leistungsdruck stellt, die neue soziale Herausforderungen bringt gegenüber den klassischen Bedrohungen, die wir weitgehend gemeistert haben: im Problemkreis der Mobilität, der Automation und Rationalisierung. Wir wollen eine wirkungsvollere Abstimmung neuer bildungspolitischer Vorstellungen mit den Erfordernissen der Menschen im Beruf und in der Arbeitswelt. Ich sehe mit Sorge — und dies ist nicht nur ein Problem dieser Regierung —, daß die pädagogische Theorie und auch die schulpolitische Ideologie zum Teil sich bewußt von der Wirtschaft und der Arbeitswelt distanzieren, stellenweise jedenfalls; die Verallgemeinerung mag falsch sein, aber es gibt hierzu eine starke Tendenz.
    Ich halte es auch nicht für gut, daß der neue Bundesminister für Bildung und Wissenschaft ein Modell entwirft — auch in amtlicher Eigenschaft vertritt —, bei dem es lapidar heißt: „25 % der Abiturienten des Jahrgangs 1980 sollen direkt in die Arbeitswelt hineingehen", ohne daß es bis heute Gespräche mit den großen Organisationen der Wirtschaft darüber gibt, was das bedeutet, ohne daß es ein entsprechendes Konzept für die Modernisierung und Umstrukturierung der Verwaltung und ihrer



    Dr. Stoltenberg
    Ausbildung gibt. Hier sind die Punkte, in denen die kohärente Gesamtpolitik notwendig ist, von der ich soeben sprach.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, wir brauchen in der Tat genauere Analysen zur Frage der Innovation und ihrer Förderung, entsprechende Schritte in Verbindung mit der Förderung der Rationalisierung. Ich unterstreiche hier völlig, was Herr Kollege Kienbaum im allgemeinen und konkret gesagt hat. Wir brauchen die energische Weiterführung der eingeleiteten technologischen Programme des Bundes, vor allem ihre Anwendung auf die Zukunftserfordernisse der Gesellschaft und Wirtschaft. Hier fehlt eben, Herr Kollege Schiller, im Jahreswirtschaftsbericht jeder ernsthafte Beitrag. Wenn man das schon behandelt, dann muß man es etwas tiefgründiger und allgemeiner behandeln. Es sollte keinen Jahreswirtschaftsbericht mehr geben, der nicht auch die zentralen Probleme der Umweltgestaltung und des Umweltschutzes in einer immer dynamischeren Industriegesellschaft mehr einbezieht.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir brauchen auch — Herr Kollege Kienbaum hat zu Recht darauf hingewiesen —, die noch exaktere Eingliederung der Strukturpolitik in wirtschaftsschwachen Gebieten in die allgemeine Wirtschafts- und Konjunkturpolitik. Hier gibt es bei mehreren Einzeltiteln Kürzungen. Wir reden nicht für Erhöhungen — ich möchte hier gar nicht in einen Widerspruch zu meinen Ausführungen zur Haushaltspolitik kommen —; aber es gibt da Kürzungen, während doch gerade jetzt in diesen strukturschwachen Gebieten das Aufholen und die Konsolidierung möglich sind. Das scheint uns kein sehr überzeugendes Konzept der Verbindung von Wirtschaftspolitik und Haushaltspolitik zu sein.
    Schließlich wird es notwendig sein, nach den Enttäuschungen und den Grenzen, die sichtbar wurden, über die Theorien und das Instrumentarium der Wirtschaftspolitik noch gründlicher zu diskutieren. Der Sachverständigenrat hat das Problem der Regelmechanismen aufgeworfen, Herr Kollege Schiller hat es mit wenigen Sätzen behandelt, vor allem auch das Problem eines kontinuierlichen Wachstums ohne Übersteuerung, die wir unter der Federführung des Kollegen Schiller in den letzten Jahren immer wieder erlebt haben, ohne ein Übermaß an ständigen Interventionen. Er hat dabei die Frage der Bedeutung einer kontinuierlichen Geldmengenpolitik in Anknüpfung an die wissenschaftliche Diskussion, die Entwicklung in Amerika, gestreift. Es kann sich nicht darum handeln, daß wir hier als Parlament oder als CDU/CSU jetzt schnell solche neuen Theorien übernehmen, aber ich glaube doch, daß diese Erwägungen der Sachverständigen und die aktuelle Diskussion in der deutschen Wissenschaft darüber mehr verdient hätten als die dürren und lapidaren Sätze, die der Jahreswirtschaftsbericht und der Bundeswirtschaftsminister ihnen widmeten.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Hier wird für uns alle, die Regierung und die politischen Kräfte dieses Hauses, ein intensiverer Dialog mit der Wissenschaft notwendig sein, das Studium empirischer Untersuchungen, die demnächst auch für Deutschland vorliegen, und natürlich auch die Bewertung der Erfahrungen in den USA, in denen ja solche Konzepte die amtliche Politik teilweise mitbestimmen.
    Wir wissen — lassen Sie es mich zum Schluß sagen —, daß nationale Entscheidungen immer stärker in die europäische Wirtschaft und die Weltwirtschaft leinbezogen sind, immer stärker von Entwicklungen außerhalb Deutschlands bestimmt werden, die wir selbst nicht in der Hand haben. Das macht die Prognosen schwieriger; das sollte die Ansprüche derer, die Prognosen aufstellen, etwas bescheidener werden lassen, als es in den letzten Jahren der Fall war. Es macht die Risiken, aber auch die Chancen größer. Wir alle hoffen in diesem Hause mit der Bundesregierung, daß es jetzt nach dem Regierungswechsel in Frankreich und der Haager Konferenz neue starke Impulse für eine europäische Politik gibt. Die nationalen Mittel reichen nicht mehr aus, Spannungen zu meistern. Wir haben ja an der Aufwertung gespürt, welche Grundspannung es eben zwischen einer nationalen Währungspolitik und europäischen Verpflichtungen, Regeln und Normen gibt. Deshalb wünschen wir eine nachdrückliche Initiative der Bundesregierung, die der Bundeswirtschaftsminister soeben angekündigt hat, zur europäischen Wirtschafts- und Währungsunion. Dazu gehören die Fragen eines europäischen Reservefonds, die Probleme der Steuerharmonisierung, die Probleme des europäischen Gesellschafts- und Patentrechts, die für das Entstehen europäischer Industriestrukturen von entscheidender Bedeutung sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Jeder, der heute einmal konkret verfolgt — wir haben ja einige Beispiele aus den letzten zwei Jahren, die Herr Kollege Schiller noch besser kennt als ich —, auf welche fast unüberwindlichen gesellschaftsrechtlichen Schwierigkeiten europäische Industriezusammenschlüsse über die Grenzen hinweg stoßen, was für ein hemmender Faktor dies im Hinblick auf die Entwicklung ist, die wir brauchen: große leistungsfähige europäische Verbindungen. Jeder muß betonen, daß dieser Punkt eines europäischen Gesellschaftsrechts in der Tat in den Mittelpunkt dieser Debatte gehört.
    Diese Verhandlungen 1970 sollten nach unserer Auffassung möglichst schon unter fachlicher Beteiligung der beitrittswilligen Staaten geführt werden. Es wäre schlecht, wenn sich hier in einem entscheidenden Bereich die Sechs einigen und dann nach Jahren eine völlig neue Verhandlungsrunde über die zum Teil sehr komplizierten Rechtsprobleme mit Großbritannien und den skandinavischen Ländern beginnen müßte.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    In diesem Punkt kann die Regierung mit unserer vollen Unterstützung rechnen.
    Freilich, Herr Bundesminister Schiller, dies sollte keine Ablenkung von den konkreten Sorgen und Schwierigkeiten des Jahres 1970 bedeuten. Weder



    Dr. Stoltenberg
    die Historie, die Legendenbildung, der Streit um die Vergangenheit helfen uns noch jetzt, noch die Flucht in eine schönere Zukunft europäischer Ordnung und Harmonie, die wir alle wollen, die wir aber morgen und übermorgen noch nicht haben. Es geht hier um das Hier und Heute, es geht um die soziale Marktwirtschaft Ludwig Erhards, die wir in einer modernen Weise weiterentwickeln wollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Wehner: Heute? Vorgestern!)

    — Sie ist moderner, Herr Kollege Wehner, als manches, was wir von den neomarxistischen Kreisen Ihrer Partei jetzt hören,

    (Zuruf des Abg. Wehner. — Beifall bei der CDU/CSU)

    die Ihnen doch mehr Sorge bereiten, als Sie in Ihren üblichen unqualifizierten Zwischenrufen — „Quatschen Sie nicht dumm!" — mir hier sagen.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU. — Erneuter Zuruf des Abg. Wehner.)

    Wir haben doch auch gelesen, was in Frankfurt passiert ist, und Herr Kollege Leber ist ja ein Sachverständiger bezüglich der Probleme dort. Heute ist es schon soweit, daß die linken und zum Teil linksradikalen Kräfte in Ihrer Partei sozialdemokratische Polizeipräsidenten stürzen können!

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Das ist nicht nur Ihr Problem, das ist ein Problem unserer gesamten staatlichen Ordnung. Und wir fragen uns, wann durch Beschlüsse solcher Gremien nicht nur Bundestagskandidaturen von Ministern verhindert werden, wie es dem Kollegen Leber beinahe gegangen wäre, sondern unter Umständen direkte Eingriffe in die Personalpolitik nicht nur der kommunalen Instanzen, sondern auch der Landes- und Bundespolitik kommen.

    (Beifall 'bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

    Deshalb ist es nicht notwendig, daß Sie uns ermahnen, die soziale Marktwirtschaft zu behaupten.

    (Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal] : Sehr gut!)

    Ich glaube, Sie haben hier in den nächsten Jahren in wachsendem Umfang in Ihrer eigenen Partei viel zu tun.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Hier und heute muß die Bundesregierung handeln. Die Opposition wird ihren Beitrag dazu leisten, aber sie läßt sich nicht durch Suggestivfragen nach ihren eigenen Konzepten ablenken oder abbringen von der Verantwortung, die Sie tragen.

    (Zustimmung bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

    Sie müssen sagen, was Sie wollen, Herr Kollege Schiller, dann werden wir uns dazu — auch zu anderen Fragen — so verbindlich äußern, wie wir es konkret in einem eigenen Konzept zur Haushaltsund Finanzpolitik und zur Frage der Bindungsermächtigungen getan haben. Die Bundesregierung muß klarstellen, was Wachstum, Stabilität und ihre
    Früchte für Staat, Gesellschaft und die Menschen unseres Landes wirklich bedeuten.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)