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ID0602300300

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Metadaten
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    Vokabeln: 7
    1. Herr: 1
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    3. Dr.: 1
    4. Schmid: 1
    5. zu: 1
    6. einer: 1
    7. Zwischenfrage.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 23. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 15. Januar 1970 Inhalt: Aussprache über den Bericht der Bundesregierung über. die Lage der Nation im gespaltenen Deutschland (Drucksache VI/223) Dr. h. c. Kiesinger (CDU/CSU) . . 851 A Mischnick (FDP) 860 C Wehner (SPD) 866 A Dr. Gradl (CDU/CSU) 874 D Frau Funcke, Vizepräsident (zur GO) 877 D, 882 B Rasner (CDU/CSU) (zur GO) . . 878 A Mertes (FDP) (zur GO) 878 C Wienand (SPD) (zur GO) . . . 879 D Dr. Wörner (CDU/CSU) (zur GO) . 879 C Schulte (Unna) (SPD) (zur GO) . 879 D Ollesch (FDP) (zur GO) 880 B Dr. h. c. Kiesinger (CDU/CSU) (zur GO) 880 D Dr. Schmid (Frankfurt) (SPD) (zur GO) 880 D Dr. Stoltenberg (CDU/CSU) (zur GO) 881 B Collet (SPD) (zur GO) 881 D Dr. Schmid (Frankfurt) (SPD) (Erklärung nach § 36 GO) . . . 882 A Fragestunde (Drucksachen VI/222, VI/239) Frage des Abg. Buchstaller: Pressemeldungen über Rücktrittsdrohungen der führenden Generale des Heeres Schmidt, Bundesminister . 882 D, 883 C, D, 884 A, B, C, D, 885 C Buchstaller (SPD) 883 B Dr. Althammer (CDU/CSU) 883 D, 884 A Schmidt (Würgendorf) (SPD) . . . 884 B Josten (CDU/CSU) 884 C, D Horn (SPD) 885 A Dr. Schmitt-Vockenhausen, Vizepräsident 885 A, B, C, D Möhring (SPD) . . . . . . . 885 B Dr. Bußmann (SPD) 885 B, C Fragen des Abg. Hussing: Berufung Professor Grzimeks zur Beratung der Bundesregierung in Fragen des Tier-, Natur- und Landschaftsschutzes Dr. Ehmke, Bundesminister . . . . 886 A II Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 23. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Januar 1970 Frage des Abg. Reddemann: Pressemeldung über den Abschluß eines Vertrages mit der CSSR ohne Berlin-Klausel Dr. Ehmke, Bundesminister . . 886 B, C, D, 887 A Reddemann (CDU/CSU) . . . . . 886 C Dr. Schmitt-Vockenhausen, Vizepräsident . . . . . . . . 886 C Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) 886 D, 887 A Damm (CDU/CSU) . . . . . . . 887 A Fragen der Abg. Dr. Klepsch und Damm: Veröffentlichung des Textes eines Abkommens mit Prag über die Entschädigung für Opfer nationalsozialistischer Menschenversuche Dr. Ehmke, Bundesminister . , 887 B, C, D, 888 A, B Dr. Klepsch (CDU/CSU) . . . . 887 B, C Leicht (CDU/CSU) . . . 887 C, 888 A Wehner (SPD) . . . . . . . . 887 D Dr. Czaja (CDU/CSU) 888 B Frage des Abg. Müller (Remscheid) : Entscheidung des Bundessozialgerichts zur Frage der Berufsunfähigkeitsrente Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 888 C, 889 A, B Müller (Remscheid) (CDU/CSU) . . 889 A Dr. Götz (CDU/CSU) 889 B Frage des Abg. Folger: Maßnahmen der Bundesregierung gegen den Arbeitskräftehandel Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 889 C Fragen des Abg. Dr. Czaja: Fortführung der Frauen-Enquete in bezug auf die heimatvertriebenen und geflüchteten Frauen Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär 890 A, B Dr. Czaja (CDU/CSU) 890 B Frage des Abg. Müller (Remscheid) : Aufnahme des Besuchs von höheren Wirtschaftsfachschulen in das Förderungsprogramm der Bundesanstalt für Arbeit Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . 890 C, D Müller (Remscheid) (CDU/CSU) . . 890 D Frage des Abg. Dr. Müller (München) : Finanzierung des Neubaues von Studentenheimen Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär 891 B, C Dr. Müller (München) (SPD) . 891 B, C Frage des Abg. Dr. Schmitt-Vockenhausen: Schwierigkeiten in der ärztlichen Notversorgung an Festtagen 891 C Frage des Abg. Leicht: Gewinnung von zahlreicherem Nachwuchs für die Pflegeberufe Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 891 D, 892 B Leicht (CDU/CSU) 892 A Fragen des Abg. Köster: Maßnahmen der Bundesregierung zur Verwirklichung des Europäischen Jugendwerkes — Durchführung eines europäischen Jugendkongresses Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 892 B, C, D, 893 A Köster (CDU/CSU) . . . . . . 892 C, D Fragen des Abg. Jung: Internationaler Erfahrungsaustausch über die Bekämpfung von Grippeepidemien und Schaffung der wissenschaftlichen und finanziellen Voraussetzungen dafür Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär 893 A, B, C, D Jung (FDP) . . . . . . . 893 C, D Bäuerle (SPD) . . . . . . . 893 D Frage des Abg. Burger: Ausbildung von Bewerbern für den Krankenpflegeberuf nach Vollendung des 16. Lebensjahres Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär 894 A, C Burger (CDU/CSU) 894 B Frage des Abg. Burger: Neuordnung der hierarchischen Ordnung in den Krankenhäusern Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär 894 D Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 23. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Januar 1970 III Frage des Abg. Dr. Riedl (München) : Vorwürfe gegen die Ärzteschaft im Zusammenhang mit der letzten Grippewelle Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . 895 A, B Dr. Riedl (München) (CDU/CSU) . . 895 B Fortsetzung der Aussprache über den Bericht der Bundesregierung über die Lage der Nation im gespaltenen Deutschland (Drucksache VI/223) Rasner (CDU/CSU) (Erklärung nach § 36 GO) . . . 895 B Schulte (Unna) (SPD) (Erklärung nach § 36 GO) . . . 895 C Dr. Schmitt-Vockenhausen, Vizepräsident (zur GO) . . . 895 C Franke, Bundesminister 895 D Strauß (CDU/CSU) . . . . . . 899 A Brandt, Bundeskanzler . . . 906 D, 924 C Dr. Schmid (Frankfurt) (SPD) . . 909 A Scheel, Bundesminister 914 B Borm (FDP) 918 C Dr. Bach (CDU/CSU) 923 A von Hassel, Präsident (zur GO) . 924 B Dr. Dahrendorf (FDP) 925 A Nächste Sitzung 927 D Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten . . Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 23. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Januar 1970 851 23. Sitzung Bonn, den 15. Januar 1970 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Achenbach * 16. 1. Dr. Aigner * 16. 1. von Alten-Nordheim 16. 1. Dr. Bayerl 31. 1. Biechele 23. 1. Dr. Birrenbach 16. 1. Frau Dr. Elsner* 16. 1. Dr. Franz 16. 1. Frehsee 16. 1. Dr. Gatzen 16. 1. Gewandt 16. 1. Dr. Giulini 16. 1. Glombig 16. 1. Dr. Haas 31. 1. Haehser 16. 1. Frau Dr. Henze 31. 1. Dr. Huys 23. 1. Dr. Jungmann 16. 1. Krammig 17. 1. Lücke (Bensberg) 16. 1-. Lücker (München) 16. 1. Michels 16. 1. Dr. Prassler 16. 1. Rawe 15. 1. Riedel (Frankfurt) * 15. 1. Röhner 16. 1. Schirmer 31. 1. Dr. Schulz (Berlin) 16. 1. Struve 17. 1. Dr. Warnke 16. 1. Weigl 16. 1. Winkelheide 31. 1. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments
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    Bleibt es bei der klaren Haltung, die die Bundesregierung eingenommen hat im Zusammenhang mit dem Gewaltverzicht und den bekannten Art. 53 und 107 der Charta der Vereinten Nationen? Wir haben damals in unserer Antwort gesagt:
    Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland fragt sich, ,was die sowjetische Seite mit dem Hinweis bezweckt, daß nach sowjetischer Auffassung die Art. 53 Ziffern 1 und 107 der Charta der Vereinten Nationen noch heute Zwangsmaßnahmen gegen einen ehemaligen Feindstaat zur Durchsetzung der gemeinsamen Kriegsziele sanktionieren sollen.
    Und wir haben sehr entschieden gesagt:
    Wenn die Regierung der UdSSR mit der Bundesregierung in dem Wunsche übereinstimmt, die Anwendung von Gewalt oder die Drohung mit Gewalt aus den gegenseitigen Beziehungen auszuschließen, dann würde es dem Sinn und Zweck einer solchen Vereinbarung widersprechen, wenn sich die sowjetische Regierung durch Hinweis auf Bestimmungen der Satzung der Vereinten Nationen die Anwendung von Gewalt gegenüber zahlreichen friedlichen europäischen Staaten einschließlich der Bundesrepublik Deutschland dennoch ausdrücklich vorbehält. Ein solcher Vorbehalt würde den Gewaltverzicht einseitig jeder praktischen Bedeutung entkleiden.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Herr Bundeskanzler, der Zweifel, die Sorge, die Frage: Bleibt es bei dieser Auffassung? Werden Sie sie in den Verhandlungen mit ,der Sowjetunion mit demselben Nachdruck vertreten?



    Dr. h. c. Kiesinger
    Sie haben in Ihrem Bericht zur Lage der Nation eine Darstellung des angeblichen Parallelismus der Entwicklung der, wie Sie sagen, beiden deutschen Staaten gegeben. Ich glaube, das ist schlechthin unzulässig. Sie sprechen davon, daß beide „Partner" seien, Partner der ihnen zugeordneten Supermacht. Wir sind Partner, freie Partner im Atlantischen Bündnis, und Sie selbst haben dafür zu verschiedenen Zeiten überzeugende Formulierungen gefunden.
    Die DDR — ich sage das nicht, um zu hetzen, meine Damen und Herren — ist kein Partner ihrer Supermacht. Die DDR ist der Hegemonialgewalt, wenn nicht der Herrschaftsgewalt der Sowjetunion unterworfen und hat sie angenommen. Sie ist — ich muß das Wort in den Mund nehmen — kein Partner, sondern ein Satellit.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Was anders sollte denn die Annahme der BreschnewDoktrin durch die DDR bedeuten, wenn sie selbst den Hegemonial- oder Herrschaftsanspruch der Sowjetunion dazu nutzt, um nicht nur zuzustimmen, daß kein sozialistisches Land, das einmal im kommunistischen Lager gewesen sei, dieses mehr verlassen dürfe? Wie will sie eigenständige Politik machen, wie will sie uns glaubhaft machen, daß es ihr wirklich möglich sei, eine eigene Politik der Wiedervereinigung zu treiben, es sei denn, eine Politik der Wiedervereinigung, so wie sie sie ja auch immer wieder verkündet hat, die darauf hinausläuft, ganz Deutschland zu einem kommunistischen Staatswesen zu machen? Dann allerdings wäre sie trotz der Breschnew-Doktrin oder eben wegen der Breschnew-Doktrin dazu imstande.
    Sie hat diese Doktrin ja nicht nur anerkannt, sondern sie hat sie — und wir alle haben uns als Deutsche deswegen geschämt — bei den Vorgängen in der Tschechoslowakei praktiziert. Sie hat trotz des Verbots, ihre Truppen gegen den Frieden eines anderen Volkes einzusetzen — Art. 8 der DDR-Verfassung —, daran teilgenommen. Das „Neue Deutschland" hatte den traurigen Ruhm, in diesem Zusammenhang von „fortschrittlicher Gewaltanwendung" zu sprechen.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, dies ist eine schlimme Sache, und ich finde, wir sollten eine solche Parallele nicht zu ziehen versuchen. Wir kommen sonst aufs neue in das Gestrüpp schwerer Mißverständnisse hinein und erwecken bei unseren Freunden nur die Vorstellung, daß wir uns nun mit der Existenz zweier deutscher Staaten abgefunden haben und daß sich in dieser Wirklichkeit nur noch die Einheit der Nation, aber nicht mehr die staatliche Einheit erreichen läßt.
    Herr Bundeskanzler, sagen Sie uns klar, was Sie zu diesem Punkt meinen!

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Denn hier würde die tiefste Kluft zwischen uns aufreißen müssen, die wir doch eine gemeinsame Deutschlandpolitik wollen, die wir doch wollen

    (Zuruf des Abg. Wehner)

    — jawohl, Herr Wehner —,

    (Abg. Wehner: Bedauerlich!)

    daß Ihre Bemühungen um die Lösung der deutschen Frage gelingen mögen. Aber dann müssen Sie mit uns als Ziel setzen

    (.Abg. Wehner: „Dann müssen Sie", jawohl!)

    - dann müssen Sie, jawohl, wenn Sie diese Kluft — —

    (Abg. Wehner: Zu Befehl!)

    — Was heißt „Auf Befehl" ? (Abg. Wehner: „Zu Befehl" habe ich gesagt!)

    — Nein, nicht „Zu Befehl", sondern wenn Sie unsere — Herr Wehner, je unsicherer Sie sich zu fühlen pflegen, desto mehr fangen Sie an zu schreien. Bitte, legen Sie diese ungute Manier ab.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Unruhe bei der SPD.)

    Ich schreie Sie auch nicht an, und es bleibt dabei, was ich gesagt habe — —

    (Lachen bei der SPD.)

    - Ja, ich schreie Sie auch nicht an, und ich habe
    Sie nie angeschrien, — Sie desto öfter in temperamentvollen Augenblicken.

    (Heiterkeit und Unruhe.)

    Ich wiederhole: so wie ich Respekt fordere für unsere Konzeption, so habe ich auch Respekt für eine andere. Aber Sie müssen mir schon erlauben, unsere Sorge anzumelden und zu sagen — und ich bin überzeugt, daß alle meine politischen Freunde mir zustimmen; ich sage es als Vorsitzender der CDU, ich sage es als Mitglied dieser größten Fraktion des Deutschen Bundestages —: wenn Sie wollen, daß es in Zukunft eine gemeinsame Deutschlandpolitik gibt, dann müssen Sie als Ihr Ziel nicht nur die Bewahrung der nationalen, sondern die Erreichung der staatlichen Einheit der deutschen Nation setzen.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Es ist, Herr Bundeskanzler — um auf den Gewaltverzicht zurückzukommen —, noch eine Frage zu stellen. Die eine galt der Sorge: bleibt es dabei, daß nur über den Gewaltverzicht verhandelt wird und daß die Auffassung der Sowjetunion zur Charta der Vereinten Nationen abgewiesen wird? Das andere bezieht sich auf jene Bemerkung in Ihrem Bericht zur Lage der Nation, die im Zusammenhang mit Ihrer Bemerkung — die ja richtig ist — steht, daß ,das deutsche Volk in seiner Gesamtheit in absehbarer Zeit nicht auf einen Friedensvertrag hoffen dürfe.
    Nun kommt wieder der Zweifel, die Sorge, die Frage. Sie fahren fort: Deswegen, weil das so ist,



    Dr. h. c. Kiesinger
    wird der Gewaltverzicht, kann er zumindest „die Basis für die Regelung der einzelnen heute lösbaren politischen Fragen mit verschiedenen Staaten Osteuropas" abgeben. — Herr Bundeskanzler, zum Beispiel die Frage der Oder-Neiße-Linie? Herr Bundeskanzler, der Gewaltverzicht kann nicht eine Basis für die Lösung der Frage der Oder-Neiße-Linie sein. Diese Frage kann nur in einem Friedensvertrag gelöst werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Das ist auch eine Frage an Sie, und wir hoffen, daß
    Sie sie zu unserer Beruhigung beantworten werden.
    Nur einmal noch lassen Sie mich Sie aus Ihrer Harvard-Rede zitieren, wo Sie über unser Verhältnis zu Polen sprechen. Darüber ist viel Gutes gesagt, auch vieles von dem, was wir in der Regierungserklärung und später gemeinsam getragen haben. Aber dann sagen Sie auch: „Zunächst ist nicht einzusehen, warum die Bundesrepublik hinter den Standpunkt der Siegermächte aus dem Jahre 1945 zurückgehen soll,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    der die Grenzziehung einem Friedensvertrag vorbehalten hat."

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Nun, wir haben uns gemeinsam vorgetastet, schon in der Regierungserklärung und später, und ich nehme nichts, gar nichts von dem zurück, was wir gemeinsam, was ich selbst zum Verhältnis mit Polen gesagt habe: daß wir Verständnis dafür haben, daß dieses Land in gesicherten Grenzen leben will, daß nicht ein neues Vertreibungsunrecht als Plan in unseren Köpfen spukt, daß zwar die Frage der OderNeiße-Linie erst in einem Friedensvertrag gelöst werden kann, daß man aber sehr wohl versuchen kann, sich vorher gemeinsam an einen Tisch zu setzen, um miteinander das zu besprechen, was ich als Ziel formuliert habe, nämlich eine Lösung zu finden, die von beiden Völkern angenommen werden kann und die auch von späteren Generationen — denn unser Vaterland ist auch das Land unserer Söhne — akzeptiert werden kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich habe mich zu Gesprächen mit der polnischen Regierung bereit erklärt, auch zu Gesprächen über andere Fragen, wirtschaftliche Beziehungen usw. Ich will, wenn ich auf diesen Punkt zu sprechen komme, nicht in den Geruch eines Kalten Kriegers Polen gegenüber kommen. Aber ich muß darauf bestehen — aus vielen Gründen darauf bestehen —, daß es keinen Ersatz gibt für die endgültige Lösung dieser Frage in einem Friedensvertrag, der dann von den Repräsentanten des wahren Souveräns, Herr Kollege Wehner, des ganzen deutschen Volkes, abgeschlossen werden wird.
    Herr Bundeskanzler, Sie sprachen davon, daß die Außenpolitik in sich geschlossen sein müsse. Natürlich; dem ist ganz und gar zuzustimmen. Es darf keinen Gegensatz zwischen West- und Ostpolitik geben. Und erlauben Sie mir, daß ich sage: ich nehme Sie in Schutz gegen dieses törichte und gefährliche Wort von einem „neuen Rapallo", das da und dort aufgekommen ist.

    (Abg. Wehner: Aber nicht gegen das Wort „Ausverkauf"! Davon habe ich noch nichts gehört!)

    — Ich habe, Herr Kollege Wehner, das Wort „Ausverkauf" nie in den Mund genommen.

    (Abg. Wehner: Nein, nein, von Inschutznehmen war die Rede!)

    — Ja; an dieser Stelle ist es am Platz — und warum widersprechen Sie mir? —, diese Regierung, diesen Bundeskanzler in Schutz zu nehmen gegen die Behauptung, daß er eine Rapallo-Politik, einen Alleingang mit der Sowjetunion betreibe in einer Zeit, wo es fast gespenstisch anmutet angesichts der inzwischen vollzogenen geschichtlichen Veränderungen. Damals waren die Sowjetunion und das Deutsche Reich beide Parias, schwache Staaten, die sich zusammenfanden; zwar falsch genug, aber trotzdem ist es geschehen.
    Herr Bundeskanzler, Sie dürfen unserer Unterstützung in dieser Sache gewiß sein. Nur auch hier die Bitte: Vermeiden Sie es, den Böswilligen — es sind meist Böswillige, die das behauptet haben — in der Welt einen Vorwand, ein Stichwort zu geben dadurch, daß auch zu diesem Punkt keine klaren Aussagen gemacht werden. Sie haben es nunmehr getan, Sie haben gesagt: Es gibt keinen Gegensatz zwischen West- und Ostpolitik. Helmut Schmidt hat es, ich glaube in Paris oder in Brüssel, mit aller wünschenswerten Klarheit gesagt, daß wir unsere Ostpolitik nur von der Basis eines gesicherten und sichernden Bündnisses aus machen dürfen und können; und Sie sagen: „Wir sind keine Wanderer zwischen beiden Welten." Hier finden Sie uns mit sich ganz und gar einig.

    (Abg. Dr. Schäfer: Es wäre gut, wenn Sie noch auf den Zwischenruf eingingen!)

    — Zu dem Wort „Ausverkauf"? Herr Kollege Schäfer, wir alle haben in unseren Reihen verschiedene Temperamente.

    (Zurufe von der SPD.)

    Ich weiß nicht, wer das Wort vom „Ausverkauf" gesagt hat.

    (Lachen bei der SPD. — Zuruf von der SPD: Da brauchen Sie nur den „Bayernkurier" zu lesen!)

    Ich pflege nicht einmal den „Bayernkurier" regelmäßig zu lesen,

    (Beifall und Zuruf: „Bravo" ! von der SPD)

    was mir mein Freund Franz Josef Strauß gewiß nicht übelnehmen wird.

    (Abg. Dr. Schmid [Frankfurt] meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

    — Herr Kollege Schmid, ich beantworte gleich Ihre Frage. — Wenn hier von „Ausverkauf" die Rede ist,



    Dr. h. c. Kiesinger
    dann braucht das durchaus keine böswillige Unterstellung zu sein.

    (Lebhafter Widerspruch bei der SPD. — Abg. Wehner: Unglaublich ist das! Das ist gelernter Propagandastil!)

    Es kann auch bedeuten, Herr Kollege Wehner:

    (Abg. Wehner: Nein, das ist ja unglaublich!)

    wenn eine Regierung darauf verzichtete, die nationale und staatliche Einheit zu erstreben, was wäre es anderes als eine schreckliche Preisgabe unserer bisherigen Positionen?!

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Abgeordneter Dr. Schmid zu einer Zwischenfrage.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Carlo Schmid


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Bundeskanzler, — —

    (Heiterkeit)

    Herr Kollege Kiesinger, — entschuldigen Sie bitte.