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    Deutscher Bundestag 16. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 3. Dezember 1969 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen des Abg. Schulhoff und des Vizepräsidenten Dr. Schmid 575 A Amtliche Mitteilungen 575 B Fragestunde (Drucksache VI/104) Frage des Abg. Wagner (Günzburg) : Erstattung der Sonderumsatzsteuer für Ausfuhren in der Zeit vom 29. September bis 10. Oktober 1969 Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär 576 A, B, C, D Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) . . 576 C Frage des Abg. Krammig: Bekanntgabe der für den Betriebsprüfungsdienst Zoll verbindlichen Bestimmungen der Betriebsprüfungsordnung (Steuer) Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär ........576 D Frage des Abg. Dr. Schneider (Nürnberg) : Ausgleich des durch die Erhöhung des Arbeitnehmerfreibetrages den Gemeinden entstehenden Einnahmeverlustes Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär 577 A, B, C Dr. Schneider (Nürnberg) (CDU/CSU) 577 B, C Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) . . 577 C Frage des Abg. Dr. Schneider (Nürnberg) : Erhöhung des Anteils der Gemeinden an der Mineralölsteuer Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 577 D, 578 A Dr. Schneider (Nürnberg) (CDU/CSU) 578 A Frage des Abg. Dr. Jobst: Entwurf eines Gesetzes zur Anhebung der Kilometerpauschale im Zonenrandgebiet Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 578 B, C, D, 579 A Dr. Jobst (CDU/CSU) ......578 C Dr. Warnke (CDU/CSU) . . . . 588 D Erhard (Bad Schwalbach) (CDU/CSU) 579 A Fragen des Abg. Erhard (Bad Schwalbach) : Empfehlung des Hessischen Gemeindetages betreffend Erhöhung der Gewerbesteuerhebesätze Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär 579 A, B Frage des Abg. Dr. Haack: Gebührenfreie Ablehnung der Einsprüche gegen die Herabsetzung der Kilometerpauschale Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär 579 D II Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. Dezember 1969 Frage des Abg. Dr. Apel: Verpflichtung zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung für Lohnsteuerpflichtige . . . . . . . . . 580 A Frage des Abg. Dr. Apel: Wettbewerbsverfälschungen bei der Preisgestaltung eingeführter Spirituosen 580 A Fragen des Abg. Mursch (Soltau-Harburg) : Erhebung von Zöllen für den benutzten Wagen bei Geschäftsreisen nach Frankreich Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 580 B Frage des Abg. Dr. Hauser (Sasbach) : Bereitstellung von Mitteln zur Beseitigung von Westwallbunkern im Haushaltsjahr 1970 Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 580 C, D, 581 A Dr. Hauser (Sasbach) (CDU/CSU) . 580 C, D Josten (CDU/CSU) 580 D Burger (CDU/CSU) 581 A Frage des Abg. Dr. Warnke: Steuerbegünstigung für Arbeitnehmer im Zonenrandgebiet Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . 581 B, C, D Weigl (CDU/CSU) 581 C Dr. Warnke (CDU/CSU) . . . 581 C, D Frage des Abg. Pieroth: Vermeidung sozialer Härten bei Entlassungen durch die Stationierungsstreitkräfte Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär 582 A, B Pieroth (CDU/CSU) 582 A, B Frage des Abg. Dichgans: Ausgabe europäischer Münzen neben nationalen Münzen Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär . . 582 C, D, 583 A, B Dichgans (CDU/CSU) 582 D Josten (CDU/CSU) 583 A Dr. Lenz (Bergstraße) (CDU/CSU) . 583 A Frage des Abg. Richarts: Steuerausfall bei Anpassung des Mehrwertsteuersatzes für Wein an den Steuersatz für andere Agrarprodukte Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 583 B Richarts (CDU/CSU) . . . . . . 583 C von Hassel, Präsident . . . . . . 583 C Fragen des Abg. Fellermaier: Verzicht auf Gebührenerhebung bei Einsprüchen gegen die Reduzierung der Kilometerpauschale . . . . . . . 583 C Vorlage des Abg. Mertes: Weitere Privatisierung von wirtschaftlichem Bundesvermögen 583 C Fragen des Abg. Jung: Einheitliche Anwendung der Zollbestimmungen durch französische Behörden Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 583 D, 584 A Jung (FDP) 584 A Frage des Abg. Erhard (Bad Schwalbach) : Einführung einer allgemeinen Straßenbenutzungsgebühr Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär 584 B Erhard (Bad Schwalbach) (CDU/CSU) 584 B, C von Hassel, Präsident 584 C Frage des Abg. Weigl: Wettbewerbsnachteile für Ziegelwerke im Zonenrandgebiet Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 584 D, 585 B, C Weigl (CDU/CSU) 585 B Frage des Abg. Müller (Berlin) : Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung der Vorschriften über die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär 585 C, D Müller (Berlin) (CDU/CSU) . . . 585 D Schmidt (Kempten) (FDP) . . . . 585 D Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. Dezember 1969 III Fragen des Abg. Dr. Wagner (Trier) : Überbrückungshilfe für den aus der Aufwertung entstandenen Einkommensverlust von Grenzgängern Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär . . 586 A, B, D, 587 A, B Dr. Wagner (Trier) (CDU/CSU) . 586 B, C Burger (CDU/CSU) 586 D Jung (FDP) 587 A Richarts (CDU/CSU) 587 A Maucher (CDU/CSU) 587 B Frage des Abg. Dichgans: Umbau der Strahltriebwerke von Flugzeugen Börner, Parlamentarischer Staatssekretär 587 C, D Dichgans (CDU/CSU) ......587 C Fragen des Abg. Josten: Fahrpreisermäßigung für Jugendliche auf Grund einer europäischen Jugendkarte Börner, Parlamentarischer Staatssekretär 588 A, B Josten (CDU/CSU) . . . . . . 588 B Frage des Abg. Ollesch: Zusammenlegung der Omnibusbetriebe der Bundesbahn und der Bundespost Börner, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 588 C Frage des Abg. Ott: Einheitliche Abschleppvorrichtungen für Personenkraftwagen Börner, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 588 D, 589 A Ott (CDU/CSU) 589 A Frage des Abg. Seefeld: Erhöhung der Mittel für Maßnahmen auf dem Gebiet der Ersten Hilfe für Unfallverletzte im Straßenverkehr Börner, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . • 589 B, C Seefeld (SPD) 589 C Frage des Abg. Schwabe: Übereinkommen zur Feiertagsregelung durch die Bundesländer Börner, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 589 C, D, 590 A Schwabe (SPD) . . . . 589 D, 590 A Frage des Abg. Erhard (Bad Schwalbach) : Stärkere Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs Börner, Parlamentarischer Staatssekretär 590 B Wahl der Mitglieder kraft Wahl des Richterwahlausschusses (Drucksache VI/110) in Verbindung mit Wahl der Wahlmänner (Drucksache VI/111) 590 B Dr. Schmid, Vizepräsident 597 D, 601 A, 602 C Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung Brandt, Bundeskanzler 591 A Dr. Barzel (CDU/CSU) 593 C Dr. Apel (SPD) 596 A Dr. Achenbach (FDP) 598 B Scheel, Bundesminister 599 A Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Schlußtermins für den Abbau der Wohnungszwangswirtschaft und über weitere Maßnahmen auf dem Gebiete des Mietpreisrechts im Land Berlin (SPD, FDP) (Drucksache VI/46) ; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Städtebau und Wohnungswesen (Drucksache VI/105) — Zweite und dritte Beratung — in Verbindung mit Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Schlußtermins für den Abbau der Wohnungszwangswirtschaft und über weitere Maßnahmen auf dem Gebiete des Mietpreisrechts im Land Berlin (Abg. Müller [Berlin], Benda, Dr. Gradl, Wohlrabe u. Gen.) (Drucksache VI/55); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Städtebau und Wohnungswesen (Drucksache VI/105) — Zweite Beratung — Dr. Gatzen (CDU/CSU) . . . . . 601 C Grabert, Senator des Landes Berlin . 602 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . 602 A Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 603 A Anlage 2 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Bardens betr. Ausbildung der Gerichtsmediziner 603 C Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. Dezember 1969 575 16. Sitzung Bonn, den 3. Dezember 1969 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Aigner *** 5. 12. Baier 5. 12. Benda 3. 12. Berding 3. 12. Blumenfeld * 5. 12. Frau Brauksiepe 20. 12. Draeger * 6. 12. Dr, Fuchs 6. 12. Häussler 6. 12. Frau Dr. Henze 31. 12. Frau Herklotz ** 6. 12. Dr. Kempfler 5. 12. Frau Klee 12. 12. Dr. Kreile 5. 12. Freiherr von Kühlmann-Stumm 3. 12. Lenze (Attendorn) ** 6. 12. Lücke (Bensberg) 20. 12. Pöhler * 5. 12. Raffert 3. 12. Dr. Rinderspacher 31. 12. Dr. Rutschke * 5. 12. Dr. Schmidt (Wuppertal) 20. 12. Dr. Schulz (Berlin) * 5. 12. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen der Versammlung der Westeuropäischen Union ** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen der Beratenden Versammlung des Europarats Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments Anlagen zum Stenographischen Bericht Seifriz 3. 12. Dr. Starke (Franken) 6. 12. Dr. h. c. Strauß 6. 12. Dr. Zimmermann 6. 12. Anlage 2 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Bayerl vom 28. November 1969 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Bardens (Drucksache VI/76 Frage A 42) : Ist es nach Ansicht der Bundesregierung erforderlich, strengere Anforderungen an die Ausbildung der Gerichtsmediziner, die in der Bundesrepublik Deutschland keiner Facharzlweiterbildung bedürfen, zu stellen? Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die Ausbildung gerichtlicher Sachverständiger dem neuesten Forschungsstand entsprechen muß. Dies ist aber ein Problem, dem die zuständigen Länderinstanzen sicherlich ihre Aufmerksamkeit widmen werden. Darüber hinaus muß die Aus- und Fortbildung der Richter und Staatsanwälte in den strafprozessualen Hilfswissenschaften, dazu gehört auch das Gebiet der gerichtlichen Medizin, intensiviert werden, damit sie in weiterem Umfang, als es bisher in der Regel der Fall ist, in der Lage sind, sich mit den Sachverständigengutachten kritisch auseinandersetzen und gegebenenfalls rechtzeitig zu erkennen, ob die Einholung eines Obergutachtens erforderlich ist."
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans Apel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Sozialdemokraten sind befriedigt darüber, daß die Erklärungen von Herrn Dr. Barzel deutlich gemacht haben, daß die Phase parteipolitischer Auseinandersetzung über die Europapolitik der Bundesrepublik zu Ende ist. Wir sind froh darüber, daß wir in die Zeit zurückkehren können, die es in der fünften Legislaturperiode — und nur die
    habe ich miterlebt —, aber auch davor gegeben hat, in der es selbstverständlich war, daß es zu dieser Politik, die, wie Sie eben sagten, Herr Dr. Barzel, ohne Alternative ist, in diesem Hause eine einheitfiche Unterstützung der Bundesregierung geben muß, selbst wenn man in Einzelheiten, in Kleinigkeiten, in Nuancen unterschiedlicher Meinung ist. Herr Kollege Wehner hat am 27. Januar 1966 in einer Europa-Debatte, ,die ebenfalls sehr schwierig war — denn sie schloß sich an die Luxemburger Konferenz an — gesagt, daß wir dazu da sind, inklusive der Opposition, der Bundesregierung die nötige Unterstützung und Hilfe zu leisten.
    Ich bin um so befriedigter über die Ausführungen von Herrn Kollegen Barzel, als wir nach den ersten Meldungen, die einliefen, befürchten mußten, daß das parteipolitische Gezänk fortgesetzt werden würde; denn es gibt zwei Stellungnahmen, eine vom Bundesvorsitzenden der Jungen Union und eine vom Sprecher der CDU, Herrn Dr. Rathke,

    (Abg. Dr. Barzel: Lesen Sie die von Herrn Schiller vor!)

    die uns befürchten ließen, daß wir in dieser Debatte in Schwierigkeiten kommen würden.
    Meine Damen und Herren, wir Sozialdemokraten unterstreichen in diesem Moment folgendes.
    Wir unterstreichen, daß die Politik des Bundeskanzlers und seines Außenministers in Den Haag deutlich gemacht hat, daß für uns Westpolitik die Voraussetzung für eine neue Ostpolitik ist. Wir unterstreichen, daß es einer festen Westintegration bedarf, um nach Osten neue Wege zu suchen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wir sind aber auch stolz darauf — ich sage das mit aller Bescheidenheit —, daß der Bundeskanzler der von uns mitgetragenen Bundesregierung in Den Haag eine so entscheidende Rolle gespielt hat, um diese Konferenz zum Erfolg zu führen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Diese Rolle war, das wissen wir, nur in Zusammenarbeit mit den Regierungschefs der anderen EWG-Länder denkbar. Dennoch wissen wir alle — wir brauchen nur einen Blick in die inländische und ausländische Presse zu werfen, um es zu sehen —, wie stark die Person Willy Brandts den Erfolg dieser Konferenz mitbestimmt hat,

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Es ist uns eine Genugtuung, daß die Konferenz in Den Haag sich angeschlossen hat an den Besuch des Bundespräsidenten, der auf seine Art und in seinem Bereich eine Woche zuvor ebenfalls ein Erkleckliches für Europa und für die europäische Aussöhnung geleistet hat.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Das besondere Verdienst des Bundeskanzlers besteht nach der Meinung der Sozialdemokraten darin,

    (Abg. Dr. Barzel: Wollen Sie doch Parteipolitik machen?)

    daß wir endlich die unglückliche Kette „Vollendung, Vertiefung, Erweiterung" durchbrochen haben. Das war ja die Vorstellung mancher, daß erst vollendet, dann vertieft und dann erst über Erweiterung gesprochen werden sollte. Diese Konferenz hat deutlich gemacht, daß Vollendung, Vertiefung und Erweiterung der EWG um neue Mitglieder gleichrangige Probleme sind, die parallel nebeneinander angepackt werden müssen.
    Dabei werden wir denjenigen, die in die Gemeinschaft eintreten wollen, nichts schenken können, und insofern, Herr Kollege Dr. Barzel, ist die Formulierung in Punkt 7 durchaus den Tatsachen entsprechend. Wir werden eine gemeinsame Agrarfinanzierung suchen. Wir müssen uns vorbehalten, diese an die neuen Gegebenheiten anzupassen, die sich nach der Erweiterung der Gemeinschaft ergeben werden. Aber das kann natürlich nur einstimmig passieren; denn hier können die Interessen der Mitglieder nicht geopfert werden.
    Die Konferenz hat vor allem die Vertrauensbasis unter den sechs EWG-Ländern und, was wichtig ist, zwischen den EFTA-Ländern und den EWG-Ländern wiederhergestellt. Denn das ist jetzt sicher: die Erweiterung der EWG wird nicht dazu führen, daß sich die EWG „wie ein Stück Zucker im Atlantik auflöst", wie es ein prominenter Gaullist einmal befürchtet hat. Die EWG wird das europäische Selbstbewußtsein stärken. Sie wird sich nicht in einer diffusen atlantischen Gemeinschaft auflösen. Sie wird eigene Politik zu betreiben haben in engster Verbindung mit den USA.
    Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. Dezember 1969 597
    Dr. Apel
    In dieser Gemeinschaft werden — hier kann ich Herrn Kollegen Dr. Barzel beruhigen — auf Grund der Gipfelkonferenz in Den Haag auch in Zukunft nicht die Institutionen in Brüssel „verbogen" oder „denaturiert" werden. Der Herr Bundeskanzler hat sehr deutlich gemacht, daß die Konferenz u. a. dazu da war, Euratom zu retten und die Funktionsfähigkeit von Euratom zu erhalten. Wir werden ihn mit aller Kraft unterstützen.
    Es muß an diesem Punkt auch gesagt werden, daß z. B. hinsichtlich der Agrarpolitik — hier wird natürlich der Teufel noch im Detail stecken, wenn wir über Einzelheiten reden — eben nicht der Gipfel in Den Haag aufgerufen war, Fragen zu entscheiden, sondern daß das in die ordnungsmäßigen Institutionen der EWG hineingehört: in die EWG-Kommission, in den Ministerrat, in das Europäische Parlament. Wir sind froh darüber, daß in Den Haag zwar die Richtung einer Lösung der Agrarfinanzierung aufgezeigt worden ist — der Herr Bundeskanzler hat sie hier noch einmal präzisiert —, und zwar die gemeinsame Finanzierung, die Bekämpfung des Problems der Überschüsse sowie dahin gehend, daß wir und die anderen finanziell nicht überfordert werden. In der Sache aber hat man sich in Den Haag nicht festgelegt. Jetzt ist Brüssel mit seinen Mechanismen aufgerufen, diese Fragen zu regeln.
    Ich bin auch der Meinung, daß es ein großer und ein nobler Schritt voran war, daß die Bundesregierung die Schaffung eines europäischen Reservefonds als Endstufe der Schaffung eines gemeinsamen Marktes mit echter Wirtschafts- und Finanzpolitik angeboten hat. Das war ein nobler Schritt, meine Damen und Herren; denn hier wird deutlich, daß wir es mit Europa ernst meinen.
    Lassen Sie mich ein Wort zur Frage des Parlamentarismus in Europa sagen. Wir begrüßen die Feststellung, daß die Befugnisse des Europäischen Parlaments erweitert werden sollen. Wir behalten uns vor, das, was im Rahmen der europäischen Institutionen dazu vorgelegt wird, ernsthaft darauf hin zu prüfen, ob es auch wirklich eine echte Mitwirkung wäre oder ob es im Endeffekt bei der institutionell zu schwachen Stellung des Europäischen Parlaments bliebe. Wir nehmen mit Erstaunen zur Kenntnis, daß die Regierungen, also die Exekutiven, die Frage der Direktwahl des Europäischen Parlaments prüfen wollen. Wir wissen, daß das nicht in die Verantwortung des Herrn Bundeskanzlers fällt. Die Formulierung ist von anderer Seite so gewollt worden. Wir Sozialdemokraten erklären, daß nicht Regierungen zu prüfen haben, ob eine Direktwahl stattfinden soll. sondern dieses Haus und die anderen fünf Parlamente der EWG-Staaten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien und Abgeordneten der CDU/CSU.)

    Wir sind der Meinung, daß parallel zu einer Stärkung der Befugnisse die Direktwahl des Europäischen Parlaments eine dringende Notwendigkeit ist.
    Herr Kollege Barzel, Sie haben am Schluß gesagt, eigentlich müsse man doch etwas enttäuscht sein, denn ein mutiger Schritt nach vorn sei es wohl nicht gewesen. Herr Kollege Barzel, halten Sie es nicht für einen mutigen Schritt, daß sechs Regierungen jetzt endlich das klare Bekentnis abgelegt haben, mit England und anderen beitrittswilligen Ländern in Verhandlungen einzutreten, und zugleich Termine festgelegt haben?

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Barzel: Aber ich habe doch nur den Bundeskanzler zitiert!)

    Halten Sie es nicht für einen mutigen Schritt, daß die Übergangszeit der EWG beendet worden ist? Sie wissen, daß ich noch vor einigen Wochen der Meinung war, daß das wohl nicht möglich sei. Halten Sie es nicht für einen mutigen Schritt, daß wir Euratom gerettet haben, daß wir einen europäischen Reservefonds bilden wollen und endlich auch mit der politischen Zusammenarbeit vorankommen?
    Ich gebe zu, daß wir erst noch sehen müssen, wie weit die Außenminister in dieser Frage kommen. Wir müssen abwarten, was dabei herauskommt. Aber allein die Tatsache, daß sechs europäische Regierungschefs erkannt haben, daß die ökonomische Integration einer sie begleitenden politischen Integration bedarf, daß die Diskussion endlich wieder ernsthaft in Gang kommt, und zwar unter der Perspektive der Erweiterung der Gemeinschaft, stimmt uns hoffnungsvoll.
    Meine Damen und Herren, wir sind im Advent,

    (Heiterkeit)

    und Advent heißt: Ankunft und Hoffnung zugleich. Im Gegensatz zu dem Advent, den wir feiern und der uns mit absoluter Sicherheit in die parlamentarischen Weihnachtsferien und damit auch unter den Tannenbaum bringt, können wir das Licht, das in Den Haag jetzt aufgeleuchet ist, nicht als absolute Sicherheit dafür werten, daß in Europa alles erreicht wird. Wir werden dafür weiterhin hart kämpfen müssen. Wir Sozialdemokraten sind stolz darauf, daß Bundeskanzler Brandt und sein Außenminister Scheel in dem Moment, in dem eine erste Bewährungsprobe von ihnen verlangt wurde, die europäischen und damit auch unsere deutschen nationalen Interessen so hervorragend vertreten haben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, soeben wird mir das Ergebnis der Wahlen mitgeteilt.
Bei der Wahl der Wahlmänner gemäß § 6 Abs. 2 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht sind insgesamt 493 Stimmen abgegeben worden. Eine Stimme war ungültig. Gültige Stimmen somit: 492. Hiervon entfielen 238 auf den Vorschlag der CDU/CSU und 254 auf den Vorschlag der SPD und der FDP. Nach den vorgenommenen Berechnungen entfallen auf den Vorschlag der CDU/CSU 6 Mandate und auf den Vorschlag der SPD und der FDP auch 6 Mandate.
Damit sind von der Vorschlagsliste der Fraktion der CDU/CSU die Abgeordneten Dr. Schmidt (Wuppertal), Dr. Jaeger, Dr. Lenz (Bergstraße), Benda, Dr. Zimmermann, Erhard (Bad Schwalbach) gewählt.
598 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. Dezember 1969
Vizepräsident Dr. Schmid
Von der Vorschlagsliste der Fraktionen der SPD und der FDP sind die Abgeordneten Wehner, Hirsch, Frau Dr. Diemer-Nicolaus, Dr. Schäfer (Tübingen), Schulte (Unna) und Dr. Müller-Emmert gewählt.
Ich frage die Damen und Herren, deren Namen ich verlesen habe, ob sie die Wahl annehmen. — Kein Widerspruch. Die Damen und Herren sind damit gewählt.
Bei der Wahl der Mitglieder kraft Wahl des Richterwahlausschusses sind 493 Stimmen abgegeben worden. Alle Stimmen sind gültig. Davon entfielen auf den Vorschlag der CDU/CSU 238 Stimmen, auf den Vorschlag der SPD und der FDP 255 Stimmen. Nach den vorgenommenen Berechnungen entfallen auf den Vorschlag der CDU/CSU 5 Mandate und auf den Vorschlag der SPD und der FDP 6 Mandate.
Damit sind von der Vorschlagsliste der Fraktion der CDU/CSU die Abgeordneten Vogel (Warendorf), Dr. Hauser (Sasbach), Dr. Güde (Karlsruhe), Memmel, Dr. Weber (Koblenz) und deren Stellvertreter gewählt.
Von der Vorschlagsliste der Fraktionen der SPD und der FDP sind die Abgeordneten Hirsch, Schulte (Unna), Dr. Haas, Dr. Müller-Emmert, Dr. Arndt (Hamburg) und Dürr und deren Stellvertreter gewählt.
Auch hier frage ich, ob die genannten Damen und Herren die Wahl annehmen. — Kein Widerspruch. Damit sind die Damen und Herren zu Mitgliedern des Richterwahlausschusses gewählt.
Wir fahren in der Aussprache zu Punkt 4 der Tagesordnung fort. Ich erteile dem Abgeordneten Dr. Achenbach das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ernst Achenbach


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Freien Demokraten haben von dem Kommuniqué über die Ergebnisse der Haager Konferenz mit Befriedigung Kenntnis genommen. Sie danken dem Bundeskanzler und dem Außenminister für die Haltung, die sie im Haag eingenommen haben, und für ihre erfolgreiche Verhandlungsführung.
    Der Kollege Barzel hat darauf hingewiesen, daß es sicherlich noch bessere Ergebnisse hätte geben können. Er wird mit mir darin übereinstimmen — er hat ja schon eine lange Erfahrung in der Politik —, daß mit einer langen Erfahrung auch immer ein besseres Verständnis für das Wort, daß das Bessere des Guten Feind ist, erwächst. Der Kollege Barzel hat, wie es seine Aufgabe ist, über das Bessere gesprochen; ich möchte über das Gute sprechen.

    (Beifall und Heiterkeit bei den Regierungsparteien.)

    Zu dem Guten, Herr Kollege Barzel, rechne ich ganz bestimmt auch Ihre Feststellung, daß es in bezug auf eine konstruktive Europapolitik, die unser Land und unser Volk will, keinen wesentlichen Streit mehr gibt. Ich muß sagen, diese Debatte hat mich gerade durch diese Bemerkung besonders ermutigt. Ich habe vor Jahren schon einmal gesagt, daß sich eine Außenpolitik, die von einer sehr breiten Mehrheit getragen ist, von Regierung und Opposition, draußen in der Welt besser durchsetzen läßt, als wenn über außenpolitische Fragen im eigenen Lande polemische Diskussionen geführt werden, die im allgemeinen zu nichts Gutem führen, sondern nur dazu, die eigene Position zu schwächen.
    Ich möchte sagen, daß wir befriedigt darüber sind, daß die Endphase am 1. Januar beginnen soll, — auch wenn, Herr Bundeskanzler, die Uhren noch ein bißchen angehalten werden; das ist eine Kleinigkeit. Wir sind auch befriedigt darüber, daß der Agrarmarkt weitergeführt wird. Ich unterstreiche insbesondere die Feststellung in Ziffer 6, daß wir uns selbstverständlich gemeinsam mit unseren europäischen Freunden bemühen müssen, das Problem der Überschüsse in den Griff zu bekommen. Ich glaube, man kann insgesamt sagen, das Kommuniqué ist ein Kommuniqué konstruktiver Vernunft. Wir haben auch das Vertrauen zu unseren französischen Freunden, zu ihrem Wort. Wir schwingen jetzt mit allen europäischen Freunden auf der gleichen Wellenlänge. Die Verhandlungen mit Großbritannien werden beginnen, und es ist sicher gut, wenn möglichst schnell eine gemeinsame Verhandlungsbasis erarbeitet wird.
    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich, um Wiederholungen zu vermeiden, weil wir uns in der Tat, wie gesagt, weitgehend einig sind, nur noch, wie es der Herr Bundeskanzler ja auch getan hat, die Ziffer 15 unterstreichen. Ich habe immer wieder — wie Herr Kollege Apel und auch die Kollegen von der CDU, mit denen wir zusammen im Politischen Ausschuß des Europäischen Parlaments sitzen — darauf hingewiesen, daß es in einer Gemeinschaft, in der im wirtschaftlichen Bereich mal von dem einen, mal von dem anderen Opfer verlangt werden, unerläßlich ist, daß die Gewißheit besteht, daß man in den entscheidenden politischen Zielen eine Einheit bildet und nicht gegeneinanderarbeitet. Wir haben daher immer wieder unterstrichen — und das ist gerade jetzt an dem Wendepunkt, an dem die Europäische Gemeinschaft steht, notwendig —, daß wir wieder Mechanismen einrichten müssen, die zu einer echten politischen Union, zu einer gemeinsamen Außenpolitik hinführen. Ich hoffe, daß unser Außenminister Walter Scheel gerade diesem Punkt seine besondere Aufmerksamkeit widmen wird und daß bis zum Juli nächsten Jahres hier der Beginn einer gemeinsamen Außenpolitik sichtbar wird.
    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend sagen: Es ist nicht immer so, daß man sich über ein Kommuniqué freut. Diesmal habe ich es getan, und diesmal habe ich mich auch über die Debatte gefreut. Dieses Land und dieses Volk will Europa, es will den Bundesstaat Europa, damit dieser in der Welt seine konstruktive Rolle des Friedens spielen kann.

    (Beifall bei den Regierungsparteien und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)