Rede:
ID0601126900

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Metadaten
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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 11. Sitzung Bonn, den 13. November 1969 Inhalt: Glückwunsch zum Geburtstag der Abg. Frau Krappe 397 A Erweiterung der Tagesordnung 397 A Amtliche Mitteilungen 397 A Fragestunde (Drucksache VI/49) Fragen des Abg. Saxowski: Abgabepreise der deutschen Stickstoffindustrie Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär 397 C, D, 398 A, B Saxowski (SPD) 398 A Bewerunge (CDU/CSU) 398 B Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) 398 B Fragen des Abg. Strohmayr: Werbung für verbilligte Auslandsferienreisen — Maßnahmen zur Förderung des deutschen Fremdenverkehrs Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär 398 C, 399 A, B Strohmayr (SPD) 398 D, 399 A Schmidt (Kempten) (FDP) 399 B Engelsberger (CDU/CSU) 399 C Fragen des Abg. Blumenfeld: Aufwertungseinnahmeverluste und Wettbewerbssituation der Schiffahrt und der Werftindustrie Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär 399 D, 400 A, B, C, D, 401 A, B, C Blumenfeld (CDU/CSU) 400 A, B Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) 400 B, C Peters (Poppenbüll) (FDP) 400 C Krammig (CDU/CSU) 400 D Rollmann (CDU/CSU) 401 B Kienbaum (FDP) 401 C von Hassel, Präsident 401 D Frage des Abg. Dr. Müller-Hermann: Neubauförderungsmaßnahmen der Bundesregierung entsprechend dem Verkehrspolitischen Programm Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär 401 D, 402 A, B Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) 402 A, B Frage des Abg. Rollmann: Ausgleich der Aufwertungseinnahmeverluste und Erhaltung der Wettbewerbsposition des Schiffbaues und der Seeschiffahrt Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär 402 C, D Rollmann (CDU/CSU) 402 C Blumenfeld (CDU/CSU) 402 D Fragen des Abg. Schröder (Wilhelminenhof) Wettbewerbsschwierigkeiten des Schiffbaues — Verhandlungen über das 7. Werfthilfeprogramm Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär 403 A, B, C Krammig (CDU/CSU) 403 B Müller (Nordenham) (SPD) 403 B Fragen des Abg. Müller (Nordenham) : Beschaffenheit von für die Hausbrandversorgung in Niedersachsen geliefertem Koks Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär 403 C, D, 404 A, B, C, 405 A Müller (Nordenham) (SPD) 403 D Wolfram (SPD) 404 B von Hassel, Präsident 404 B Schmidt (Braunschweig) (SPD) 404 B Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) 404 C Franke (Osnabrück) (CDU/CSU) 404 D Fragen des Abg. Dr. Unland: EWG-Richtlinie betreffend die Bezeichnung von Textilerzeugnissen — Änderung des Textilkennzeichnungsgesetzes Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär 405 A, C Dr. Unland (CDU/CSU) 405 B Fragen der Abg. Frau Griesinger: Erzeuger- und Verbraucherpreise für Äpfel — Erzeugerpreisverfall auf den Märkten für Äpfel Ertl, Bundesminister 405 C, D, 406 A, C, D, 407 A, B Frau Griesinger (CDU/CSU) 405 D, 406 A, C Adorno (CDU/CSU) 406 D, 407 B Ehnes (CDU/CSU) 407 A Köppler (CDU/CSU) 407 A von Hassel, Präsident 407 A Frage des Abg. Susset: Gewährung von Lagerprämien für Äpfel in Frankreich Ertl, Bundesminister 407 C, D, 408 A Susset (CDU/CSU) 407 C Adorno (CDU/CSU) 407 D Frau Griesinger (CDU/CSU) 407 D Ehnes (CDU/CSU) 408 A von Hassel, Präsident 408 A Fragen des 'Abg. Löffler: Zusage der Bundesregierung betreffend die Übernahme der Hälfte der Kosten für die Olympischen Spiele Genscher, Bundesminister 408 B, C Schmidt (Kempten) (FPD) 408 C Fragen des Abg. Dr. Rutschke: Ansteigen der Kinderkriminalität — Gegenmaßnahmen der Behörden 408 D Frage des Abg. Josten: Schlußgesetz zum Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz Genscher, Bundesminister 409 C, D Josten (CDU/CSU) 409 B, D Fragen des Abg. Dr. Enders: Übergangsgebührnisse von längerdienenden Angehörigen des Bundesgrenzschutzes und der Bundeswehr Genscher, Bundesminister 410 A, B Dr. Enders (SPD) 410 B Entwurf eines Gesetzes über einen Ausgleich für Folgen der Aufwertung der Deutschen Mark auf dem Gebiet der Landwirtschaft (SPD, FDP) (Drucksache VI/56) — Erste Beratung — 410 B Antrag der Fraktion der CDU/CSU betr. europäischer Agrarmarkt (Drucksache VI/63) Dr. Barzel (CDU/CSU) 410 C Dr. Apel (SPD) 412 A Hermsdorf (Cuxhaven) (SPD) 413 C Genscher, Bundesminister 414 C Höcherl (CDU/CSU) 414 D, 423 C Peters (Poppenbüll) (FDP) 417 A Dr. Schiller, Bundesminister 420 A Scheel, Bundesminister 424 B Ehnes (CDU/CSU) 425 B Ertl, Bundesminister 426 D Dr. Althammer (CDU/CSU) 430 B Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller, Bundesminister 432 B Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) 434 A Dr. Ritz (CDU/CSU) 434 B Frehsee (SPD) (zur GO) 435 A Nächste Sitzung 435 C Anlage 437 A Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 11. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. November 1969 397 11. Sitzung Bonn, den 13. November 1969 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Achenbach 13. 11. Amrehn * 16. 11. Behrendt ** 13. 11. Dr. Dittrich ** 14. 11. Gottesleben 31. 12. Frau Dr. Henze 14. 11. Frau Herklotz * 17. 11. Dr. Jungmann 14. 11. Frau Kalinke * 17. 11. Frau Krappe 14. 11. Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Lücke (Bensberg) 30. 11. Lücker (München) 13. 11. Müller (Niederfischbach) 14. 11. Petersen * 17. 11. Dr. Rinderspacher * 14. 11. Strauß 6. 12. Frau Dr. Wolf * 20. 11. * Für die Teilnahme an einer Tagung der Interparlamentarischen Union ** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Liselotte Funcke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Frage des Abgeordneten Dr. Stark?


Rede von Dr. Anton Stark
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Minister Ertl, sind Sie dann auch der Meinung, daß es nicht angeht, wenn Ihr Ministerkollege Schiller diesen Antrag hier als „billigen Jakob" abtut?

(Beifall bei der CDU/CSU.)


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    Rede von Josef Ertl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Hier muß ich Ihnen sagen, daß Sie Herrn Kollegen Schiller mißverstanden haben.

    (Lachen bei der CDU/CSU. — Abg. Köppler: Er hat es wiederholt, Herr Ertl!)

    — Sie wollen offensichtlich schon wieder nicht zuhören. Wir können uns an diesen Stil gewöhnen, wir haben Zeit.

    (Heiterkeit bei den Regierungsparteien.)

    Herr Kollege Schiller meinte das bezüglich der vier Wochen. Wenn Sie gesagt hätten: Ein Jahr, dann würde ich sagen: gut, versuchen wir, die Sache ein Jahr hinauszuschieben. Ich betone allerdings, dann übernehmen Sie alle unerledigten Fälle für den Verarbeitungssektor. Der Kollege Höcherl weiß, daß ich mich sehr bemüht habe, all die unerledigten Fälle aus der Wechselkursfreigabe langsam hereinzubekommen einschließlich Hähnchen und Geflügel. Sie wissen, wie schwierig das ist. Wenn Sie das natürlich weiter verlängern wollen, nicht nur zu Lasten der Konservenindustrie, sondern auch zu Lasten der Geflügelschlachtereien und der Erzeuger — bitte sehr, darüber können wir uns unterhalten. Aber dann sollten Sie nicht sagen, daß ich das im Schutzinteresse mache, sondern dann müssen Sie zugeben: ich bin hier dabei, das, was in der Wechselkursfreigabe nicht erledigt worden ist, mühsam bei der Kommission nachzuholen. Und das ist gar nicht so leicht; das wird mir der Kollege Höcherl bestätigen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich betone noch einmal — und deshalb habe ich mich eigentlich zu Wort gemeldet —, wenn nicht die Diskussion so verlaufen wäre, hätte ich geschwiegen. Aber ich bin schon der Meinung, daß man für Klarheit und Wahrheit sorgen soll.
    Im übrigen habe ich zuvor das „Spiegel''-Zitat bezüglich der Aufwertung gelesen. Ich möchte den Kollegen der CDU/CSU empfehlen, dieses „Spiegel"-Zitat des Herrn Bundeskanzlers a. D. Kiesinger nachzulesen.

    (Zurufe von der Mitte.)

    Das ist nicht meine Aufgabe. Aber ich will Ihnen einmal sagen, in welcher Situation ich mich in meinem Amt befnde. Ich fühle mich in der Zwangslage, aus einem Konkurs ein Vergleichsverfahren zu machen.

    (Aha-Rufe von der CDU/CSU.)

    Mit unserem Beschluß in Brüssel sind wir schon ein klein wenig zu einem Vergleich hingekommen.

    (Abg. Stücklen: Wer hat denn den Konkurs eingeleitet?)




    Bundesminister Ertl
    — Ja, das will ich Ihnen gleich sagen, Herr Stücklen.

    (Abg. Stücklen: Haben wir es gemacht, oder habt ihr die Aufwertung gemacht?)

    — Ich weiß allmählich nicht mehr, wer in der letzten Zeit in der Regierung war. Herr Stücklen, ich komme mir langsam so vor, als ob die FDP seit 1949 die absolute Mehrheit gehabt hätte.

    (Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien.)

    So komme ich mir langsam hier vor. Aber ich bin bereit, -Sie bei der Gewissenserforschung und der Vergangenheitsbewältigung hilfreich zu unterstützen.
    Ich betrachte den Antrag als sehr hilfreich; denn in der Tat müssen wir die Fehler wiedergutmachen, die dieses Haus und die deutsche Landwirtschaft immer noch aus der Hallstein-Zeit in Brüssel zu begleichen haben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich wäre sehr dankbar, wenn die CDU/CSU endlich einmal mit der Hallstein-Zeit geschichtlich fertigwerden würde.

    (Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der CDU/CSU.)

    Damit komme ich zu einem grundsätzlichen Problem, das ebenfalls die Hallstein-Zeit berührt. Ich könnte jetzt fragen: wer hat denn das eigentlich zu verantworten? Welcher Fraktion in diesem Hohen Haus gehört der frühere Präsident an?

    (Baron von Wrangel: Das ist Demagogie!)

    — Nein, das ist gar keine Demagogie, sondern das sind Fakten, verehrter Herr Kollege. Aber ich weiß: Wahrheit tut weh. Ich werde jedoch in diesem Haus für Wahrheit sorgen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Stücklen: War denn Herr Hallstein der Vertreter der CDU/CSU, oder war er der Vertreter der EWG? — Gegenrufe von der SPD.)

    — Ich kann nur Fakten feststellen. Ich kann nur sagen, daß ich die Fehler auszubügeln habe, die aus der Hallstein-Zeit herrühren. Wir können ja die Protokolle aufschlagen und nachlesen. — Verehrter Kollege Stücklen, Sie wollen wieder gern reizen. Bitte sehr, setzen wir das fort. Wenn Sie so wollen, machen wir Neuauflage. Das können wir ruhig tun, und Herr Ritz soll sich noch sehr viel notieren. Sie werden sehen, in diesem Haus werden wir für Klarheit und Wahrheit sorgen. Wir können aufgreifen, was in diesem Hause immer gesagt worden ist —Herr Kollege Ehnes, das haben Sie vergessen -: Für Europa sind wir bereit große Opfer zu bringen. Ich habe dazu immer gesagt: nur nicht allein zu Lasten der deutschen Landwirtschaft. Das war der Unterschied zwischen uns.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich frage Sie, warum hat denn die Bundesregierung und warum hat denn die CDU nicht früher die Möglichkeit ergriffen, z. B. das, was ich als Oppositionssprecher der FDP immer vorgeschlagen habe,
    nämlich den Art. 40 in der Form auszulegen, wie es möglich gewesen wäre: a) gemeinsame Wettbewerbsregeln, b) bindende Koordinierung der verschiedenen einzelstaatlichen Marktordnungen, c) eine europäische Marktordnung? Ich sage Ihnen, angesichts der jetzt entstandenen Situation wäre das viel klüger gewesen. Es gab sogar Leute, die es hier in diesem Hause schon einmal gesagt haben und das auch in der Öffentlichkeit vertreten haben. Nur wurde ihnen dann in bösartiger Form unterstellt, sie seien keine Europäer, und ich habe immer gesagt, es ist ein Unterschied, ob Europa in Marktordnungen besteht oder in dem Willen zu einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit. Das ist doch ein großer Unterschied.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Ich frage Sie, warum ist dieser Weg nicht beschritten worden, und wer trägt dafür die Verantwortung? Es war doch klar, meine verehrten Freunde aus der Opposition. Ich bitte Sie, das wirklich ganz sachlich und nüchtern zu überlegen. Jetzt müßten wir mal eine Bilanzdebatte machen. Es war klar, daß wir uns
    — besonders ich — permanent in einem Zwang befinden, und zwar in einem solchen Ausmaß und in einer solchen Form, daß ich gar nicht dazu komme, mich grundlegend mit der Problematik auseinanderzusetzen. Das geschieht aber doch nicht deshalb, weil ich diese Politik eingeleitet habe, sondern weil ich hier vollziehen muß, was andere mir aufgebürdet haben.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien. — Lebhafte Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Dann will ich Ihnen hier einmal sagen, verehrter Herr Kollege Stücklen, die Aufwertung ist ein Thema, das seit Mai zur Diskussion stand. Sie haben noch in der Koalition gestanden, als die Wechselkurse freigegeben wurden. Sie können sich nicht aus dieser Verantwortung einfach herausmogeln; das ist doch eine Politik gegen die Wahrheit.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich frage mich wirklich, warum man nicht früher meine Gedanken aufgegriffen hat, die ich immer wieder zur Diskussion gestellt habe, insbesondere die Auffassung, daß der Grüne Dollar nicht zu halten ist, wenn es nicht zu einer Wirtschafts- und Währungsunion kommt. Ich frage mich, welche Fortschritte wurden in der Zeit gemacht, als Sie die Verantwortung trugen? Ich will es ganz deutlich ansprechen: inzwischen sind gewisse nationale Vorteile europäischer Besitzstand geworden. Das macht die Fortentwicklung dieser Politik außerordentlich schwierig, weil es hier nicht um Europa geht, sondern um den Besitzstand, sei es am deutschen Markt oder an der D-Mark. Das ist die Problematik, vor der wir stehen und die die Verhandlungen in Den Haag sicherlich nicht leicht gestaltet. Aber diese Bilanz muß einmal hier gemacht werden. Meine Herren, da können Sie sich aus der Verantwortung wirklich nicht herausreden, sonst sind Sie einfach nicht glaubwürdig. Das möchte ich in aller Deutlichkeit sagen.
    Ich darf nunmehr zu einigen weiteren Bemerkungen etwas vortragen. Es wurde darauf hingewiesen,



    Bundesminister Ertl
    daß die Grenzabgabe die bessere Möglichkeit gewesen wäre. Ich sage offen, ich habe auch dafür gekämpft; Kollege Schiller hat mich dabei unterstützt. Allerdings muß ich Ihnen, meine verehrten Damen und Herren von der Opposition, auch folgendes sagen. Wir stehen ja in einer permanenten Zwangssituation. Ich habe die Verkürzung der Übergangsfristen auch nicht beschlossen und auch nicht vorgeschlagen. Wir wollen mal alle diese Fragen genau und deutlich aufrühren. Es hätte die große Gefahr bestanden, daß am Ende dieses Jahres bezüglich der Überschüsse der Agrarfinanzregelung und des Problems der Wechselkursveränderungen ein Paket zustande gekommen wäre, das ungefähr so gelautet hätte: Wir einigen uns über Agrarfinanzregelung, wir einigen uns über Überschüsse, und weil wir die Überschüsse am besten durch Preissenkungen bekämpfen, machen wir den Vorschlag, die Franzosen dürfen ihre Preise um 6 % oder um 5,5 % erhöhen, und die Deutschen müssen um 5,5 % herunter. Ich möchte wissen, was Sie zu mir gesagt hätten, wenn ich mit diesem Ergebnis nach Hause gekommen wäre. Mit Recht hätten Sie gesagt, ich hätte die Lebensinteressen der deutschen Landwirtschaft vernachlässigt. Diese Gefahr stand vor uns. Und diese Gefahr zu bannen war durch unseren Kompromiß jetzt möglich, und zwar auf vier Jahre.
    Hier muß ich auch noch etwas erwähnen, worauf der Kollege Peters hingewiesen hat. Ich habe nicht erst in Luxemburg oder in Brüssel erklärt, daß dies der glücklichste Tag meines Lebens sei, der Tag der Getreidepreissenkung. Aber ich bringe nicht nur den Willen dieser Bundesregierung und, wie ich meine, auch die Unterstützung der Opposition nach Hause, die Ausgleichszahlungen national zu sichern, sondern ich habe sie sogar in Brüssel jetzt abgesichert. Das ist bei der Getreidepreissenkung gar nicht gelungen; darüber wurde bei der Getreidepreissenkung überhaupt nicht verhandelt. Das ist der Unterschied zwischen gestern und heute.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Meine Herren, wenn Sie uns dabei unterstützen, dann wird es uns auch möglich sein, den nationalen Anteil voll durchzuhalten. Dann ist das Argument einfach nicht da, daß man sagt: es passiert genauso wie beim EWG-Anpassungsgesetz, daß man zunächst Zusagen macht und sie nicht einhält.
    Ich betone noch einmal, ich habe jetzt die Zusage des Ministerrates und der Kommission. Ich glaube, auch als Nichtjurist kann ich sagen, es ist ein Vertragsbestandteil und ein Bestandteil der europäischen Zusammenarbeit geworden. Auf dieser Basis kann ich nun viel leichter über Reformen, notwendige Re formen, und eine Fortentwicklung der EWG-Agrarpolitik verhandeln. Denn ich habe jetzt in der Tat langfristig Zeit. Ich habe dazu Zeit, ohne daß dabei die deutsche Landwirtschaft zunächst Schaden erleidet.
    Nun zum Problem Mehrwertsteuer. Mein Kollege Schiller ist darauf schon eingegangen. Man kann geteilter Meinung darüber sein, ob vielleicht ein höherer Satz besser oder schlechter gewesen wäre. Das ist eine Frage der Auffassung. Wir haben uns geeinigt. Ich hoffe, daß mich der Finanzminister
    Pöhner aus Bayern bei dieser Lösung nicht im Stich läßt; das würde die Lösung nur erschweren. Wir haben die Mehrwertsteuer mit hineingenommen, und ich freue mich, daß mein Kollege Höcherl, mein verehrter Amtsvorgänger, sagt: Weil damit eine Sofortwirkung bei den Bauern eintritt.
    Nun wird gesagt: Aber diese Mehrwertsteuerlösung kommt beim Direktverkauf nicht ganz an.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch so!)

    — Sie sind immer so voreilig, lieber Stücklen; die eiligen Leute haben kein Glück, das habe ich das letzte Mal schon gesagt. — Ich habe heute die Anweisung gegeben, diese Frage prüfen zu lassen. Ich habe auch den Bauernverband gebeten, mir seine Zahlen zu geben. Er hat gesagt, auch er sei sich darüber im einzelnen nicht ganz im klaren. Ich habe erklärt, ich stehe ihm zur Verfügung, diese Frage werde ich sehr ernsthaft prüfen. Es ist auf jeden Fall nicht so, wie die Zahlen besagen, die draußen bereits veröffentlicht wurden. Es wurde mir erklärt, auch der Deutsche Bauernverband könne sie so nicht bestätigen, weil es sehr schwierig sei, genaue Zahlen auszurechnen. Einzelheiten bitte ich meinen verehrten Freund Stücklen aus der CSU, mit seinem Nachbarn — von mir aus gesehen zur Rechten —, Hermann Höcherl, zu besprechen. Er wird ihm sicherlich die fachlichen Details sagen können. Ich möchte hier die Diskussion nicht weiter aufhalten.
    Es wurde dann die Frage gestellt, warum wir überhaupt diese Lösung gemacht haben. Ich betone, es ist ein Kompromiß. Es ist sicherlich nicht ,ein Idealfall. Aber in der Politik muß man vieles machen, was nicht ideal ist. Das war vorgestern so, ist heute so und wird morgen so sein. Aber folgende Punkte erscheinen mir sehr wichtig: Teilausgleich der Einkommensverluste sofort beim Verkauf über die Mehrwertsteuer — das halte ich für einen wichtigen Bestandteil —, langfristige Absicherung eines Direktausgleichs und ein gerechtes Ausgleichsverfahren in Kombination mit Flächenausgleich, der verwaltungstechnisch noch durchführbar ist.
    Nun wurde es soeben so dargestellt, als wenn das eine ganz, ganz schlimme und unmögliche und natürlich nur aus einer bösartigen Gesinnung heraus zu verstehende Maßnahme wäre. Meine Herren, Sie haben es doch beim Getreideausgleich auch so gemacht. Da hat der Kollege Ehnes z. B. gesagt: „Wir brauchen einen warmen Landregen." Das war damals seine Meinung. So ändern sich die Zeiten.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Da hat es sich nur um Getreide gehandelt!)

    — Was heißt „nur um Getreide"? Das war ein Ausgleichsverfahren. Wir machen jetzt wieder ein Einkommensausgleichsverfahren. Dabei sage ich Ihnen, in dieser Frage bin ich bereit, mit Ihnen im Ausschuß alle Einzelheiten zu diskutieren. Wer immer mir in diesem Hohen Hause eine bessere Lösung vorschlägt, wird bei mir offene Türen finden. Ich bin weiß Gott nicht der Auffassung, daß das der Weisheit letzter Schluß ist. Ich bin auch bereit, über alle Reformen mit Ihnen zu sprechen. Die Aufforderung des Außenministers unterstütze ich vollauf. Dieses Haus sollte sich bald Gedanken darüber machen und sagen, wie



    Bundesminister Ertl
    es die zukünftige Agrarpolitik sieht. Ich würde mich sehr freuen, wenn ich konkrete Anregungen auch von Ihnen bekäme. Denn das kann der Sache nur nützlich sein.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, zum Schluß muß ich nur noch einmal sagen: wir sind in einer sehr schwierigen Zwangslage infolge der Tatsache, daß man die Agrarpolitik mit einer Illusion betrieben hat, nämlich mit jener Illusion, daß ein gemeinsamer Agrarmarkt automatisch zur Währungs- und Wirtschaftsunion und dadurch zur politischen Union führe. Diese Illusion ist bis heute Illusion geblieben. Leider hat sich inzwischen ein gewisser Besitzstand europäischer Art herauskristallisiert. Dieses Problem können wir wirklich nur gemeinsam lösen. Dabei betone ich, daß in Zukunft die Frage des möglichen Beitritts Großbritanniens auch für den Agrarsektor sehr wichtig ist. Ohne Erweiterung der Gemeinschaft sehe ich langfristig überhaupt keine günstige Chance, auch auf dem agrarischen Sektor zu besseren Ergebnissen zu kommen. Das sage ich Ihnen hier ganz offen und nüchtern.
    Ich bedauere sehr, daß wir durch die vorliegenden und damit bindenden Beschlüsse unter einem permanenten Zeitdruck stehen. Ich bin der Meinung, wir brauchen sehr, sehr viel Zeit, um die anstehenden Fragen zu lösen. Man sollte sich wirklich einmal überlegen — ich bin mit dem jetzt beschlossenen Ausgleich einigermaßen zufrieden; ich möchte aber nicht sagen, daß er mich absolut befriedigt —, ob es nicht nützlicher wäre, die Übergangszeit z. B. für ein Jahr zu verlängern und nicht unter Zeitdruck über die Agrarfinanzierung zu diskutieren.
    Ich möchte mich nicht in Einzelheiten verlieren, sondern nur noch folgendes sagen: nichts ist in der heutigen Zeit schlimmer als diese permanente Hast, in der alle vierzehn Tage Nachtsitzungen bis früh um 2 und 3 Uhr stattfinden. Ich habe zu meinen Kollegen im Ministerrat gesagt: Die Art, wie in Europa seit Jahren Politik gemacht wird, verstößt gegen die prinzipiellen Erkenntnisse der modernen Psychologie und Pädagogik. Damit wird ein Mensch, wie immer seine Konstitution ist, einfach überfordert. Darunter hat Europa in der Vergangenheit gelitten, darunter leidet es auch in der Gegenwart. Nehmen wir uns in diesem Hohen Hause, vielleicht aber auch in Europa, endlich einmal Zeit, über die Probleme gründlich, offen und ehrlich zu diskutieren. Diesen Appell richte ich nicht nur an das Hohe Haus, sondern auch an unsere Partnerstaaten. Ich habe das Gefühl, daß man zu der Offenheit, die Europa braucht, immer noch nicht gefunden hat.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)