Rede von
Dr.
Franz
Gleissner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Darüber können wir uns unterhalten, wenn wir nicht falsche Vorwürfe machen. Herr Kollege Jacobi, Sie haben vollkommen recht, hier ist eine wichtige, aber auch schwierige Problemstellung, bei der Sie meine Mithilfe haben werden.
Ich möchte noch ein Beispiel hinzufügen, ohne jetzt diese Dinge ausführlich genug begründen zu können; sie wären es wert, stärker beachtet zu werden. Die von der Stadt München ohne Kritik und Widerstand übernommenen, umstrittenen und maßlosen Planungs- und Entwicklungszahlen — Prognose-Gutachten August 1962 —, mit denen man planerisch in Vorlage gegangen ist, mit denen man trotz Wohnungsnöten — geradezu angereizt hat, haben sich in der Stadt und in den Landkreisen explosionsartig ausgewirkt mit all den Folgen und dem permanenten Baudruck, der entstanden ist.
Ich stelle nun die Frage: worauf kommt es im Raum München an, worauf kommt es mir und meinen Freunden beim Abbau beziehungsweise bei der ) Milderung der Wohnungssorgen im Raum München an? Eine der Voraussetzungen ist — das ist die Bitte um das Verständnis, das gerade in sozialer Hinsicht erforderlich ist —, daß wir einsehen, daß der Raum München nicht gleichzeitig — ich sage das nicht vorwurfsvoll, ich weiß, daß die Dinge nicht idealistisch, sondern realistisch darzustellen sind — die belastenden Folgeerscheinungen der bisher schon überhektischen Entwicklung meistern und die kostspieligen und schwierigen Sanierungsaufgaben vom Ausbau der Massenverkehrsmittel bis zur Beseitigung der Wohnungsnot und zur Abwassersanierung bewältigen kann, wenn die Zuzugsentwicklung im Raum München im bisherigen Umfang weitergeht. Die Entwicklung im Raum München ist in den letzten Jahren — so sagen es doch die Leute — ein Faß ohne Boden geworden, wenn man zwar immer größere Staatshilfen einsetzt, wenn man rechtlich-politisch Ausnahmeregelungen — oft zu Lasten anderer — zu erreichen sucht, aber nicht gleichzeitig — ich wiederhole und unterstreiche es: wie es die Raumordnungspolitik fordert — der Aufblähung und Expansion in diesem Raum gewisse Grenzen setzt. Es sage mir niemand, daß die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht vorhanden seien.
Ich darf zusammenfassen. Meine Damen und Herren, die Wohnungsnot nimmt kein Ende — das war vor einiger Zeit eine Überschrift in der „Süddeutschen Zeitung" —, sie bleibt uns erhalten, wenn wir nicht die Ursachen des Übels sehen wollen. Sie bleibt uns erhalten, wenn wir in diesem Raum nicht
den Forderungen der Raumordnung Rechnung tragen und Maßnahmen vermeiden, die den Zuzug und die Wohnungsnot geradezu anheizen. Ich habe vor mir das neue Bauprojekt einer Großfirma. Ich habe vor mir den Beschluß Münchens, nach dem ein Großunternehmen mit 20 000 Arbeitsplätzen — zunächst 10 000, dann auf 20 000 ansteigend — durch „in der gesetzlich zulässigen Weise" wie z. B. durch großzügige Baugebietsausweisungen gefördert werden soll. Man hat sogar bei der Staatsregierung den Antrag auf Erlaß der Grunderwerbsteuer gestellt — am 23. 6. 1969 —, was sonst wohl kaum andere Betriebe bekommen. Man braucht sich dann nicht zu wundern über die Folgen. Maßgebliche Stellen des Staates und Organisationen der Bürger haben interveniert und darauf gedrungen, diesen Planungen nicht nachzugeben, sondern sie mit Vorsicht zu überlegen, weil die Folge ein Zuzug von 80 000 Menschen wäre, weil im Raum München bereits 37 203 Arbeitsplätze unbesetzt sind, weil schon mehr als 80 000 Gastarbeiter in München wohnen und weil 80 000 Wohnungssuchende zuerst eine Wohnung brauchen. Ich habe mich ebenfalls gegen diese Planungen gewandt. Das ist — in der Auseinandersetzung um die Wohnungsnot in München — eine konsequente Haltung. Ich glaube, der Münchener hat recht, der in einer Münchener Zeitung geschrieben hat:
Die bisherige Expansionspolitik Münchens kommt geradezu dem Tatbestand eines sozialen Vergehens gleich, dessen Auswirkungen, insbesondere was die Wohnungsnot betrifft, an die ortsansässige Bevölkerung Münchens und die umgebenden Landkreise weitergereicht wird. Wer die wahren Ursachen der Wohnungsnot verschweigt und ablenkt, führt Mieter und die Öffentlichkeit irre und verewigt die Wohnungsnot und die anderen sozialen Folgeerscheinungen der Überentwicklung im Raume München.
Meine Damen und Herren, ich habe das gesagt aus Liebe zu München und Oberbayern, aus Interesse an einer gesunden Politik und daran, daß München sein Gesicht nicht verliert und daß München diesen sozialen Notständen, die da sind, nicht nur durch diese Gesetzesvorlagen, soweit sie vertretbar sind, sondern auch durch eine Raumordnungspolitik, wie wir sie hier im Hause beschlossen haben, Herr wird.