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    Deutscher Bundestag 7. Sitzung Bonn, den 30. Oktober 1969 Inhalt: Amtliche Mitteilung 127 A Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Dr. h. c. Strauß (CDU/CSU) 127 B Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller, Bundesminister 136 B Kienbaum (FDP) 144 C Höcherl (CDU/CSU) 146 B von Hassel, Präsident (zur GO) 149 C, 163 B Ertl, Bundesminister 149 C Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) 159 A Peters (Poppenbüll) (FDP) 160 C Klinker (CDU/CSU) 162 C Logemann (FDP) 164 D Dr. Schiller, Bundesminister 167 C Dr. Schmid, Vizepräsident (zur GO) 174 B Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) 178 C Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär 181 B Gewandt (CDU/CSU) 183 A Dr. Haas (FDP) 183 D Dichgans (CDU/CSU) 185 B Dr. Stoltenberg (CDU/CSU) 185 C Frau Funcke, Vizepräsident 186 C Dr.-Ing. Leussink, Bundesminister 188 A Dr. Meinecke (SPD) 191 D Dr. Mikat (CDU/CSU) 193 B Moersch (FDP) 195 C Genscher, Bundesminister 198 C Dr. Lohmar (SPD) 201 A Katzer (CDU/CSU) 202 C Dr. Schellenberg (SPD) 207 A Schmidt (Kempten) (FDP) 212 A Dr. Burgbacher (CDU/CSU) 214 C Arendt, Bundesminister 216 A Benda (CDU/CSU) 220 B Dr. Ehmke, Bundesminister 223 B Dr. Rutschke (FDP) 223 C von Hassel, Präsident 228 A Dr. Lauritzen, Bundesminister 228 B Vogel (CDU/CSU) 228 C Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) 230 B Jahn, Bundesminister 231 C Brandt, Bundeskanzler 232 B Dr. Barzel (CDU/CSU) 236 C Wehner (SPD) 240 A Nächste Sitzung 241 Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten 243 A Anlagen 2 bis 4 Schriftliche Erklärungen der Abg. Dichgans (CDU/CSU), Dr. Rutschke (FDP) und Dr. Jungmann (CDU/CSU) zu der Regierungserklärung 243 B Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. Oktober 1969 127 7. Sitzung Bonn, den 30. Oktober 1969 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Amrehn ** 16. 11. Dr. Dittrich * 31. 10. Frau Herklotz ** 17. 11. Frau Geisendörfer 30. 10. Gottesleben 31. 12. Dr. Jungmann 10. 11. Frau Kalinke ** 17. 11. Dr. Kempfler 30. 10. Lücke (Bensberg) 31. 10. Frau Meermann ** 9. 11. Müller (Aachen-Land) * 30. 10. Petersen ** 17. 11. Dr. Preiß 31. 10. Raffert ** 9. 11. Dr. Rinderspacher 14. 11. Schlee 31. 10. Dr. Schmidt (Offenbach) 31. 10. Dr. Starke (Franken) 30. 10. Weigl 31. 10. Dr. Wörner 30. 10. Frau Dr. Wolf ** 20. 11. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an einer Tagung der Interparlamentarischen Union Anlage 2 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Dichgans (CDU/CSU) zu der Regierungserklärung. Nachdem das Thema Baustahlpreise von zwei prominenten Kollegen angesprochen worden ist, wollte ich dazu etwas sagen. Die Preisentwicklung für Baustahl, genauer Betonstahl, ist lebhaft kritisiert worden, nicht ohne Grund. In der Tat sind Fälle vorgekommen, in denen ein Bauunternehmer, der bei seinem Händler noch Januar dieses Jahres 450 DM/t gezahlt hatte, im Juli 1969 900 DM bezahlen sollte, das Doppelte. Herr Kollege Dr. Strauß hat dazu bereits mit Recht bemerkt, daß das Problem sehr verwickelt liege. Dazu nur drei Zahlenpaare. Im Jahre 1960 lag der Preis für Betonstahl ab deutschem Hüttenwerk bei etwa 520 DM/t, was zu Preisen ab Händlerlager in der Größenordnung von 650 DM/t führte. Jm Jahre 1968 erlebten wir einen weltweiten Preiseinbruch bei Stahl, mit Preisbewegungen, wie wir sie früher nur am internationalen Metallmarkt erlebt hatten, etwa bei Kupfer und Zinn. 25 % des deutschen Stahlverbrauchs stammen aus dem Ausland. Belgischer Stahl wurde in dieser Baissezeit mit etwa 350 DM/t ab Hüttenwerk, 450 DM/t ab Händlerlager angeboten, alles in runden Zahlen, die nur die Größenordnungen zeigen sollen. Bei einem Überflußangebot wirkt bekanntlich das billigste Angebot preisbestimmend. Deutsche Hüttenwerke mußten deshalb den Auslandsangeboten folgen. Sie waren übrigens daraufhin in mehreren Fällen gezwungen, die Vorauszahlungen von Körperschaftsteuer einzustellen. Im Sommer 1969 entwickelte sich nun ein weltweiter Stahlboom, der den belgischen Preis in wenigen Monaten von 350 auf 700 DM in die Höhe schnellen ließ, was zu dem erwähnten hohen Preis ab Händlerlager führte, 900 DM/t im Extremfall. Daraus ergab sich eine allgemeine Preisauftriebstendenz für Betonstahl ab Händlerlager, weil in Mangellagen die höchste Preisforderung für eine Menge, die noch benötigt wird, den Gesamtpreis bestimmt. Wie haben sich nun die Betonstahlpreise ab deutschem Hüttenwerk entwickelt? Sie liegen unverändert bei 520 DM, wie im Jahre 1960, eher einige Mark darunter. Von allen Stahlsorten wurde nur der Betonstahl, weniger als 10 % der Gesamtmenge, von hektischen Preisausschlägen erfaßt. Für die übrigen verlief die Preiskurve weit ruhiger, für manche von ihnen völlig stetig. Bei Betonstahl gab es im Sommer 1969 zeitweise Lieferschwierigkeiten. Niemand hatte diese sprunghafte Steigerung der Nachfrage vorausgesehen, weder die Stahlindustrie noch der Bundeswirtschaftsminister. Die Stahlindustrie bemühte sich jedoch intensiv um eine Erhöhung der Erzeugung, mit sichtbarem Erfolg. Die extremen Preise gingen rasch zurück. Kritische Kollegen haben mir hier bestätigt, daß heute Betonstahl wieder zum Preise von etwa 650 DM/t vom Händlerlager zu haben ist. Die exzessiven Preisschwankungen waren gewiß unerfreulich. Aber der Mechanismus der Marktwirtschaft hat rasch funktioniert. Seit 1960 ist der allgemeine Index der Industriepreise um etwa 14% gestiegen, während die Stahlpreise sich beim Stand von 1960 gehalten haben. Wäre das bei allen Preisen der Fall, so wäre das Wort Preisstabilität in der heutigen Debatte nicht vorgekommen. Anlage 3 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Dr. Rutschke (FDP) zu der Regierungserklärung. Die Fraktion der FDP begrüßt es außerordentlich, daß die neue Bundesregierung in ihrer programmatischen Erklärung den innenpolitischen Problemen der Vertriebenen, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigten breiten Raum geschenkt hat. Seit Jahren hat keine Bundesregierung so konkrete und konstruktive Aussagen gemacht. Die Bundesregierung hat erklärt, daß sie die notwendigen Maßnahmen zur 244 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. Oktober 1969 Eingliederung vollenden wird. Vierundzwanzig Jahre nach Kriegsende ist es wahrlich erforderlich, daß dieses mit so viel Leid verbundene Kapitel der deutschen Geschichte endlich zu einem befriedigenden Abschluß kommt. Es besteht kein Zweifel, daß die Eingliederung der Vertriebenen und Flüchtlinge am unzulänglichsten in bezug auf die ostdeutschen Bauern geblieben ist. Jeder weiß, daß die Bundesrepublik Deutschland diesen Menschen nicht wieder zu einem Bauernhof zu verhelfen vermag. Aber ein eigenes Haus mit einem Stück Siedlerland hätte man in den verflossenen zwei Jahrzehnten den ostdeutschen Landwirten sicherlich zur Verfügung stellen können. Noch der scheidende 5. Bundestag appellierte an die neue Bundesregierung, einen Eingliederungsplan aufzustellen, nach dem jährlich wenigstens 4000 Ost- und Mitteldeutsche eine Nebenerwerbssiedlung erhalten können. Die neue Bundesregierung wird danach streben, jenen einstimmigen Wunsch aller Fraktionen zu realisieren. Die gewerblichen Betriebe der Vertriebenen, Flüchtlinge und Kriegssachgeschädigten leiden immer noch unter erheblichem Eigenkapitalmangel. Zu welch ernster Bedrängnis dieser Zustand führt, konnte man 1966 sehen, als die westdeutsche Wirtschaft in die Krise abglitt. Die Geschädigtenbetriebe waren die ersten, die an den Rand des Konkurses gerieten. Die neue Bundesregierung wird sich deshalb bemühen, die notwendigen eigenkapitalbildenden Maßnahmen fortzusetzen. Die wohnungsmäßige Eingliederung der Vertriebenen, Flüchtlinge und Ausgebombten läßt immer noch zu wünschen übrig. Dies gilt nicht nur für das Fehlen von Mietwohnungen für diesen Personenkreis, sondern verstärkt für das Phänomen des Wohnraum-Eigenbesitzes. Nas neue Kabinett bringt ferner in seiner Regierungserklärung zum Ausdruck, daß es den Lastenausgleich und die Kriegsfolgegesetzgebung, auch im Interesse der Flüchtlinge aus der DDR, zu einem gerechten Abschluß bringen wird. Die Einfügung bezüglich der Flüchtlinge soll zweifellos zum Ausdruck bringen, daß sich die Bundesregierung um eine Gleichstellung der Flüchtlinge mit den Vertriebenen in bezug auf die Hauptentschädigung bemühen wolle. Der Hinweis auf einen „gerechten" Abschluß deutet an, daß die Regierung prüfen werde, inwieweit allgemein eine Verbesserung der Entschädigungsleistungen vorgenommen werden kann. Auch der Ausbau der Altersversorgung der ehemals Selbständigen fällt in diese Programmankündigung. Der letzte Bundestag hatte diesbezüglich die neue Bundesregierung gebeten, eine angemessene Erhöhung des Selbständigenzuschlags im 2. Unterhaltshilfeanpassungsgesetz vorzusehen. Die neue Regierung hat die Bemühungen um die Realisierung dieses Parlamentswunsches bereits seit einigen Tagen aufgenommen. Es wird bei dieser Gelegenheit darauf ankommen, die Altersversorgung stärker als bisher in ein angemessenes Verhältnis zur früheren soziologischen Stellung der Geschädigten zu bringen. In der Öffentlichkeit ist — insbesondere von Geschädigtenverbänden — kritisiert worden, daß das Bundesvertriebenenministerium aufgelöst worden ist. Diese Kritik geht an dem Kern der Sache vorbei. Der zentrale Verwaltungsapparat für die Eingliederung, den Lastenausgleich und die kulturelle Betreuung der Vertriebenen, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigten ist tatsächlich uneingeschränkt erhalten geblieben. Soweit es die außenpolitischen und deutschlandpolitischen Belange der Vertriebenen und Flüchtlinge betrifft, war auch in der Vergangenheit der Vertriebenenminister dafür nicht ressortzuständig. Alle Wünsche oder Vorstellungen werden aber wirkungslos und vergeblich sein, wenn uns eines nicht gelingt: die Kaufkraft unserer Währung zu stabilisieren. Insbesondere die Geschädigtenkreise, ob Kriegssachgeschädigte, Vertriebene oder Flüchtlinge, sind — und hierbei wiederum insbesondere die älteren Menschen — auf die Erhaltung der Kaufkraft unseres Geldes angewiesen. Sie sind wirklich darauf angewiesen — mehr als alle anderen. Die schlechteste Sozialpolitik im weitesten Sinne des Wortes ist die Politik des schlechten Geldes. Wer den Weg der Anpassungsinflation vorzog, anstatt rechtzeitig alle volkswirtschaftlichen Mittel, wie z. B. die Aufwertung unserer D-Mark, einzusetzen, hat sich insbesondere an diesem Personenkreis versündigt. Diese nicht zu rechtfertigende Politik wird ihre Auswirkungen mit voller Wucht im Hinblick auf Preissteigerungen erst in den nächsten Monaten haben. Das wird aber dann für die Geschädigtenkreise besonders schmerzlich sein. Die Verantwortung für die kommenden Preissteigerungen liegt aber nicht — das möchte ich hier und heute eindeutig feststellen — bei der neuen Bundesregierung, sondern einzig und allein bei den Herren Bundeskanzler Dr. Kiesinger und Finanzminister Strauß und bei Ihnen, meine Damen und Herren der CDU/CSU. Anlage 4 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Dr. Jungmann (CDU/CSU) zu der Regierungserklärung. Es gehört zu der traditionellen Besonderheit der Gesundheitspolitik jedenfalls in diesem Hause —, daß ihr Akzent weniger auf den unvermeidlichen Meinungsverschiedenheiten als auf der gemeinsamen humanitären Verpflichtung gelegen hat. Deshalb und in diesem Geist stelle ich fest, daß die gesundheitspolitischen Aussagen der Regierungserklärung in jeder Hinsicht enttäuschend sind. Wir haben mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, daß die Aufgabe der Gesundheitspolitik jetzt auch von der Bundesregierung bescheidener und realistischer als früher in dem Schutz der Men- Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. Oktober 1969 245 schen vor den durch Technik und Zivilisation hervorgerufenen Gesundheitsrisiken gesehen wird. Wir haben ebenfalls mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, daß Wissenschaft und Forschung jetzt an erster Stelle dieser Aufgaben genannt werden. Von der Konkretisierung dieser löblichen Erkenntnis haben wir allerdings wahrlich nichts Überzeugendes gehört. Was da von einem Institut für Sozialmedizin gesagt worden ist, ist mehr Propaganda als Wissenschaft und Forschung. Wenn die sozialmedizinische Forschung an unseren Universitäten und Hochschulen wenigstens etwas großzügiger gefördert würde, würde dabei zweifellos mehr herauskommen als aus einem solchen Institut im Bundesgesundheitsamt. Für die Erforschung der Grundlagen für die Früherkennung der großen Krankheiten unserer Zeit ist das jedenfalls weder der beste noch der erfolgversprechendste Weg. Wir wollen unsere Sorgen bezüglich der weiteren Entwicklung der wissenschaftlichen Institute des Bundesgesundheitsamtes nicht verhehlen. Wenn Wissenschaft und Forschung im Gesundheitspolitischen Programm tatsächlich an erster Stelle stehen sollen — und wir begrüßen das ausdrücklich, weil es schon seit vielen Jahren unsere ausdrückliche Ansicht ist -, dann muß im Bundesgesundheitsamt eine grundlegende Neugestaltung erfolgen. Angesichts der Tatsache, daß heute jeder fünfte oder sechste Mensch an Krebs stirbt, ist es doch wohl kaum angemessen, wenn die Bundesregierung der Krebsbekämpfung „besondere Bedeutung" beimessen will. Auch hier haben wir die klare und konkrete Aussage vermißt, was und wie das geschehen soll. Warum ist vor allem mit keinem Wort gesagt worden, daß die heute schon vorhandenen Möglichkeiten der Früherkennung des Krebses und der anderen großen Krankheiten unserer Zeit endlich voll ausgenutzt werden sollen? Statt der unverbindlichen Versicherung guter Absichten zur Reinhaltung von Wasser und Luft und zum Schutz vor dem Lärm hätten wir auch lieber gehört, w i e das geschehen soll, w i e unsere Städte und Dörfer z. B. von dem täglich wachsenden Zivilisationsmüll befreit werden sollten. Mit Interesse haben wir zur Kenntnis genommen, daß die Bundesregierung schon bald ein Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser vorlegen will. Wir sind sehr gespannt, dann zu erfahren, was unter einem „bedarfsgerecht gegliederten System leistungsfähiger Krankenhäuser" zu verstehen ist. Hoffentlich nicht ein seelenloses und damit zugleich unmenschliches System ausschließlich funktionsbezogener Institutionen! Daß die neue Bundesregierung die ärztliche Ausbildung reformieren will, ist — gelinde ausgedrückt — eine unangebrachte Absichtserklärung. Denn tatsächlich müssen wir - der Deutsche Bundestag - von der Bundesregierung erwarten, daß sie ihrerseits bald realisiert, was ihr vom Gesetzgeber aufgetragen worden ist. Bisher sieht es allerdings so aus, als ob diese Aufgabe eher verzögert als mit der notwendigen Einsicht und Energie vorangetrieben würde. Daß sich die Bundesregierung zu dem Grundsatz der freien Arztwahl bekennt, ist nicht gerade sensationell. Daß sie sich auch zum Grundsatz der freien Berufsausübung bekennt, ist schon eher von Interesse. In den Programmen der SPD haben wir eine so klare Aussage bisher jedenfalls vermißt. Unklar und besorgniserregend ist die Aussage, daß die Bundesregierung, „abgestimmt auf die europäische Entwicklung", dafür sorgen wird, daß „Staat und Heilmittelhersteller im Arzneimittelwesen verantwortlich zusammenwirken" sollen, „um ein Maximum an Sicherheit zu gewährleisten". Dieses Maximum an Sicherheit ist jedenfalls nicht nur die Absicht, sondern Grundsatz, Sinn und Inhalt unserer deutschen Arzneimittelgesetzgebung gewesen, die von allen Fraktionen dieses Hauses getragen worden ist. Was muß und was soll da jetzt geändert werden? Wir bleiben bei unserer Auffassung, daß die Verantwortung für die Arzneimittel über die Gesetzgebung und über die Befolgung der Gesetze hinaus nicht vom Staat übernommen werden kann, weil der Staat diese Aufgabe nicht erfüllen kann. Auch in der Gesundheitspolitik erwarten wir also klare Aussagen, damit wir wissen, welchen Absichten wir zustimmen können und welchen Absichten wir rechtzeitig entgegentreten müssen. Ich darf abschließend feststellen, daß das von uns selbst früher einmal angestrebte und schließlich geschaffene Gesundheitsministerium heute wohl nicht mehr für die optimale Organisation der Gesundheitspolitik angesehen werden kann. Das gilt auch für das jetzt aus Familien-, Jugend- und Gesundheitsministerium zusammengelegte Ministerium. Wie wenig seine Teile ein organisches Ganzes bilden, ergibt sich allein schon aus der Behandlung seiner verschiedenen Aufgaben in der Regierungserklärung. Das gilt um so mehr, als dem Vernehmen nach die Einheit der Gesundheitspolitik durch Herauslösung der gesamten Umwelthygiene aus dem Gesundheitsministerium gesprengt werden soll. Wir sind der Ansicht, daß alle Teile dieses Ministeriums Teile eines modernen Innenministeriums sein sollten, eines Innenministeriums allerdings, das sich als das für die Daseinsvorsorge der Staatsbürger verantwortliche Ministerium zu verstehen hätte. Das ergibt sich aus unserer grundsätzlichen Auffassung, daß Schutz der Gesundheit Aufgabe einer richtig verstandenen Gesundheitspolitik sind, nicht aber die mehr oder weniger verkappte Vorstellung, daß das Wohl und Wehe der Menschen vom Staate organisiert werden könnte.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Lauritz Lauritzen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ich glaube, Sie sind über den Sachverhalt nicht richtig informiert. Ich stehe auf Platz 1 der Liste. Mit diesem Platz hat selbst in Honnef die SPD eine gute Chance. Vielleicht werden die Chancen meiner Partei dort sogar noch besser.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Kai-Uwe von Hassel
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Vogel.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Friedrich Vogel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Regierungserklärung ist gut eine Seite dem Bereich der Justizpolitik gewidmet. Es wäre sicherlich verlockend, darüber heute abend noch in eine längere Diskussion einzutreten. Ich glaube, Sie werden es mir nachfühlen können, wie einem Abgeordneten zumute ist, der zum erstenmal in diesem Hause spricht und dann gleichzeitig noch unter dem Zwang steht, es kurz zu machen. Ich werde mich bemühen, mich kurz zu fassen.
    Ich möchte hier zu drei Punkten Stellung nehmen, erstens zum Bereich der Justizreform, zweitens zu dem Bereich der Reformen des Rechts, die in der Regierungserklärung angesprochen worden sind, und drittens werde ich einen Punkt ansprechen, der mir im Augenblick einige Aktualität zu haben scheint.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Justizreform ist ein sehr weites Feld. Es gibt hier einen sehr weiten Bereich zu bearbeiten. Herr Bundesjustizminister, wir haben uns darüber vorhin schon unterhalten. Ich glaube, daß das, was hierzu in der Regierungserklärung gesagt ist, im Grunde genommen sehr punktuell ist. Wir haben zu wenig von der Reform im Blick, um einen Maßstab an diese Reform anlegen zu können. Ich bin mir darüber im klaren, daß eine Justizreform eine Aufgabe ist, die nicht in einem großen Wurf gelöst werden kann und deshalb in Schritten durchgeführt werden muß. Dennoch bin ich der Auffassung, Herr Bundesjustizminister, daß Sie uns schon ein Bild Ihrer Gesamtkonzeption vorzeigen müssen, wenn wir Ihnen bei einigen Schritten folgen sollen. Wir sind sehr wohl bereit — wir wissen, daß Sie dazu der Unterstützung dieses ganzen Hauses bedürfen —, Ihnen in Einzelschritten zu folgen, wenn Sie uns ein Bild Ihrer Reform zeichnen, so wie Sie sich das vorstellen, und wenn wir Gelegenheit haben, darüber zu sprechen. Ich meine, es sollte Aufgabe dieses ganzen Hauses sein, diesen Bereich unserer Staatsgewalt, den Bereich der dritten Gewalt, die wir die „pouvoir neutre" nennen, auch gemeinsam zu gestalten.
    Nun muß ich allerdings sagen, daß das, was hier bisher in der Regierungserklärung angekündigt ist, ein bißchen wenig ist, und daß das, was bisher ver-



    Vogel
    wirklicht ist, nicht gerade eine Heldentat ist, wenn die Zuständigkeit für die Finanzgerichtsbarkeit und die Verwaltungsgerichtsbarkeit dem Justizminister unterstellt wird. Wir wissen, daß die Gerichtsbarkeiten, die hier nicht genannt sind, die besondere Schwierigkeit ausmachen. Die SPD stellt in diesem Lande im Kommunalkampf den Anspruch, die Partei zu sein, die keine halben Sachen macht. Ich würde sagen: hier haben Sie eine halbe Sache gemacht, und Sie sollten überlegen, wie Sie das besser machen können.
    Es gibt in diesem Bereich viele Fragen, die ich heute abend nicht ansprechen kann, etwa die Frage der Dreistufigkeit. Mit der Aussage: „Wir wollen die Dreistufigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit schaffen", ist ja noch nichts gesagt; da fangen die Schwierigkeiten erst an. Wir werden uns darüber zu unterhalten haben, wie es mit dem Eingangsgericht ist und wie es mit der Sicherstellung ist, daß dieses Eingangsgericht ein dem Volke nahes Gericht ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Um diese Frage wird es gehen, wenn wir dem Bürger eine Gerichtsbarkeit vorstellen, die seinen Wünschen und Ansprüchen gerecht wird.
    Das gleiche gilt für die Fragen etwa der Beschleunigungsnovelle, von der wir hoffen, daß sie, nachdem die Landesjustizverwaltungen Gelegenheit gehabt haben, Stellung zu nehmen, sehr bald in diesem Hause eingebracht wird. Wir sind uns darüber im klaren, daß zur Rechtsgewährung auch gehört, daß das Recht rechtzeitig gewährt wird, denn sonst kann es sehr leicht zu einer Rechtsverweigerung werden. Darum werden wir uns gemeinsam zu bemühen haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich meine, Herr Bundesjustizminister, in diesem Zusammenhang müssen wir auch gemeinsam überlegen, wie wir die Funktionsfähigkeit der oberen Bundesgerichte sicherstellen können. Hier sind Fragen angesprochen, die sehr, sehr schwierig sind.
    Lassen Sie mich auch einiges wenige zu dem sehr schwierigen personellen Bereich sagen, denn letztlich steht und fällt die dritte Gewalt mit den Richterpersönlichkeiten, die hier ihre Funktion ausüben. Sie haben angekündigt, daß das Problem der Richterbesoldung gelöst werden soll. Ich darf Ihnen wünschen, daß Sie hier eine gute Unterstützung beim Herrn Bundesinnenminister finden, Herr Bundesjustizminister. Dieser hat sich ja bereits vor der Wahl in dieser Frage festgelegt. Wir werden ihn sicherlich gemeinsam daran zu erinnern haben.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr wahr!)

    Meine Damen und Herren, ich darf hier aber auch einen anderen Bereich ganz kurz ansprechen, das ist die Frage der Auswahl der Richter für unsere oberen Bundesgerichte. Ich möchte hier nur ganz kurz sagen, daß mir die Praxis, die wir in der letzten Zeit im Richterwahlausschuß erlebt haben, nicht gut zu sein scheint und daß wir gemeinsam zu überlegen haben, wie wir zu einer Entpolitisierung der
    Auswahl der Richter für die oberen Bundesgerichte kommen können.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Einiges wenige zu den Rechtsreformen, die in der Regierungserklärung angesprochen worden sind. Meine Damen und Herren, hier ist der Bereich des Strafrechts angesprochen. Wir sind sicherlich einig, daß diese Strafrechtsreform in dieser Legislaturperiode zum Abschluß gebracht werden soll. Dazu gehört aber, Herr Bundesjustizminister, daß wir die Entwürfe für die Weiterführung der Strafrechtsreform so rechtzeitig hier im Hause haben, daß wir im Sonderausschuß für Strafrecht sehr ausführlich, sehr eingehend die Beratungen führen können, die dazu führen sollen, daß wir eine breite Mehrheit für die weiteren Novellen der Strafrechtsreform bekommen.
    Das gleiche gilt für die Frage der Reform des Ehescheidungsrechts. Auch hier werden wir uns sehr intensiv bemühen müssen. Ich darf Ihnen schon hier sagen, daß die Probleme der Frau und die Probleme der Kinder, insbesondere aus geschiedenen Ehen, für uns ein sehr wichtiger Gesichtspunkt bei der Beratung sein werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Nun, meine Damen und Herren, etwas zu dem Punkt, von dem ich sagte, daß er eine gewisse aktuelle Bedeutung hat. Ich habe vor mir die neueste Nummer der Zeitschrift „stern" mit einem Interview des Herrn Bundeskanzlers liegen. Dort gibt es eine Stelle, über die wir uns, glaube ich, hier ein wenig unterhalten müssen. Der Herr Bundeskanzler wird gefragt, ob er eine Amnestie für die Studenten erlassen wolle, gegen die noch eine Reihe von Demonstrationsprozessen anstehen. Er hat darauf geantwortet: ,,Ja, wir müssen mit der Jugend wieder ins reine kommen, und ich denke an eine solche Amnestie."
    Herr Bundeskanzler, wir sind sicherlich darüber einig, daß bisher Amnestien in der Bundesrepublik Deutschland noch nicht vom Bundeskanzler verordnet werden, und wir sind uns sicherlich auch darüber einig, daß das Verkündungsblatt dafür nicht der „stern" ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Herr Bundeskanzler, das war eine rhetorische Einleitung. Aber ich glaube, es ist ein sehr, sehr schlechter Stil, wenn Sie zwei Tage, nachdem die Regierungserklärung hier abgegeben worden ist, in einem Blatt, das eine gewisse Publizität hat und sicherlich Kreise erreicht, die Sie ansprechen wollen, verkünden, daß es eine Amnestie geben soll. Herr Bundeskanzler, hier, in Ihrer Regierungserklärung, wäre für diese Frage Platz gewesen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Das wäre guter Stil gewesen und hätte mit beigetragen zu dem, was Sie unter mehr Demokratie bei uns in der Bundesrepublik Deutschland sehen wollen.

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.)




    Vogel
    Ich will nicht auf die sehr komplexe und sehr schwierige Frage einer solchen Amnestie eingehen, Herr Bundeskanzler. Darüber werden wir hier zu sprechen haben, wenn Ihre präzisen Vorstellungen dazu auf dem Tisch des Hauses liegen. Ich möchte nur eines sagen: sicherlich wollen wir alle mit der Jugend ins reine kommen, soweit es hier Schwierigkeiten und Probleme gibt. Das ist sicherlich nicht das Problem. Wir werden nach Wegen suchen müssen, wie wir das erreichen. Aber es geht nicht nur darum, mit dieser Jugend ins reine zu kommen. Es geht auch um die Frage, auf welcher Geschäftsgrundlage das geschieht. Es geht hier ganz einfach um eine Frage, die ich als das Lebensprinzip des freiheitlichen Rechtsstaates bezeichnen möchte, um die Frage der Toleranz und die Forderung, Gegensätze allein mit den geistigen Waffen der freien öffentlichen Diskussion auszutragen. Wir können doch nicht bestreiten, daß dieses Lebensprinzip des freiheitlichen Rechtsstaates in den letzten Jahren in der Bundesrepublik Deutschland angegriffen worden ist und daß es nicht immer von allen ausreichend verteidigt woren ist. Darüber werden wir zu sprechen haben.
    In diesem Zusammenhang hat es Versuche gegeben, illegalen Aktionen einen Anflug von Rechtmäßigkeit zu geben. Ich sage ganz klar: unser Rechtsstaat wird unglaubwürdig, wenn er in Einzelfällen davor zurückschreckt, seine eigenen Gesetze anzuwenden.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich möchte in diesem Zusammenhang ein Wort des Dankes an die Richter des Bundesgerichtshofs sagen, ein Wort des Dankes dafür, daß sie in dieser Frage erfreulicherweise die notwendige Klarheit geschaffen haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, hier haben wir ein Problem, über das wir sprechen müssen, wenn es um die Frage einer Amnestie geht, um die Frage, wie wir mit dieser jungen Generation ins reine kommen.
    Ich darf damit schließen, daß ich sage: es gibt zwischen Demokratie und Revolution sicherlich kein Zwischending.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)