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    Deutscher Bundestag 7. Sitzung Bonn, den 30. Oktober 1969 Inhalt: Amtliche Mitteilung 127 A Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Dr. h. c. Strauß (CDU/CSU) 127 B Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller, Bundesminister 136 B Kienbaum (FDP) 144 C Höcherl (CDU/CSU) 146 B von Hassel, Präsident (zur GO) 149 C, 163 B Ertl, Bundesminister 149 C Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) 159 A Peters (Poppenbüll) (FDP) 160 C Klinker (CDU/CSU) 162 C Logemann (FDP) 164 D Dr. Schiller, Bundesminister 167 C Dr. Schmid, Vizepräsident (zur GO) 174 B Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) 178 C Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär 181 B Gewandt (CDU/CSU) 183 A Dr. Haas (FDP) 183 D Dichgans (CDU/CSU) 185 B Dr. Stoltenberg (CDU/CSU) 185 C Frau Funcke, Vizepräsident 186 C Dr.-Ing. Leussink, Bundesminister 188 A Dr. Meinecke (SPD) 191 D Dr. Mikat (CDU/CSU) 193 B Moersch (FDP) 195 C Genscher, Bundesminister 198 C Dr. Lohmar (SPD) 201 A Katzer (CDU/CSU) 202 C Dr. Schellenberg (SPD) 207 A Schmidt (Kempten) (FDP) 212 A Dr. Burgbacher (CDU/CSU) 214 C Arendt, Bundesminister 216 A Benda (CDU/CSU) 220 B Dr. Ehmke, Bundesminister 223 B Dr. Rutschke (FDP) 223 C von Hassel, Präsident 228 A Dr. Lauritzen, Bundesminister 228 B Vogel (CDU/CSU) 228 C Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) 230 B Jahn, Bundesminister 231 C Brandt, Bundeskanzler 232 B Dr. Barzel (CDU/CSU) 236 C Wehner (SPD) 240 A Nächste Sitzung 241 Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten 243 A Anlagen 2 bis 4 Schriftliche Erklärungen der Abg. Dichgans (CDU/CSU), Dr. Rutschke (FDP) und Dr. Jungmann (CDU/CSU) zu der Regierungserklärung 243 B Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. Oktober 1969 127 7. Sitzung Bonn, den 30. Oktober 1969 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Amrehn ** 16. 11. Dr. Dittrich * 31. 10. Frau Herklotz ** 17. 11. Frau Geisendörfer 30. 10. Gottesleben 31. 12. Dr. Jungmann 10. 11. Frau Kalinke ** 17. 11. Dr. Kempfler 30. 10. Lücke (Bensberg) 31. 10. Frau Meermann ** 9. 11. Müller (Aachen-Land) * 30. 10. Petersen ** 17. 11. Dr. Preiß 31. 10. Raffert ** 9. 11. Dr. Rinderspacher 14. 11. Schlee 31. 10. Dr. Schmidt (Offenbach) 31. 10. Dr. Starke (Franken) 30. 10. Weigl 31. 10. Dr. Wörner 30. 10. Frau Dr. Wolf ** 20. 11. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an einer Tagung der Interparlamentarischen Union Anlage 2 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Dichgans (CDU/CSU) zu der Regierungserklärung. Nachdem das Thema Baustahlpreise von zwei prominenten Kollegen angesprochen worden ist, wollte ich dazu etwas sagen. Die Preisentwicklung für Baustahl, genauer Betonstahl, ist lebhaft kritisiert worden, nicht ohne Grund. In der Tat sind Fälle vorgekommen, in denen ein Bauunternehmer, der bei seinem Händler noch Januar dieses Jahres 450 DM/t gezahlt hatte, im Juli 1969 900 DM bezahlen sollte, das Doppelte. Herr Kollege Dr. Strauß hat dazu bereits mit Recht bemerkt, daß das Problem sehr verwickelt liege. Dazu nur drei Zahlenpaare. Im Jahre 1960 lag der Preis für Betonstahl ab deutschem Hüttenwerk bei etwa 520 DM/t, was zu Preisen ab Händlerlager in der Größenordnung von 650 DM/t führte. Jm Jahre 1968 erlebten wir einen weltweiten Preiseinbruch bei Stahl, mit Preisbewegungen, wie wir sie früher nur am internationalen Metallmarkt erlebt hatten, etwa bei Kupfer und Zinn. 25 % des deutschen Stahlverbrauchs stammen aus dem Ausland. Belgischer Stahl wurde in dieser Baissezeit mit etwa 350 DM/t ab Hüttenwerk, 450 DM/t ab Händlerlager angeboten, alles in runden Zahlen, die nur die Größenordnungen zeigen sollen. Bei einem Überflußangebot wirkt bekanntlich das billigste Angebot preisbestimmend. Deutsche Hüttenwerke mußten deshalb den Auslandsangeboten folgen. Sie waren übrigens daraufhin in mehreren Fällen gezwungen, die Vorauszahlungen von Körperschaftsteuer einzustellen. Im Sommer 1969 entwickelte sich nun ein weltweiter Stahlboom, der den belgischen Preis in wenigen Monaten von 350 auf 700 DM in die Höhe schnellen ließ, was zu dem erwähnten hohen Preis ab Händlerlager führte, 900 DM/t im Extremfall. Daraus ergab sich eine allgemeine Preisauftriebstendenz für Betonstahl ab Händlerlager, weil in Mangellagen die höchste Preisforderung für eine Menge, die noch benötigt wird, den Gesamtpreis bestimmt. Wie haben sich nun die Betonstahlpreise ab deutschem Hüttenwerk entwickelt? Sie liegen unverändert bei 520 DM, wie im Jahre 1960, eher einige Mark darunter. Von allen Stahlsorten wurde nur der Betonstahl, weniger als 10 % der Gesamtmenge, von hektischen Preisausschlägen erfaßt. Für die übrigen verlief die Preiskurve weit ruhiger, für manche von ihnen völlig stetig. Bei Betonstahl gab es im Sommer 1969 zeitweise Lieferschwierigkeiten. Niemand hatte diese sprunghafte Steigerung der Nachfrage vorausgesehen, weder die Stahlindustrie noch der Bundeswirtschaftsminister. Die Stahlindustrie bemühte sich jedoch intensiv um eine Erhöhung der Erzeugung, mit sichtbarem Erfolg. Die extremen Preise gingen rasch zurück. Kritische Kollegen haben mir hier bestätigt, daß heute Betonstahl wieder zum Preise von etwa 650 DM/t vom Händlerlager zu haben ist. Die exzessiven Preisschwankungen waren gewiß unerfreulich. Aber der Mechanismus der Marktwirtschaft hat rasch funktioniert. Seit 1960 ist der allgemeine Index der Industriepreise um etwa 14% gestiegen, während die Stahlpreise sich beim Stand von 1960 gehalten haben. Wäre das bei allen Preisen der Fall, so wäre das Wort Preisstabilität in der heutigen Debatte nicht vorgekommen. Anlage 3 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Dr. Rutschke (FDP) zu der Regierungserklärung. Die Fraktion der FDP begrüßt es außerordentlich, daß die neue Bundesregierung in ihrer programmatischen Erklärung den innenpolitischen Problemen der Vertriebenen, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigten breiten Raum geschenkt hat. Seit Jahren hat keine Bundesregierung so konkrete und konstruktive Aussagen gemacht. Die Bundesregierung hat erklärt, daß sie die notwendigen Maßnahmen zur 244 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. Oktober 1969 Eingliederung vollenden wird. Vierundzwanzig Jahre nach Kriegsende ist es wahrlich erforderlich, daß dieses mit so viel Leid verbundene Kapitel der deutschen Geschichte endlich zu einem befriedigenden Abschluß kommt. Es besteht kein Zweifel, daß die Eingliederung der Vertriebenen und Flüchtlinge am unzulänglichsten in bezug auf die ostdeutschen Bauern geblieben ist. Jeder weiß, daß die Bundesrepublik Deutschland diesen Menschen nicht wieder zu einem Bauernhof zu verhelfen vermag. Aber ein eigenes Haus mit einem Stück Siedlerland hätte man in den verflossenen zwei Jahrzehnten den ostdeutschen Landwirten sicherlich zur Verfügung stellen können. Noch der scheidende 5. Bundestag appellierte an die neue Bundesregierung, einen Eingliederungsplan aufzustellen, nach dem jährlich wenigstens 4000 Ost- und Mitteldeutsche eine Nebenerwerbssiedlung erhalten können. Die neue Bundesregierung wird danach streben, jenen einstimmigen Wunsch aller Fraktionen zu realisieren. Die gewerblichen Betriebe der Vertriebenen, Flüchtlinge und Kriegssachgeschädigten leiden immer noch unter erheblichem Eigenkapitalmangel. Zu welch ernster Bedrängnis dieser Zustand führt, konnte man 1966 sehen, als die westdeutsche Wirtschaft in die Krise abglitt. Die Geschädigtenbetriebe waren die ersten, die an den Rand des Konkurses gerieten. Die neue Bundesregierung wird sich deshalb bemühen, die notwendigen eigenkapitalbildenden Maßnahmen fortzusetzen. Die wohnungsmäßige Eingliederung der Vertriebenen, Flüchtlinge und Ausgebombten läßt immer noch zu wünschen übrig. Dies gilt nicht nur für das Fehlen von Mietwohnungen für diesen Personenkreis, sondern verstärkt für das Phänomen des Wohnraum-Eigenbesitzes. Nas neue Kabinett bringt ferner in seiner Regierungserklärung zum Ausdruck, daß es den Lastenausgleich und die Kriegsfolgegesetzgebung, auch im Interesse der Flüchtlinge aus der DDR, zu einem gerechten Abschluß bringen wird. Die Einfügung bezüglich der Flüchtlinge soll zweifellos zum Ausdruck bringen, daß sich die Bundesregierung um eine Gleichstellung der Flüchtlinge mit den Vertriebenen in bezug auf die Hauptentschädigung bemühen wolle. Der Hinweis auf einen „gerechten" Abschluß deutet an, daß die Regierung prüfen werde, inwieweit allgemein eine Verbesserung der Entschädigungsleistungen vorgenommen werden kann. Auch der Ausbau der Altersversorgung der ehemals Selbständigen fällt in diese Programmankündigung. Der letzte Bundestag hatte diesbezüglich die neue Bundesregierung gebeten, eine angemessene Erhöhung des Selbständigenzuschlags im 2. Unterhaltshilfeanpassungsgesetz vorzusehen. Die neue Regierung hat die Bemühungen um die Realisierung dieses Parlamentswunsches bereits seit einigen Tagen aufgenommen. Es wird bei dieser Gelegenheit darauf ankommen, die Altersversorgung stärker als bisher in ein angemessenes Verhältnis zur früheren soziologischen Stellung der Geschädigten zu bringen. In der Öffentlichkeit ist — insbesondere von Geschädigtenverbänden — kritisiert worden, daß das Bundesvertriebenenministerium aufgelöst worden ist. Diese Kritik geht an dem Kern der Sache vorbei. Der zentrale Verwaltungsapparat für die Eingliederung, den Lastenausgleich und die kulturelle Betreuung der Vertriebenen, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigten ist tatsächlich uneingeschränkt erhalten geblieben. Soweit es die außenpolitischen und deutschlandpolitischen Belange der Vertriebenen und Flüchtlinge betrifft, war auch in der Vergangenheit der Vertriebenenminister dafür nicht ressortzuständig. Alle Wünsche oder Vorstellungen werden aber wirkungslos und vergeblich sein, wenn uns eines nicht gelingt: die Kaufkraft unserer Währung zu stabilisieren. Insbesondere die Geschädigtenkreise, ob Kriegssachgeschädigte, Vertriebene oder Flüchtlinge, sind — und hierbei wiederum insbesondere die älteren Menschen — auf die Erhaltung der Kaufkraft unseres Geldes angewiesen. Sie sind wirklich darauf angewiesen — mehr als alle anderen. Die schlechteste Sozialpolitik im weitesten Sinne des Wortes ist die Politik des schlechten Geldes. Wer den Weg der Anpassungsinflation vorzog, anstatt rechtzeitig alle volkswirtschaftlichen Mittel, wie z. B. die Aufwertung unserer D-Mark, einzusetzen, hat sich insbesondere an diesem Personenkreis versündigt. Diese nicht zu rechtfertigende Politik wird ihre Auswirkungen mit voller Wucht im Hinblick auf Preissteigerungen erst in den nächsten Monaten haben. Das wird aber dann für die Geschädigtenkreise besonders schmerzlich sein. Die Verantwortung für die kommenden Preissteigerungen liegt aber nicht — das möchte ich hier und heute eindeutig feststellen — bei der neuen Bundesregierung, sondern einzig und allein bei den Herren Bundeskanzler Dr. Kiesinger und Finanzminister Strauß und bei Ihnen, meine Damen und Herren der CDU/CSU. Anlage 4 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Dr. Jungmann (CDU/CSU) zu der Regierungserklärung. Es gehört zu der traditionellen Besonderheit der Gesundheitspolitik jedenfalls in diesem Hause —, daß ihr Akzent weniger auf den unvermeidlichen Meinungsverschiedenheiten als auf der gemeinsamen humanitären Verpflichtung gelegen hat. Deshalb und in diesem Geist stelle ich fest, daß die gesundheitspolitischen Aussagen der Regierungserklärung in jeder Hinsicht enttäuschend sind. Wir haben mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, daß die Aufgabe der Gesundheitspolitik jetzt auch von der Bundesregierung bescheidener und realistischer als früher in dem Schutz der Men- Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. Oktober 1969 245 schen vor den durch Technik und Zivilisation hervorgerufenen Gesundheitsrisiken gesehen wird. Wir haben ebenfalls mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, daß Wissenschaft und Forschung jetzt an erster Stelle dieser Aufgaben genannt werden. Von der Konkretisierung dieser löblichen Erkenntnis haben wir allerdings wahrlich nichts Überzeugendes gehört. Was da von einem Institut für Sozialmedizin gesagt worden ist, ist mehr Propaganda als Wissenschaft und Forschung. Wenn die sozialmedizinische Forschung an unseren Universitäten und Hochschulen wenigstens etwas großzügiger gefördert würde, würde dabei zweifellos mehr herauskommen als aus einem solchen Institut im Bundesgesundheitsamt. Für die Erforschung der Grundlagen für die Früherkennung der großen Krankheiten unserer Zeit ist das jedenfalls weder der beste noch der erfolgversprechendste Weg. Wir wollen unsere Sorgen bezüglich der weiteren Entwicklung der wissenschaftlichen Institute des Bundesgesundheitsamtes nicht verhehlen. Wenn Wissenschaft und Forschung im Gesundheitspolitischen Programm tatsächlich an erster Stelle stehen sollen — und wir begrüßen das ausdrücklich, weil es schon seit vielen Jahren unsere ausdrückliche Ansicht ist -, dann muß im Bundesgesundheitsamt eine grundlegende Neugestaltung erfolgen. Angesichts der Tatsache, daß heute jeder fünfte oder sechste Mensch an Krebs stirbt, ist es doch wohl kaum angemessen, wenn die Bundesregierung der Krebsbekämpfung „besondere Bedeutung" beimessen will. Auch hier haben wir die klare und konkrete Aussage vermißt, was und wie das geschehen soll. Warum ist vor allem mit keinem Wort gesagt worden, daß die heute schon vorhandenen Möglichkeiten der Früherkennung des Krebses und der anderen großen Krankheiten unserer Zeit endlich voll ausgenutzt werden sollen? Statt der unverbindlichen Versicherung guter Absichten zur Reinhaltung von Wasser und Luft und zum Schutz vor dem Lärm hätten wir auch lieber gehört, w i e das geschehen soll, w i e unsere Städte und Dörfer z. B. von dem täglich wachsenden Zivilisationsmüll befreit werden sollten. Mit Interesse haben wir zur Kenntnis genommen, daß die Bundesregierung schon bald ein Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser vorlegen will. Wir sind sehr gespannt, dann zu erfahren, was unter einem „bedarfsgerecht gegliederten System leistungsfähiger Krankenhäuser" zu verstehen ist. Hoffentlich nicht ein seelenloses und damit zugleich unmenschliches System ausschließlich funktionsbezogener Institutionen! Daß die neue Bundesregierung die ärztliche Ausbildung reformieren will, ist — gelinde ausgedrückt — eine unangebrachte Absichtserklärung. Denn tatsächlich müssen wir - der Deutsche Bundestag - von der Bundesregierung erwarten, daß sie ihrerseits bald realisiert, was ihr vom Gesetzgeber aufgetragen worden ist. Bisher sieht es allerdings so aus, als ob diese Aufgabe eher verzögert als mit der notwendigen Einsicht und Energie vorangetrieben würde. Daß sich die Bundesregierung zu dem Grundsatz der freien Arztwahl bekennt, ist nicht gerade sensationell. Daß sie sich auch zum Grundsatz der freien Berufsausübung bekennt, ist schon eher von Interesse. In den Programmen der SPD haben wir eine so klare Aussage bisher jedenfalls vermißt. Unklar und besorgniserregend ist die Aussage, daß die Bundesregierung, „abgestimmt auf die europäische Entwicklung", dafür sorgen wird, daß „Staat und Heilmittelhersteller im Arzneimittelwesen verantwortlich zusammenwirken" sollen, „um ein Maximum an Sicherheit zu gewährleisten". Dieses Maximum an Sicherheit ist jedenfalls nicht nur die Absicht, sondern Grundsatz, Sinn und Inhalt unserer deutschen Arzneimittelgesetzgebung gewesen, die von allen Fraktionen dieses Hauses getragen worden ist. Was muß und was soll da jetzt geändert werden? Wir bleiben bei unserer Auffassung, daß die Verantwortung für die Arzneimittel über die Gesetzgebung und über die Befolgung der Gesetze hinaus nicht vom Staat übernommen werden kann, weil der Staat diese Aufgabe nicht erfüllen kann. Auch in der Gesundheitspolitik erwarten wir also klare Aussagen, damit wir wissen, welchen Absichten wir zustimmen können und welchen Absichten wir rechtzeitig entgegentreten müssen. Ich darf abschließend feststellen, daß das von uns selbst früher einmal angestrebte und schließlich geschaffene Gesundheitsministerium heute wohl nicht mehr für die optimale Organisation der Gesundheitspolitik angesehen werden kann. Das gilt auch für das jetzt aus Familien-, Jugend- und Gesundheitsministerium zusammengelegte Ministerium. Wie wenig seine Teile ein organisches Ganzes bilden, ergibt sich allein schon aus der Behandlung seiner verschiedenen Aufgaben in der Regierungserklärung. Das gilt um so mehr, als dem Vernehmen nach die Einheit der Gesundheitspolitik durch Herauslösung der gesamten Umwelthygiene aus dem Gesundheitsministerium gesprengt werden soll. Wir sind der Ansicht, daß alle Teile dieses Ministeriums Teile eines modernen Innenministeriums sein sollten, eines Innenministeriums allerdings, das sich als das für die Daseinsvorsorge der Staatsbürger verantwortliche Ministerium zu verstehen hätte. Das ergibt sich aus unserer grundsätzlichen Auffassung, daß Schutz der Gesundheit Aufgabe einer richtig verstandenen Gesundheitspolitik sind, nicht aber die mehr oder weniger verkappte Vorstellung, daß das Wohl und Wehe der Menschen vom Staate organisiert werden könnte.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hermann Schmitt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Minister, eine weitere Frage des Herrn Kollegen Moersch!


Rede von Karl Moersch
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Minister, sind Sie mit mir der Meinung, daß der Wunsch nach so detaillierten Vorlagen aus Kreisen der CDU/CSU-Fraktion doch offenbaren muß, daß die CDU/CSU-Fraktion mit der



Moersch
Arbeit der ihr angehörenden Minister bzw. Vorgänger nicht einverstanden sein kann?

(Heiterkeit und Zustimmung bei der SPD.)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Walter Arendt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Moersch, ich bin Ihrer Meinung.
    Lassen Sie mich folgendes sagen. Ich bin der Auffassung, daß wir dank unserer gemeinsamen Aufbauarbeit auch in diesem Hause ein beachtliches Ausmaß an sozialer Sicherheit für die Menschen in unserem Lande erreicht haben. Zwar gibt es noch sehr viele Ungerechtigkeiten. Aber wir können uns, so möchte ich meinen, auf diesem Gebiete auch in der Welt sehen lassen. Dennoch: wer heute auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit Bestandsaufnahme macht, hat dabei sehr unterschiedliche Empfindungen. Da ist erstens das Wissen, daß wir in der Vergangenheit vieles an sozialem Fortschritt verwirklichen konnten. Da ist zweitens die Erwartung, daß im Zuge des wirtschaftlichen Fortschritts auch die soziale Sicherheit als Voraussetzung zur Selbstbehauptung des einzelnen in der Gesellschaft weiterentwickelt werden kann und muß.
    Drittens gibt es aber auch bedrückende Fragen. Viele Bürger in unserem Lande haben noch keinen angemessenen Anteil an dem Stand der sozialen Sicherheit, den wir im Durchschnitt erreicht haben.

    (Beifall bei der SPD.)

    Dies wird vor allem deutlich, wenn man einmal Menschen begegnet, die kein Erwerbseinkommen haben, die ein unzureichendes Sozialeinkommen beziehen, in einer schlechten Wohnung leben müssen und die deshalb nur unvollkommen am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können. Man muß sich einmal fragen, was solchen Menschen der soziale Rechtsstaat eigentlich bedeuten kann. Das Problem liegt darin, daß ganze Gruppen unseres Volkes benachteiligt sind. Sie stehen im Schatten des Wohlstandes. Alte Menschen, Behinderte, vom Strukturwandel Betroffene, um nur einige beispielhaft zu nennen, stehen vielfach noch außerhalb des gesellschaftlichen und des sozialen Fortschritts. Es ist verständlich, daß in der vergangenen Zeit in der Aufbauphase die Erhöhung der Geldleistungen als vorrangig angesehen werden mußte.
    Diese Leistungen werden ihren Rang auch in der Zukunft behalten. Die Sozialpolitik aber muß künftig ihr Angebot an individuellen Leistungen und an sozialen Diensten verstärken. Bei der Herstellung. wirklich gleicher Startchancen in der Ausbildung, über die persönlichen Fragen der Arbeits- und Berufsgestaltung bis hin zur gezielten Betreuung alter Menschen müssen wir große Anstrengungen unternehmen, um jedem einzelnen das Gefühl der Isolierung zu nehmen. Wir dürfen nicht zulassen, daß es in unserem gesellschaftlichen Gefüge eine graue Zone gibt. Niemand sollte einen ungenügenden Anteil am sozialen Fortschritt haben und dadurch in Verzweiflung und Resignation abgedrängt werden.
    In diesem Bereich — das muß often ausgesprochen werden — bleibt noch vieles aufzuarbeiten. Die Regierungserklärung macht deutlich, daß diese
    Regierung sich diesen Aufgaben verpflichtet fühlt. Natürlich kann das nicht mit einem Federstrich geschehen. Aber ich möchte mit meinem Beitrag klarmachen, daß ich diese Aufgaben deutlich sehe und auch als eine Verpflichtung ansehe.
    Die Aufgabenbereiche der Sozialpolitik, der Wirtschaftspolitik und der Finanzpolitik sind gleichrangig in ihrem politischen Gewicht. Sie sind auch miteinander verzahnt. Sie müssen aber auch hinsichtlich ihrer Methodik gleichrangig ausgerichtet sein. Gleichrangigkeit der Sozialpolitik heißt zugleich, daß sie gleichwertig und gleich leistungsfähig mit der Wirtschaftspolitik und der Finanzpolitik ist. Ich meine damit nicht nur, daß diese drei Aufgabenbereiche aufeinander abgestimmt werden müssen, sondern ich meine, Wirtschafts- und Finanzpolitik müssen eine soziale Ausrichtung erfahren. Aus diesen Gründen muß auch das Sozialbudget gleichrangig neben der wirtschaftlichen Gesamtrechnung und der mittelfristigen Finanzplanung stehen. Das Sozialbudget kann nach meiner Auffassung nicht nur ein fiskalisches Rechenwerk sein. Es muß zu einem Instrument ausgebaut werden, das politische Grundsatzentscheidungen über Alternativen ermöglicht.

    (Abg. Katzer: Sehr gut!)

    Es muß mehr als bisher den Charakter einer sozialpolitischen Zielprojektion erhalten.

    (Abg. Katzer: Sehr gut!)

    Herr Kollege Katzer, Sie vertreten auch die Meinung, daß das Sozialbudget funktional zu gestalten ist. Ich hätte es sehr gern gesehen, wenn Sie, der Sie ja an der Erstellung des ersten Budgets beteiligt waren, dort schon solche funktionalen Betrachtungsweisen zur Anwendung gebracht hätten.

    (Abg. Katzer: Das war das erste!)

    Darum werden wir uns dann gemeinsam bemühen können.
    Ich habe in meiner früheren Tätigkeit und in meiner Verantwortlichkeit die Bedeutung sozialer Leistungen im Prozeß der wirtschaftlichen Umstrukturierung kennengelernt. Sie können mir glauben, an Rhein und Ruhr sähe es heute anders aus, wenn wir nicht die Gleichwertigkeit sozialer Maßnahmen erreicht hätten.

    (Beifall bei der SPD.)

    Hier hat sich bereits gezeigt, daß die Sozialpolitik — das entspricht auch meiner Sicht der Dinge - nicht mit einer Reparaturkolonne vergleichbar ist, die nur die Aufgabe hat, bereits eingetretene Schäden im Wirtschaftsablauf zu beseitigen.

    (Allgemeiner Beifall.)

    Die Sozialpolitik muß als ein Instrument der vorbeugenden Sicherung und Gestaltung, als Instrument auch der Strukturpolitik verstanden werden. Ich glaube nicht, daß sie dadurch eine Abwertung erfährt. Hier wird erneut die Gleichrangigkeit dokumentiert. Wir sollten sozialpolitische Maßnahmen bewußt in den Dienst der Förderung des Strukturwandels stellen, und zwar keineswegs nur im Bereich des Bergbaus oder der eisen- und stahler-



    Bundesminister Arendt
    zeugenden Industrie im Ruhrgebiet, sondern auch in allen anderen Bereichen unseres wirtschaftlichen Geschehens, vor allen Dingen dort, wo die selbständigen Erwerbstätigen zu Hause sind.
    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zu einigen wenigen Fragen noch ein paar Bemerkungen machen. Ich bin mir bewußt, daß das in diesem Sommer verabschiedete Arbeitsförderungsgesetz neue und gute Grundlagen für die Arbeitsmarktpolitik geschaffen hat. Das darf und kann aber nicht Grund zur Selbstzufriedenheit sein.

    (Abg. Katzer: Sehr gut!)

    In der Zukunft wird es darauf ankommen, die vom Gesetzgeber geschaffenen Möglichkeiten zügig und effektiv für die Arbeitnehmer nutzbar zu machen. Darüber hinaus werden wie die weitere Entwicklung aufmerksam beobachten und daraus weitere Konsequenzen ziehen müssen. Das gilt insbesondere für die noch offenen Finanzierungsfragen, aber auch für Fragen der Selbstverwaltung.
    Auf dem Gebiet der Arbeitsmarktpolitik ist nicht allein die Gesetzgebung gefordert. Auch bei anderen Stellen, vor allen Dingen bei den Tarifpartnern, liegen Verantwortlichkeiten. Es kommt also auf das Zusammenwirken aller Stellen an. Ich werde in der nächsten Zeit darum bemüht sein, die erforderliche Zusammenarbeit zwischen den Gewerkschaften und den Arbeitgebervertretern, zwischen der Wissenschaft und der öffentlichen Hand besser als bisher zu organisieren.

    (Beifall bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, es kommt auch darauf an, daß wir die Auswirkung von Automatisierung und Rationalisierung besser in den Griff bekommen und das wir das Erforderliche zur Beseitigung sozialer Nachteile veranlassen. In diesem Zusammenhang muß geprüft werden, wie die Arbeit der Automationskommission beim Bundesministerium für Arbeit intensiviert und, wenn es sein muß, auch gegesetzlich abgesichert werden kann.
    Ich nehme den Satz in der Regierungserklärung, daß wir den Bürgern unseres Staates die Furcht nehmen werden, Opfer des technischen Fortschritts und des strukturellen Wandels zu werden, sehr ernst. Ich habe dieser Furcht seit Jahren an der Ruhr täglich ins Auge sehen müssen. Ich habe diese Furcht aber auch in den Augen anderer Menschen sehen müssen. Deshalb werde ich mit meinen politischen Freunden in dieser Regierung alles daransetzen, daß diese Furcht für die Zukunft endgültig gebannt wird.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wenn es das Ziel dieser Bundesregierung ist, die Sicherheit des Arbeitsplatzes zu gewährleisten, dann meine ich damit nicht nur die Sicherheit eines Arbeitsplatzes, sondern auch seines Arbeitsplatzes. Es bedrückt mich, daß es in dieser Hinsicht in unserem Volke große Gruppen gibt, deren Sicherheit nicht im wünschenswerten Umfang gewährleistet ist. Ich denke dabei insbesondere an die älteren Arbeitnehmer, an Behinderte, aber auch an die Frauen. Gerade in dieser Hinsicht sehe ich große Aufgaben für die Betriebe und für die Unternehmungen.
    Ich möchte allen Beteiligten — und davon gibt es einige — eine Kooperation anbieten. Wir müssen es gemeinsam durch langfristige Arbeitsmarktpolitik und durch bessere betriebliche Personalplanung schaffen, Schritt für Schritt für mehr Sicherheit und damit für mehr persönliche Entfaltungsmöglichkeit zu sorgen.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD.)

    Jedermann hat sich daran gewöhnt, daß es eine langfristige Investitionsplanung und Absatzplanung gibt. Der Gedanke einer langfristigen Personalplanung ist dagegen noch sehr schwach entwickelt. Ich möchte deshalb alle Sachverständigen der Wirtschaft auffordern, einmal zu überlegen, ob eine verbesserte langfristige und sozial ausgerichtete Personalplanung nicht auch ökonomisch sehr sinnvoll wäre.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD.)

    Ich könnte mir vorstellen, daß bei dem gegenwärtigen Stand unserer technischen Entwicklung der Faktor Arbeitskraft und technisches Wissen, die soziale Ausgewogenheit und die Erfahrung, zu einem Betriebskapital geworden sind, das heute schon viel schwerer zu beschaffen ist als das Geldkapital. Wir sind entschlossen, in der Sicherung der Arbeitsplätze Fortschritte zu erzielen.
    Dabei bin ich nicht der Meinung, daß solche Fortschritte ausschließlich durch gesetzgeberische Initiative erreicht werden können, sondern daß wir auch dankbar für jeden Schritt sein sollten, der draußen in der Wirtschaft von den Beteiligten selbst unternommen wird, um eine Änderung des gegenwärtigen Zustandes zu erreichen. Es kommt nicht so sehr darauf an, wie wir dieses Ziel erreichen, sondern ich finde, es kommt darauf an, d a ß wir dieses Ziel erreichen.
    Meine Damen und Herren, in der Regierungserklärung heißt es — und das war auch Gegenstand der speziellen Betrachtung des Sprechers der Opposition —:
    Die Bundesregierung wird im Laufe der Legislaturperiode den schrittweisen Abbau der festen Altersgrenze prüfen und sich bemühen, sie durch ein Gesetz über die flexible Altersgrenze zu ersetzen.
    Das ist eine wichtige Aussage, meine Damen und Herren, und ich höre jetzt schon den Ausspruch: Das kostet aber eine ganze Menge Geld. Sicherlich wird es Geld kosten, aber ich glaube, man muß in diesem Zusammenhang folgendes sagen: Die jetzige starre Altersgrenze wurde vor vielen Jahrzehnten unter völlig anderen Voraussetzungen gestaltet. Sie entspricht heute nicht mehr der sozialen Wirklichkeit.

    (Beifall bei der SPD.)

    Im Hinblick auf die Zukunft muß man dem einzelnen mehr Spielraum für individuelle Entscheidungen einräumen. Deshalb müssen wir prüfen, wie diese starre Altersgrenze abgebaut werden kann. Die finanziellen und die volkswirtschaftlichen Konse-

    Bundesminister Arendt
    quenzen einer generellen Herabsetzung können natürlich nicht bagatellisiert werden. Man sollte aber nicht sofort eine Maximalrechnung aufmachen, die jedes Handeln ausschließt. Wir sollten realistische Werte zugrunde legen, die den notwendigen sozialen Fortschritt mit den finanziellen Möglichkeiten in Einklang bringen.

    (Abg. Schulhoff: Sehr gut!)

    Man sollte dabei stufenweise vorgehen. Man darf
    diese Frage auch nicht allein unter dem Kostengesichtspunkt sehen, denn das muß ich hier sagen: —(Abg. Schulhoff: Aber auch!)

    — Sicherlich auch! Aber wir dürfen nicht untätig sein, Herr Kollege Schulhoff, weil Untätigkeit in dieser Frage schon heute Probleme aufwirft: die vorzeitige Invalidität — wir wissen es doch alle —, die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer und die vielen Menschen, die sich an dieser starren Altersgrenze stoßen, sind ein Problem.

    (Beifall bei der SPD.)

    Hier entstehen bereits heute Kosten, die zwar nicht genau meßbar sind, die aber niemand wegdiskutieren kann und die auch nicht von selbst kleiner werden. Deshalb müssen wir diese Fragen anpacken.
    Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch ein Wort zur Mitbestimmung sagen, weil das so oft erwähnt wurde. Es gibt keine Regierungserklärung
    — das will ich einmal feststellen —, die sich zu diesem Fragenkreis so konkret geäußert hätte wie die jetzige Regierungserklärung. Ich möchte gern, daß die Diskussion über diese wichtige Frage aus der verbalen Radikalität herausgelöst und herausgeführt wird.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir müssen zu einer praktischen Gestaltung kommen. Ich bin durch die Regierungserklärung legitimiert, hier konkrete Schritte einzuleiten. Wir werden dem Hohen Hause zunächst Gesetzentwürfe über eine Reform des Betriebsverfassungsgesetzes und des Personalvertretungsgesetzes vorlegen; denn auch das ist Mitbestimmung.

    (Abg. Mick: Auf einmal, Kollege Arendt?)

    — Wir haben das nie bestritten, Herr Kollege Mick.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Vor Tische las man's anders!)

    Wir werden also in dieser Hinsicht Fortschritte machen können und ganz sicherlich — davon bin ich überzeugt — auch erreichen, daß diese Gesetze eine entsprechende Mehrheit bekommen.
    Was die Frage der qualifizierten Mitbestimmung angeht, so wird sie nicht nur bei uns, sondern — das wissen auch Sie — in vielen anderen Ländern, auch in den Ländern der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, diskutiert. Auch hier würde ich es für gut halten, wenn wir zu einer Entkrampfung der Diskussion kommen könnten. Im übrigen erwarten wir demnächst den Bericht der Mitbestimmungskommission, und dann werden wir diesen Bericht zur Grundlage der Erörterung machen. Wenn Sie nicht
    zufrieden sind, Herr Mick, - Sie haben damals für die Einsetzung dieser Kommission mitgestimmt.
    Die Frage der Mitbestimmung ist ein Grundthema der künftigen gesellschaftspolitischen Entwicklung. Das Mitbestimmen, das Mitdenken und das Mithandeln ist ein wesentlicher Teil einer demokratischen Gesellschaftsordnung, und zwar ganz allgemein,

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

    nicht nur im Arbeitsleben und auch nicht nur in unserem Land. Die Grundfrage heißt: Wie bringen wir es fertig, dem Bedürfnis der Menschen, sich in ihrem modernen Selbstverständnis zur Geltung zu bringen, Rechnung zu tragen, und wie bringen wir es fertig, dieses Erfordernis in die moderne Industriestruktur einzuordnen? Ich werde das offene Gespräch über diese Fragen fördern, wo immer es möglich ist.
    In der Regierungserklärung ist auch ein Satz über die Bewahrung und Stärkung der Tarifautonomie enthalten. Lassen Sie mich auch hierzu noch wenige Sätze sagen. Für die neue Bundesregierung ist dieser Satz nicht eine freundliche Verbeugung gegenüber den sozialen Gruppen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Nicht nur in tatsächlicher Hinsicht sind die Tarifpartner seit mehr als 20 Jahren ein unersetzlicher Faktor für die Ausgestaltung unserer sozialen Wirklichkeit, sondern sie sind es nach Auffassung der Bundesregierung mit unerläßlicher Notwendigkeit. Jeder von uns wird akzeptieren, daß eine gerechte, eine freie und moderne Gestaltung des Wirtschafts- und des Soziallebens ohne die Gewerkschaften in der Bundesrepublik undenkbar wäre.

    (Beifall bei der SPD und bei der CDU/CSU.)

    Diese Erkenntnis, meine Damen und Herren, erfordert aber auch, daß der Staat von sich aus bereit ist, den unerläßlichen Freiheitsraum anzuerkennen, und daß er ihn nicht mit seinen Maßnahmen einengt.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Die Tarifparteien — das möchte ich Ihnen sagen — sollten nicht bei jeder Gelegenheit nach dem Staat rufen, und der Staat sollte sich überall dort zurückhalten, wo die Tarifparteien auf Grund ihres Auftrags wirksamer und besser in der Lage sind, Probleme zu lösen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)