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    Deutscher Bundestag 7. Sitzung Bonn, den 30. Oktober 1969 Inhalt: Amtliche Mitteilung 127 A Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Dr. h. c. Strauß (CDU/CSU) 127 B Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller, Bundesminister 136 B Kienbaum (FDP) 144 C Höcherl (CDU/CSU) 146 B von Hassel, Präsident (zur GO) 149 C, 163 B Ertl, Bundesminister 149 C Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) 159 A Peters (Poppenbüll) (FDP) 160 C Klinker (CDU/CSU) 162 C Logemann (FDP) 164 D Dr. Schiller, Bundesminister 167 C Dr. Schmid, Vizepräsident (zur GO) 174 B Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) 178 C Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär 181 B Gewandt (CDU/CSU) 183 A Dr. Haas (FDP) 183 D Dichgans (CDU/CSU) 185 B Dr. Stoltenberg (CDU/CSU) 185 C Frau Funcke, Vizepräsident 186 C Dr.-Ing. Leussink, Bundesminister 188 A Dr. Meinecke (SPD) 191 D Dr. Mikat (CDU/CSU) 193 B Moersch (FDP) 195 C Genscher, Bundesminister 198 C Dr. Lohmar (SPD) 201 A Katzer (CDU/CSU) 202 C Dr. Schellenberg (SPD) 207 A Schmidt (Kempten) (FDP) 212 A Dr. Burgbacher (CDU/CSU) 214 C Arendt, Bundesminister 216 A Benda (CDU/CSU) 220 B Dr. Ehmke, Bundesminister 223 B Dr. Rutschke (FDP) 223 C von Hassel, Präsident 228 A Dr. Lauritzen, Bundesminister 228 B Vogel (CDU/CSU) 228 C Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) 230 B Jahn, Bundesminister 231 C Brandt, Bundeskanzler 232 B Dr. Barzel (CDU/CSU) 236 C Wehner (SPD) 240 A Nächste Sitzung 241 Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten 243 A Anlagen 2 bis 4 Schriftliche Erklärungen der Abg. Dichgans (CDU/CSU), Dr. Rutschke (FDP) und Dr. Jungmann (CDU/CSU) zu der Regierungserklärung 243 B Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. Oktober 1969 127 7. Sitzung Bonn, den 30. Oktober 1969 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Amrehn ** 16. 11. Dr. Dittrich * 31. 10. Frau Herklotz ** 17. 11. Frau Geisendörfer 30. 10. Gottesleben 31. 12. Dr. Jungmann 10. 11. Frau Kalinke ** 17. 11. Dr. Kempfler 30. 10. Lücke (Bensberg) 31. 10. Frau Meermann ** 9. 11. Müller (Aachen-Land) * 30. 10. Petersen ** 17. 11. Dr. Preiß 31. 10. Raffert ** 9. 11. Dr. Rinderspacher 14. 11. Schlee 31. 10. Dr. Schmidt (Offenbach) 31. 10. Dr. Starke (Franken) 30. 10. Weigl 31. 10. Dr. Wörner 30. 10. Frau Dr. Wolf ** 20. 11. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an einer Tagung der Interparlamentarischen Union Anlage 2 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Dichgans (CDU/CSU) zu der Regierungserklärung. Nachdem das Thema Baustahlpreise von zwei prominenten Kollegen angesprochen worden ist, wollte ich dazu etwas sagen. Die Preisentwicklung für Baustahl, genauer Betonstahl, ist lebhaft kritisiert worden, nicht ohne Grund. In der Tat sind Fälle vorgekommen, in denen ein Bauunternehmer, der bei seinem Händler noch Januar dieses Jahres 450 DM/t gezahlt hatte, im Juli 1969 900 DM bezahlen sollte, das Doppelte. Herr Kollege Dr. Strauß hat dazu bereits mit Recht bemerkt, daß das Problem sehr verwickelt liege. Dazu nur drei Zahlenpaare. Im Jahre 1960 lag der Preis für Betonstahl ab deutschem Hüttenwerk bei etwa 520 DM/t, was zu Preisen ab Händlerlager in der Größenordnung von 650 DM/t führte. Jm Jahre 1968 erlebten wir einen weltweiten Preiseinbruch bei Stahl, mit Preisbewegungen, wie wir sie früher nur am internationalen Metallmarkt erlebt hatten, etwa bei Kupfer und Zinn. 25 % des deutschen Stahlverbrauchs stammen aus dem Ausland. Belgischer Stahl wurde in dieser Baissezeit mit etwa 350 DM/t ab Hüttenwerk, 450 DM/t ab Händlerlager angeboten, alles in runden Zahlen, die nur die Größenordnungen zeigen sollen. Bei einem Überflußangebot wirkt bekanntlich das billigste Angebot preisbestimmend. Deutsche Hüttenwerke mußten deshalb den Auslandsangeboten folgen. Sie waren übrigens daraufhin in mehreren Fällen gezwungen, die Vorauszahlungen von Körperschaftsteuer einzustellen. Im Sommer 1969 entwickelte sich nun ein weltweiter Stahlboom, der den belgischen Preis in wenigen Monaten von 350 auf 700 DM in die Höhe schnellen ließ, was zu dem erwähnten hohen Preis ab Händlerlager führte, 900 DM/t im Extremfall. Daraus ergab sich eine allgemeine Preisauftriebstendenz für Betonstahl ab Händlerlager, weil in Mangellagen die höchste Preisforderung für eine Menge, die noch benötigt wird, den Gesamtpreis bestimmt. Wie haben sich nun die Betonstahlpreise ab deutschem Hüttenwerk entwickelt? Sie liegen unverändert bei 520 DM, wie im Jahre 1960, eher einige Mark darunter. Von allen Stahlsorten wurde nur der Betonstahl, weniger als 10 % der Gesamtmenge, von hektischen Preisausschlägen erfaßt. Für die übrigen verlief die Preiskurve weit ruhiger, für manche von ihnen völlig stetig. Bei Betonstahl gab es im Sommer 1969 zeitweise Lieferschwierigkeiten. Niemand hatte diese sprunghafte Steigerung der Nachfrage vorausgesehen, weder die Stahlindustrie noch der Bundeswirtschaftsminister. Die Stahlindustrie bemühte sich jedoch intensiv um eine Erhöhung der Erzeugung, mit sichtbarem Erfolg. Die extremen Preise gingen rasch zurück. Kritische Kollegen haben mir hier bestätigt, daß heute Betonstahl wieder zum Preise von etwa 650 DM/t vom Händlerlager zu haben ist. Die exzessiven Preisschwankungen waren gewiß unerfreulich. Aber der Mechanismus der Marktwirtschaft hat rasch funktioniert. Seit 1960 ist der allgemeine Index der Industriepreise um etwa 14% gestiegen, während die Stahlpreise sich beim Stand von 1960 gehalten haben. Wäre das bei allen Preisen der Fall, so wäre das Wort Preisstabilität in der heutigen Debatte nicht vorgekommen. Anlage 3 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Dr. Rutschke (FDP) zu der Regierungserklärung. Die Fraktion der FDP begrüßt es außerordentlich, daß die neue Bundesregierung in ihrer programmatischen Erklärung den innenpolitischen Problemen der Vertriebenen, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigten breiten Raum geschenkt hat. Seit Jahren hat keine Bundesregierung so konkrete und konstruktive Aussagen gemacht. Die Bundesregierung hat erklärt, daß sie die notwendigen Maßnahmen zur 244 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. Oktober 1969 Eingliederung vollenden wird. Vierundzwanzig Jahre nach Kriegsende ist es wahrlich erforderlich, daß dieses mit so viel Leid verbundene Kapitel der deutschen Geschichte endlich zu einem befriedigenden Abschluß kommt. Es besteht kein Zweifel, daß die Eingliederung der Vertriebenen und Flüchtlinge am unzulänglichsten in bezug auf die ostdeutschen Bauern geblieben ist. Jeder weiß, daß die Bundesrepublik Deutschland diesen Menschen nicht wieder zu einem Bauernhof zu verhelfen vermag. Aber ein eigenes Haus mit einem Stück Siedlerland hätte man in den verflossenen zwei Jahrzehnten den ostdeutschen Landwirten sicherlich zur Verfügung stellen können. Noch der scheidende 5. Bundestag appellierte an die neue Bundesregierung, einen Eingliederungsplan aufzustellen, nach dem jährlich wenigstens 4000 Ost- und Mitteldeutsche eine Nebenerwerbssiedlung erhalten können. Die neue Bundesregierung wird danach streben, jenen einstimmigen Wunsch aller Fraktionen zu realisieren. Die gewerblichen Betriebe der Vertriebenen, Flüchtlinge und Kriegssachgeschädigten leiden immer noch unter erheblichem Eigenkapitalmangel. Zu welch ernster Bedrängnis dieser Zustand führt, konnte man 1966 sehen, als die westdeutsche Wirtschaft in die Krise abglitt. Die Geschädigtenbetriebe waren die ersten, die an den Rand des Konkurses gerieten. Die neue Bundesregierung wird sich deshalb bemühen, die notwendigen eigenkapitalbildenden Maßnahmen fortzusetzen. Die wohnungsmäßige Eingliederung der Vertriebenen, Flüchtlinge und Ausgebombten läßt immer noch zu wünschen übrig. Dies gilt nicht nur für das Fehlen von Mietwohnungen für diesen Personenkreis, sondern verstärkt für das Phänomen des Wohnraum-Eigenbesitzes. Nas neue Kabinett bringt ferner in seiner Regierungserklärung zum Ausdruck, daß es den Lastenausgleich und die Kriegsfolgegesetzgebung, auch im Interesse der Flüchtlinge aus der DDR, zu einem gerechten Abschluß bringen wird. Die Einfügung bezüglich der Flüchtlinge soll zweifellos zum Ausdruck bringen, daß sich die Bundesregierung um eine Gleichstellung der Flüchtlinge mit den Vertriebenen in bezug auf die Hauptentschädigung bemühen wolle. Der Hinweis auf einen „gerechten" Abschluß deutet an, daß die Regierung prüfen werde, inwieweit allgemein eine Verbesserung der Entschädigungsleistungen vorgenommen werden kann. Auch der Ausbau der Altersversorgung der ehemals Selbständigen fällt in diese Programmankündigung. Der letzte Bundestag hatte diesbezüglich die neue Bundesregierung gebeten, eine angemessene Erhöhung des Selbständigenzuschlags im 2. Unterhaltshilfeanpassungsgesetz vorzusehen. Die neue Regierung hat die Bemühungen um die Realisierung dieses Parlamentswunsches bereits seit einigen Tagen aufgenommen. Es wird bei dieser Gelegenheit darauf ankommen, die Altersversorgung stärker als bisher in ein angemessenes Verhältnis zur früheren soziologischen Stellung der Geschädigten zu bringen. In der Öffentlichkeit ist — insbesondere von Geschädigtenverbänden — kritisiert worden, daß das Bundesvertriebenenministerium aufgelöst worden ist. Diese Kritik geht an dem Kern der Sache vorbei. Der zentrale Verwaltungsapparat für die Eingliederung, den Lastenausgleich und die kulturelle Betreuung der Vertriebenen, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigten ist tatsächlich uneingeschränkt erhalten geblieben. Soweit es die außenpolitischen und deutschlandpolitischen Belange der Vertriebenen und Flüchtlinge betrifft, war auch in der Vergangenheit der Vertriebenenminister dafür nicht ressortzuständig. Alle Wünsche oder Vorstellungen werden aber wirkungslos und vergeblich sein, wenn uns eines nicht gelingt: die Kaufkraft unserer Währung zu stabilisieren. Insbesondere die Geschädigtenkreise, ob Kriegssachgeschädigte, Vertriebene oder Flüchtlinge, sind — und hierbei wiederum insbesondere die älteren Menschen — auf die Erhaltung der Kaufkraft unseres Geldes angewiesen. Sie sind wirklich darauf angewiesen — mehr als alle anderen. Die schlechteste Sozialpolitik im weitesten Sinne des Wortes ist die Politik des schlechten Geldes. Wer den Weg der Anpassungsinflation vorzog, anstatt rechtzeitig alle volkswirtschaftlichen Mittel, wie z. B. die Aufwertung unserer D-Mark, einzusetzen, hat sich insbesondere an diesem Personenkreis versündigt. Diese nicht zu rechtfertigende Politik wird ihre Auswirkungen mit voller Wucht im Hinblick auf Preissteigerungen erst in den nächsten Monaten haben. Das wird aber dann für die Geschädigtenkreise besonders schmerzlich sein. Die Verantwortung für die kommenden Preissteigerungen liegt aber nicht — das möchte ich hier und heute eindeutig feststellen — bei der neuen Bundesregierung, sondern einzig und allein bei den Herren Bundeskanzler Dr. Kiesinger und Finanzminister Strauß und bei Ihnen, meine Damen und Herren der CDU/CSU. Anlage 4 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Dr. Jungmann (CDU/CSU) zu der Regierungserklärung. Es gehört zu der traditionellen Besonderheit der Gesundheitspolitik jedenfalls in diesem Hause —, daß ihr Akzent weniger auf den unvermeidlichen Meinungsverschiedenheiten als auf der gemeinsamen humanitären Verpflichtung gelegen hat. Deshalb und in diesem Geist stelle ich fest, daß die gesundheitspolitischen Aussagen der Regierungserklärung in jeder Hinsicht enttäuschend sind. Wir haben mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, daß die Aufgabe der Gesundheitspolitik jetzt auch von der Bundesregierung bescheidener und realistischer als früher in dem Schutz der Men- Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. Oktober 1969 245 schen vor den durch Technik und Zivilisation hervorgerufenen Gesundheitsrisiken gesehen wird. Wir haben ebenfalls mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, daß Wissenschaft und Forschung jetzt an erster Stelle dieser Aufgaben genannt werden. Von der Konkretisierung dieser löblichen Erkenntnis haben wir allerdings wahrlich nichts Überzeugendes gehört. Was da von einem Institut für Sozialmedizin gesagt worden ist, ist mehr Propaganda als Wissenschaft und Forschung. Wenn die sozialmedizinische Forschung an unseren Universitäten und Hochschulen wenigstens etwas großzügiger gefördert würde, würde dabei zweifellos mehr herauskommen als aus einem solchen Institut im Bundesgesundheitsamt. Für die Erforschung der Grundlagen für die Früherkennung der großen Krankheiten unserer Zeit ist das jedenfalls weder der beste noch der erfolgversprechendste Weg. Wir wollen unsere Sorgen bezüglich der weiteren Entwicklung der wissenschaftlichen Institute des Bundesgesundheitsamtes nicht verhehlen. Wenn Wissenschaft und Forschung im Gesundheitspolitischen Programm tatsächlich an erster Stelle stehen sollen — und wir begrüßen das ausdrücklich, weil es schon seit vielen Jahren unsere ausdrückliche Ansicht ist -, dann muß im Bundesgesundheitsamt eine grundlegende Neugestaltung erfolgen. Angesichts der Tatsache, daß heute jeder fünfte oder sechste Mensch an Krebs stirbt, ist es doch wohl kaum angemessen, wenn die Bundesregierung der Krebsbekämpfung „besondere Bedeutung" beimessen will. Auch hier haben wir die klare und konkrete Aussage vermißt, was und wie das geschehen soll. Warum ist vor allem mit keinem Wort gesagt worden, daß die heute schon vorhandenen Möglichkeiten der Früherkennung des Krebses und der anderen großen Krankheiten unserer Zeit endlich voll ausgenutzt werden sollen? Statt der unverbindlichen Versicherung guter Absichten zur Reinhaltung von Wasser und Luft und zum Schutz vor dem Lärm hätten wir auch lieber gehört, w i e das geschehen soll, w i e unsere Städte und Dörfer z. B. von dem täglich wachsenden Zivilisationsmüll befreit werden sollten. Mit Interesse haben wir zur Kenntnis genommen, daß die Bundesregierung schon bald ein Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser vorlegen will. Wir sind sehr gespannt, dann zu erfahren, was unter einem „bedarfsgerecht gegliederten System leistungsfähiger Krankenhäuser" zu verstehen ist. Hoffentlich nicht ein seelenloses und damit zugleich unmenschliches System ausschließlich funktionsbezogener Institutionen! Daß die neue Bundesregierung die ärztliche Ausbildung reformieren will, ist — gelinde ausgedrückt — eine unangebrachte Absichtserklärung. Denn tatsächlich müssen wir - der Deutsche Bundestag - von der Bundesregierung erwarten, daß sie ihrerseits bald realisiert, was ihr vom Gesetzgeber aufgetragen worden ist. Bisher sieht es allerdings so aus, als ob diese Aufgabe eher verzögert als mit der notwendigen Einsicht und Energie vorangetrieben würde. Daß sich die Bundesregierung zu dem Grundsatz der freien Arztwahl bekennt, ist nicht gerade sensationell. Daß sie sich auch zum Grundsatz der freien Berufsausübung bekennt, ist schon eher von Interesse. In den Programmen der SPD haben wir eine so klare Aussage bisher jedenfalls vermißt. Unklar und besorgniserregend ist die Aussage, daß die Bundesregierung, „abgestimmt auf die europäische Entwicklung", dafür sorgen wird, daß „Staat und Heilmittelhersteller im Arzneimittelwesen verantwortlich zusammenwirken" sollen, „um ein Maximum an Sicherheit zu gewährleisten". Dieses Maximum an Sicherheit ist jedenfalls nicht nur die Absicht, sondern Grundsatz, Sinn und Inhalt unserer deutschen Arzneimittelgesetzgebung gewesen, die von allen Fraktionen dieses Hauses getragen worden ist. Was muß und was soll da jetzt geändert werden? Wir bleiben bei unserer Auffassung, daß die Verantwortung für die Arzneimittel über die Gesetzgebung und über die Befolgung der Gesetze hinaus nicht vom Staat übernommen werden kann, weil der Staat diese Aufgabe nicht erfüllen kann. Auch in der Gesundheitspolitik erwarten wir also klare Aussagen, damit wir wissen, welchen Absichten wir zustimmen können und welchen Absichten wir rechtzeitig entgegentreten müssen. Ich darf abschließend feststellen, daß das von uns selbst früher einmal angestrebte und schließlich geschaffene Gesundheitsministerium heute wohl nicht mehr für die optimale Organisation der Gesundheitspolitik angesehen werden kann. Das gilt auch für das jetzt aus Familien-, Jugend- und Gesundheitsministerium zusammengelegte Ministerium. Wie wenig seine Teile ein organisches Ganzes bilden, ergibt sich allein schon aus der Behandlung seiner verschiedenen Aufgaben in der Regierungserklärung. Das gilt um so mehr, als dem Vernehmen nach die Einheit der Gesundheitspolitik durch Herauslösung der gesamten Umwelthygiene aus dem Gesundheitsministerium gesprengt werden soll. Wir sind der Ansicht, daß alle Teile dieses Ministeriums Teile eines modernen Innenministeriums sein sollten, eines Innenministeriums allerdings, das sich als das für die Daseinsvorsorge der Staatsbürger verantwortliche Ministerium zu verstehen hätte. Das ergibt sich aus unserer grundsätzlichen Auffassung, daß Schutz der Gesundheit Aufgabe einer richtig verstandenen Gesundheitspolitik sind, nicht aber die mehr oder weniger verkappte Vorstellung, daß das Wohl und Wehe der Menschen vom Staate organisiert werden könnte.
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    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir alle haben heute mit großem Interesse und mit Anteilnahme die frische Morgenattacke unseres Kollegen Strauß verfolgt. Er hatte mir später versprochen, zu meiner Replik jetzt hier zu sein; ich nehme an, er wird gleich kommen. Leider hat er bei jener Morgenattacke sehr oft nur die Hälfte des Frontabschnittes berührt, d. h. die Hälfte der Wahrheit. Leider hatte er sich erst einmal klugerweise im Frühnebel einige Pappkameraden im Gelände aufgestellt, um sie dann abzuschießen. Dabei hat er dann viele Fahrkarten geschossen. Das kann auch einem alten, verdienten Heeresflakartilleristen passieren, das gestehe ich ihm gerne zu.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

    Aber diese ganze Parforcetour und diese Morgenattacke diente wohl in erster Linie der moralischen Aufrüstung der eigenen Truppe, und das mag auch gewürdigt werden.

    (Erneute Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

    Nun komme ich inhaltlich zum Ersten. Kollege Strauß sprach davon, die Regierungserklärung von Kanzler Brandt sei so aufgebaut und angelegt, daß nun mit dieser Regierungserklärung eine neue Zeitrechnung beginne. „Ab urbe condita", so würde Strauß sagen, werde nunmehr gezählt— Jahr I, II, III usw. — Übrigens, Sie wissen, wie lange Rom gestanden hat — weit mehr als zwanzig Jahre.

    (Heiterkeit bei der SPD.)

    Dazu sagte er, man habe zu wenig oder fast gar nicht auf Dinge verwiesen, die vor dieser Zeitrechnung oder dieser Zeitenwende erarbeitet worden seien, und wir hätten nicht gesehen - so möchte ich es ausdrücken —, daß jeder Nachfolger in der Politik und jede neue Regierung auf den Schultern ihrer Vorgänger stünden - was ich übrigens im Dezember 1966 von mir aus für unsere damalige Lage gesagt habe.
    Ich möchte jedoch auf ein Gebiet und ein Thema hinweisen, das den Kollegen Strauß und mich ungemein beschäftigt hat und das ihn doch auch in seiner neuen Funktion beschäftigen sollte: ich meine das Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft. Bundeskanzler Brandt hat in seiner Regierungserklärung wörtlich gesagt: „Dieses Gesetz ist eine der großen Reformleistungen des Fünften Deutschen Bundestages, es verpflichtet zum Handeln." Das heißt: er hat ausdrücklich in diesem Fall - in einem Fall, der Strauß und Schiller gleichermaßen anging — bezüglich der Arbeit des

    Bundesminister Dr. Schiller
    Zustandebringens und der Vorarbeit der letzten Regierung und des letzten Bundestages seine Reverenz erwiesen.
    Aber ich erwähne das nicht nur aus diesem Grunde, sondern ich erwähne es auch aus inhaltlichen Gründen. Mit diesem Gesetz ist unser Instrumentenkasten der Globalsteuerung geschaffen. Wir — Bundeskanzler Brandt und ich selber als Bundeswirtschaftsminister seines Kabinetts — haben keine Sehnsucht und keinen Bedarf nach weiteren Instrumenten, nach weiteren Schräubchen. Mit dem Stabilitäts- und Wachtumsgesetz ist unser Werkzeugkasten komplett. Ich möchte der Fama entgegentreten, daß ich immer mehr Bedarf entwickelte nach weiteren Haken und Ösen, nach neuen Schräubchen, Hämmerchen und Zangen. Nichts davon ist richtig.

    (Abg. Dr. Barzel: Vielleicht ein paar Bretter?)

    — Ja, die muß man bohren! Das ist aber allgemeines Schicksal der Politik, von Max Weber als Bohren harter Bretter formuliert, das wissen Sie.

    (Abg. Dr. Barzel: Je nachdem, wo die Bretter gerade sind!)

    — Aber nicht im Stabilitäts- und Wachstumsgesetz und bei den beiden Autoren und auch dem dritten Autor, Dr. Alex Möller. Bei den dreien können Sie nicht von Brettern vor gewissen Körperteilen reden. Nicht wahr, das meinten Sie doch, Herr Dr. Barzel?

    (Heiterkeit.)

    Ein Zweites: Mit dieser eindeutigen Betonung, daß unsere künftige Politik, soweit sie den Ablauf des Wirtschaftsprozesses betrifft, d. h. die sogenannte Prozeßpolitik, auf diesem Gesetz basieren wird und daß wir uns diesem Gesetz verpflichtet fühlen, ist in der Regierungserklärung zugleich eindeutig ein neuer Schwerpunkt im Gegensatz zur alten Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966 im wirtschaftspolitischen Bereich gesetzt worden: die Stärkung der marktwirtschaftlichen Ordnung; um es noch deutlicher zu sagen: die Ordnungspolitik. Ich brauche nur ein Zitat aus dem Leitartikel der heutigen Frankfurter Allegemeinen Zeitung zu geben — von Herrn Fack —; da steht: das neue Regierungsprogramm habe
    einen bewußt ordnungspolitischen Kern . . . Im Zentrum steht dabei die Vervollkommnung des Kartellgesetzes in einer Richtung, die von den Unionsparteien zwanzig Jahre hindurch immer nur anvisiert, aber niemals verwirklicht worden ist.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Sie sehen also, lieber Herr Strauß, auf marktwirtschaftlichem Gebiete versuchen wir, Ihr 20jähriges
    Bemühen zu übertreffen. Das ist doch ganz legitim.

    (Abg. Dr. Stoltenberg: Und wie ist es mit der Preisbindung der zweiten Hand?)

    — Lieber Herr Stoltenberg, Sie haben Ihren Schäffer,
    hätte ich bald gesagt, Ihren Grundriß der Ökonomie
    gut gelernt, und Sie greifen, wenn ich bei Punkt 2 bin, immer schon auf Punkt 3 vor.

    (Abg. Dr. Stoltenberg: Das tut man bei Professoren immer!)

    Ich kann wieder nur sagen: Es gibt keine Möglichkeit — ich wäre selber froh, wenn es sie gäbe —, alle Dinge mit einem Wort auf einmal und zugleich zu sagen.

    (Beifall und Heiterkeit bei den Regierungsparteien.)

    Kollege Strauß hat in seiner Kritik an diesem zentralen Passus der Regierungserklärung von Bundeskanzler Brandt gesagt, die Sache mit der Mißbrauchsaufsicht über marktstarke Unternehmungen sei für ihn eine zu unklare Sache. Er wolle eine klare Definition. Lieber Herr Strauß, ich muß bei Ihnen hier eine Informations- oder Gedächtnislücke feststellen. Im vorigen Jahr habe ich eine Kartellnovelle eingebracht, und zwar auch in bezug auf eine Neuformulierung der Mißbrauchsaufsicht über marktbeherrschende und marktstarke Unternehmungen. Sie ist dann aus einem anderen Grunde gescheitert, übrigens nicht im Kabinett, sondern in einem Gremium davor. Über diesen Punkt brauchen wir uns im Moment nicht zu unterhalten. Aber diese Novelle enthielt eine klare Definition, eine klare Umgrenzung der Ausdehnung der Mißbrauchskontrolle auf marktbeherrschende und marktstarke Unternehmen. Lieber Herr Strauß, dieser Entwurf war in diesem Punkte mit Ihnen bzw. Ihrem Hause — ich hoffe, das war dasselbe — einvernehmlich abgestimmt worden.

    (Abg. Dr. h. c. Strauß: Warum haben Sie ihn an der Preisbindung zweiter Hand scheitern lassen?)

    — Das kommt noch. Aber in jenem anderen Punkt hatten Sie zugestimmt.
    Lieber Herr Strauß, Sie sprachen im Zusammenhang mit der Preisbindung von einer gewissen dogmatischen Starrheit. Was diesen Punkt angeht, so muß ich Sie wiederum daran erinnern, daß ich in jenen Gremien, die über dieses Thema zu beraten hatten, vier oder fünf Kompromißvorschläge gemacht habe. Der allermildeste sah z. B. vor, alle bestehenden Preisbindungen der zweiten Hand weiterhin rechtlich geschützt zu lassen, die Neuanmeldungen für Preisbindungen der zweiten Hand aber einem schärferen Verfahren zu unterwerfen. Dieser Vorschlag ist abgelehnt worden. Ich glaube, auch eine neue Kartellnovelle wird der marktmäßigen Kräften mehr Raum geben als einer Normierung des Inhalts, daß die Preisbindung der zweiten Hand schlagartig außer Kraft gesetzt wird
    Ich möchte noch etwas zum marktwirtschaftlicher Gehalt dieses alten und neuen Entwurfs sagen. Wir wollen neben der Ablaufspolitik oder Globalsteuerung — oder wie wir das nennen wollen — in Zukunft tatsächlich den Marktkräften mehr Raum geben. Wie hältst du es mit der Marktwirtschaft? Sc fragen wir viele hier im Raum.

    (Abg. Dr. h. c. Strauß: Ist das Ihr nächstes Buch?)




    Bundesminister Dr. Schiller
    — Lieber Herr Kollege Strauß, ich denke bei Ihnen z. B. an § 23 des Außenwirtschaftsgesetzes, eines Ihrer Lieblingskinder — das ist vielleicht nicht ganz richtig —, aber sicher eines Ihrer Lieblingsobjekte. Das war nicht marktwirtschaftlich. Da haben sich unsere Geister immer geschieden.
    Ich denke hier auch an eine andere Sache, an ein anderes Lieblingsprojekt Ihrerseits: die selektive Kontrolle der deutschen Auslandsinvestitionen. Ich erwähne es nur. Manchesmal haben wir festgestellt: Mit der Marktwirtschaft war es bei mir ein bißchen mehr. ich sage Ihnen: Ihr marktwirtschaftliches Godesberger Programm müssen Sie bei der CSU noch nachholen. Das ist mir ganz klar.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. h. c. Strauß: Selektive Kontrolle der Auslandsinvestitionen?)

    — Jawohl, ein Lieblingsthema von Ihnen. Damit haben wir uns so oft befassen müssen.

    (Abg. Dr. h. c. Strauß: Da haben Sie sich in der Adresse getäuscht!)

    — Nein, die Rheindorfer Straße ist eine ganz hohe Adresse bei uns, die ist bei uns hochgeachtet gewesen und wird es weiter sein.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Gewesen!)

    - Sie haben von uns ja anders gedacht. Ich habe
    gesagt: Wir liefern Ihnen für eine bestimmte Regelung eine Feldhaubitze, also keine große Lösung. Da haben Sie sagen lassen: Duisdorf ist für uns schon lange eine Stalinorgel. So war das.

    (Heiterkeit bei der SPD.)

    Aber lassen wir die humorvollen Reminiszenzen aus der Vergangenheit.

    (Abg. Dr. h. c. Strauß: Sie scheinen ein militaristisches Phantasieleben zu führen.)

    — Nein, nein, das sind doch schöne Zitate aus diesen erlebnisreichen zweidreiviertel Jahren.
    Das dritte ist die präventive Fusionskontrolle. Da muß ich Ihnen nun sagen, lieber Herr Strauß: dagegen haben Sie sich heute morgen sehr dezidiert ausgesprochen. Ich selbst halte eine Kontrolle des Zusammenschlusses — etwa nach dem britischen Modell — Großer oder sehr Großer zu noch Größeren für marktkonforn, während ich zugleich gegen eine starre Marktanteilsbegrenzung bin. Die letztere wäre dirigistisch. Wenn man sagte: ,,Jeder darf nur 30 % haben", muß man nämlich kontingentieren. Aber das ist nicht der Punkt.
    Ich komme auf jene andere Sache zurück. Ich habe vor mir das Heft 2 vom September 1969 der angesehenen Zeitschrift „Marktwirtschaft" liegen. Unser Kollege Heinrich Gewandt, Vorsitzender des Diskussionskreises Mittelstand der CDU/CSU-Fraktion des Deutschen Bundestages, schreibt darin —ich darf zitieren, Herr Präsident :
    Die präventive Fusionskontrolle ist zum zentralen Problem bei der Novellierung des Kartellgesetzes geworden. Sie ist Bestandteil sowohl des Wahlprogramms der CDU wie auch des Programms der CDU-Sozialausschüsse und der Mittelstandsvereinigung der CDU/CSU.

    (Heiterkeit und Beifall hei der SPD.)

    Lieber Herr Strauß, entweder besteht da eine
    Informationslücke zwischen der CSU und der CDU
    — das weiß ich nicht — oder diese eindeutige Erklärung, diese Bezugnahme auf Programme, gehört zu jenem schönen Thema, das heute morgen Herr Kollege Ertl so anschaulich beschrieben hat, nämlich zu der großen Bandbreite von CDU und CSU zusammen.

    (Heiterkeit bei FDP.)

    Auf dieser Bandbreite gibt es also ein klares Nein auf seiten von Franz Josef Strauß gegen die präventive Fusionskontrolle und unter Berufung auf ein Wahlprogramm der CDU und einige andere Dokumente ein klares Ja auf seiten von Heinrich Gewandt aus Hamburg. Herr Gewandt, ich hoffe, zu Ihren Gunsten, daß diese Ihre Äußerungen nicht nur bis zum 28. September, 18.00 Uhr, Gültigkeit hatten. Ich hoffe, daß sie weiter Gültigkeit haben.

    (Zuruf von der CDU/CSU.)

    — Ich bedanke mich. Damit kann ich nur sagen: Leider ist dieser Aspekt, lieber Herr Strauß, den Sie so kritisch aufgeworfen haben in dem Bemühen, die moralische Aufrüstung Ihrer Truppe ein bißchen zu festigen,

    (Zuruf von der CDU/CSU.)

    in diesem Fall nach meiner Ansicht nicht gerade dazu geeignet, die Moral Ihrer Truppe zu festigen.

    (Abg. Dr. h. c. Strauß: Rechnen Sie es Helmut Schmidt als Reserveübung an!)

    Da ist doch ein eindeutiger Widerspruch unter Ihren Heerhaufen festzustellen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

    Dann, Herr Kollege Strauß, nachdem wir die Ordnungspolitik im Sinne einer fortschrittlichen und sich weiter entwickelnden Marktwirtschaft angedeutet haben als logische Folge des Tatbestands, daß in der vorigen Regierung die Fragen der Instrumente für die Ablaufspolitik klar geregelt worden sind, möchte ich mich nun noch kurz zu jenem anderen Thema der Aufwertung der D-Mark äußern, nicht um das Thema: Aufwertung oder Anpassungsinflation bis in alle Ewigkeit — es ist von dem Regierungssprecher dabei ja einmal die Ewigkeit beschworen worden — fortzusetzen.

    (Abg. Dr. h. c. Strauß: Haben Sie ihn deshalb behalten?)

    — Nein! Mir steht es nicht zu, mich dazu zu äußern. Ich bin wenigstens nicht dazu ordiniert, von „Ewigkeit zu Ewigkeit" zu sprechen. Das müssen andere Leute machen.

    (Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien. —Zuruf des Abg. Dr. h. c. Strauß.)

    - Sie auch nicht, Herr Strauß. - Aber Sie sprachen von der öffentlichen Debatte über die Aufwertung und beklagten sich darüber. Ich rede dabei nicht über die Zeiten des Wahlkampfes. Ich habe gestern in Ihrer Abwesenheit gesagt, ich verstehe Ihre Worte vom frühen Nachmittag gestern dahin, daß die Tätigkeit hier im Parlament nicht die Fortsetzung des Wahlkampfes mit anderen Mitteln ist.

    (Beifall bei der SPD.)




    Bundesminister Dr. Schiller
    Aber am 9. Mai fiel jene Entscheidung — das muß ich nun erwähnen; das war vor dem Wahlkampf —,

    (Abg. Dr. h. c. Strauß: Für Sie nicht!)

    und am 14. Mai haben Sie mit Ihrer Anzeigenaktion begonnen: „Mit Franz Josef Strauß als Finanzminister bleibt die D-Mark hart, die Wirtschaft gesund, da kann kommen, wer will." Das heißt, durch die Nichtaufwertung — so wurde suggeriert — wird die Mark hart bleiben, während sie doch durch eine Aufwertung — ob sie nun angebracht ist oder nicht, das will ich jetzt gar nicht diskutieren - auf jeden Fall, lieber Herr Strauß, härter wird. Diese Diskussion haben Sie mit dieser Anzeigenserie begonnen.

    (Abg. Dr. h. c. Strauß: Ich habe mich doch an den Kabinettsbeschluß gehalten, aber Sie nicht!)

    — Bloß, Sie haben mit dieser öffentlichen Diskussion einmal — das weiß ich ganz genau — gegen eine sanfte Mahnung des damaligen Bundeskanzlers verstoßen, nicht in ein Triumphgeheul der Kabinettsmehrheit einzustimmen; und zum anderen haben Sie mit dieser Anzeigenserie die Kampagne gegen die ökonomische Vernunft und die Kampagne für eine ökonomisch richtige Entscheidung erst angeheizt. Das ist nun einmal so gewesen.

    (Abg. Dr. h. c. Strauß: Die Unterschriftensammlung der Professoren war doch früher!)

    — An der war ich nicht beteiligt. Sie wissen, es waren 99, und einige haben später gesagt, sie hätten einen Platz für mich gelassen, damit es 100 werden. Ich war aber nicht dabei.
    Nun, Herr Strauß, gerade Sie hätten eine ganz klare Möglichkeit gehabt, die öffentliche Debatte über Preise und Preisstabilität, über Währung, über Aufwertung oder Nichtaufwertung zu verhindern, und zwar durch Handeln der Regierung. Sie wissen ganz genau — und das muß ich sagen, weil es bei Ihnen immer unter den Tisch gewischt wird -: am 23. Juni habe ich dem Kabinett — zuerst dem Herrn Bundeskanzler — ein Memorandum mit einer ganzen Serie von Ersatzmaßnahmen außenwirtschaftlicher und binnenwirtschaftlicher Art vorgelegt, um von dem einen Instrument herunterzukommen und um auch darzulegen, daß man nicht monoman sei. In diesem Dokument, das Sie genau kennen — wir haben mehrfach darüber telefoniert; Sie waren aus gegebenem Anlaß, infolge Ihres Unfalls, in Würzburg — steht einmal:
    Ein erhebliches Nachhinken der Tariflöhne hinter der Entwicklung der Effektivverdienste und steigende Kosten der Lebenshaltung führen zu verstärkten Tariflohnforderungen. In Anbetracht der sich weiter verschärfenden Arbeitskräfteknappheit werden diese Forderungen spätestens ab Herbst dieses Jahres zunehmend auch von den Unternehmern bewilligt werden.
    Das war die zentrale Prognose dieses Memorandums.

    (Abg. Dr. h. c. Strauß: Eine der vielen!)

    Aber richtig. Und es gab Ihnen die Möglichkeit, mit der öffentlichen Diskussion Schluß zu machen — Sie standen doch der Sache nahe — und etwa außenwirtschaftlich die steuerliche Absicherung, die 4 % Exportbesteuerung und 4 % Importverbilligung, zu verstärken.
    Ebenso waren Sie doch nicht gar ein Todfeind einer befristeten Aussetzung der degressiven Abschreibungen. Ich erinnere mich unserer Gespräche, und ich erinnere mich der ersten Halbzeit einer Kabinettsitzung, wo Sie diesen Dingen sehr gewogen waren und wo der damalige Bundeskanzler sagte: Das ist eine neue Situation. Dann zogen Sie sich zurück — ich sagte damals: von nun ab tritt die Minderheitsregierung in Funktion — und kamen dann heraus mit dem Ergebnis, daß Sie sich der Mehrheit bei Ihnen angeschlossen hatten. Sie hatten sich ihr gebeugt, gut. Aber damit war diese Variante, die von der einseitigen Debatte wegging und wegführen konnte, verspielt, Herr Strauß. Das war doch am 22. Juli noch einmal eine Chance im Kabinett.


Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Ja, natürlich!