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ID0600624200

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Metadaten
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    Vokabeln: 6
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
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    4. der: 1
    5. Herr: 1
    6. Bundesverteidigungsminister.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 6. Sitzung Bonn, den 29. Oktober 1969 Inhalt: Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Dr. Barzel (CDU/CSU) 37 A, 67 C von Hassel, Präsident (zur GO) 46 D, 79 B Mischnick (FDP) 47 A Wehner (SPD) 54 D, 68 A Brandt, Bundeskanzler 61 C, 72 A, 93 C Dr. Schmid, Vizepräsident 68 A Rasner (CDU/CSU) (zur GO) 68 B Stücklen (CDU/CSU) 69 B Wehner (SPD) (Erklärung nach § 36 GO) 69 D Dr. h. c. Strauß (CDU/CSU) 69 D, 72 D von Hassel, Präsident 73 A Dr. h. c. Kiesinger (CDU/CSU) 73 B Dorn (FDP) 79 C Wischnewski (SPD) 82 C Scheel, Bundesminister 84 D Freiherr von und zu Guttenberg (CDU/CSU) 91 A Dr. Hallstein (CDU/CSU) 94 B Dr. Schiller, Bundesminister 97 D Dr. Apel (SPD) 104 B Dr. Schmitt-Vockenhausen, Vizepräsident 104 C Ertl, Bundesminister 107 B Junghans (SPD) 109 A Dr. Zimmermann (CDU/CSU) 110 D Schultz (Gau-Bischofsheim) (FDP) 113 C Schmidt, Bundesminister 115 A Mattick (SPD) 117 C Borm (FDP) 119 D Dr. Gradl (CDU/CSU) 121 B Nächste Sitzung 124 D Anlage 125 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 6. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Oktober 1969 37 6. Sitzung Bonn, den 29. Oktober 1969 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Amrehn ** 16. 11. Bergmann * 29. 10. Frau von Bothmer 29. 10. Bremm 29. 10. Dr. Dittrich * 31. 10. Frau Herklotz ** 17. 11. Gottesleben 31. 12. Dr. Jungmann 10. 11. Frau Kalinke ** 17. 11. Lücke (Bensberg) 31. 10. Frau Meermann ** 9. 11. Müller (Aachen-Land) * 30. 10. Petersen ** 17. 11. Pöhler 29. 10. Dr. Preiß 31. 10. Raffert ** 9. 11. Dr. Rinderspacher 14. 11. Schlee 31. 10. Dr. Schmidt (Offenbach) 31. 10. Weigl 31. 10. Dr. Wörner 30. 10. Frau Dr. Wolf ** 20. 11. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an einer Tagung der Interparlamentarischen Union
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    Rede von Dr. Hermann Schmitt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Das Wort hat Herr Kollege Schultz.
    Schultz (Gau-Bischofsheim) (FDP) : Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Namen der Freien Demokraten darf ich erklären, daß wir mit besonderer Befriedigung feststellen, daß diese Regierungserklärung, im Gegensatz zu der letzten Regierungserklärung der Großen Koalition unter Herrn Bundeskanzler Kiesinger, etwas über Verteidigungspolitik und etwas über die Bundeswehr aussagt. Das ist damals nicht der Fall gewesen. Insofern möchte ich meinen, daß die neue Regierung ohne Zweifel einen Fortschritt in diesem Bereich darstellt. Die Bundeswehr weiß nämlich jetzt, daß sie mit ihren Problemen nicht alleinsteht.
    Ich halte den Satz am Anfang der Regierungserklärung, auf der Seite 20 des uns vorliegenden umgedruckten Exemplars, für besonders bedeutsam.
    Es steht da:
    Die Bundesregierung weiß, daß unsere Soldaten in vielen Einheiten und in vielen Funktionen bis an die Grenzen der Leistungsfähigkeit gefordert werden. Die zur Ausführung nötige Zahl der Berufs- und Zeitsoldaten sowie der Stand der Ausbildung und Ausrüstung entsprechen nicht überall den Aufträgen.
    Damit ist genau das umrissen, was letzten Endes das Ergebnis einer Politik von vier Verteidigungsministern ist, die der Christlich-Demokratischen Union und der Christlich-Sozialen Union angehört haben. Deswegen scheint es mir besonders wichtig zu sein, daß in dieser Regierungserklärung auf eine Bestandsaufnahme verwiesen ist, die notwendig ist, um mit den Problemen, die auch Kollege Zimmermann soeben hier angesprochen hat, überhaupt einmal fertig zu werden.
    Ich möchte also meinen, es kommt darauf an, daß wir alles das, was an konstruktiven Gedanken aus allen Richtungen dieses Hauses bisher geäußert worden ist, in diese neue Bestandsaufnahme mit hineinnehmen und uns gemeinsam um einen vernünftigen Weg in die Zukunft bemühen.
    Herr Kollege Zimmermann hat darauf verwiesen, daß die Freien Demokraten sich für die Abschaffung der atomaren Trägermittel und für die Verkürzung der Wehrdienstzeit eingesetzt bzw. das als Programmpunkte erklärt haben. Ich muß Ihnen sagen, daß er zumindest recht lückenhaft das zitiert hat, was wir gesagt und gemeint haben. Die Forderung nach Abschaffung atomarer Trägermittel war natürlich mit der Feststellung verbunden, daß wir eine Arbeitsteilung im Bündnis wünschen. Wir verlangen also nicht das Verschwinden der atomaren Trägermittel, sondern eine Arbeitsteilung im Bündnis. Ich möchte das hier nicht weiter ausführen; das ist an sich bekannt; es muß nur noch einmal in das Gedächtnis zurückgerufen werden, daß das selbstverständlich der Gedanke ist, die Bundeswehr mit Waffen auszurüsten, die taktische atomare Waffen ersetzen können, nämlich mit konventionellen Mehrfachraketenwerfern. Aber das ist schon ein Detail. Wir sind jedoch der Meinung, daß in Zukunft auch über dieses Detail weiterhin wird gesprochen werden müssen. Wir glauben nämlich nicht, daß viele Militärschriftsteller und Militärwissenschaftler völ-



    Schultz (Gau-Bischofsheim)

    lig falsch liegen, wenn sie gleiche Gedanken vertreten.
    Ich bin mir aber klar darüber, daß alle Veränderungen in diesem Bereich der Übereinstimmung bedürfen, daß sie der Diskussion bedürfen und daß sie erst allmählich vor sich gehen können.
    Nun zur Verkürzung der Wehrdienstzeit. Herr Kollege Zimmermann hat gemeint, das Anwachsen der Jahrgangsstärken in den künftigen Jahren werde das Problem noch weiter erschweren. Das Problem der Wehrgerechtigkeit werde noch weiter erschwert, wenn die Verkürzung der Wehrdienstzeit noch hinzukomme. Nun, man kann nicht isoliert — das haben wir nie getan von der Verkürzung der Wehrdienstzeit sprechen, sondern man muß daneben ein anderes Wehrsystem sehen, in dem der ausgebildete Reservist seinen Platz und seine Aufgabe hat. Auch darüber muß selbstverständlich gesprochen werden. Das kann nicht im Rahmen einer kurzen Debatte hier ausdiskutiert werden. Es bedarf selbstverständlich auch der Unterstützung der Fachleute im Hause des Bundesverteidigungsministers. Aber ich meine, daß wir in der Tat über diese Dinge sprechen müssen.
    Herr Kollege Zimmermann, ich verkenne natürlich nicht, daß alle Veränderungen in der Wehrpolitik auch innerhalb der Bundesrepublik bei Beachtung der Verpflichtungen, die wir in dem Bündnis haben, ihre außenpolitischen Rückwirkungen haben. Nur meine ich, daß es eben nicht ganz ausreicht, wenn die Entscheidung, ob amerikanische Soldaten aus dem Bereich der NATO in Europa abgezogen oder nicht abgezogen werden, allein von der Zeit des Wehrdienstes, den die deutschen Soldaten ableisten, und allein von den Mitteln abhängt, die im Haushalt für Verteidigungsausgaben vorgesehen sind. Ich bin nach wie vor der Meinung, daß man auch innerhalb des Bündnisses bemüht sein muß, nach den besten Formen der Verteidigung zu suchen. Diese Verteidigung muß so effektiv sein, daß sie nicht allein durch die Zahl der angehäuften Waffen abschreckend wirkt, sondern im Ernstfall, wenn es dazu kommen sollte — was wir, wie wir schon immer gesagt haben, nicht wünschen und auch nicht hoffen —, einen effektiven Abwehrerfolg ermöglicht.
    Im meine, daß wir mit dem, was in der Regierungserklärung gesagt worden ist, durchaus eine gemeinsame Basis hätten, auf der wir überprüfen können - und das müssen wir tun —, ob das, was in der vergangenen Zeit diesem Hause an Verteidigungskonzeption immer vorgelegt worden ist, richtig ist und richtig bleiben muß und was auf der anderen Seite geändert werden kann. Deswegen begrüßen wir diese Regierungserklärung.
    Herr Kollege Zimmermann hat auch darüber gesprochen, daß seine Partei und seine Fraktion sich schon seit 15 Jahren um die Anerkennung der Leistungen der Soldaten und der Zivilisten in der Bundeswehr im allgemeinen Gesellschaftsbewußtsein bemüht hätten. Soweit, so gut. Weniger gefallen hat mir, daß er zumindest anklingen ließ, ohne es auszusprechen, daß es in diesem Hause Kräfte gebe, die das nicht zu ihrer Richtschnur gemacht hätten, Es ist so vielleicht unterschwellig manchem ins Bewußtsein geträufelt worden, daß die Kreise, die prinzipiell gegen Bundeswehr, Verteidigung und alles, was damit zusammenhängt, seien, sozusagen die Hilfstruppen von Fraktionen in diesem Hause seien. Wenn das nicht so gemeint war, bin ich zufrieden. Aber ich möchte doch sagen, daß ich es für keine gute Sache halte, einen solchen, wenn auch unterschwelligen Zusammenhang herzustellen. Wir müssen uns nämlich auch darüber klar sein, daß z. B. die vorhandene Wehrungerechtigkeit, z. B. das Fehlen entsprechender Mittel und auch von Maßnahmen im Rahmen der Zivilverteidigung in den letzten 15 Jahren im Zusammenhang mit dem Aufbau der Bundeswehr als unserem Sicherheitsinstrument, draußen auch die Frage aufgeworfen hat: Wozu denn das alles? Hat denn das überhaupt einen Wert?
    Deswegen sind wir Freien Demokraten der Meinung, daß, wenn man das Problem der Wehrgerechtigkeit angeht — es ist im letzten Bundestag noch nicht gelöst worden, und seine Lösung steht nach wie vor noch vor uns —, auch der Bereich der zivilen Verteidigung in die Überlegungen einbezogen werden muß. Wir haben uns schon sehr frühzeitig und sehr lange für eine allgemeine Verteidigungsdienstpflicht eingesetzt, die aber nie zum Zuge gekommen ist. Wir müssen ohne Zweifel auch diesen Bereich in die Überprüfung und in die zukünftige Beschlußfassung mit hineinnehmen. Ich meine überhaupt, daß es auch nicht ausreicht, die Wehrdienstzeit allein im Rahmen der 18 Monate zu sehen. Hier muß vielmehr von dem in einem abgeleisteten Wehrdienst und der Zeit ausgegangen werden, die noch für Reserveübungen zur Verfügung gestellt werden muß.
    Wir haben also, glaube ich, noch eine ganze Reihe von Problemen zu erledigen. Es ist natürlich außerordentlich zu begrüßen, daß die Oppositionsfraktion schon Anträge in diesem Bereich eingebracht hat. Das war auch gar nicht so schwierig, weil zum mindesten in zwei Bereichen, soweit ich gesehen habe, Anträge der vergangenen Opposition wiederholt worden sind, die damals von der heutigen Oppositionspartei abgelehnt wurden. Das soll uns aber nicht hindern, uns auch über diese neu eingebrachten Anträge Gedanken zu machen und, wie wir hoffen, dann zu einer einvernehmlichen Entscheidung zu kommen.

    (Abg. Damm: Bei den beiden müssen Sie doch schon zustimmen!)

    Herr Kollege Zimmermann hat zum Schluß seiner Ausführungen, wenn ich es recht verstanden habe, gemeint, daß entscheidend für uns seien eine Gegenüberstellung des Kräfteverhältnisses zwischen Ost und West in Europa und davon abgeleitet dann die entsprechenden Verteidigungsbemühungen, Geld, Ausrüstung, Bewaffnung usw., daß hier zu festen Entschlüssen zu kommen sehr viel wichtiger sei als das Hinsteuern auf eine europäische Sicherheitskonferenz und daß die Frage der Verteidigung eine Priorität genieße vor der Frage — möchte ich nunmehr sagen - der Außenpolitik. Ich bin nicht



    Schultz (Gau-Bischofsheim)

    dieser Auffassung, sondern ich glaube, daß in der Tat die Lösung der Probleme, die zwischen den Völkern in Europa stehen, das Primäre ist, daß allerdings, um sie lösen zu können, die Verteidigung des eigenen Volkes nicht vergessen werden darf und daß eine Lösung dieser Probleme nur auf der Basis einer gesicherten Verteidigung möglich ist. Trotz alledem wollen wir uns aber darüber klar sein, daß die Bundeswehr und alles, was damit zusammenhängt, letzten Endes Diener der Politik ist.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Hermann Schmitt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Bundesverteidigungsminister.

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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hier sind ein
    paar Fragen gestellt worden, die ich hoffentlich
    in aller Kürze und Knappheit beantworten
    möchte.
    Was die Organisation des Bundesverteidigungsministeriums angeht, so nehme ich an, daß es einige Änderungen im Laufe des Frühjahrs geben wird. Der Verteidigungsausschuß dieses Hauses wird Gelegenheit haben — und Gelegenheit nehmen, unterstelle ich —, darüber zu sprechen. Ich habe nicht die Vorstellung, daß abrupte Änderungen per sofort geschehen sollen.

    (Sehr gut! hei der CDU 'CSU.)

    Zweitens. Es ist ein weiteres Mal von der Problematik der Wehrgerechtigkeit gesprochen worden. Wenn Sie bitte so gut sein wollen, sich die sehr vorsichtige Formulierung, die die Regierungserklärung in diesem Punkte darbietet, noch einmal anzusehen, so werden Sie daraus erkennen, daß, was den Grundwehrdienst angeht, dort gesagt wird, die Regierung werde prüfen, ob sich daraus Konsequenzen für dessen Dauer ergeben. Wenn ich es richtig sehe, hat auch die vorige Regierung mit dieser Prüfung schon begonnen, hat sie aber nicht ganz abgeschlossen. Die alternativen Ergebnisse der sogenannten Adorno-Kommission sind ja bisher nicht endgültig beschieden worden. Ich will aber eins hier sehr deutlich sagen: Ich weiß, daß von militärischer Seite eine Kürzung vielleicht nicht ohne weiteres akzeptiert wird. Insbesondere nachdem Herr Zimmermann den neuen amerikanischen Oberkommandierenden für den europäischen Teil der NATO hier zitiert hat, bin ich mir dessen durchaus bewußt.
    Herr Zimmermann, unsere Soldaten sollen den Rechtsstaat verteidigen, so wie er im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland gewollt ist. Man kann den Rechtsstaat nicht verteidigen, wenn man ihn nur abstrakt gelernt hat. Man kann ihn im Grunde nur verteidigen, wenn man ihn konkret in der eigenen Person erlebt hat.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Deswegen ist das Thema der Gleichbehandlung der Wehrpflichtigen von ungeheurer Bedeutung für den Kampfwert unserer Truppen.

    (Beifall bei cien Regierungsparteien und hei der CDU/CSU.)

    Der Kampfwert beruht einerseits auf den Faktoren der militärischen Ausbildung, aber andererseits auf der psychologischen Bereitschaft der Soldaten.

    (Erneuter allseitiger Beifall.)

    Deswegen bitte ich Sie, für möglich zu halten, daß man gegeneinander abwägen darf: eine theoretisch denkbare kleine Einbuße im Ausbildungsstand, wenn man dafür einen großen Zuwachs in der psychologischen Bereitschaft unserer jungen Männer gewinnen könnte.

    (Beifall bei den Regierungsparteien und bei Abgeordneten der CDU/CSU. — Abg. Köppler: Jetzt stimmt es wieder!)

    Nichts anderes als die Möglichkeit, dies abzuwägen oder es abwägen zu wollen, ist in der Regierungserklärung an dieser Stelle gesagt, nichts anderes.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Gut! — Darüber kann man reden!)

    Ich möchte drittens eine Bemerkung über die Kriegsdienstverweigerer machen dürfen. Sie wissen, daß ich keiner bin und wohl auch keiner mehr werde in meinem Leben.

    (Heiterkeit.)

    Aber, Herr Zimmermann, ich war einer von den damals sehr jungen Soldaten, die im Dritten Reich eine ganze Menge mitgemacht und erlitten haben unter der Vergewaltigung des Gewissens, der wir ausgesetzt gewesen sind. Deswegen habe ich genau wie viele in Ihrer Fraktion und auch in der FDP-Fraktion heute vor — wie lange ist es her? —14 Jahren hier in diesem Deutschen Bundestag zu denen gehört, die aus innerer Überzeugung, aus dem Erlebnis, das wir im Dritten Reich hatten, den Art. 4 Abs. 3 in das Grundgesetz hineingebracht und auch die Ausführungsgesetzgebung beschlossen haben. Sie wissen, wie tief das ganze Haus in jener Debatte damals engagiert gewesen ist. Ich habe keinen Grund gehabt, in den vergangenen 14 Jahren meine Einstellung zu dem Problem wesentlich zu ändern.
    Aber in einem Punkte habe ich dazugelernt — und ich könnte mir denken, daß sich das vielleicht auch noch bei anderen unter uns einstellt, daß man noch etwas dazulernt —, nämlich in dem Punkt, daß ich heute nicht mehr glaube, daß eine Gewissensmeinung ernsthaft durch demokratische Abstimmung in einem Komitee erforscht werden kann. Das glaube ich heute nicht mehr.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Vielleicht müssen wir daraus gemeinsam Konsequenzen ziehen. Das ist eine Sache der Gesetzgebung, wie Sie und ich beiderseits ja sehr wohl wissen.
    Eines jedenfalls darf es nicht geben. Ob, wie es der normale Fall ist, die große Mehrzahl unserer jungen Männer ihre Wehrpflicht leisten will oder ob eine kleine Zahl sagt „Wir wollen Kriegsdienstverweige-



    Bundesminister Schmidt
    rer sein", es darf nicht geben, daß dieser Staat Drückebergerei zuläßt. Das muß aufhören.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien und bei der CDU/CSU.)

    Diejenigen, die Soldat sein wollen, und diejenigen, die als Kriegsdienstverweigerer Ersatzdienst leisten wollen, müssen beide ihren Dienst dann auch tatsächlich leisten.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

    Den kann man nicht durch Finanzkunststücke oder dergleichen abgelten wollen. Ich bin mir darüber klar, daß dies Schwierigkeiten aufwirft. Denn es fehlt nach allem Bisherigen z. B. für den Ersatzdienst an einer zureichenden Vorkehrung. Ich sehe Kollegen Katzer vor mir sitzen. Ich gucke ihn keineswegs mit innerem Vorwurf dabei an. Aber er wird mir zustimmen, daß hier im Augenblick noch nicht ganz das vorhanden ist, zum Teil schon vorhanden war und dann wieder ein bißchen abgebröckelt ist — —

    (Zuruf von der FDP: Das ist sehr zahm! — Abg. Katzer: Aber wieder heraufgekommen!)

    Ich freue mich darüber, und ich bin ganz gewiß, daß die Bundesregierung und daß das Ressort, das für diese Sache zuständig sein wird, sich viel Mühe geben werden.
    Viertens. Eine Antwort wegen der Trägerwaffen, Dr. Zimmermann! Es ist ganz richtig, wenn Sie darauf hinweisen, daß in diesem wie auch in anderen Punkten die Kollegen von der Freien Demokratischen Partei früher in Nuancen etwas anderes gesagt haben, als wir — in Nuancen — gesagt haben. In Koalitionsregierungen muß man sich zusammenraufen; das kennen Sie auch. Sie raufen sogar manchmal, wenn Sie gar nicht in einer Koalition sind.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

    Man muß sich zusammenraufen. Wir sind in diesem Punkt, was die Trägerwaffen angeht, der Meinung, daß die Verbände der Verbündeten und unsere eigenen Verbände die gleiche Ausstattung und die gleiche Ausrüstung brauchen, solange sie hier in Mitteleuropa auf demselben Feld stehen.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien und bei der CDU/CSU.)

    Ebenso sind wir übereinstimmend der Meinung, daß, wenn es z. B. im Zusammenhang mit den Gesprächen über die Begrenzung strategischer Waffen zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion, die jetzt anlaufen, möglich sein sollte, zu Absprachen zu kommen, oder wenn es später im Zuge einer europäischen Sicherheitskonferenz möglich sein sollte, zu Absprachen zu kommen, dann allerdings beiderseits und gleichwertig und gleichzeitig die Zahl — —

    (Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Und gleich kontrollierbar!)

    — Ja, sicher, ich bin mit all den Begriffen, die das Wort „gleich" enthalten, die Sie noch hinzufügen können, einverstanden.

    (Abg. Wehner: Aber mit dem Ziel, es nicht zu machen! Das ist doch Ihre Tendenz! — Gegenruf des Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern]. — Abg. Wehner: Man darf wohl mal so zur Seite zu Ihnen reden!)

    — Ja, ein Zwischenruf ist des anderen wert. — Ich nehme an, daß müßten Sie auch so akzeptieren, wie ich es gesagt habe.

    (Zuruf von der CDU CSU: O ja!)

    Bei solchen Voraussetzungen sind wir durchaus bereit, die Zahl dieser Waffen zu verringern.
    In einem anderen Absatz hat Herr Dr. Zimmermann mit Engagement die isolationistische Tendenz in einigen Teilen der amerikanischen Innenpolitik gegenüber Europa und gegenüber dem Bündnis hervorgehoben. Was er sagte, ist zutreffend. Ich habe mich etwas gewundert, daß er an dieser Stelle Beifall bekam, denn so erfreulich ist das für uns Europäer gar nicht.

    (Abg. Stücklen: Das war eine Bestätigung!)

    — Der Bestätigung bedarf es ja nicht. Wir sind alle Beobachter der Szenerie.
    Er hat dann vor der Welle gewarnt, die niemand aufhalten könne, wenn sie sich einmal in Bewegung setze. So habe ich es mitgeschrieben. Da gibt es doch gar nichts zu zweifeln, Herr Zimmermann. Diese Bundesregierung hat erklärt — und Sie stimmen diesem Teil der Regierungserklärung ja doch zu; das braucht die Bundesregierung nicht einen Tag später zu wiederholen , daß sie zu diesem Bündnis und ihren Verpflichtungen innerhalb dieses Bündnisses steht und daß sie erwartet, daß auch die anderen Partner zu ihren eingegangenen Verpflichtungen stehen. Viel mehr können wir dazu im Augenblick nicht sagen. Dies ist nicht der Ort, denke ich, sich allzu weit in die amerikanische Innenpolitik hineinzubegeben.
    Sechstens. Was den Haushalt und Ihre Bemerkungen über seine zukünftige Gestaltung angeht, so will ich nicht zu weit gehen und die Bemerkungen nicht als den Ansatz zu nachträglicher Kritik an der mittelfristigen Finanzplanung interpretieren, für die einer Ihrer eigenen Kollegen — —

    (Abg. Dr. Zimmermann: Auch das dürfen Sie!)

    — Wenn ich das soll, wäre ich für eine Spezifizierung dankbar. Dann würde ich mich mit dieser Allgemeinheit nicht zufrieden geben können, Herr Zimmermann.

    (Abg. Dr. Althammer: Vorsicht, sonst müssen wir etwas aus dem Haushaltsausschuß erzählen!)

    Dann ist schließlich eine Frage zur Strategie gestellt worden. Ich meine, eine allgemeine Aussprache über eine Regierungserklärung, die doch das ganze Feld der Politik abdecken soll, ist nicht der Ort für eine Debatte über dieses Spezialthema. Ich will mich



    Bundesminister Schmidt
    solcher Debatte nicht entziehen. Ich meine nur, daß heute hier nicht die richtige Gelegenheit dafür ist.
    Weiterhin wäre ich dankbar, wenn wir die Debatte über solche Spezialthemen so lange aufschieben könnten, bis diese Bundesregierung ihr erstes Weißbuch zur Verteidigung vorgelegt haben wird. Das wird im Laufe des Frühlings 1970 der Fall sein. Dann haben wir eine Diskussionsgrundlage. Sie werden sich erinnern, daß die vorige Bundesregierung eine sehr lange Frist gebraucht hat, bis sie ihre erste Diskussionsgrundlage zur Verteidigungspolitik vorlegen konnte. Wir sind in der glücklichen Lage, in gewisser Weise und gar nicht so wenig auf den Vorarbeiten, die uns hinterlassen worden sind, aufbauen zu können. Deswegen werden wir das zweite Verteidigungsweißbuch etwas früher vorlegen können, als es damals geschah. Aber es wäre vielleicht ganz gut, das würde abgewartet werden.
    Im übrigen — ich glaube, das hat Herr Schultz auch schon mit Recht hervorgehoben — enthält diese Regierungserklärung eine ganze Menge wichtiger strategischer Aussagen. Ich will nicht alles wieder vorlesen, aber hier steht z. B. — ich will mit der Genehmigung des Herrn Präsidenten wenigstens diesen Satz noch einmal in die Erinnerung rufen —:
    Welche der beiden Seiten der Sicherheitspolitik wir auch betrachten, ob es sich handelt um unseren ernsten und nachhaltigen Versuch zur gleichzeitigen und gleichwertigen Rüstungsbegrenzung und Rüstungskontrolle
    — Herr Kollege Marx! —
    oder um die Gewährleistung ausreichender Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland, unter beiden Aspekten begreift die Bundesregierung ihre Sicherheitspolitik als eine Politik des Gleichgewichts und der Friedenssicherung.
    Hier haben Sie in einem Satz eigentlich das ganze Prinzip. Vielleicht wollten Sie es gern etwas ausführlicher haben. Es geht dann sogar noch weiter und wird näher erklärt:
    Und ebenso versteht sie unter beiden Aspekten die äußere Sicherheit unseres Staates als eine Funktion des Bündnisses, dem wir angehören und als dessen Teil wir zum Gleichgewicht der Kräfte zwischen West und Ost beitragen.
    Ich verzichte auf die weitere Verlesung. Ich wollte nur sagen: Das, worauf es im Kern ankommt, ist hier durchaus gesagt worden.
    Eine vorletzte Bemerkung. Herr Kollege Schultz hat angeregt, die Verzahnung von Zivilverteidigung und militärischer Verteidigung noch einmal zu prüfen. Wir sind gern dazu bereit. Das berührt dann allerdings mehrere Ressorts in der Bundesregierung. Es muß auch vom Parlament her überlegt werden, in welchem parlamentstechnischen Rahmen man sich diesen Themen zuwenden will.
    Ich wäre sodann dankbar, wenn die Anträge, von denen die Rede war, zunächst dem Ausschuß überwiesen werden könnten.
    Ich möchte am Schluß gern meinen Respekt und meinen Dank für die guten Wünsche sagen, die hier ausgesprochen worden sind, und insbesondere an dieser Stelle — ich sehe den Herrn Kollegen Schröder dort noch sitzen — auch noch einmal meinen Dank sagen an den Herrn Kollegen Schröder,

    (Beifall im ganzen Hause)

    der seine Wünsche schon vor ein paar Tagen auf der Hardthöhe anläßlich der Übergabe ausgesprochen hat — so wie ich mich dort verpflichtet fühlte, für die Soldaten der Armee sprechend, auch deren Dank dem scheidenden Herrn Bundesverteidigungsminister zu sagen.
    Ich bin dankbar, daß hier heute abend, wenn auch ein bißchen eingebettet in polemische Nuancen, doch im Ergebnis sehr sichtbar und sehr hörbar geworden ist, daß Sprecher aller drei Fraktionen des Deutschen Bundestages sich darum bemühen — und nicht erst seit heute , daß in unserer Gesellschaft den Soldaten die Anerkennung zuteil werde, die sie ihren Leistungen nach verdienen.

    (Allgemeiner Beifall.)