Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Hallstein hat heute bei seiner Debutrede darauf hingewiesen, daß wir ja gar nicht mehr souverän sind. Nun möchte ich vorweg bemerken — er wird das ja sicherlich in den nächsten Wochen und Monaten hier lernen; ich möchte das auch gar nicht in einer belehrenden Art sagen —, daß es ein Unterschied ist, ob es ein Europäisches Parlament gibt oder nicht gibt. Wenn es nämlich ein Europäisches Parlament schon gegeben hätte, was wir alle wünschen, dann würde er den Modus der Fragestunde kennen. Aber es muß sich eben ein Präsident als Abgeordneter hier in die Spielregeln eines souveränen Parlaments wieder einfügen. Das scheint mir ein Problem zu sein — das ist sicherlich notwendig —, das vielleicht auch ein klein wenig einen Denkprozeß beschleunigt.
Ich möchte sagen, Herr Kollege Hallstein: wir alle sind mit Ihrer Schlußfolgerung einig, daß Fortschritt, Sicherheit, Freiheit und Frieden in Europa nur möglich sind, wenn wir ein Höchstmaß von Zusammenarbeit in ganz Europa bewerkstelligen. Ich hätte mir allerdings gewünscht, daß der langjährige Präsident der EWG-Kommission für ein größeres Europa initiativreicher gewirkt hätte. Dann würden ich und mein Kollege Schiller nicht manche Suppe auslöffeln müssen, die fast unauslöffelbar ist.
— Ich komme schon darauf, haben Sie nur Geduld!
Ich möchte hier auch einmal in aller Form einen Irrtum korrigieren. Wer immer gegen eine Methode ist, nennen wir es deutlich: wer sagt, daß sich mancher Weg der Agrarmarktordnung nicht fortsetzen läßt oder vielleicht korrigiert werden müßte, der ist noch lange kein schlechter Europäer; denn Marktordnung allein ist Europa auch nicht.
Denn es ist ja weiß Gott kurios. Ich muß mich jetzt sehr zurückhalten.
Das ist für mich sehr schwer, sehr, sehr schwer.
Oh, ich weiß, was ich mit der freien Wildbahn im Parlament aufgegeben habe,
und ich leide darunter, Herr Kollege Barzel. Ich habe eine Aufgabe übernommen, nämlich die, in einer schwierigen Situation mit Hilfe der Opposition zu besseren Lösungen in Europa und für die Landwirtschaft zu kommen. Aber ich möchte noch einmal sagen: es ist ja beinahe kurios — ich hoffe, daß ich mir nicht den Weg zur Gipfelkonferenz verbaue; ich will das also sehr vorsichtig sagen —, daß derjenige, der sagt: „Wir müssen möglichst viel bekommen" — ich will es wirklich ganz vorsichtig sagen —,
ein guter Europäer sein soll, daß aber derjenige, der sagt: „Jetzt kann ich bald nicht mehr zahlen, denn meine Kasse ist leer, und die anderen Opfer sind auch zahlreich", ein Nationalist sein soll. Nein, das ist nicht der Weg und der Geist der Partnerschaft. Darum, Kollege Hallstein, darum müssen wir mit der Kommission ringen, und Sie können sich in diesem Hause ein großes Verdienst erwerben, wenn Sie uns dabei helfen, im Sinne des offenen Gesprächs eine bessere Lösung herbeizuführen, damit die Wurschtelei wirklich aufhört, denn sie kann der Sprengstoff für Europa sein. Das sage ich in aller Sorge.