Rede:
ID0600604800

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Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 6
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Herr: 1
    6. Bundeskanzler.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 6. Sitzung Bonn, den 29. Oktober 1969 Inhalt: Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Dr. Barzel (CDU/CSU) 37 A, 67 C von Hassel, Präsident (zur GO) 46 D, 79 B Mischnick (FDP) 47 A Wehner (SPD) 54 D, 68 A Brandt, Bundeskanzler 61 C, 72 A, 93 C Dr. Schmid, Vizepräsident 68 A Rasner (CDU/CSU) (zur GO) 68 B Stücklen (CDU/CSU) 69 B Wehner (SPD) (Erklärung nach § 36 GO) 69 D Dr. h. c. Strauß (CDU/CSU) 69 D, 72 D von Hassel, Präsident 73 A Dr. h. c. Kiesinger (CDU/CSU) 73 B Dorn (FDP) 79 C Wischnewski (SPD) 82 C Scheel, Bundesminister 84 D Freiherr von und zu Guttenberg (CDU/CSU) 91 A Dr. Hallstein (CDU/CSU) 94 B Dr. Schiller, Bundesminister 97 D Dr. Apel (SPD) 104 B Dr. Schmitt-Vockenhausen, Vizepräsident 104 C Ertl, Bundesminister 107 B Junghans (SPD) 109 A Dr. Zimmermann (CDU/CSU) 110 D Schultz (Gau-Bischofsheim) (FDP) 113 C Schmidt, Bundesminister 115 A Mattick (SPD) 117 C Borm (FDP) 119 D Dr. Gradl (CDU/CSU) 121 B Nächste Sitzung 124 D Anlage 125 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 6. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Oktober 1969 37 6. Sitzung Bonn, den 29. Oktober 1969 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Amrehn ** 16. 11. Bergmann * 29. 10. Frau von Bothmer 29. 10. Bremm 29. 10. Dr. Dittrich * 31. 10. Frau Herklotz ** 17. 11. Gottesleben 31. 12. Dr. Jungmann 10. 11. Frau Kalinke ** 17. 11. Lücke (Bensberg) 31. 10. Frau Meermann ** 9. 11. Müller (Aachen-Land) * 30. 10. Petersen ** 17. 11. Pöhler 29. 10. Dr. Preiß 31. 10. Raffert ** 9. 11. Dr. Rinderspacher 14. 11. Schlee 31. 10. Dr. Schmidt (Offenbach) 31. 10. Weigl 31. 10. Dr. Wörner 30. 10. Frau Dr. Wolf ** 20. 11. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an einer Tagung der Interparlamentarischen Union
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Franz Josef Strauß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst darf ich mein Bedauern aussprechen und Sie um Verständnis bitten. Ich war im Laufe der letzten Tage gezwungen und werde in den kommenden Wochen gezwungen sein, das, was ich im Laufe der letzten Wochen gröblich vernachlässigt habe, nachzuholen, nämlich etwas zur Heilung meiner Unfall-



    Dr. h. c. Strauß
    folgen zu tun. Nur aus diesem Grunde bin ich heute morgen nicht hier gewesen. Ich bitte, das zur Kenntnis zu nehmen und dafür Verständnis zu haben. Ich habe nicht nur dem Hause gegenüber, sondern auch noch in einem anderen Bereich Pflichten, die ich im Augenblick etwas stärker in den Vordergrund stelle, als ich das im Laufe der letzten acht Wochen getan habe.

    (Abg. Matthöfer: Passen Sie auf, daß Sie nicht wieder ausrutschen!)

    — Ich wünsche Ihnen nicht, daß Ihnen das gleiche passiert. Sonst würden Sie wahrscheinlich Gott auf den Knien dafür danken, daß Sie bisher davon verschont geblieben sind.
    Es ist auch nicht meine Absicht, in Fortsetzung der Debatte von heute morgen und nach der Entschuldigung des Herrn Wehner und der Annahme durch den Kollegen Barzel hier etwa 01 ins Feuer zu gießen. Aber es ist meine Absicht, zu einigen der hier — ich glaube, in diesen Räumen des Bundestages zum erstenmal seit dem Jahre 1953, also nach dein Ende der ersten Legislaturperiode — umhergeisternden Parolen oder Ausdrücken, die zum Teil auch im Zusammenhang mit meiner Person stehen, wenige Worte zu sagen.
    In mehrfachem Zusammenhang ist das Wort „nationalistisch" gebraucht worden. Ich möchte nicht alle Zitate, die verfügbar sind, hier strapazieren, sondern mich mit dem Sammelbegriff „nationalistisch" begnügen.
    Ich darf hierzu ein persönliches Bekenntnis ablegen. Seit ich überhaupt mit politischen Vorgängen in Berührung gekommen bin — das war Ende der Weimarer Republik —, habe ich bis zur Stunde — und die Meinung habe ich noch nicht geändert; andere Meinungen mußte ich gelegentlich ändern — den Nationalismus für den Totengräber unseres Volkes und Europas gehalten und habe das auch in den zwölf Jahren, in denen es gefährlicher war als heute, so etwas zu sagen, im Inland überall, wo ich konnte und es ohne Lebensgefahr tun konnte, zum Ausdruck gebracht.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich bin auch heute noch der Meinung, daß das Wiederaufleben nationalistischer Ideen bei uns und anderswo — ich muß das sagen dürfen: bei uns und anderswo — und die rücksichtslose Verfolgung nationaler Interessen durch verkrustete administrative Strukturen oder rückständige Politiker eines der ernstesten Hindernisse auf dem Wege zur europäischen Einigung darstellt, deren leidenschaftlicher -- und in dem Zusammenhang möchte ich einmal ausnahmsweise sagen: fanatischer — Anhänger ich seit meinen jüngsten Jahren gewesen bin und heute angesichts der Zeichen der Zeit mehr denn je bin.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich bitte auch um Verständnis dafür, wenn ich sage, daß das, was der einzelne von uns in diesem Hause als national empfindet oder für national erachtet, von ihm nach seinem eigenen besten Wissen und Gewissen definiert und formuliert werden muß. Es kann niemand in diesem Hause — auch der
    Herr Bundeskanzler nicht — sagen: was als national vertreten werden kann, wird von mir bestimmt.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

    Ich bin durchaus der Meinung, daß ein anderer das Recht hat, etwas anders aufzufassen, als ich es auf- fasse, und ich nehme das gleiche Recht für mich in Anspruch. Der eine mag die Vertretung dieser oder jener Richtung, die Vertretung dieser oder jener Interessen für national legitim halten, und der andere mag sie für nicht legitim halten. Das ist eine Auffassungsfrage. Aber wir sollten uns gegenseitig hier kein neues Brandmal aufprägen,

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

    indem man in einer manchmal oft doch sehr wenig befriedigenden Selbstgerechtigkeit dem anderen etwas aufdrückt, was ihm einen Stempel verleiht, der im Inland ihn in die Nähe falscher Freunde drückt

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    und im Ausland eben dann sowieso Arger anrichtet.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei den Regierungsparteien.)

    Ich darf in diesem Zusammenhang sagen, sehr verehrter Herr Bundeskanzler, daß ich überall, auch in der größten Hitze des Wahlkampfes, als Sie mich mit einer Flut von Verbalinjurien — siehe München! —überschüttet haben — die mich, nebenbei, in keiner Weise geärgert haben;

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    wenn Sie meine Antwortrede vor einem etwa gleich großen Auditorium gehört hätten, hätten Sie sich bei Ihrem Sinn für Humor darüber sogar noch gefreut, nehme ich an —,

    (erneute Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    in allen Versammlungen, wo falsche Propheten aufstanden und Sie in die Nähe kommunistischer Gedankengänge gerückt haben, gesagt habe — was unzählige Zeugen beweisen können —: Ich verwahre mich dagegen, daß mein Kollege Brandt oder daß der Vorsitzende einer großen demokratischen Partei, den ich heute scharf kritisiert habe, in die Nähe solcher Überlegungen gerückt oder in einem solchen Zusammenhang genannt wird; dafür gibt es weder objektive Anzeigen, noch hat er es subjektiv verdient.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Und genau dasselbe sollte vice versa geschehen, wenn bei Ihren oft sehr eifrigen Helfershelfern — solchen, die Sie kennen, und solchen, die Sie nicht kennen; auch ich habe manche, die mir Ärger machen —,

    (Heiterkeit)

    dann dasselbe von mir im Zusammenhang mit dem Begriff „nationalistisch" geschieht. Das wollte ich in diesem Zusammenhang gesagt haben. Auch Sie, sehr geehrter Bundeskanzler, wissen ganz genau, daß einer Ihrer Hauptmitstreiter — vielleicht sogar Mitformulierer der Regierungserklärung, wenn ich an gewisse stilistische Formulierungen denke —

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)




    Dr. h. c. Strauß
    den damaligen Bundeskanzler in einer amerkanischen Fernsehsendung öffentlich in einer Weise beschimpft hat, wie es deutschen Interessen nur abträglich sein konnte.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Erstens hat der Mann das nicht verdient, und zweitens ist dieses Programm vor Millionen von amerikanischen Fernsehzuschauern abgelaufen und in sämtlichen Korrespondenzen und Nachrichtendiensten rund um die Welt gegangen. Er selber hat in Deutschland keinen Schaden daran genommen; er hat auch im Ausland bei seinen Freunden keinen Schaden genommen. Aber solche Dinge tragen dann zur Verhärtung eines Vorurteils bei, dessen Opfer wir alle sind, wenn wir legitime nationale Interessen zu vertreten haben.

    (Abg. Haase [Kassel] : Sehr gut!)

    Deshalb fällt mir auch keine Perle aus der Krone, wenn ich sage, daß das von mir verwendete Manuskript gegen Sie nichts anderes enthielt als das, was ich an sich immer im Zusammenhang mit bestimmten Vorgängen gesagt habe, nämlich daß mir bestimmte Denkweisen und Ziele illusionär erscheinen. Wenn das Wort „illusionär" in der Übersetzung mit „pipedream" kommt und von dort als „Hirngespinste" zurückkommt, so möchte ich ausdrücklich versichern, Herr Bundeskanzler, daß ich das Wort „Hirngespinste" in deutscher Sprache oder in englischer Sprache gegen Sie nicht verwandt habe und nicht verwenden würde, auch wenn man in einigen Einzelfragen, die im Zusammenhang mit dieser Debatte nicht von mir vertreten werden, sicherlich verschiedener Meinung ist, u. a. auch in der Frage zweier deutscher Staaten und in der Frage unseres Anmarschweges zur europäischen Sicherheitskonferenz und europäischen Friedensordnung. Aber das wollte ich ausdrücklich gesagt haben, damit hier keine falschen Vorstellungen bestehen. Wenn man sich über dieses oder jenes ärgert, so darf ich sagen, daß ich nach der an sich sehr kurzen Passage in meiner längeren Rede in South Carolina ja in den Pressediensten der beiden heutigen Regierungsparteien heftig kritisiert worden bin. Ich habe in unserem Pressedienst darauf geantwortet. Aber das ist doch nicht Gegenstand parlamentarischer Verhandlung. In diesem Hause habe ich, Herr Kollege Brandt, im Zusammenhang mit Ihnen nie einen Ausdruck gebraucht, um dessentwillen ich mich nach § 36 der Geschäftsordnung hier vor diesem Hohen Hause hätte entschuldigen müssen. Was in den Parteikämpfen, was in Reden, was in Korrespondenzen und Parteiorganen, die wir alle nicht unter Kontrolle haben, oft an gegenseitigen Vorwürfen erhoben wird, das mag auch weiterhin außerhalb dieses Hauses im Rahmen der möglichen Grenzen — —

    (Zurufe von der SPD: Ja, ja!)

    — Aber natürlich! Wollen Sie vielleicht haben, daß alles, was von sozialdemokratischer Propaganda außerhalb dieses Hauses verbreitet wird, von uns hier zur Sprache gebracht wird?

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Dann müßten Sie mich allein acht Tage lang anhören, um dann vier Wochen erwidern und sich entschuldigen zu können.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

    Deshalb möchte ich sagen, daß wir in bestimmten Sachfragen durchaus verschiedener Meinung sind. Ich verhehle auch nicht, daß ich über den Wandel vom September 1968, als noch die damaligen Regierungsparteien in schroffster Weise die Anerkennung der Existenz von zwei deutschen souveränen Staaten leidenschaftlich abgelehnt haben, bis zu der neuen Formel, die ohne Absprache mit der heutigen Oppositionspartei entstanden ist und uns per Rundfunk und Fernsehen bekanntgeworden ist, tief erschüttert war. Das geht sicherlich nicht nur mir so, sondern das geht auch einer ganzen Reihe von Bürgern in unserem Volk so, nicht zuletzt den Mitgliedern der Fraktion, der ich angehöre. Es gäbe noch eine Reihe weiterer Beispiele dieser Art.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich habe mich nur dagegen verwahrt, in die Nähe einer Richtung gerückt zu werden, der ich in meinem Leben nie nahegestanden habe,

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU)

    gerade angesichts der Tatsache - und ich darf das ruhig einmal sagen, ohne als sentimental gelten zu wollen —, daß ich aro 30. Januar 1933 nachmittags von meinem Vater, der ein kleiner Mann war, der nicht zu den Größen der Gesellschaft, heute würde man sagen: nicht zum Establishment gehörte, mit der Frage empfangen worden bin: „Weißt Du, daß heute der Hitler Reichskanzler geworden ist?" — Ich sagte: „Nein, das weiß ich noch nicht." — Da sagte er mir: „Da sage ich Dir eines: das bedeutet Krieg, und dieser Krieg bedeutet den Untergang Deutschlands."
    Aus dieser Meinung heraus bin ich sechs Jahre vor dem Krieg durch die damaligen Schulen und Universitäten gegangen, weil ich keine andere Möglichkeit hatte. Ich nehme es niemandem übel, der andere Möglichkeiten hatte; das habe ich immer gesagt. Ich hätte gern noch andere Möglichkeiten wahrgenommen. Ich bin dann sechs Jahre in diesem Krieg einfach dem Gestellungsbefehl gefolgt.
    Deshalb war ich natürlich auch betroffen, Herr Bundeskanzler, als Sie — wenn Sie schon außenstehende Dinge zitieren — bei der bekannten Fernsehsendung sagten, Sie seien Europäer gewesen, als andere noch das Lied gesungen hätten: „Siegreich woll'n wir Frankreich schlagen, sterben als ein tapfrer Held". Ich bin damals auch Europäer gewesen. Ich habe mit blutendem Herzen gesehen, wie dieser Krieg Millionen von Menschen verschlungen, wie er Dutzende von Städten zerstört, wie er Hunderte und Tausende von Dörfern vernichtet hat. Aber wir sollten doch endlich, was die Vergangenheit betrifft — das war ja auch der Sinn der Großen Koalition —, einen dicken Schlußstrich unter alles ziehen, was gewesen ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Sie werden von mir noch nie gehört haben, daß ich Ihren anderen Lebensweg Ihnen öffentlich oder



    Dr. h. c. Strauß
    im kleinen Kreise vorgehalten habe. Aber ich möchte auch nicht erleben, daß der Lebensweg, den ich gar nicht freiwillig gegangen bin, sondern der mir in jenen Jahren reglementiert, und zwar vom Atlantik bis zur Wolga und wieder zurück, vorgeschrieben worden ist, mir etwa noch als eine Belastung vorgehalten wird.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von Kai-Uwe von Hassel
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe natürlich nicht nur mit großem Interesse, sondern auch mit Befriedigung gehört, was der Vorsitzende der Christlich-Sozialen Union, Herr Kollege Dr. Strauß, zu dem in der Tat auch häufig mißverstandenen und mißverständlich angewandten Begriff des Nationalismus und in Verbindung mit der Rede in South Carolina gesagt hat. Ich nehme das so hin, wie es ist, und gehe davon aus, daß der Text, den ich hatte, dann das nicht richtig wiedergibt. Ich habe nicht einen Text der Übersetzung aus dem Englischen gehabt. Aber für mich genügt das, was dazu gesagt worden ist.
    Ich habe nicht die Absicht gehabt, Herrn Kollegen Strauß zu diffamieren, als ich über sein Votum in der Frage der Aufwertung der Deutschen Mark sagte, daß auch andere als sachliche, ganz auf die Sache bezogene Erwägungen eine Rolle gespielt haben könnten. Ich habe damit gemeint — und muß das hier erklären dürfen —, daß meiner Überzeugung nach dabei die europapolitischen und die auf das Weltwährungssystem bezogenen Gesichtspunkte zu kurz gekommen sind und daß dies zu einer Entscheidung mit beitrug, von der ich glaube, daß sie unrichtig war, so wie andere guten Grund gehabt haben, etwas anderes zu glauben.
    Meine Damen und Herren, auf Presseäußerungen, die heute Vormittag eine Rolle gespielt haben, werde ich an anderer Stelle zurückkommen. Ich möchte nur sagen, während dieser Mittagspause hat mich die dpa-Meldung erreicht, Herr Kollege Strauß, die lautet:
    Das vom früheren Bundesfinanzminister Franz-Josef Strauß herausgegebene CSU-Organ ,Bayernkurier' erschien am Mittwoch
    — das ist heute —
    mit der über die ganze Seite reichenden Schlagzeile ,Brandt als Kanzler des Ausverkaufs'.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Das wußte ich heute morgen gar nicht, sondern heute morgen stützte ich mich auf die Nummer, in der die Überschrift lautete: „Ausverkauf begonnen" In der ersten Passage heißt es dann, dies und das sei gegen die, die hier die Regierung gebildet haben, nötig, „damit die deutschen Interessen nicht für ein schäbiges Butterbrot veräußert werden". Zweitens heißt es, die SPD sei zu schlapp, „gegen das
    zweite Versailles, gegen den programmierten Untergang deutscher Wirtschaftskraft Front zu machen".

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Drittens: „Aber Brandt wird als Verzichtskanzler geschichtsmächtig werden."

    (Unruhe bei der SPD.)

    Viertens heißt es schließlich: „Die Koalition von FDP und SPD wird das historische Verdienst haben, die Bundesrepublik an den Eingang zum Sowjetsystem gerückt zu haben."

    (Pfui-Rufe von der SPD.)

    Herr Kollege Strauß, ich nehme zur Kenntnis, daß Sie sich damit nicht identifizieren, aber da, wie auch die dpa-Meldung wieder deutlich macht, dieses Blatt in Ihrer Verantwortung herausgegeben wird, wäre es — auch der künftigen Zusammenarbeit in diesem Hause wegen — gut, wenn deutlich würde, daß das Blatt, obwohl in Ihrer Verantwortung herausgegeben, insoweit nicht Ihre Auffassung wiedergibt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Im übrigen gehe ich meinerseits davon aus, daß kein Mitglied des Deutschen Bundestages eine Politik im Sinne Hugenbergs treiben will, wobei für den geschichtlich Interessierten sogar noch hinzuzufügen wäre, daß gewiß auch dieser Politiker der Weimarer Zeit eine nuanciertere Beurteilung verdient haben könnte, als sie einem manchmal selbst unterläuft. Aber das mag auf sich beruhen. Ich erkläre noch einmal die Bereitschaft der ganzen Bundesregierung zur sachlichen und offenen Zusammenarbeit mit allen Fraktionen des Hauses.

    (Beifall bei den Regierungsparteien und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)