Rede von
Dr.
Carl
Hesberg
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine große Tageszeitung hat vor einigen Wochen geschrieben, daß die Stadt- und Dorferneuerung wenig Gegner habe. Auch meine Freunde stehen der Gesetzesvorlage positiv gegenüber.
Wir haben schon im Jahre 1961 die Tatsache begrüßt, daß der damalige Wohnungsbauminister Paul Lücke den Bundeskanzler Adenauer zu bewegen vermochte, diese Aufgabe der Stadt- und Dorferneuerung in das Programm der Bundesregierung zu übernehmen. Es kam dann, wie Sie alle wissen, schon im Jahre 1963 zu der Vorlage dieses Gesetzes, welches aber über den Bundesrat nicht hinauskam. Wir haben es sehr bedauert, daß diese Vorlage an der mangelnden Finanzierungsgrundlage scheiterte. Wir haben es ebenso bedauert, daß Herr Kollege Dr. Bucher als Nachfolger von Minister Lücke an der gleichen Klippe gescheitert ist.
Auch zur Vorlage der derzeitigen Bundesregierung hat es der Bundesrat nicht an deutlicher Kritik an den Finanzierungsbestimmungen fehlen lassen, Einwendungen, die schon bei den Vorlagen von Herrn Minister Lücke und Herrn Bucher maßgebend waren. Ich werde noch auf diesen Teil der Vorlage zurückkommen. An dieser Stelle möchte ich nur dem lebhaften Bedauern meiner Freunde darüber Ausdruck geben, daß die Einbeziehung der Stadt- und Dorferneuerung in die Gemeinschaftsaufgaben bei den Vorberatungen mit den Ländern gescheitert ist. Mit dieser Einbeziehung wäre eine sichere Basis für dieses -Aufgabengebiet gegeben.
Unsere Einstellung zum Entwurf der Bundesregierung ist von den gleichen Grundsätzen getragen, die unsere Wohnungspolitik bis auf den heutigen Tag bestimmt haben und auch weiter bestimmen werden. Nach unserer Auffassung ist es eine vorrangige Aufgabe des sozialen Rechtsstaates, ungesunde Wohnungsverhältnisse, die in den zu sanierenden
Wohnungsgebieten unserer Städte ,und der kleinen Gemeinden leider noch in beträchtlichem Umfang anzutreffen sind, in einem möglichst knappen Zeitraum zu beseitigen. Unzulängliche Wohnungsverhältnisse in zu dicht besiedelten Gebieten beeinträchtigen nicht nur die Gesundheit der Bewohner, sondern auch deren Familienleben. Das Wohnen in sanierungsreifen Wohngebieten muß zudem angesichts der qualitativen Entwicklung unserer Wohnungsproduktion in den zurückliegenden Jahren mit zur Kritik an unserer Gesellschaftsordnung beitragen.
Ein soziales Anliegen ist es natürlich für uns, den Bewohnern der Sanierungsgebiete die Sorge zu nehmen, daß ihnen Belastungen für das Wohnen bevorstehen, die mit ihren Einkommensverhältnissen nicht vereinbar sind. Ich hebe das deswegen hervor, weil diese Sorge häufig schon an uns herangetragen worden ist. Es wird zwar noch nicht saniert, aber schon eifrig mit Plänen jongliert. Deswegen erscheint es mir geboten, an dieser Stelle festzustellen, wie sehr wir uns dieses soziale Anliegen für die Beratungen vormerken.
Es ist unmöglich, zu Bedingungen zu sanieren, die sich ergeben, wenn die unrentierlichen Kosten bei der Sanierung der Wohngebiete nicht abgefangen werden. Hier ist soeben schon darauf hingewiesen worden, daß diese Kosten im Schnitt ungefähr 30 % ausmachen. Auf die Kosten insgesamt will ich nicht eingehen. Ich stimme dem Herrn Minister darin zu, daß wir erst endgültige Angaben durch die Wohnungszählung gewinnen werden. Immerhin muß eines nach meiner Überzeugung gewährleistet werden: gerade auf dem Wohnungssektor sind die unrentierlichen Kosten abzufangen und normale Kosten der Wohnungserstellung, wie wir sie heute im Wohnungsbau haben, zugrunde zu legen.
Unsere Wohnungsbaupolitik war bisher auch von dem gesellschaftspolitischen Grundsatz getragen, Eigentum zu erhalten bzw. neues Eigentum soweit wie möglich zu schaffen. Wir haben dadurch Vertriebenen und Kriegssachgeschädigten zu neuem Eigentum verholfen.
Unter diesen Aspekten sehen wir auch die Existenzsorgen der gewerblichen Mieter und der Hausbesitzer in den Sanierungsgebieten, sei es der mittelständische Gewerbetreibende und Handwerker oder seien es die mittelständischen Grundeigentümer, denen der Haus- und Grundbesitz im Sanierungsgebiet eine bescheidene Altersversorgung gewährleistet. Wie diesem berechtigten Anliegen Rechnung getragen werden kann, bedarf sorgfältiger Überprüfung in den Ausschußberatungen. Denn weit wichtiger als die Gewährleistung von Umzugskosten und dergleichen mehr ist die Sicherung und Erhaltung solcher Existenzen, die unter den gegebenen volkswirtschaftlichen Bedingungen ihre Daseinsberechtigung erwiesen haben.
Was insbesondere die von der Sanierung betroffenen Grundeigentümer anbelangt, begrüßen wir sowohl die Bestimmung in § 1 Abs. 4 der Vorlage, daß sie Träger der Sanierung sein sollen, als auch
10838 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 201. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Dezember 1968
Dr. Hesberg
das Reprivatisierungsgebot. Wir sind aber der Ansicht, daß es noch eingehender Überprüfung in den Ausschußberatungen bedarf, ob diese Bestimmungen des Gesetzentwurfs die Verwirklichung dieser Zielsetzungen in vollem Umfange gewährleisten.
Je weniger Bund, Länder und Gemeinden in der Lage sein werden, die Sanierungsmaßnahmen finanziell ausreichend zu fördern, desto mehr werden sie genötigt sein, die Initiative der Eigentümer in den Sanierungsgebieten anzuregen, die Erneuerungsvorhaben zu verwirklichen. Weit davon entfernt, spekulative Tendenzen fördern zu wollen — wir wollen, daß mit der Sanierung keine großen Sanierungsgewinne gemacht werden, das lehnen wir alle entschieden ab —, sehen wir auf der anderen Seite in zu starren Vorschriften die Gefahr einer Überstrapazierung der Gerichte. Es mehren sich die prozessualen Auseinandersetzungen, wenn man hinsichtlich der Enteignungsentschädigung zuviel Dirigismus walten läßt.. Nur dann wird der einzelne an die Sanierung herangehen wollen und können, wenn er in einer Weise behandelt wird, die jeden Gedanken an ungerechte Behandlung von vornherein ausräumt.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat gut daran getan, manche Vorschriften des ersten Entwurfs aus der Vorlage zu eliminieren, die nach Ansicht des Bundesrates — der meine Freunde beipflichten — die Eingriffe in Privateigentum überziehen. Ich denke hier u. a. an das Abbruchgebot bereits vor Vorliegen eines Sanierungsplanes, ich denke weiter an die Vorschriften über das Grunderwerbsrecht der Gemeinden und die Einlassungen des Bundesrates zum Modernisierungsgebot, nicht zuletzt aber auch an die Empfehlung, eine Entschädigungsregelung für die Fälle scheiternder Sanierungsprojekte in Aussicht zu nehmen.
Ergänzend zu den Einlassungen des Bundesrates möchte ich meinen, daß es bei den Ausschußberatungen auch notwendig sein wird, die Vorschriften über die Sanierungsträger zu überprüfen. Es ist nicht einzusehen, daß gemeinnützige Wohnungsunternehmen per se anerkannt werden können, während sich leistungsfähige, große, gut arbeitende private Wohnungsunternehmen langen Prüfungen unterziehen müssen.
Die Bundesregierung war gut beraten, daß sie dem größten Teil der Einlassungen des Bundesrates Rechnung getragen hat.
Die Konzeption des dem Bundestag jetzt vorliegenden Gesetzentwurfs greift, wie die Ausführungen von Herrn Minister Lauritzen dargetan haben, über das ehedem ausschließliche Ziel, abbruchreifen Gebäudebestand in Stadt und Land zu sanieren, weit hinaus. Die Neuordnungsmaßnahmen sollen sich bekanntlich künftig auch auf solche Baugebiete erstrecken, in denen sich ein Struktur- oder Funktionswandel vollzogen hat. Dasselbe gilt auch für die Ausweitung der Maßnahmen im ländlichen Raum, wo nicht nur abbruchreifer Gebäudebestand saniert werden soll. Hier ist der Umfang weit größer, als im allgemeinen angenommen wird. Auch hier sollen die Entwicklungsmaßnahmen gemäß den Plänen der
Raumordnung und Landesplanung mit in die Förderung nach diesem Gesetz einbezogen werden.
Jeder von Ihnen, meine Damen und Herren, wird so viele praktische Erfahrungen gesammelt haben, um zu erkennen, welche finanzielle Größenordnung hier bei all den gestellten Aufgaben auf uns zukommt. Ich versage es mir daher, wiederholt genannte Schätzungen über die Gesamtkosten und insbesondere über die sogenannten unrentierlichen Kosten hier noch klarzustellen. Ich möchte nur klarstellen, daß für die verschiedenen Ziele dieses Gesetzes ungewöhnlich hohe Geldsummen erforderlich sind. Angesichts der gegebenen Situation auf dem Gebiete der Finanzierung scheint es mir überlegenswert zu sein, ob man nicht bei der Rangordnung, die hier zu beobachten ist, die Sanierung in den Vordergrund stellen sollte.
Wir sollten uns aber vor allen Dingen auch überlegen, bei der Finanzierung nicht nur von den Vorschriften auszugehen, die in der Vorlage vorgesehen sind. Sie dürften nicht ausreichend sein. Wir sollten uns überlegen, ob und inwieweit die im sozialen Wohnungsbau oder sonstwie eingesetzten Mittel dieser Aufgabe der Sanierung und Erneuerung nutzbar gemacht werden können. Wir waren ja auch sehr findig, als es galt, bei der Wohnungsnot unmittelbar nach dem Kriegsende steuerliche Maßnahmen zu ergreifen, die die Privatinitiative entsprechend anfachten. Wir sollten in den Beratungen, die uns hier bevorstehen, auch diese Frage eingehend untersuchen, um auf diese Weise mehr Sicherheit zu bekommen, daß die Mittel zur vollen Deckung der unrentierlichen Kosten auch aufgebracht werden können und eine Abwicklung in einer Zeit möglich ist, die nicht mit dem St. Nimmerleinstag endet.
Lassen Sie mich zum Abschluß noch ein grundsätzliches Wort sagen. Die Städtebauförderung muß in das Ordnungsbild der sozialen Marktwirtschaft hineinpassen, sie muß kleinen, mittleren und großen Unternehmen angemessene Chancen geben. Eine Finanzierung sollte nicht ausschließlich eine Sache der Kapitalstarken werden, eine gesunde Mischung wäre -das Richtige. Den Mittelstand zu enteignen und auf dem Weg staatlich fixierter Abfindungen an -den Stadtrand zu verdrängen, wäre nicht im Sinne des Ordnungsbildes der sozialen Marktwirtschaft. Hier muß sich -der Gesetzgeber um Lösungen bemühen, die jegliche Möglichkeit der Benachteiligung kleinerer und mittelständischer Existenzen ausschließt. Die Städtebauförderung muß unter allen Umständen zu Lebens- und funktionsfähigen Neugestaltungen führen und darf nicht erneut Anlaß zur Unzufriedenheit mit der Entwicklung unserer Städte geben.
Nur auf dem Wege der gerechten Abwägung aller Interessen leisten wir -der Sache, um die es hier geht, einen guten Dienst. Nichts sollte zu kurz kommen, weder der Wohnungsbau noch -die gewerblichen, administrativen und infrastrukturellen Einrichtungen. Wenn Sie mich fragen, wo ein Schwergewicht liegen sollte, möchte ich Ihnen zur Antwort geben: nicht bei -den Fassaden, sondern, um es zu wiederholen, bei der Rentierlichkeit. Mit Sorgenkindern städtebaulicher Planung unid ihrer Verwirk-
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lichung tun wir niemandem einen Gefallen, weder den Gemeinden noch den Ländern und auch nicht dem Bund. Gesundete Gemeindebereiche werden aber wieder leistungsfähige Steuerzahler sein.
Meine Damen und Herren, ich sage das deswegen, weil in diesem Jahre — im März — 50 Jahre vergangen sind, seit im Deutschen Reichstag das Wohnungsgesetz verabschiedet worden ist, ein Gesetz, das auch zurückging auf ,die Sanierungswünsche der Wohnungsreformer und auch der Kommunalpolitiker. Wir haben damals ein Polizeistaatsgesetz bekommen, das keine öffentliche Förderung für den Wiederaufbau vorsah, sondern nur die Stillegung dieser Gebäude für Wohnzwecke. Die Wohnungsnot nach dem ersten Weltkrieg hat es nicht ermöglicht, diese Aufgabe in Angriff zu nehmen. Hitler hat dann nach 1933 andere Aufgaben für wichtiger gehalten. Wir sollten es uns nun nach über 20jähriger Tätigkeit im Interesse des sozialen Wohnungsbaus angelegen sein lassen, dieser Frage, die in ihrer Bedeutung der Frage der Wohnungsneubautätigkeit gleichgewichtig ist, unsere ganz besondere Aufmerksamkeit entgegenzubringen.
Namens der CDU kann ich zum Ausdruck bringen, daß wir eine gründliche, aber auch zügige Beratung wünschen und daß wir beantragen, diese Vorlage dem Ausschuß für Kommunalpolitik, Raumordnung, Städtebau und Wohnungswesen als federführendem Ausschuß zu überweisen und mitwirken zu lassen den Rechtsausschuß und den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie .den Haushaltsausschuß nach § 96 der Geschäftsordnung. Die Bildung eines Sonderausschusses für diese Aufgaben lehnt unsere Fraktion ab.