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ID0518623400

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    Deutscher Bundestag 186. Sitzung Bonn, den 26. September 1968 Inhalt: Amtliche Mitteilung . . . . . . . . 10065 A Fragestunde (Drucksache V/3277 [neu]) Frage des Abg. Meister: Preisbindung und Preisrichtsätze beim landwirtschaftlichen Grundstücksverkehr 10065 B Fragen des Abg. Dr. Hauser (Sasbach) : Ausgleichsabgabe für Frischfleisch Höcherl, Bundesminister . . . . 10065 C, D Fragen des Abg. Reichmann: Pflaumen- und Zwetschenerzeugung in Haus- und Kleingärten — Geschenk- und Sozialinterventionen auf Grund des EWG-Fonds Höcherl, Bundesminister . 10066 A, B, C, D, 10067 A Reichmann (FDP) . . . 10066 D, 10067 A Frage des Abg. Weigl: Erzeugerpreise für Schweinefleisch . . 10067 B Frage des Abg. Weigl: Berechnung des Unfallgenossenschaftsbeitrages 10067 B Frage des Abg. Weigl: Berücksichtigung der Steigerung der Beiträge bei Rentenanpassungen . . . 10067 C Frage der Abg. Frau Dr. Diemer-Nicolaus: Strafaussetzung zur Bewährung oder Umwandlung in Geldstrafen bei Freiheitsstrafen-Urteilen gegen Kraftfahrer wegen Alkoholeinfluß am Steuer Dr. Dr. Heinemann, Bundesminister . 10067 C Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) . . 10067 D Fragen des Abg. Fritz (Wiesbaden) : Haftvorschriften des § 112 StPO Dr. Dr. Heinemann, Bundesminister 10068 A, B Abg. Fritz (Wiesbaden) (SPD) . . 10068 B Fragen des Abg. Krammig: Lohnsteuerfreiheit des Haustrunkes und der Tabakdeputate Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 10068 C Frage des Abg. Opitz: Kraftfahrzeugpauschale 10068 D Frage des Abg. Genscher: Novellierung des Mehrwertsteuergesetzes Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 10069 A, B, C, D, 10070 A Genscher (FDP) 10069 B, C Frau Funcke (FDP) . . 10069 C, 10070 A Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) 10070 A . II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 186. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. September 1968 Frage des Abg. Genscher: Arbeits- und Kostenbelastung durch die Einführung der Mehrwertsteuer Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär 10070 B, C, D Genscher (FDP) 10070 C, D Frage des Abg. Dr. Imle: Mehrwertsteuer auf die Kurtaxe Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 10070 D, 10071 B, C Dr. Imle (FDP) 10071 A, B Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) 10071 B Frau Funcke (FDP) 10071 C Frage des Abg. Dr. Abelein: Finanzielle Unterstützung für Unwettergeschädigte Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 10071 D Frage des Abg. Dr. Marx (Kaiserslautern) : Vorschläge der EWG-Kommission über Erleichterungen im Reiseverkehr . . 10072 A Fragen des Abg. Kaffka: Leiter des Korruptionsreferats im Bundesverteidigungsministerium . . . . 10072 B Frage des Abg. Peiter: Zweite Standortverwaltung für den Standort Koblenz Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 10072 D, 10073 A Peiter (SPD) 10073 A, B Frage des Abg. Peters (Poppenbüll) : Dienstwohnungen in den Marine-Standorten Schleswig-Holsteins Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 10073 A Peters (Poppenbüll) (FDP) . . . . 10073 B Fragen des Abg. Barche: Zurückstellung vom Wehrdienst Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 10073 C, 10074 A Barche (SPD) 10074 A Frage des Abg. Dr. Marx (Kaiserslautern) : Provokatorische Maßnahmen von SDS-Angehörigen in der Bundeswehr Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 10074 A, B, C, D Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) . 10074 B, C Moersch (FDP) 10074 D Fragen der Abg. Dr. Apel und Dr. Meinecke: Fluglärmbelästigung am Flughafen Hamburg-Fuhlsbüttel Börner, Parlamentarischer Staatssekretär . 10074 D, 10075 A, B, C, D, 10076 A, B, C, D Dr. Apel (SPD) . . . 10075 A, D 10076 C Rawe (CDU/CSU) . . . . . . 10075 B, C Dr. Meinecke (SPD) 10076 A, B Frage des Abg. Franke (Osnabrück):: Autobahnkreuz HansaLinie/ Europa-Straße 8 Börner, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 10076 D, 10077 B Franke (Osnabrück) (CDU/CSU) . 10077 A, B Frage des Abg. Freiherr von Gemmingen: Ausbau der Bundesfernstraße 3 südlich Heidelberg Börner, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . 10077 C Frage des Abg. Schmitt-Vockenhausen: Brückenpfeiler der Eisenbahnbrücke über die Bundesstraße 43, westlich Bischofsheim Börner, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . 10077 D Fragen des Abg. Dr. Enders: Vergabe von Verkehrs- und Kraftfahrzeugversorgungsbetrieben auf der Autobahn „Rhönlinie" Börner, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 10077 D, 10078 A Memmel (CDU/CSU) 10078 A Frage des Abg. Peters (Poppenbüll) : Eiderbrücke bei Tönning Börner, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . 10078 B, C Peters (Poppenbüll) (FDP) . . . 10078 B, C Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 186. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. September 1968 III Frage des Abg. Peters (Poppenbüll) : Schienengleiche Bahnübergänge im Zuge der B 201 10078 D Frage des Abg. Ramms: Ordnung der Straßenbaulast Börner, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . 10079 A, B Ramms (FDP) . . . . . . . . 10079 A, B Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Dr. Barzel (CDU/CSU) 10079 C, 10101 C, D, 10102 A Schmidt (Hamburg) (SPD) 10088 B, 10103 C Scheel (FDP) 10098 B Berkhan (SPD) 10106 C Dr. von Merkatz (CDU/CSU) . . 10102 D Kiep (CDU/CSU) . . . . . . 10103 A Petersen (CDU/CSU) 10106 D Dr. Birrenbach (CDU/CSU) . . . 10107 B Dr. Barzel (CDU/CSU) . . . . . 10108 B Brandt, Bundesminister 10109 B Stücklen (CDU/CSU) 10116 B Genscher (FDP) . . . . . . . 10119 C Schmidt (Hamburg) (SPD) . . . 10120 A Nächste Sitzung 10120 C Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 10121 A Anlage 2 Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD zu der Erklärung der Bundesregierung vom 25. September 1968 (Umdruck 505) 10121 D Anlage 3 Entschließungsantrag der Fraktion der FDP zu der Erklärung der Bundesregierung vom 25. September 1968 (Umdruck 506) 10122 D Anlage 4 Schriftliche Erklärung des Abg. Mick (CDU/CSU) Punkt 2 der Tagesordnung 10123 D Anlage 5 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Anfragen des Abg. Schmidhuber betr. Aufforderung an die Vorstände der Zechengesellschaften an der Ruhr zum Beitritt zu der Gesamtgesellschaft . . . . 10124 B Anlage 6 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Anfragen des Abg. Hirsch betr. Konvention zum Schutze vor Luftpiraterie . . 10124 C Anlage 7 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Anfragen des Abg. Rollmann betr. Berlin-Flugtarife 10124 D Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 186. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. September 1968 10065 186. Sitzung Bonn, den 26. September 1968 Stenographischer Bericht Beginn 9.01 Uhr.
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Beurlaubungen Dr. Aigner * 26. 9. Dr. Arndt (Berlin/Köln) 27. 9. Bading * 27. 9. Bals 13. 10. Bauer (Würzburg) ** 27. 9. Berger 27. 9. Berkhan** 27. 9. Biechele 28. 9 Blumenfeld** 27. 9. Brück (Holz) ** 27. 9. Dr. Bucher 27. 9. Corterier 26. 9. Cramer 28. 9. Dr. Dahlgrün 27. 9. van Delden 28. 9. Dr. Dittrich* 28. 9. Draeger** 27. 9. von Eckardt 27. 9. Dr. Elbrächter 28. 9. Flämig** 27. 9. Frieler 7. 10. Dr. Furler** 27. 9. Haage (München) 27. 9. Hahn (Bielefeld) * 27. 9. Hellenbrock 31. 10. Frau Herklotz** 27. 9. Herold** 27. 9. Hilbert 27. 9. Hösl** 27. 9. Jacobi (Köln) 26. 9. Dr. Jaeger 28. 9. Kahn-Ackermann** 27. 9. Dr. Kempfler** 27. 9. Frau Klee** 27. 9. Dr. Kliesing (Honnef) ** 27. 9. Klinker * 27. 9. Dr. Koch 26. 9. Koenen (Lippstadt) 5. 10. Dr. Kopf ** 27. 9. Dr. Kübler** 27. 9. Lautenschlager* 4. 10. Lemmrich** 27. 9. Lenze (Attendorn) ** 27. 9. Dr. Lohmar 4. 10. Matthöfer 27. 9. Maucher 27. 9. Mauk* 27. 9. Frau Dr. Maxsein** 27. 9. Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 5. 10. Dr. von Merkatz** 27. 9. Dr. Mühlhan 27. 9. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an einer Tagung der Beratenden Versammlung des Europarats Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Müller (Aachen-Land) * 28. 9. Dr. Müller (München) ** 27. 9. Neumann (Stelle) 28. 9. Peters (Norden) 5. 10. Pöhler** 27. 9. Rehs 4. 10. Richter** 27. 9. Dr. Rinderspacher** 27. 9. Dr. Rutschke** 27. 9. Russe (Bochum) 4. 10. Sander** 27. 9. Dr. Schmidt (Offenbach) ** 27. 9. Schmidt (Würgendorf) ** 27. 9. Dr. Schulz (Berlin) ** 27. 9. Dr. Schulze-Vorberg 26. 9. Dr. Serres ** 27. 9. Steinhoff 27. 9. Dr. Steinmetz 27. 9. Stooß 27. 9. Dr. Süsterhenn 4. 10. Vogt** 27. 9. Wächter 5. 10. Dr. Wahl ** 27. 9. Walter 12. 10. Wendelborn 28. 9. Weiland 5. 10. Frau Wessel 31. 12. Wienand** 27. 9. Anlage 2 Umdruck 505 Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD zu der Erklärung der Bundesregierung vom 25. September 1968, Der Bundestag wolle beschließen: Der Bundestag stellt fest: 1. Der Deutsche Bundestag hat stets die Bemühungen der Bundesregierungen um eine konsequente und wirksame Friedenspolitik gegenüber allen Staaten unterstützt. Diese Politik ist auf eine europäische Friedensordnung gerichtet. Sie wird fortgesetzt, obgleich sie durch den Einmarsch in die Tschechoslowakei einen empfindlichen Rückschlag erlitten hat. 2. Der Deutsche Bundestag verurteilt den Einmarsch in die Tschechoslowakei als einen völkerrechtswidrigen Gewaltakt. Die Besetzung der CSSR ist ein schweres Hindernis auf dem Wege zu einer europäischen Friedensordnung. 3. Der Einmarsch in die Tschechoslowakei ist auf die einhellige Empörung der ganzen Welt gestoßen. Die Sowjetunion versucht, ihre Verantwortung für die Besetzung der Tschechoslowakei auf andere, auch auf die Bundesrepublik Deutschland, abzuschieben. Ihre haltlosen Beschuldigungen sollen offenkundig von der sowjetischen Aggression ablenken. 10122 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 186. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. September 1968 4. Die Angriffe der Sowjetunion richten sich gegen lebenswichtige Positionen der deutschen Politik, die vertraglich und politisch gemeinsam von den USA, Großbritannien, Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland vertreten werden. 5. Der Deutsche Bundestag wird zu keiner Zeit und unter keinen Umständen davon abgehen, daß das Selbstbestimmungrecht der Völker zentraler Grundsatz der internationalen Politik sein muß und durch keine militärische Macht gebeugt werden darf. Die USA, Großbritannien, Frankreich und die Bundesrepublik Deutschland haben sich im Deutschlandvertrag völkerrechtlich bindend verpflichtet, bis zum Abschluß einer friedensvertraglichen Regelung zusammenwirken, um mit friedlichen Mitteln ihr gemeinsames Ziel zu verwirklichen: Ein wiedervereinigtes Deutschland, das eine freiheitliche, demokratische Verfassung besitzt und in die Gemeinschaft ,der europäischen Völker eingebettet ist. Die Völker Europas werden einen dauerhaften und gerechten Frieden nicht finden, solange unserem Volke ,die Teilung aufgezwungen bleibt. 6. Unsere Verbündeten und die ganz überwiegende Mehrheit der Völker haben bekundet, das sie die Bundesregierung als die einzige deutsche Regierung ansehen, die frei und rechtmäßig gebildet ist. Sie spricht auch für jene, ,denen mitzuwirken bisher versagt ist. Die Anerkennung des anderen Teiles Deutschlands als Ausland oder als zweiter souveräner Staat deutscher Nation kommt nicht in Betracht. 7. Der Deutsche Bundestag wird alle Verhandlungen und Maßnahmen der Bundesregierung unterstützen, die zum Wohle der Menschen im gespaltenen Deutschland und im Interesse des Zusammenhaltes der Nation möglich sind. 8. Der Deutsche Bundestag hält fest am Viermächtestatus für ganz Berlin und weist Versuche, das freie Berlin politisch und rechtlich zu isolieren, zurück. Der Deutsche Bundestag fördert die Bemühungen der Bundesregierung, die drei Westmächte bei ,der Ausübung ihrer Verantwortlichkeiten für die Erhaltung des ungehinderten freien Zugangs nach Berlin sowie der Sicherheit und Lebensfähigkeit der Stadt zu unterstützen. Desgleichen tritt er ,dafür 'ein, daß die engen gewachsenen Bindungen zwischen Berlin und dem Bund gewahrt und gefördert werden. 9. Der Deutsche Bundestag bekräftigt die Erklärung der Bundesregierung vom 13. 12. 1966 über unseren Willen zur Aussöhnung und zum friedlichen Zusammenleben des deutschen Volkes mit dem polnischen Volke und mit den Völkern der CSSR. 10. Sicherheit und Freiheit der Bundesrepublik Deutschland beruhen auf dem atlantischen Bündnis. Der Deutsche Bundestag wird deshalb alle notwendigen Anstrengungen der Bundesregierung unterstützen, die atlantische Allianz zu festigen und zu stärken. Er spricht die Erwartung aus, daß einseitige Verminderungen der Streitkräfte der Allianz in Europa unterbleiben. 11. Der Deutsche Bundestag tritt für internationale Vereinbarungen über gleichwertige Maßnahmen zur Rüstungskontrolle, Rüstungsbegrenzung und Abrüstung ein. Die Bundesrepublik Deutschland hat gegenüber ihren Bündnispartnern von atomaren, biologischen und chemischen Waffen verzichtet und sich entsprechenden internationalen Kontrollen unterworfen. Sie strebt keine nationale Verfügungsgewalt über Atomwaffen und keinen nationalen Besitz an solchen Waffen an. 12. Das Grundgesetz verbietet die Störung des friedlichen Zusammenlebens der Völker und den Angriffskrieg. Die Bundesrepublik Deutschland richtet ihre Politik an den Grundsätzen der Satzung der Vereinten Nationen aus. Der Deutsche Bundestag lehnt Gewalt als Mittel der Politik ab. 13. Kein anderer Staat hat das Recht, sich in die inneren Angelegenheiten der Bundesrepublik Deutschland einzumischen oder gar mit Gewalt zu intervenieren. Gegen eine sowjetische Bedrohung schützt uns das nordatlantische Bündnis. 14. Die bestehenden europäischen Gemeinschaften müssen im Innern ausgebaut, miteinander verschmolzen und erweitert werden. 15. Nur in enger Zusammenarbeit aller Völker Europas wird unser Kontinent eine Ordnung des Friedens schaffen und seinen politischen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und kulturellen Einfluß in ,der Welt wahren und stärken können. Dann erst kann Europa ,den Beitrag zur Lösung der großen Probleme dieser Welt leisten, der von unserem Kontinent erwartet wird. Bonn, den 25. September 1968 Dr. Barzel und Fraktion Schmidt (Hamburg) und Fraktion Anlage 3 Umdruck 506 Antrag der Fraktion der FDP zu der Erklärung der Bundesregierung vom 25. September 1968. Der Bundestag wolle beschließen: Der Bundestag stellt fest: 1. Der Deutsche Bundestag hat stets die Bemühungen der Bundesregierungen um eine konsequente und wirksame Friedenspolitik gegenüber allen Staaten unterstützt. Diese Politik ist auf eine europäische Friedensordnung gerichtet: Sie wird fortgesetzt, obgleich sie durch den Einmarsch in die Tschechoslowakei einen empfindlichen Rückschlag erlitten hat. 2. Der Deutsche Bundestag verurteilt den Einmarsch in die Tschechoslowakei als einen völ- Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 186. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. September 1968 10123 kerrechtswidrigen Gewaltakt. Die Besetzung der CSSR ist ein schweres Hindernis auf dem Wege zu einer europäischen Friedensordnung. 3. Der Einmarsch in die Tschechoslowakei ist auf die einhellige Empörung der ganzen Welt gestoßen. Die Sowjetunion versucht vergeblich, ihre Verantwortung für die Besetzung der Tschechoslowakei auf andere, auch auf die Bundesrepublik Deutschland, abzuschieben. Ihre haltlosen Beschuldigungen sollen offenkundig von der sowjetischen Aggression ablenken. 4. Die Angriffe der Sowjetunion richten sich gegen lebenswichtige Positionen der deutschen Politik, die vertraglich und politisch gemeinsam von den USA, Großbritannien, Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland vertreten werden. 5. Der Deutsche Bundestag wird zu keiner Zeit und unter keinen Umständen davon abgehen, daß das Selbstbestimmungsrecht der Völker zentraler Grundsatz der internationalen Politik sein muß und durch keine militärische Macht gebeugt werden darf. Die USA, Großbritannien, Frankreich und die Bundesrepublik Deutschland haben sich im Deutschlandvertrag völkerrechtlich bindend verpflichtet, bis zum Abschluß einer friedensvertraglichen Regelung zusammenzuwirken, um mit friedlichen Mitteln ihr gemeinsames Ziel zu verwirklichen: Ein wiedervereinigtes Deutschland, das eine freiheitliche, demokratische Verfassung besitzt und in die Gemeinschaft der europäischen Völker eingebettet ist. Die Völker Europas werden einen dauerhaften und gerechten Frieden nicht finden, solange unserem Volke die Teilung aufgezwungen bleibt. 6. Es entspricht dem Willen des ganzen deutschen Volkes und dem Verfassungsauftrag des Grundgesetzes, daß die Bundesrepublik Deutschland den anderen Teil Deutschlands nicht völkerrechtlich als Ausland anerkennt. 7. Der Deutsche Bundestag wird alle Verhandlungen und Maßnahmen der Bundesregierung unterstützen, die zum Wohle der Menschen im gespaltenen Deutschland und im Interesse des Zusammenhaltes der Nation möglich sind. 8. Der Deutsche Bundestag hält fest am Viermächtestatus ganz Berlins und weist Versuche, das freie Berlin politisch und rechtlich zu isolieren, zurück. Der Deutsche Bundestag fördert die Bemühungen der Bundesregierung, die drei Westmächte bei der Ausübung ihrer Verantwortlichkeiten für die Erhaltung des ungehinderten freien Zugangs nach Berlin sowie der Sicherheit und Lebensfähigkeit der Stadt zu unterstützen. Desgleichen tritt er dafür ein, daß die engen Bindungen zwischen Berlin und dem Bund gewahrt und gefördert werden. 9. Der Deutsche Bundestag bekräftigt die Erklärung der Bundesregierung vom 13. 12. 1966 über unseren Willen zur Aussöhnung und zum friedlichen Zusammenleben des deutschen Volkes insbesondere mit dem polnischen Volke und mit den Völkern der CSSR. 10. Sicherheit und Freiheit der Bundesrepublik Deutschland beruhen auf dem atlantischen Bündnis. Der Deutsche Bundestag wird deshalb alle notwendigen Anstrengungen der Bundesregierung unterstützen, die atlantische Allianz zu festigen und zu stärken. Er spricht die Erwartung aus, daß einseitige Verminderungen der Streitkräfte der Allianz in Europa unterbleiben. 11. Der Deutsche Bundestag tritt für internationale Vereinbarungen über gleichwertige Maßnahmen zur Rüstungskontrolle, Rüstungsbegrenzung und Abrüstung ein. Die Bundesrepublik Deutschland hat gegenüber ihren Bündnispartnern auf die Herstellung von atomaren, biologischen und chemischen Waffen verzichtet und sich entsprechenden internationalen Kontrollen unterworfen. Sie strebt keine nationale Verfügungsgewalt über Atomwaffen und keinen nationalen Besitz an solchen Waffen an. 12. Das Grundgesetz verbietet die Störung des friedlichen Zusammenlebens der Völker und den Angriffskrieg. Die Bundesrepublik Deutschland richtet ihre Politik an den Grundsätzen der Satzung der Vereinten Nationen aus. Der Deutsche Bundestag lehnt Gewalt als Mittel der Politik ab. 13. Kein anderer Staat hat das Recht, sich in die inneren Angelegenheiten der Bundesrepublik Deutschland einzumischen oder gar mit Gewalt zu intervenieren. Gegen eine sowjetische Bedrohung mit Gewalt schützt uns das nordatlantische Bündnis. 14. Die bestehenden europäischen Gemeinschaften müssen im Innern ausgebaut, miteinander verschmolzen und erweitert werden. 15. Nur in enger Zusammenarbeit aller Völker Europas wird unser Kontinent eine Ordnung des Friedens schaffen und seinen politischen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und kulturellen Einfluß in der Welt wahren und stärken können. Dann erst kann Europa den Beitrag zur Lösung der großen Probleme dieser Welt leisten, der von unserem Kontinent erwartet wird. Bonn, den 26. September 1968 Mischnick und Fraktoin Anlage 4 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Mick (CDU/CSU) zu Punkt 2 der Tagesordnung. Als ich am heutigen Morgen das Bundeshaus durch den Eingang I betreten wollte, standen dort zwei junge Männer, auf Brust und Rücken ein Pla- 10124 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 186. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. September 1968 kat, in einer Hand eine Sammelbüchse für Spenden für die Verhungernden in Biafra. Ich sah, daß neben dem Bundesaußenminister viele prominente Politiker dieses Hauses ihre Brieftasche oder ihre Geldbörse zückten und überdies den jungen Leuten die Hand gaben. Auf einem, den Abgeordneten überreichten Flugblatt wurde die Bitte geäußert, bei der heutigen Debatte über die Außenpolitik, die ein Beitrag zur internationalen Friedenspolitik sein soll, den Menschenmord in Biafra nicht auszuklammern, weil dadurch noch Millionen Menschenleben zu retten wären. In dem Flugblatt heißt es wörtlich: 1. Verstärkung der humanitären Hilfe. Das Diakonische Werk, die Caritas und das Rote Kreuz haben ein Verpflegungsprogramm gestartet, auf das die biafranische Bevölkerung angewiesen ist. Dazu genügen nicht 5 Millionen DM im Dezember. Um 500 000 Flüchtlingen einen Monat lang täglich eine Mahlzeit geben zu können, werden 221/2 Millionen DM benötigt. Sie brauchen diese Mahlzeit jetzt. 2. Durchsetzung einer wirksamen internationalen Kontrolle zur Vermeidung der befürchteten Massaker und der Aushungerung. Es ist erwiesen, daß die nigerianischen Soldaten von Massakern Abstand nehmen, wenn ausländische Beobachter zusehen können. Die Bundesregierung muß in einer konzertierten Aktion die Zulassung vieler internationaler Beobachter im Kriegsgebiet durchsetzen. Sie sollte Verbindungen zu England, Frankreich, der Schweiz, Osterreich und anderen Staaten aufnehmen, um gemeinsam die mit Sicherheit eintretenden Greueltaten beim und nach dem Überrollen Rest- Biafras zu verhindern. (Wir erinnern an Ekot Ekpene.) Weil ich mir die Meinung dieser jungen Leute und des hinter ihnen stehenden Aktionskomitees Biafra voll zu eigen mache, sehe ich mich verpflichtet, diese Meinung auch dem Deutschen Bundestag mitzuteilen. Deshalb habe ich mich in diese außenpolitische Debatte eingedrängt. Anlage 5 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt vom 26. September 1968 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Schmidhuber (Drucksache V/3277 Fragen 52 und 53) : Trifft es zu, daß das Bundeswirtschaftsministerium die Vorstände der Zechengesellschaften des Steinkohlenbergbaugebietes an der Ruhr aufgefordert hat, bis zum 15. September 1968 definitiv zu erklären, ob ihre Gesellschaften der Gesamtgesellschaft beitreten werden? Ist diese Aufforderung so zu verstehen, daß ein Beitritt zur Gesamtgesellschaft nach dem 15. September 1968 nicht mehr möglich ist? Dies trifft nicht zu. Der Verhandlungskreis „Gesamtgesellschaft" hat am 14. Juni 1968 für den 15. September 1968 lediglich festgelegt, daß die einzelnen Unternehmen des Ruhrbergbaus bis dahin sich im Grundsatz zu den Modalitäten für die Bildung einer Gesamtgesellschaft erklären. Der Termin „15. September" war deshalb gewählt worden, um nach weiteren drei Monaten die notwendige Orientierungshilfe über die Beteiligungsbereitschaft des Ruhrkohlenbergbaues an der Gesamtgesellschaft zu erhalten. Daraus folgt, daß die Bereitschaftserklärung auch jetzt noch möglich ist. Anlage 6 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 26. September 1968 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Hirsch (Drucksache V/3277 [neu] Fragen 81 und 82) : Ist die Bundesregierung bereit, die Bemühungen des Internationalen Piloten-Verbandes für den Abschluß einer Konvention zum Schutze vor Luftpiraterie zu unterstützen? Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, bis zum Inkrafttreten einer solchen Konvention oder entsprechender international wirksamer Maßnahmen deutsche Flugmannschaften, Passagiere und Flugzeuge gegen Piraterieversuche zu schützen? Die Frage wird mit „Ja" beantwortet. Der Internationale Piloten-Verband hat im Hinblick auf den Schutz vor Flugzeugentführungen die weltweite Annahme des „Abkommens über strafbare und bestimmte andere an -Bord von Luftfahrzeugen begangene Handlungen" und des „Internationalen Paktes über staatsbürgerliche und politische Rechte" gefordert. Das Zustimmungsgesetz zu dem Abkommen liegt dem Bundestag zur Beschlußfassung vor. Mit der Unterzeichnung des Paktes durch die Bundesregierung ist noch in diesem Jahre zu rechnen. An Bord von Luftfahrzeugen und vor Beginn des Fluges auf den Flughäfen lassen sich keine wirksamen und zugleich praktisch durchführbaren Maßnahmen zur Verhinderung von Flugzeugentführungen treffen, wie dies schon in der schriftlichen Antwort vom 14. August 1968 auf die Anfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Marx ausgeführt worden ist. Insbesondere würde der Widerstand der Flugzeugbesatzung im allgemeinen zu einer größeren Gefährdung von Flugzeug und Insassen führen als die Entführung selbst. Um Flugzeugentführungen entgegenzuwirken, wird sich die Bundesregierung für eine strenge Ahndung dieses Deliktes einsetzen. Soweit die Täter nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegen, wird sie auf diplomatischem Wege für ihre Bestrafung eintreten. Anlage 7 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 26. September 1968 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Rollmann (Drucksache V/3277 [neu] Fragen 90, 91 und 92) : Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 186. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. September 1968 10125 Aus welchem Grunde wurde eine tarifliche Sonderregelung für den zivilen Luftverkehr auf der Strecke Hannover—Berlin eingeführt? Ist die Bundesregierung bereit, Möglichkeiten für eine allgemeine Senkung der Berlin-Flugtarife zu prüfen und dem Deutschen Bundestag in Kürze darüber Bericht zu erstatten? Ist die Bundesregierung bereit, falls sich eine allgemeine Berlintarif-Senkung nicht realisieren läßt, wenigstens für die Westberliner Bevölkerung als Ausgleich für deren beschränkte Reisemöglichkeiten umfassendere Flugvergünstigungen als bisher zu schaffen? Die Bundesregierung will mit der Verbilligung des Luftverkehrs auf der Strecke Berlin—Hannover möglichst für jedermann im Verkehr von und nach Berlin eine echte Freizügigkeit ohne Kontrollen sicherstellen. Der aus dieser Erwägung festgelegte Flugpreis lehnt sich an den Eisenbahnfahrpreis 2. Klasse an. Die Bundesregierung hat die erhöhten Zuschüsse auf die Strecke Berlin—Hannover beschränkt, weil die hierfür erforderlichen Haushaltsmittel auf dieser Verkehrsrelation den höchsten Nutzen bringen. Der Grundsatz, öffentliche Mittel sparsam und wirtschaftlich mit dem größtmöglichen Nutzen zu verwenden, würde bei erhöhten Zuschüssen für die übrigen Berlin-Strecken nicht gewahrt sein, weil die hierfür erforderlichen Haushaltsmittel das Mehrfache des für die Hannover-Strecke benötigten Betrages ausmachen würden. Wie aus den beiden vorhergehenden Antworten ersichtlich, ist die Bundesregierung der Ansicht, daß mit der weiteren Verbilligung des Luftverkehrs Berlin—Hannover auch für den Berliner mit relativ geringem Einkommen eine echte Freizügigkeit auf der Grundlage des Eisenbahntarifs 2. Klasse geschaffen wurde, und zwar unter Wahrung des Grundsatzes der größtmöglichen Sparsamkeit bei der Verwendung öffentlicher Mittel. Die Bundesregierung ist ferner der Auffassung, daß bei dieser Sachlage nicht von beschränkten Reisemöglichkeiten im Berlin-Reiseverkehr gesprochen werden kann, da auf vielen Verkehrsrelationen — beispielsweise Berlin einerseits, Köln, Frankfurt und Hamburg andererseits — die Fahrzeit im gebrochenen Luft-Eisenbahnverkehr über Hannover diejenige des direkten Eisenbahnverkehrs von und nach Berlin nicht übersteigt, teilweise sogar darunter bleibt. Die Bundesregierung sieht deshalb zur Zeit keinen Anlaß, umfassendere Flugvergünstigungen zu ermöglichen.
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    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bis auf einen Punkt der Entschließung, zu dem ich — wenn ich es ganz offen sagen darf — aus meiner Verantwortung es begrüßen würde, wenn die Fraktionen sich doch noch verständigten, und abgesehen von einigen analytischen Fragen zeigen die eingehenden Stellungnahmen der Fraktionsvorsitzenden heute vormittag ein hohes Maß an Übereinstimmung mit dem, was der Herr Bundeskanzler gestern für die Regierung erklärt hat.
    Es ist in der Tat gerade jetzt besonders wichtig, daß Wunschdenken nicht an die Stelle einer illusionslosen Untersuchung der Lage tritt. Zur Lage gehört, daß es in diesem Augenblick in allen Teilen der Bundesrepublik auch Sorgen gibt, die nicht gerechtfertigt sind. Ich meine damit folgendes.
    So sehr uns bedrückt, was innerhalb des Warschauer Paktes mit unserem Nachbarland, der Tschechoslowakei, geschehen ist: niemand in der Bundesrepublik Deutschland braucht daran zu zweifeln, daß unser Schutz innerhalb des atlantischen Bündnisses unvermindert gegeben ist. Dies gilt gleichermaßen für Berlin, dem mit neuen Mitteln voranzuhelfen gerade jetzt wichtig ist. Ich denke, dazu sind wir alle aufgerufen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    So sehr uns empört, was uns aus Moskau und aus Ostberlin an feindseliger Propaganda entgegenströmt: niemand braucht sich durch die zuweilen hysterische Auseinandersetzung um die sogenannten Feindstaatenklauseln durcheinanderbringen zu lassen.
    Und noch ein Hinweis: So sehr es deprimiert, wenn Panzer gegen den eigenen Weg eingesetzt werden, für den sich ein ganzes Volk entschieden hat: Niemand braucht deshalb zu meinen, daß der Kampf um den Frieden aussichtslos geworden sei oder daß es sinnlos geworden wäre, um eine europäische Friedensordnung zu ringen. Es ist schwerer geworden, aber noch wichtiger.

    (Allgemeiner Beifall.)

    Das Ringen um eine 'europäische Friedensordnung ist ganz bestimmt nicht leichter geworden, aber es muß gerade jetzt mit verstärkter Kraft weitergeführt werden. Jeder soll wissen, daß diese Bundesregierung alles tut, was in ihrer Kraft steht, damit unsere Landsleute ruhig schlafen können und damit wir für sie mehr Sicherheit erlangen.
    Ich verstehe freilich durchaus, wenn viele Mitbürger empört oder gar verzweifelt fragen, weshalb es denn ,der famosen Staatenordnung im Jahre 1968 nicht möglich ist, mit dem Krieg in Vietnam fertig zu werden, mit dem Blutvergießen in Nigeria-Biafra Schluß zu machen oder in unserer unmittelbaren Nachbarschaft, in der .CSSR, ein zweites München nicht stattfinden zu lassen, oder warum wir nicht mit Sicherheit sagen können, daß andere Länder in Südosteuropa militärischer Bedrohung und Erpressung keinesfalls ausgesetzt sein könnten.
    So fragen viele im Lande, gerade auch viele der jungen Deutschen; und das ist mehr als verständlich. Dieser Zustand ist einer der Gründe für die Unruhe in der jungen Generation. Ich will allerdings gleich hinzufügen, daß ich damit nicht die Unruhe meine, die von einer kleinen extremstischen — um nicht zu sagen: nihilistischen — Minderheit mit ebenso viel Unverfrorenheit wie Arroganz geschürt wird;

    (Beifall bei den Regierungsparteien)

    Arroganz auch, was die Beurteilung der Verhältnisse in fremden Ländern angeht.

    (Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)

    Ichsage dies' auch unter dem frischen Eindruck der skandalösen und beschämenden Vorgänge, die sich vor wenigen Tagen in Frankfurt beim Besuch des Staatspräsidenten der Republik Senegal abgespielt haben. Ich muß allen Ernstes und vor unserem



    Bundesminister Brandt
    Volk fragen, wohin wir kommen, wenn ein respektierter ausländischer Gast nicht mehr in die Bundesrepublik kommen kann, ohne unbehelligt den Ort zu erreichen, an dem er beispielsweise durch den Außenminister begrüßt werden soll, wenn er vor Pflastersteinen nicht sicher ist,

    (Unerhört! in der Mitte) wenn seine Nationalflagge angetastet wird.

    Ich will nicht Außenminister dieser Bundesrepublik Deutschland sein, wenn in diesem Land die Gastfreundschaft nicht mehr gewährleistet ist.

    (Anhaltender lebhafter Beifall.)

    Für meine eigene Person füge ich hinzu: ich werde die Mitbürger, vor allem die Arbeitnehmer in Betrieben und Verwaltungen, fragen, ob sie es zulassen und ob sie zusehen wollen, daß ausländische Gäste Belästigungen und Demütigungen ausgesetzt werden.
    Es geht dabei außerdem darum, daß wir nicht gesonnen sind, die Ergebnisse zwanzigjähriger Aufbauarbeit von Extremisten oder Pöbel zerstören zu lassen.

    (Beifall.)

    Ich habe als junger Mann eine deutsche Republik zugrunde gehen sehen. Das wollen und werden wir nicht noch einmal erleben. Wir erlebten, wohin Intoleranz, Haß und Gewalttätigkeit führen. Sie führen letzten Endes in den Krieg. Sie resultieren in Millionen Toten und in zerstörten Städten, und daran wollen wir nicht noch einmal mitschuldig werden. Deshalb muß unser Volk auch nach der anderen Seite hin den neuen Nazis eine Abfuhr erteilen, wie immer sie sich nennen mögen.

    (Beifall.)

    Nachdem ich dies aus gegebenem Anlaß gesagt habe, füge ich auch heute hinzu: Verhärtung des Denkens ist gegenüber der jungen Generation ebenso schädlich wie Verweichlichung des Empfindens. Ich denke nicht daran, von „den" Studenten, auch nicht von den „linken" Studenten schlechthin zu reden, wenn ich eine extreme Minderheit meine. Ich denke schon gar nicht daran, die junge Generation zu verurteilen. Im Gegenteil, ich verstehe, wenn sie, die nicht terrorisiert, trotzdem kopfscheu wird angesichts des Widerspruchs zwischen alten Strukturen und modernen Möglichkeiten oder — auf diese unsere Debatte heute bezogen — angesichts der Ohnmacht, der schrecklichen Ohnmacht, die wir alle empfinden und die die Jugend wohl noch stärker empfindet und die zum Trauma werden kann. Ich meine die Ohnmacht gegenüber den Rechtsbrüchen der Gewalt und dem Blutvergießen in der Welt, in der wir leben.
    Anfang voriger Woche hatten wir in Bonn den Besuch des japanischen Außenministers zu dem vereinbarten regelmäßigen Konsultationsgespräch. Ich will alles andere, was die so wichtige bilaterale Zusammenarbeit zwischen Japan und uns betrifft, beiseite lassen und nur diesen einen Punkt hervorheben: Denn wenn man mit den Japanern spricht, dann steht das Vietnam-Thema noch mehr im Mittelpunkt, als wenn man mit europäischen Außenministern spricht. Ich sage nach diesem Gespräch mit jemandem, der dem Geschehen dort näher ist: in Vietnam ist noch immer nicht abzusehen, wann es zu einem Ende der blutigen Auseinandersetzungen kommen wird. Und da hilft es nicht sehr viel, wenn man unseren eigenen Wunsch, den Wunsch des deutschen Volkes, bekräftigt, den Wunsch nach einem baldigen und gerechten Frieden. Trotzdem — und darum erwähne ich es —, nach diesen Konsultationsgesprächen muß man sich schon jetzt Gedanken machen — und andere machen sich Gedanken — über einen Wiederaufbau jenes zerstörten Landes nach dem Ende des Krieges. Dieser Wiederaufbau kann nicht von einigen wenigen Ländern allein bewältigt werden, sondern er muß von einem möglichst großen Kreis von hilfswilligen Nationen getragen werden. In Japan haben sich dazu gewisse Vorstellungen gebildet, und auch wir werden uns eines Tages mit dieser Aufgabe zu befassen haben. Ich bin sicher, daß es dann an deutscher Hilfsbereitschaft nicht fehlen wird.
    In Afrika ist es der Krieg in Nigeria—Biafra, der weite Kreise unseres Volkes mit tiefer Sorge erfüllt und sie in besonderem Maße empfinden läßt, wie weit wir noch von einer gesitteten Weltordnung entfernt sind, wie sehr wir die Grenzen unseres eigenen unmittelbaren Einflusses erkennen müssen, und wie leicht es ist — ich sage es noch einmal —, einem Gefühl der Ohnmacht und der Verzweiflung zu erliegen.
    Nun hat es ja an der Bereitschaft zu humanitärer Hilfe bei uns in der Bundesrepublik nicht gefehlt, und daran soll es auch weiterhin nicht fehlen. Die Bundesregierung hat das ihre getan, und sie wird das weiterhin tun, aber wir sind auch — und das ist draußen nicht genügend bekannt — politisch nicht untätig geblieben. Und doch hat es uns bedrückt, daß die Formel von der Nichteinmischung, wenn man sie nicht richtig versteht, sogar als Gleichgültigkeit mißverstanden werden könnte, daß unser Schweigen zur Mitschuld werden könnte, zur Mitschuld daran, daß aus sogenannten vitalen Interessen der Mächtigen die Todesursache der Schwachen wird, daß hunderttausende Frauen und Kinder mit ihrem Leben bezahlen müssen, wo die ost-west-. liche Interessenpolitik in die Irre führt und wo internationale Organisationen versagen.
    Ich möchte, daß man in diesem Hohen Hause und darüber hinaus versteht: Wir haben nicht erst seit gestern, sondern während dieser ganzen mörderischen Auseinandersetzung versucht, unseren freilich recht begrenzten Einfluß im Sinne der Mäßigung, des Ausgleichs und des Friedens geltend zu machen. Noch in den letzten Tagen haben wir hierüber mit afrikanischen Staatsmänner beraten, mit den Präsidenten Leopold Senghor und Hamani Diori und mit dem ghanaischen Außenminister Anin, der von der Konferenz der afrikanischen Staaten aus Algier hierher kam, mit Repräsentanten, die dem schrecklichen Geschehen noch näher sind, mit Vertretern europäischer Staaten und internationaler Organisationen.
    Dies ist das eigentlich Enttäuschende, meine Damen und Herren, daß- weder die Vereinten Nationen, noch die Organisation der afrikanischen



    Bundesminister Brandt
    Einheit, noch das Commonwealth genügend Einfluß hatten oder genügend gemeinsame Interessen zu entwickeln vermochten, um einen ernsthaften Friedensbeitrag zu leisten. Trotzdem darf man es vielleicht als deutscher Außenminister wagen, von dieser Stelle aus zu sagen, ob nicht doch beschwörende Appelle etwas weiterhelfen könnten an diejenigen,

    (Abg. Dr. Barzel: — — die Waffen liefern!)

    die beteiligt sind und die Einfluß haben, daß sie kein Mittel unversucht lassen möchten, um einen Waffenstillstand herbeizuführen, lieber gestern als morgen. Sie sollten sich auch, so denke ich — und das müßte in das, was ich sagte, ,einbezogen sein —, nicht der Pflicht ientziehen, an der Überwindung dessen mitzuwirken, was der Krieg an Haß und an Furcht hinterläßt.
    Wenn man daran denkt, dann geht Idas natürlich zwangsläufig zunächst in die Richtung der Regierung Nigerias ebenso wie an die verantwortlichen Führer von Biafra. Aber da muß man auch an den Kaiser von Äthiopien als .den Vorsitzenden des Vermittlungsausschusses der Organisation dier Afrikanischen Einheit denken, aber wohl doch auch mit besonderer Eindringlichkeit an die Regierungen der Staaten, die wie England und Frankreicheine besondere Verantwortung für den Frieden in der Welt tragen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    An diese besondere Verantwortung, meine Damen und Herren, muß sich jeder erinnern lassen, der, von anderem abgesehen, im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen einen permanenten Sitz innehat.
    Wir können — wenn ich dies noch erwähnen darf — mit Befriedigung verzeichnen, daß die nigerianische Zentralregierung kürzlich die Vereinten Nationen, die Organisation der Afrikanischen Einheit sowie die Regierungen von Großbritannien, Kanada, Polen und Schweden eingeladen hat, Beobachter zu den Fronttruppen zu entsenden, die sich in den eroberten Gebieten davon überzeugen sollen, daß die Zivilbevölkerung nicht das Opfer von Ausschreitungen wird. Einige der eingeladenen Beobachter sind bereits in Lagos eingetroffen. Wir würden es sicherlich begrüßen, wenn diese Beobachtergruppen ihre Tätigkeit auch nach dem Ende des Bürgerkriegs für eine gewisse Zeit fortsetzen könnten. Ich brauche das nicht weiter auszumalen.

    (Beifall bei der SPID.)

    Nun hat es aber — und davon ist mit Recht heute morgen in allen drei Reden der Herren Fraktionsvorsitzenden an erster Stelle die Rede gewesen — seit vielen Jahren keinen Vorgang außerhalb unserer Grenzen gegeben, an dem unsere Bevölkerung mit so interessierter Leidenschaft teilgenommen hat wie an der Auseinandersetzung um die CSSR.
    Dabei haben wir übrigens in der Bundesrepublik ein seltsames Phänomen erlebt: Wenn ich es richtig verstanden habe, dann ist ein Mann wie Alexander Dubcek als erster Kommunist in Deutschland wirklich populär geworden.

    (Heiterkeit.) Daß dies geschehen konnte, haben wohl wenige geglaubt. Es ist im übrigen ein Zeichen dafür, daß daß deutsche Volk durchaus nicht von Schwarz-

    Weiß-Denken oder gar Kreuzzugsgedanken erfüllt ist. Es ist ein Zeichen dafür — wenn ich es recht sehe —, daß die Menschen in diesem Land das Recht .auf Selbstbestimmung, das Recht auf den eigenen Weg, auch wenn dieser eigene Weg ein anderer 'ist als der unsere, anerkennen.

    (Beifall.)

    Aber dabei konnte und kann es über eins keinen Zweifel geben: Dubcek war und ist der erste Mann einer kommunistischen Partei. Es konnte vor und nach Cierna und Bratislava, vor und nach dem Einmarsch der Besatzungskommunisten keinen Zweifel geben: die Tschechoslowakei wollte nicht den Warschauer Pakt verlassen. Die kommunistische Partei wollte dort nicht abdanken. Die gesellschaftliche Ordnung, in der die Produktionsmittel sozialisiert sind, war nicht in Frage gestellt. Was der Entwicklung in der Tschechoslowakei den Charakter eines erregenden historischen Experiments gab, war doch wohl der Versuch, Humanität und Kommunismus, Demokratie und Sozialismus östlicher Prägung miteinander zu versöhnen, zusätzlich noch der Versuch, in einem System der übernational gelenkten Staatswirtschaft eine verbraucherbezogene Produktion und eine gewisse Eigeninitiative zu fördern, eine relative Freiheit in Presse, Kultur und Wissenschaft und die Freizügigkeit der Menschen zu etablieren.
    Dieses große Experiment ist durch den Einmarsch im wesentlichen gestoppt worden. In einer für meine Begriffe unerhörten Solidarität zwischen der Führung einer kommunistischen Partei und der Bevölkerung jenes Landes haben sich die Tschechen und die Slowaken jedoch trotz der Okkupanten jenen kleinen Raum bewahrt, in dem dieses Experiment weitergeht. Dies scheint mir sehr wesentlich zu sein.
    Es gibt keinen Grund für uns, sich Federn der Tschechen an den Hut zu stecken oder umgekehrt Trauerflor anzulegen. Wir sollten auch nicht so tun, als sei der historische Prozeß durch eine Okkupation einfach beendet.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Ich meine, gerade die Besetzung der Tschechoslowakei hat gezeigt und wird weiter zeigen, daß Panzer keine Ideen unter ihren Ketten zermahlen können, daß politische Probleme mindestens nicht allein durch militärische Maßnahmen zu lösen sind.
    Die Führung der sowjetischen Weltmacht hat es ungeheuer schwer, mit der Tatsache fertig zu werden, daß die geistigen Strömungen im letzten Drittel unseres Jahrhunderts staatliche Grenzen überspringen. Herr Kollege Schmidt hat heute früh in seiner Rede auf diesen Gesichtspunkt hingewiesen, der sich aus dem Charakter der modernen Industriegesellschaft ableitet. Intelligenz, Bildung technische Entwicklung, wissenschaftlicher Fortschritt beeinflussen die Entwicklung in Ost und West und stellen die Gesellschaft, auch die kommunistische Gesellschaft, vor neue Fragen. Diese Faktoren wirken weiter. Daran ändern auch die Lügen nichts, mit deren Hilfe man
    10112 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 1861 Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. September 1968
    Bundesminister Brandt
    dem Wagen der Geschichte in die Speichen greifen möchte.
    Ich darf hier auf folgenden interessanten Widerspruch hinweisen: Zur Begründung des 21. August wurde bekanntlich ins Feld geführt, der Einmarsch sei zur Unterdrückung der Konterrevolution notwendig gewesen. Seit dem 5. September — ich habe die Entwicklung sehr genau verfolgt — heißt es, die Aktion sei militärisch notwendig gewesen, denn es habe eine Bedrohung gegeben, eine Bedrohung der Souveränität der CSSR und ihrer sozialistischen Entwicklung durch die Militärmacht der NATO und besonders unserer Bundesrepublik.

    (Hört! Hört! in der Mitte.) Hieran ist natürlich kein wahres Wort.

    Völlig in die Irre geht jedoch auch das Gerede, die Bundesrepublik Deutschland habe sich in der CSSR eine wirtschaftliche Vorzugsposition schaffen wollen. Es war und ist übrigens keine Schande, wenn man auch ökonomisch und technisch in der Ost-West-Zusammenarbeit etwas zu bieten hat. Tatsache ist dabei, daß wir uns auch auf diesem Gebiet betont zurückgehalten haben. Unser Handel mit Polen war 1967 größer als der mit der Tschechoslowakei. Dies auch zur Kenntnis einiger nicht-östlicher Partner, die Opfer einer anderen Version geworden sein könnten.
    Die vor und nach dem Einmarsch in die CSSR gegen die Bundesrepublik Deutschland gestarteten Kampagnen zielen zu einem Teil auf die Außenpolitik dieser Regierung, und zu einem anderen Teil nimmt man die Sozialdemokraten besonders aufs Korn, die ein Teil dieser Regierung sind, sie mit tragen und ihre Arbeit mit prägen. Wer in den letzten Wochen die Argumentation der sowjetischen und besonders der SED-Presseorgane verfolgt hat, wird wissen, was dort zum Hauptargument, vor allen Dingen in Ostberlin zum Hauptargument für die Intervention in der CSSR gemacht worden ist: nämlich die angebliche Gefahr der Übernahme der sozialdemokratischen Forderung nach Einführung eines demokratischen Sozialismus. Wörtlich nachzulesen in der Erklärung der SED-Führung zum Einmarsch in die CSSR.
    Wer es noch genauer wissen will, der kann im „Neuen Deutschland" vom 11. September lesen, die westdeutsche Sozialdemokratie sei die Konterrevolution schlechthin.

    (Heiterkeit bei der SPD und in der Mitte.)

    Nun, ich habe den Eindruck, wenn ich das so lese, daß man den Kollegen auf jener Seite des Hauses viel zutraut, manchmal mehr, als sie sich selbst zutrauen.

    (Erneute Heiterkeit bei der SPD und in der Mitte.)

    Die Tatsache, daß 65 kommunistische Parteien die Intervention, wenn auch mit unterschiedlicher Stärke, verurteilt haben, diese Tatsache ist nun wirklich nicht auf die SPD zurückzuführen.

    (Heiterkeit bei der SPD.)

    Noch eine Bemerkung zum Thema CSSR — in Unterstreichung von Dingen, die hier vor diesem Hause von der Regierung gesagt worden sind und die das Haus sich zu eigen gemacht hat: Wir wissen alle, daß in wenigen Tagen 30 Jahre vergangen sein werden, seit in München die Politik Hitlers triumphierte, die auf Zerstörung des tschechoslowakischen Staatswesens gerichtet war. Ich denke, uns liegt daran, bei dieser Gelegenheit noch einmal allem eine endgültige Absage zu erteilen, was mit der nazistischen Gewaltpolitik verbunden und von allem Anfang an ungerecht war.

    (Beifall bei der SPD und Abgeordneten der CDU/CSU.)

    Aber in dieser Zeit — das hat ja eine wesentliche Rolle gespielt in dem, was der Bundeskanzler dem Hohen Hause gestern gesagt hat — kommt es sehr darauf an, lebensgefährliche Irrtümer zu verhindern. Es kommt darauf an, daß der Prozeß, der objektiv in Richtung auf mehr Kommunikation verläuft und der mit der Selbstverständlichkeit eines Naturereignisses sich abwickeln wird, daß der nicht die Sicherheit der Staaten und der Völker gefährdet.
    Hier hat die Regierung gesagt: was die Bundesrepublik dazu tun kann, das ist sie gewiß bereit zu tun. Dazu gehört, daß wir den Gewaltverzicht auch nach Osten in aller Form angeboten haben. Wir haben ihn in Genf weltweit zur Maxime des Verhaltens zwischen allen Staaten, den Kernwaffenmächten und den Nicht-Nuklearen, erklärt. Aber dem muß dann immer hinzugefügt werden — und darum sage ich es: Wir haben ebenso um die eigene Sicherheit besorgt zu sein, die wir jetzt und in einer jetzt nicht absehbaren Zeit in unserem westlichen Bündnis finden.
    Dabei haben wir uns angewöhnt, öffentlich über die Schwächen des Bündnisses zu sprechen. Dagegen ist an sich nichts zu sagen. Nur sollten wir dabei, meine ich, nicht vergessen oder andere vergessen machen, daß dieses Bündnis doch die stärkste militärische Kraft darstellt, die es je in der Geschichte der Menschheit gegeben hat. Es wäre schrecklich, wenn es darüber einen Irrtum oder einen Zweifel irgendwo gäbe.

    (Beifall.)

    Ich denke, daß der Bundesverteidigungsminister sich im Laufe dieses Nachmittags noch zu Wort melden wird. Dann wird er vermutlich darauf hinweisen, daß die Vorverlegung einer Anzahl sowjetischer Divisionen natürlich militärisch-technisch geprüft und beantwortet werden muß; beantwortet durch das Bündnis und im Bündnis. Aber ich denke, es kann ebensowenig einen Zweifel daran geben, daß, sosehr sich hier regionale Probleme ergeben — wichtige europäische Regionalprobleme —, sich am globalen Gleichgewicht der Kräfte, an der Gültigkeit und Wirksamkeit der westlichen Gesamtstärke nichts geändert hat. Wenn übrigens richtig ist, was wir als Auffassung des bisherigen Leiters der NASA aus den Zeitungen erfahren haben, könnten gefährliche Änderungen des Gleichgewichts heute im Weltraum noch eher stattfinden als durch Truppenverschiebungen auf der Erde.



    Bundesminister Brandt
    Nun scheint es hier und da Mode zu werden, meine Damen und Herren, die USA zu ignorieren oder geringschätzig zu kommentieren, weil sie ihre zahlreichen Schwierigkeiten haben und weil sie außerdem in einem schwierigen Wahlkampf stehen. Ich meine, wir müssen auch jetzt wissen, daß wir „USA" sagen, wenn wir „Bündnis" sagen,

    (Beifall bei den Regierungsparteien und bei Abgeordneten der FDP)

    und daß wir aufgeschlossen sind, alle die Fragen sachlich zu prüfen und zu erörtern, die sich ergeben, wenn das Verhältnis zu den Vereinigten Staaten positiv weiterentwickelt werden soll.
    Eine nur militärisch-technische Erörterung der Fragen, vor denen die westliche Allianz steht, wäre sicher unfruchtbar. Es geht in entscheidendem Maße auch um politische Fragen, und es wird in den nächsten Wochen genügend Gelegenheit geben, darüber zu sprechen. Dabei wird dann zwangsläufig auch eine Rolle spielen, ob der europäische Faktor innerhalb des atlantischen Bündnisses deutlicher gemacht wird und in seiner gemeinsamen Verantwortung stärker hervorgehoben werden kann.
    Aber lassen Sie mich wirklich an dieser Stelle noch einmal unterstreichen: Das Bündnis i s t verläßlich, das Bündnis gibt Sicherheit, das Bündnis ist auch stark.
    Aber nicht nur unsere Bundesrepublik, nicht nur Amerika, England, auch Frankreich — nach der eigenen dort entwickelten Maxime nach dem 21. August — wird sich gewiß fragen müssen, ob die Kräfte, und zwar die in diesem Falle ausschließlich konventionellen Kräfte, auf die Dauer verstärkt werden müssen, wenn die Sowjetunion für einen nicht absehbaren Zeitraum mit einem großen Teil ihrer Divisionen in der Tschechoslowakei bleibt.
    Dies ist kein Widerspruch. Konrad Adenauer, der heute früh schon in anderem Zusammenhang zitiert wurde, hat seine Erklärung aus seinen letzten Jahren, die Sowjetunion sei ein friedliebendes Land, zu einer Zeit abgegeben, in der das militärische Potential der Sowjetunion gewiß groß und bedrohlich war. Ich glaube, er würde seine Erklärung heute nicht ausdrücklich widerrufen wollen, sondern mit allen anderen zusammen Maßnahmen treffen, damit — wie soll ich es besser nennen? — die Friedensliebe der Sowjetunion nicht in Versuchung geführt wird.

    (Beifall und Heiterkeit.)

    Die Ostpolitik, wie man es manchmal etwas vereinfacht genannt hat, ist manchen Mißdeutungen ausgesetzt gewesen, und das war fast unvermeidbar. Einige meinen, wir seien zu langsam, andere, wir seien nicht schnell genug und nicht weit genug gegangen; hier hebt der eine Vorwurf offensichtlich den anderen auf.
    Ich habe übrigens nie die Vorstellung von einer unabhängigen, freischwebenden Ostpolitik gehabt, sondern ich bin davon ausgegangen, daß die Ostpolitik im Westen verankert, daß sie organischer Teil unserer Gesamtaußenpolitik sein muß; und wie der Herr Bundeskanzler war ich von Anfang an auf
    Rückschläge vorbereitet und habe mir auch gerade diesen Teil unserer Politik als einen widerspruchsvollen Prozeß vorgestellt.
    Es hat nun eine Reihe von Fragen gegeben, ob wir uns nicht zu stark auf die Länder Ost- und Südosteuropas zwischen Deutschland und Rußland konzentriert hätten, ihnen gewissermaßen die Priorität eingeräumt und damit zwangsläufig das Mißtrauen der Sowjetunion geschärft oder gar die Normalisierung des Verhältnisses zur Sowjetunion unmöglich gemacht hätten. Der Herr Vorsitzende der Unionsfraktion hat heute vormittag — allerdings mit dem Hinweis, dem ich dankbar nachgehen möchte, das Thema an anderer Stelle zu vertiefen — die Frage aufgeworfen, ob man gleichzeitig und mit gleicher Intensität auf diesen drei Teilgebieten vorgehen kann: Moskau, Hauptstädte der Zwischenzone — wenn man diesen Ausdruck einmal gebrauchen darf — und Ostberlin. Der Vorsitzende der Freien Demokraten hat die doppelte Frage gestellt, ob wir die Sowjetunion richtig eingeschätzt hätten und ob wir nicht in die Gefahr geraten seien, uns zu sehr mit solchen kommunistischen Regierungen einzulassen, die ihrerseits Meinungsverschiedenheiten mit der sowjetischen Regierung auszutragen hatten.
    Ich darf dazu sagen, meine Damen und Herren: Wir haben gewußt und übrigens auch gesagt, daß unsere Osteuropa-Politik von der Gestaltung unseres Verhältnisses zur Sowjetunion überhaupt nicht zu trennen ist. Die Entwicklung unserer Beziehungen zu den anderen Ländern Osteuropas, so sagten wir, solle die Entwicklung unseres Verhältnisses zur Sowjetunion ergänzen, nicht ihr zuwiderlaufen, und wir fügten hinzu, daß auch der innerdeutsche Ausgleich in engem Zusammenhang mit unserer Osteuropa-Politk steht, daß unsere Entspannungsbereitschaft also die DDR einschließt, ohne daß dies etwas mit einer Aufgabe vitaler Interessen zu tun habe.
    Aber ich spreche jetzt nicht nur von dem, was in Regierungserklärungen und in Reden ausgeführt wurde, sondern ich darf für diesen Abschnitt der Debatte doch auf die Intensität der Bemühungen, auf die aufgewendete Zeit und den Umfang der Papiere und Dokumente hinweisen. Wenn man das dieser Tage noch einmal getan hat oder hat tun lassen, dann ergibt sich, daß die Aktenlage mit der Wirklichkeit, wie ich sie soeben anzudeuten versuchte, übereinstimmt. Die Sowjetunion hatte und hat die Priorität in unseren ostpolitischen Überlegungen, und ich füge hinzu: die Regierung der Sowjetunion ist durch keinen Schritt, den wir in Ost- und Südosteuropa unternommen haben, überrascht worden.

    (Abg. Dr. Barzel: Hört! Hört!)

    Wir haben zu keinem Zeitpunkt versucht, Ostpolitik hinter dem Rücken der Sowjetunion zu machen,

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    weil wir nicht töricht sind und weil wir einen Sinn für Größenordnungen haben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Um es dem Hohen Hause noch deutlicher zu sagen:
    Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Ru-



    Bundesminister Brandt
    mänien, die Aufnahme amtlicher Beziehungen durch den Austausch von Handelsvertretungen mit der CSSR — bekanntlich noch zur Zeit Novotnys —, die Absicht, die diplomatischen Beziehungen mit Jugoslawien wiederherzustellen, dies alles war der Regierung dier Sowjetunion bekannt, als sie beschloß, die Gespräche über einen Gewaltverzicht mit der Bundesrepublik Deutschland zu intensivieren.

    (Zuruf von der Mitte: Hört, hört!)

    Natürlich hat sich der Staatsratsvorsitzende in Ostberlin darum bemüht, dies zu stören. Natürlich waren er und andere voller Unruhe, z. B. über die Erklärung Gomulkas im Sommer letzten Jahres, daß man erst dann an dien Ernst der deutschen Ostpolitik glauben könne, wenn die Bundesrepublik ihre Beziehungen mit Belgrad wiederhergestellt habe. Es hat — verständlicherweise — solche Unsicherheiten gegeben. Ich halte es aber doch für sehr wichtig, daß dies einmal zurechtgerückt wird, damit sich auch bei unseren Freunden insoweit keine falschen Eindrücke festsetzen. Nunmehr ist ohnehin dies wie viele andere Ansätze durch die Entwicklung in der CSSR überschattet worden.
    Zu Beginn der Sommerferien sind Dokumente auf den Tisch gelegt worden, die während einer ersten Runde des deutsch-sowjetischen Dialogs zum Thema des Gewaltverzichts produziert worden waren. Ich darf die Veröffentlichung über diese negative Zwischenbilanz als bekannt unterstellen, auch die Erklärung vom 12. Juli 1968, daß die Bundesregierung entschlossen ist, den Meinungsaustausch zu gegebener Zeit fortzuführen.
    Verständlicherweise wird gefragt, wie es weitergehen soll. Der Bundeskanzler hat deutlich gemacht, daß wir unsre Politik der ausgestreckten Hand nicht ändern wollen. Ich darf hinzufügen: Dies gilt auch für die Einzelthemen unserer Ostpolitik. Man muß die Früchte ernten, wenn sie reif sind; wenn sie abfallen und faulen, sind sie nichts mehr wert, und keine Ungeduld vermag die Frist abzukürzen, bis die Zeit zu neuer Blüte und neuer Reife wiederkommt.
    Nun hat es in den hinter uns liegenden Sommermonaten viel Aufregung wegen des von der Sowjetunion behaupteten Rechts auf Intervention gegeben. Dabei ging es um die fälschliche Berufung auf die Artikel 53 und 107 der Charta der Vereinten Nationen. Ich habe — wenn ich das so freimütig sagen darf — zur Kenntnis genommen, daß einige, die in unserem Lande schreiben, dem, was ihnen der eigene Außenminister zu einem solchen Gegenstand sagt, keine — jedenfalls keine positive — Bedeutung beimessen, während sie dann gleich umschalten, wenn sie dasselbe aus dem Amerikanischen übersetzt auf ihren Redaktionstisch bekommen.
    Was mich weniger gleichgültig ließ und lassen durfte, war der hier und da erhobene Vorwurf, ich hätte die meinungsberechtigte Öffentlichkeit zu einem wichtigen und gefährlichen Thema nicht unterrichtet, sondern im unklaren gelassen. In Wirklichkeit sind die Artikel 53 und 107 — wenn man so sagen darf — ein alter Hut in doppelter Hinsicht: einmal, weil diese beiden Artikel der Satzung der
    Vereinten Nationen wirklich so abgestanden sind, wie es der geschichtlichen Entwicklung entspricht, zum anderen, weil sich die Sowjetunion seit langem immer wieder auf diese Artikel berufen hat. Ich halte es nicht für nötig, daß wir uns nun selbst diesen alten Hut aufsetzen oder aufsetzen lassen. Daß er nicht neu ist, daß er für uns nicht neu war, als die Sowjetunion ihn uns gegenüber wieder erwähnte, mag deutlich werden, wenn ich das Hohe Haus an folgendes erinnere: Die Sowjetunion hat wiederholt diesen Artikel benutzt, um in ganz verschiedenen Fragen und auf verschiedene Länder bezogen, die Zuständigkeit der Vereinten Nationen zu bestreiten. Dafür gibt es Beispiele in jedem einzelnen der Jahre zwischen 1947 und 1952. Die Sowjetunion hat dann sogar 1966 — das hatten die meisten bloß wieder vergessen —, als sie die gleichzeitige Mitgliedschaft der Bundesrepublik und der DDR in den Vereinten Nationen vorschlug, bei dieser Gelegenheit betont, der Artikel 107 gelte dennoch fort.
    Ich sage das nur, um deutlich zu machen, daß diese Haltung der Sowjetunion nicht neu ist, wie man häufig angenommen hat. Sie ist der Ausdruck der uns ebenfalls seit langem bekannten Haltung, daß die Sowjetunion zwar alle tatsächlichen oder vermeintlichen Rechte wahrnehmen will, die ihr gemeinsam mit den drei westlichen Mächten in Fragen für Deutschland als Ganzes zugefallen sind, aber gleichzeitig ablehnt, was sich daraus an zugewachsener Verantwortung für Deutschland als Ganzes ergibt, anders ausgedrückt: die Wiedervereinigung. Hier handelt es sich unter anderem auch um hochinteressante Themen für Doktorarbeiten. Ihre Bedeutung für die praktische Politik ist leider begrenzt. Wichtig ist aber folgendes: Die sogenannten Feindstaatenklauseln begründen kein Interventionsrecht. Die Artikel 2 und 51 der UNO-Charta, die im einen Fall von Gewaltverbot und im anderen vom individuellen und kollektiven Recht auf Selbstverteidigung handeln, gelten sinngemäß für uns, auch wenn wir weder einen Friedensvertrag haben noch Mitglied der Vereinten Nationen sind. Und außerdem, und das ist entscheidend, gilt für uns in Übereinstimmung mit der UN-Charta der Schutz des NATO-Bündnisses.

    (Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)

    Als wie wenig sensationell die sowjetische Berufung auf die erwähnten Artikel betrachtet wurde, ergibt sich übrigens auch aus der gelassenen Antwort, die die Bundesregierung — nach sorgfältiger Beratung der Beteiligten auf unserer Seite — am 9. April 1968 erteilt hat.
    Selbst habe ich am 3. September in Genf auf der Konferenz der Nicht-Nuklearen erklärt, für die Beziehungen zwischen den Staaten könne nur das ausnahmslose Gewaltverbot nach den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen friedensfördernde Wirkung haben, und ich leitete daraus ab: Erstens, es ist nicht zulässig, den Gewaltverzicht selektiv auf gewisse Staaten zu beschränken, und zweitens — das steht dann ganz in Übereinstimmung mit dem, was Herr Kollege Scheel in seiner Rede heute mittag sagte —, wir billigen niemandem



    Bundesminister Brandt
    ein Interventionsrecht zu. Das ist dort nicht nur ge-
    hört, sondern, ich denke, auch verstanden worden.
    Gefährlich hätten die sowjetischen Thesen dann werden können, wenn sich die Westmächte nicht zu Wort gemeldet hätten. Selbstverständlich haben sie dies getan. Sie sind ja die eigentlichen Adressaten, auch wo es um das Potsdamer Abkommen geht.
    Der Herr Bundeskanzler hat gestern darauf hingewiesen, daß sich in unserem Teil Europas die Bemühungen der Bundesregierung gegenwärtig auf die Vorbereitung der Tagung des Rates der europäischen Gemeinschaften konzentrieren, der morgen Freitag, in Brüssel wichtige Beratungen zu führen haben wird. Um den Attentismus überwinden zu helfen, den gefährlichen Attentismus in der europäischen Politik, haben wir in den letzten Wochen intensive Kontakte mit allen Mitgliedsregierungen der Gemeinschaft gehabt und sind natürlich auch mit der britischen Regierung in Verbindung geblieben. Und in der vergangenen Woche haben wir den fünf Regierungen der Gemeinschaft die Grundzüge einer von uns ausgearbeiteten Initiative vorgelegt, die, wie wir hoffen, einen neuen Anstoß geben soll. Aus den Konsultationen haben wir den Eindruck gewonnen, daß alle Mitgliedstaaten im Kreise der Sechs eine Forsetzung des inneren Ausbaues der Gemeinschaft wünschen. Ein Zusammenhang mit der Frage, wie die vorliegenden Beitrittsgesuche behandelt werden, läßt sich aber nicht von der Hand weisen. Wenn schon nicht mehr möglich ist, müssen wir hoffen und erwarten, daß die vorgeschlagenen Zwischenlösungen einen Fortschritt bringen; denn wenn das nicht gelingt, wird sich das westliche Europa in einer Sackgasse finden, und das wäre schlecht für alle Beteiligten.
    Damit auch hier nichts, was meine eigene Position angeht, im unklaren bleibt: Ich bin hier mit angetreten, um die deutsch-französische Zusammenarbeit zu verbessern. Und bei 'diesem Bemühen muß bleiben. Ich denke, ich habe den Kollegen Schmidt richtig verstanden, daß es ihm wie anderen schrecklich leid täte um jeden Schritt, den die Bundesrepublik eventuell einmal ohne Frankreich gehen müßte. Aber niemand wird befriedigt sein, wenn wir über eine längere Zeit auf der Stelle treten oder uns im Kreis bewegen. Ich denke, angesichts der stark verwurzelten Freundschaft zwischen den beiden Völkern und unserer im Prinzip gleichen Interessen für ein unabhängiges Europa ist nicht einzusehen, weshalb es in dier erwähnten Richtung nicht deutlichere Fortschritte geben sollte.
    Ich darf schließlich ein Wort zur Genfer Konferenz sagen. Diese Konferenz geht in .diesen Tagen zu Ende. Dort standen zwei Probleme im Vordergrund, zu denen wir unseren konstruktiven Beitrag geleistet haben: einmal die Sicherheitsfrage der Staaten, die auf das Atom als Waffe verzichten, und zweitens die friedliche Nutzung der Kernenergie.
    Die deutsche , Delegation hat deshalb eine Entschließung eingebracht, die von dem übergeordneten Grundsatz des Gewaltverzichts ausgeht und auf die besondere Lage der Nichtkernwaffenstaaten zugeschnitten ist. Unser Text bekräftigt den Grundsatz des Verzichts auf Gewalt und Gewaltandrohung mit nuklearen oder nicht nuklearen Waffen und spricht aus, daß jeder Staat das gleiche und unveräußerliche. Recht besitzt, diesen Grundsatz zu seinen Gunsten in Anspruch zu nehmen, um seine politische, wirtschaftliche 'und kulturelle Ordnung ohne irgendeine Form der Einmischung durch andere Staaten selbst wählen zu können. Wir betonen zugleich das unveräußerliche, in der Satzung der Vereinten Nationen anerkannte Recht auf individuelle oder kollektive Selbstverteidigung. Die Inanspruchnahme dieses Rechts, von Maßnahmen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen abgesehen, darf die einzige legitime Ausnahme von dem übergeordneten Grundsatz der Nichtanwendung von Gewalt in den zwischenstaatlichen Beziehungen sein. Ich 'kann hier mit großer Genugtuung mitteilen, daß die Konferenz in Genf heute vormittag diese deutsche Entschließung mit 50 gegen 5 Stimmen bei 25 Enthaltungen angenommen hat.

    (Beifall im ganzen Hause.)

    Dabei lassen Sie mich hinzufügen: wir machen uns keine Illusionen, so ist das nicht. Dies ist ein Instrument der Politik neben anderen. Aber natürlich machen wir uns keine Illusionen, daß in der gegenwärtigen Weltlage Maßnahmen der Sicherheit, die sich in Resolutionen niederschlagen, mehr sein könnten als 'ergänzende Stützen. Das habe ich selbst Genf auch so zu sagen versucht.
    Zum anderen hat der friedliche Bereich einen der Schwerpunkte unserer Mitarbeit auf der Genfer Konferenz gebildet. Wir haben keinen Zweifel daran gelassen, daß wir Unterstellungen und Verdächtigungen unserer ausschließlich auf friedliche Zwecke gerichteten nuklearen Tätigkeit nicht hinzunehmen bereit sind. Unsere Erklärungen zu diesen Fragen sind vor einem weltweiten Forum in Gegenwart der Vertreter aller Kernwaffenstaaten mit Ausnahme der Volksrepublik China zu Protokoll gegeben worden. Unsere Auffassung dazu steht im Einklang mit der großen Mehrheit der auf der Konferenz vertretenen Staaten. Besonders positiv vermerkt wurde in Genf gerade von den Entwicklungsländern unsere Bereitschaft zur internationalen Zusammenarbeit und unsere Leistung auf dem Gebiet der technischen Hilfe.
    Ein weiterer wesentlicher deutscher Sachbeitrag betrifft das Gebiet der Inspektion und Kontrolle spaltbaren Materials. Unsere Herren haben in einem allgemein beachteten Arbeitsdokument die Auffassung zu einer rationellen, wirtschaftlich unschädlichen und gleichzeitig wirksamen Kontrolle dargelegt. Wie Sie vielleicht in den Zeitungen gelesen haben, haben die Delegierten dieser Konferenz durch einen Besuch im Kernforschungszentrum Karlsruhe auch Gelegenheit erhalten, sich selbst ein Bild vom fortgeschrittenen Stadium unserer Arbeiten für ein modernes Kontrollsystem zu machen. Der Widerhall auf der Konferenz zeigt, daß unsere Mitarbeit auf diesem Gebiet ihre Wirkung nicht verfehlt hat.
    Ich fasse zusammen: Wir haben uns in Genf dafür eingesetzt, daß die Zielsetzung erhalten bleibt, aus Europa eine Zone der Entspannung als Vorstufe für



    Bundesminister Brandt
    eine dauerhafte Friedensordnung werden zu lassen. Dazu würden gehören der Abbau der militärischen Konfrontation, der gegenseitige Gewaltverzicht, die Normalisierung der Beziehungen, ein Modus vivendi dort, wo mehr nicht zu erreichen ist, und erleichterter Austausch. Obwohl diese Bemühungen einen schweren Schlag erhalten haben, nein, gerade weil sie einen schweren Schlag erhalten haben, wird draußen in der Welt, in Genf und anderswo, so sehr gewürdigt, daß wir uns entschlossen haben, unsere Friedenspolitik illusionslos und konsequent fortzusetzen.
    Ich habe dort in Genf erlebt und bei mancher anderen Gelegenheit sonst in diesen Wochen erfahren, daß wir objektiv wichtiger sind als wir es uns normalerweise bewußt machen, wir Bundesrepublik Deutschland. Aus den USA sagt man uns dies manchmal sogar in der Form, daß wir eine führende Rolle zu übernehmen hätten, nach der wir uns gewiß nicht drängen. In Westeuropa werden wir uns keinesfalls unserer Verantwortung entziehen können. In den weltwirtschaftlichen und währungspolitischen Zusammenhängen spricht unser Anteil für sich selbst. Unsere Widersacher machen uns durch ihre Angriffe auch nicht kleiner, als wir sind. Ich kann nur hoffen, daß dadurch nicht mehr auf uns zukommt, als wir tragen können.
    Ich denke, wir brauchen unser Licht gar nicht unter den Scheffel zu stellen. Wir sind in ganz guter Gesellschaft draußen, wenn wir uns einer verstärkten Anstrengung — trotz allem einer verstärkten Anstrengung! — für den Frieden verschreiben. Hier liegt über all das, was wir sonst tun, unsere Aufgabe, ob es einem gleich paßt oder nicht, in friedlicher Offensive an den Voraussetzungen einer europäischen Friedensordnung und zur Sicherung des Friedens in der Welt energisch zu arbeiten. Es ist gut, wenn — nein, ich glaube, daß wir uns darin einig sind. Es ist wichtig, daß wir uns darin einig bleiben, wenn es um die Konsequenzen geht, die gewiß nicht immer nur angenehme Konsequenzen sein werden.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Stücklen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Richard Stücklen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße es, unmittelbar nach unserer Tagung in Bad Berneck als Vorsitzender der Landesgruppe der CSU hier zu einigen außenpolitischen Fragen Stellung nehmen zu können.
    Lassen Sie mich eingangs zu einigen Spekulationen, die nach unserer Tagung in Bad Berneck aufgetaucht sind, etwas sagen und ein für allemal Gerüchte aus der Welt schaffen, die CSU befinde sich in einem Gegensatz zum Kanzler oder zur CDU.

    (Abg. Ertl: Und zum Außenminister!)

    Ich stelle fest, es gibt in allen wesentlichen politischen Fragen keine Unterschiede zwischen uns und
    der Auffassung des Kanzlers und der der CDU. Die
    Behauptung „Streit zwischen der CDU und der CSU" gehört in den Bereich der Wunschträume einiger Parteistrategen. Dabei nehme ich den Kollegen Scheel aus, der heute einem Irrtum unterlegen ist; denn er hat sich auf Quellen berufen, die nicht völlig identisch sind. Unsere alte Freundschaft hätte genügt, um ihm die Originalentschließungen aus Bad Berneck zuzustellen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, für interessierte Kreise, die ausgerechnet immer der CSU den Stempel einer „Kalten-Kriegs-Partei" aufdrücken möchten, mag es eine herbe Enttäuschung gewesen sein, wieder einmal zur Kenntnis nehmen zu müssen, daß wir uns von dem Wege einer konstruktiven Politik für das ganze Europa weder durch Rückschläge von seiten der Sowjetunion noch durch Ausbrüche von Polemik und Anfälle von Resignation abbringen lassen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Auch die CSU hat kein Patentrezept für die zukünftige Gestaltung dieses Kontinents anzubieten. Es stimmt wohl, daß sich die entscheidenden Probleme im politischen 'Raum nicht lösen, sondern nur überwinden lassen. Die Überwindung unserer nationalen Probleme haben wir dem Grundsatz nach schon seit Jahr und Tag in das europäische Schicksal eingebettet gesehen. Das betrifft sowohl die Frage der Einheit, also der Wiederherstellung der äußeren Gemeinschaft unseres Volkes, als auch der Erhaltung seiner Existenzfähigkeit in einer Welt, deren Maßstäbe von Staaten kontinentaler Größenordnung gesetzt sind. Wir wären die Letzten gewesen, die angesichts des sowjetischen Panzereingriffs in die Tschechoslowakei eine Politik der militärischen Einigelung, eines westdeutschen oder westeuropäischen Isolationismus aus dem Tiefkühlfach geholt hätten.

    (Abg. Dr. Barzel: Sehr gut!)

    Genausowenig allerdings steht und stand uns der Sinn nach dem Aufbau von Stellungen, aus denen sich theoretisch eine Strategie des „Roll-back" im politischen oder gar militärischen Bereich entwikkeln ließe. Wir haben uns bewußt zu aktiven Mitträgern einer europäischen Ostpolitik gemacht, die ohne jede Einschränkung auf einen friedlichen Ausgleich, ein gutnachbarliches Verhältnis und eine. konstruktive Zusammenarbeit mit den Völkern Ost- und Südosteuropas abhebt.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Diese Politik soll die Voraussetzung dafür schaffen, daß die Europäer mit der europäisch-asiatischen Weltmacht Sowjetunion eines Tages in einer die Lebensrechte und die Menschenwürde beider Seiten sichernden Koexistenz zu leben vermögen.
    Dahinter aber steht noch der Wunsch nach einer wirklichen Partnerschaft, die einmal Amerikaner, Europäer und die Völker der Sowjetunion miteinander verbinden möge, auf daß der Weltfrieden und soziale Gerechtigkeit überall auf dieser Welt eine reale Chance haben.



    Stücklen
    Meine Damen und Herren, wir alle in diesem Hause würden einen Kleinmut beweisen, der einer Preisgabe unserer selbst und besonders unserer freiheitlichen Lebensformen gleichkäme, wenn wir eine so verstandene und praktizierte Ostpolitik als gescheitert bezeichneten, nur weil man von Moskau aus mit dem eisernen Handgriff die Uhr der europäischen Geschichte anzuhalten versucht hat. Hier liegt ein Rückfall in die Methodik eines finsteren Imperialismus vor, der gewiß nicht nur im gesamten übrigen europäischen Raum, in der westlichen Welt, von den Völkern in den Entwicklungskontinenten, sondern auch von den Menschen in der Sowjetunion gesehen und empfunden wird.
    Wenn uns Männer wie Dubcek und andere politische und geistige Führer in Ost- und Südosteuropa berechtigen Anlaß zu der Hoffnung geben, daß schließlich die Völker unseres Kontinents doch ihren inneren Frieden finden werden, so haben wir auch allen Grund, den persönlichen Mut, die Überzeugungskraft und den unvermeidlich wachsenden Einfluß reformwilliger Kräfte in der Sowjetunion selbst nicht zu übersehen.
    Ich erinnere an den vom Fraktionsvorsitzenden Dr. Barzel zitierten Kernphysiker Andrej Sacharow, der gerade zum „Prager Frühling" gesagt hat:
    Heute liegt der Schlüssel zu einer progressiven Neuordnung des Herrschaftssystems allein in der geistigen Freiheit.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Das haben insbesondere die Tschechoslowaken verstanden. Und es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß wir ihre kühne Initiative, die für die Zukunft des Sozialismus und der ganzen Menschheit so wichtig ist, unterstützen sollten.
    Soweit Sacharow.
    Nur wer selber der These huldigt, daß Macht vor Moral geht, wird solche Äußerungen mit einem mitleidigen Lächeln abzutun suchen. Wenn aber unsere politische Arbeit und unser ganzes Trachten von mehr bestimmt sein sollen als von einem Nur-Sicherheitsdenken auf allen Ebenen, wenn das Leben in Frieden von uns nicht gleichgesetzt werden soll mit dumpfem Konsumgenuß, dann können wir getrost bei den anderen ebenso wie bei uns ein Streben nach sittlichen Werten auch als machtgestaltenden Faktor einsetzen.
    Wir haben die Ostpolitik der Bundesregierung niemals als einen Versuch verstanden, einzelne Staaten aus dein Warschauer Pakt oder dem sozialistischen Lager herauszubrechen. Es war auch niemals unsere Absicht, Zwietracht zu säen; denn wir wissen sehr wohl, daß man bei einem solchen Vorhaben die Ernte eines friedvoll gestalteten und vom gemeinsamen Aufbauwillen getragenen Europas nicht einzubringen vermag. Wir haben vielmehr immer betont, daß wir an die Möglichkeit einer fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen Staaten im europäischen Raum glauben, die verschiedenartige Wirtschaftssysteme haben und sogar über gegensätzliche Gesellschaftsformen verfügen. Allein wichtig ist es, daß auf beiden Seiten der Wille zu einer nationalen und europäischen Selbstbehauptung vorhanden ist. Unter solchen Umständen werden sich auch Instrumentarien für die praktische Durchführung gemeinsamer Unternehmen schaffen lassen, also für eine strukturelle Ausgestaltung eines europäischen Europas.
    Mit diesem Prinzip einer Politik der aktiven Friedensbereitschaft, die wir nicht nur auf Europa, sondern auf die ganze Menschheit bezogen sehen wollen, befinden wir uns doch wohl in bester Harmonie nicht nur mit dem Bundeskanzler, unserer großen Schwesterpartei, der CDU, nicht nur mit unserem Koalitionspartner, sondern — nach meiner festen Überzeugung — mit allen Mitgliedern dieses Parlaments.
    Soviel erst einmal als Antwort auf die eingangs erwähnte kühne Behauptung, daß die außenpolitische Konzeption der CSU im Widerspruch zur Regierungspolitik stehe.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, die gewaltsame Okkupation der CSSR durch die mit ihr im Warschauer Pakt verbündete Sowjetunion hat in der deutschen Öffentlichkeit mit Recht die Frage nach der Sicherheit und das Sicherheitsbedürfnis verstärkt. Die CDU/CSU hat auf Grund der weltpolitischen Situation und insbesondere auf Grund der geographischen Lage der Bundesrepublik diesen Gedanken der Sicherheit immer in alle ihre politischen Überlegungen mit einbezogen, weil wir leider auf Grund der gegebenen Realitäten und Ereignisse nicht davon ausgehen können, daß wir in einer friedvollen Welt leben, in der kein Staat oder keine Mächtegruppe imperialistische Ziele verfolgt und Gewalt anwenden könnte.
    Man hat diese Politik als Politik der Stärke diffamiert und jene, ,die diese Politik vertreten haben, als die „kalten Krieger" mit dem Unterton des Verwerflichen bezeichnet. Ich glaube nicht, daß es heute in Deutschland, mit Ausnahme von anarchistischen Kräften oder gutgläubigen Träumern, noch irgendwo einen Zweifel geben könnte, daß die Politik, die von unserem ersten Bundeskanzler, Konrad Adenauer, eingeleitet worden ist,

    (Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)

    von der CDU/CSU, manchmal gegen härtesten Widerstand auf der politischen Ebene, durchgesetzt wurde

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    und zur westlichen Allianz führte, allein die Voraussetzung unserer Sicherheit und unserer Freiheit ist und auch bleiben muß.
    Meine Damen und Herren! Unsere Sicherheit kann und darf aber auch nicht länger im Endeffekt allein von den globalen Beziehungen der beiden Atomweltmächte zueinander abhängen. Eine aktive Friedenspolitik können wir in und für Europa nur betreiben, wenn wir das große Bündnis des Westens durch eine Gemeinschaftspolitik im westlichen Teil unseres Kontinents ergänzen.
    Staatspräsident de Gaulle hat am Ende seiner letzten Pressekonferenz höchst eindrucksvoll sein „Es ist zu spät" den Imperialisten und ideologi-



    Stücklen
    schen Weltherrschaftsträumern im Kreml zugerufen; zu spät, sagte ,er, für die Fremdherrschaft, die eine Zustimmung der Nationen finden könnte, zu spät, daß die kommunistische Ideologie Oberhand über das Nationalgefühl gewinnen könnte, zu spät, um Europa für immer in der Zweiteilung zu halten. Lassen Sie mich aber hier hinzufügen: es ist auch zu spät, um eine Politik der europäischen Selbstbehauptung noch länger unter nationalstaatlichen Zielsetzungen betreiben zu wollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir wissen genau, daß wir von der Existenz souveräner Staaten 'in Europa }auszugehen haben, und wollen auch keinen „vaterlandslosen Organismus" aus einer Retorte züchten. Aber wir sollten nun endlich mit einer gemeinsam definierten, koordinierten und praktizierten Außen- und Sicherheitspolitik beginnen. Das müßte mit Frankreich doch möglich sein auf der gedanklichen Grundlage, wie sie Außenminister Debré erst in diesem Monat wieder formuliert hat. „Die europäische Organisation", so sagte er, „muß auf eine gemeinsame Politik begründet werden, die ihre eigene Politik ist."
    Gewiß haben wir in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Fortschritte gemacht, große Fortschritte sogar, wenn ich an die Zollunion denke, die am 1. Juli dieses Jahres in Kraft getreten ist. Für diese harte, zähe und erfolgreiche Arbeit gebührt Ihnen, Herr Bundeskanzler, und Ihrer Regierung aufrichtiger Dank, verbunden mit der Hoffnung, daß diese Arbeit erfolgreich fortgesetzt werden kann.
    Die Landesgruppe der CSU hat der großen Mehrheit unseres Volkes sicher aus dem Herzen gesprochen, als sie in Bad Berneck forderte, daß Franzosen und Deutsche, die nun schon seit über einem halben Jahrzehnt ein besonderer Freundschaftsvertrag verbindet, endlich mit der gemeinsamen Verantwortung für Europa Ernst machen sollten. Das heißt aber auch, daß wir jetzt und hier in Bonn, in dieser Woche also, mit den Repräsentanten unserer französischen Nachbarnation über ganz konkrete gemeinsame Maßnahmen zu Beschlüssen kommen sollten.
    Ich frage: Warum sollten wir nicht mit einer koordinierten Außen-, Verteidigungs- und Finanzpolitik beginnen, indem wir einen permanenten deutschfranzösischen Regierungsausschuß ins Leben rufen? Ein solcher Kern an politischer Zusammenarbeit sollte es auch erleichtern, die Wirtschaftsunion unter den Sechs bis zur Währungsunion voranzutreiben und gleichzeitig die Heranführung Großbritanniens sowie anderer interessierter europäischer Staaten an die Gemeinschaft aktiv zu fördern. Hier sollte ein Gremium von deutsch-französischen Sachverständigen bestimmt werden, das ein handelspolitisches Arrangement mit England vorbereitet.
    Es ist begrüßenswert, daß schon heute der Beschluß vorliegt, die deutsch-französische Studiengruppe über europäische Sicherheitsfragen zu aktualisieren und zu aktivieren. Eine westeuropäische Gemeinschaftspolitik auf deutsch-französischem Fundament ist nicht nur dringend erforderlich zur Verbesserung unserer Verteidigungsposition, zu einer Verstärkung unserer eigenen Sicherheit im Rahmen der westlichen Allianz, zur Erarbeitung eines strategischen Konzepts, das den operativen Erfordernissen dieses Raums entspricht, sondern ebensosehr für eine gesamteuropäisch programmierte Ostpolitik.
    Diese These wird bestätigt, wenn man heute erkennt, daß den ständigen Übergriffen, Herausforderungen und Verleumdungsaktionen der sowjetischen Macht nur durch eine solidarische Haltung aller Europäer wirksam entgegengetreten werden kann. Die Schaffung des vereinten Europas ist zwingend, ja, lebenswichtig für uns alle, es sei denn, man wäre bereit, die sowjetischen Machtansprüche .zur Veränderung des Status quo im Sinne Moskaus hinzunehmen.
    Die Vereinigten Staaten von Amerika sind heute sicherlich — darüber gibt es überhaupt keinen Zweifel — fest entschlossen und auch in der Lage, die westeuropäische Position zu halten. Kein Mensch aber kann voraussagen, ob sie dazu immer in der Lage und bereit sein werden, wenn ihre Bündnispartner auf diesem Kontinent nicht mehr politische Eigenverantwortung entwickeln. Wir müssen aufhören, Wunder von Amerika zu erwarten. Wir Europäer müssen selbst alle Anstrengungen unternehmen, um die Position Europas soweit wie möglich aus eigener Kraft zu sichern. Dabei gehen wir heute und für die Zukunft davon aus, daß das Bündnis zwischen uns und den Vereinigten Staaten von Amerika erhalten bleibt.
    Vorstellungen darüber, wie im Rahmen einer politischen Union eine europäische Verteidigungsorganisation entstehen könnte und sich in das Westbündnis einordnen ließe, hat der Landesvorsitzende der CSU, Franz Josef Strauß, unter anderem bereits 1965 in seiner Mailänder Rede vorgetragen. Dieses Konzept scheint mir heute noch genauso diskutabel und aktuell wie vor drei Jahren zu sein. Strauß sagte damals, es komme lediglich darauf an, eine neue organisatorische Form der Koordinierung zwischen den auf europäischem Boden stationierten amerikanischen Einheiten und einem europäischen Verteidigungssystem zu finden. „Die Anwesenheit großer amerikanischer Kontingente halte ich" — so sagte Strauß — „für unbedingt erforderlich, um dem Osten gegenüber das gemeinsame Sicherheitsinteresse und die gemeinsame Abwehrbereitschaft einer amerikanisch-europäischen Allianz sichtbar zu machen." Ich glaube, daß diese Frage noch mehr Aktualität hat angesichts der Ereignisse in der Tschechoslowakei.
    Die Mailänder Ausführungen des CSU-Vorsitzenden geben nur eines der möglichen Modelle wieder. Sie zeigen aber deutlich die Richtung auf, in der wir uns eine Stärkung des Bündnisses mit einem größeren Gewicht der europäischen Komponente vorstellen. Für uns steht damals wie heute aber auch die Problematik des Atomwaffensperrvertrages in unmittelbarem Zusammenhang mit der politischen Vereinigung Europas. Wir glauben, daß inzwischen das Verhalten der Sowjetunion immer



    Stücklen
    mehr Beweise dafür geliefert hat, daß es ihr vor allem darum geht, mit dem Sperrvertrag ein Werkzeug zur Unterbindung der europäischen Einigungsbestrebungen in die Hand zu bekommen.

    (Abg. Dr. Barzel: Hört! Hört!)

    Daß Moskau sich neuerdings zusätzlich noch einseitige oder kollektive Interventionsrechte anmaßt, die es aus der im Sperrvertrag angerufenen UN-Charta herauslesen möchte, macht uns das Vertragswerk, dessen Mitautor die Sowjetunion ja ist, nur noch suspekter.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir begrüßen es sehr, in wie unzweideutiger Form die drei Westalliierten die sowjetische Auslegung der sogenannten Feindstaatenklausel zurückgewiesen haben.

    (Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)

    Aber wir sehen noch keine Anzeichen dafür, daß Moskau zu entsprechenden Einsichten gelangt sei. Mit einer Macht, die soeben den Warschauer-Pakt-
    Vertrag gegenüber einem sozialistischen Bruderland in einem von der ganzen übrigen Welt verurteilten Gewaltakt gebrochen hat, können wir bei unveränderten Umständen wirklich kein 'Abkommen unterzeichnen, das von so weitreichender Bedeutung ist. Die Sicherheit und die Integration Europas haben Vorrang vor diesem Vertrag.
    Meine Damen und Herren, ich habe mich bei meinen Ausführungen auf die wenigen Punkte beschränkt, die ich auf Grund der Vereinbarungen mit unserem Fraktionsvorsitzenden von seiten der CSU aus beleuchten sollte. Ich darf mich im übrigen den Ausführungen des Fraktionsvorsitzenden Dr. Barzel anschließen, die er zu den anderen Fragen gemacht hat. Sie befinden sich in völliger Übereinstimmung mit uns.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Diese Ausführungen habe ich im Namen der CSU aber auch deshalb gemacht, weil erstens die vermehrte Sicherheit und die europäische Einigung in einem untrennbaren Kausalzusammenhang stehen und weil zweitens Sie, Herr Bundeskanzler, morgen mit dem französischen Staatspräsidenten zu wichtigen politischen Konferenzen zusammentreten. Herr Bundeskanzler — und das soll mein Schluß sein —, Sie haben unser Vertrauen, weil Sie eine Politik des Friedens, der Sicherheit und der Freiheit verfolgen. Sie werden unsere volle Unterstützung haben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)