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ID0518617600

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    Deutscher Bundestag 186. Sitzung Bonn, den 26. September 1968 Inhalt: Amtliche Mitteilung . . . . . . . . 10065 A Fragestunde (Drucksache V/3277 [neu]) Frage des Abg. Meister: Preisbindung und Preisrichtsätze beim landwirtschaftlichen Grundstücksverkehr 10065 B Fragen des Abg. Dr. Hauser (Sasbach) : Ausgleichsabgabe für Frischfleisch Höcherl, Bundesminister . . . . 10065 C, D Fragen des Abg. Reichmann: Pflaumen- und Zwetschenerzeugung in Haus- und Kleingärten — Geschenk- und Sozialinterventionen auf Grund des EWG-Fonds Höcherl, Bundesminister . 10066 A, B, C, D, 10067 A Reichmann (FDP) . . . 10066 D, 10067 A Frage des Abg. Weigl: Erzeugerpreise für Schweinefleisch . . 10067 B Frage des Abg. Weigl: Berechnung des Unfallgenossenschaftsbeitrages 10067 B Frage des Abg. Weigl: Berücksichtigung der Steigerung der Beiträge bei Rentenanpassungen . . . 10067 C Frage der Abg. Frau Dr. Diemer-Nicolaus: Strafaussetzung zur Bewährung oder Umwandlung in Geldstrafen bei Freiheitsstrafen-Urteilen gegen Kraftfahrer wegen Alkoholeinfluß am Steuer Dr. Dr. Heinemann, Bundesminister . 10067 C Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) . . 10067 D Fragen des Abg. Fritz (Wiesbaden) : Haftvorschriften des § 112 StPO Dr. Dr. Heinemann, Bundesminister 10068 A, B Abg. Fritz (Wiesbaden) (SPD) . . 10068 B Fragen des Abg. Krammig: Lohnsteuerfreiheit des Haustrunkes und der Tabakdeputate Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 10068 C Frage des Abg. Opitz: Kraftfahrzeugpauschale 10068 D Frage des Abg. Genscher: Novellierung des Mehrwertsteuergesetzes Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 10069 A, B, C, D, 10070 A Genscher (FDP) 10069 B, C Frau Funcke (FDP) . . 10069 C, 10070 A Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) 10070 A . II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 186. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. September 1968 Frage des Abg. Genscher: Arbeits- und Kostenbelastung durch die Einführung der Mehrwertsteuer Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär 10070 B, C, D Genscher (FDP) 10070 C, D Frage des Abg. Dr. Imle: Mehrwertsteuer auf die Kurtaxe Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 10070 D, 10071 B, C Dr. Imle (FDP) 10071 A, B Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) 10071 B Frau Funcke (FDP) 10071 C Frage des Abg. Dr. Abelein: Finanzielle Unterstützung für Unwettergeschädigte Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 10071 D Frage des Abg. Dr. Marx (Kaiserslautern) : Vorschläge der EWG-Kommission über Erleichterungen im Reiseverkehr . . 10072 A Fragen des Abg. Kaffka: Leiter des Korruptionsreferats im Bundesverteidigungsministerium . . . . 10072 B Frage des Abg. Peiter: Zweite Standortverwaltung für den Standort Koblenz Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 10072 D, 10073 A Peiter (SPD) 10073 A, B Frage des Abg. Peters (Poppenbüll) : Dienstwohnungen in den Marine-Standorten Schleswig-Holsteins Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 10073 A Peters (Poppenbüll) (FDP) . . . . 10073 B Fragen des Abg. Barche: Zurückstellung vom Wehrdienst Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 10073 C, 10074 A Barche (SPD) 10074 A Frage des Abg. Dr. Marx (Kaiserslautern) : Provokatorische Maßnahmen von SDS-Angehörigen in der Bundeswehr Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 10074 A, B, C, D Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) . 10074 B, C Moersch (FDP) 10074 D Fragen der Abg. Dr. Apel und Dr. Meinecke: Fluglärmbelästigung am Flughafen Hamburg-Fuhlsbüttel Börner, Parlamentarischer Staatssekretär . 10074 D, 10075 A, B, C, D, 10076 A, B, C, D Dr. Apel (SPD) . . . 10075 A, D 10076 C Rawe (CDU/CSU) . . . . . . 10075 B, C Dr. Meinecke (SPD) 10076 A, B Frage des Abg. Franke (Osnabrück):: Autobahnkreuz HansaLinie/ Europa-Straße 8 Börner, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 10076 D, 10077 B Franke (Osnabrück) (CDU/CSU) . 10077 A, B Frage des Abg. Freiherr von Gemmingen: Ausbau der Bundesfernstraße 3 südlich Heidelberg Börner, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . 10077 C Frage des Abg. Schmitt-Vockenhausen: Brückenpfeiler der Eisenbahnbrücke über die Bundesstraße 43, westlich Bischofsheim Börner, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . 10077 D Fragen des Abg. Dr. Enders: Vergabe von Verkehrs- und Kraftfahrzeugversorgungsbetrieben auf der Autobahn „Rhönlinie" Börner, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 10077 D, 10078 A Memmel (CDU/CSU) 10078 A Frage des Abg. Peters (Poppenbüll) : Eiderbrücke bei Tönning Börner, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . 10078 B, C Peters (Poppenbüll) (FDP) . . . 10078 B, C Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 186. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. September 1968 III Frage des Abg. Peters (Poppenbüll) : Schienengleiche Bahnübergänge im Zuge der B 201 10078 D Frage des Abg. Ramms: Ordnung der Straßenbaulast Börner, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . 10079 A, B Ramms (FDP) . . . . . . . . 10079 A, B Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Dr. Barzel (CDU/CSU) 10079 C, 10101 C, D, 10102 A Schmidt (Hamburg) (SPD) 10088 B, 10103 C Scheel (FDP) 10098 B Berkhan (SPD) 10106 C Dr. von Merkatz (CDU/CSU) . . 10102 D Kiep (CDU/CSU) . . . . . . 10103 A Petersen (CDU/CSU) 10106 D Dr. Birrenbach (CDU/CSU) . . . 10107 B Dr. Barzel (CDU/CSU) . . . . . 10108 B Brandt, Bundesminister 10109 B Stücklen (CDU/CSU) 10116 B Genscher (FDP) . . . . . . . 10119 C Schmidt (Hamburg) (SPD) . . . 10120 A Nächste Sitzung 10120 C Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 10121 A Anlage 2 Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD zu der Erklärung der Bundesregierung vom 25. September 1968 (Umdruck 505) 10121 D Anlage 3 Entschließungsantrag der Fraktion der FDP zu der Erklärung der Bundesregierung vom 25. September 1968 (Umdruck 506) 10122 D Anlage 4 Schriftliche Erklärung des Abg. Mick (CDU/CSU) Punkt 2 der Tagesordnung 10123 D Anlage 5 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Anfragen des Abg. Schmidhuber betr. Aufforderung an die Vorstände der Zechengesellschaften an der Ruhr zum Beitritt zu der Gesamtgesellschaft . . . . 10124 B Anlage 6 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Anfragen des Abg. Hirsch betr. Konvention zum Schutze vor Luftpiraterie . . 10124 C Anlage 7 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Anfragen des Abg. Rollmann betr. Berlin-Flugtarife 10124 D Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 186. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. September 1968 10065 186. Sitzung Bonn, den 26. September 1968 Stenographischer Bericht Beginn 9.01 Uhr.
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Beurlaubungen Dr. Aigner * 26. 9. Dr. Arndt (Berlin/Köln) 27. 9. Bading * 27. 9. Bals 13. 10. Bauer (Würzburg) ** 27. 9. Berger 27. 9. Berkhan** 27. 9. Biechele 28. 9 Blumenfeld** 27. 9. Brück (Holz) ** 27. 9. Dr. Bucher 27. 9. Corterier 26. 9. Cramer 28. 9. Dr. Dahlgrün 27. 9. van Delden 28. 9. Dr. Dittrich* 28. 9. Draeger** 27. 9. von Eckardt 27. 9. Dr. Elbrächter 28. 9. Flämig** 27. 9. Frieler 7. 10. Dr. Furler** 27. 9. Haage (München) 27. 9. Hahn (Bielefeld) * 27. 9. Hellenbrock 31. 10. Frau Herklotz** 27. 9. Herold** 27. 9. Hilbert 27. 9. Hösl** 27. 9. Jacobi (Köln) 26. 9. Dr. Jaeger 28. 9. Kahn-Ackermann** 27. 9. Dr. Kempfler** 27. 9. Frau Klee** 27. 9. Dr. Kliesing (Honnef) ** 27. 9. Klinker * 27. 9. Dr. Koch 26. 9. Koenen (Lippstadt) 5. 10. Dr. Kopf ** 27. 9. Dr. Kübler** 27. 9. Lautenschlager* 4. 10. Lemmrich** 27. 9. Lenze (Attendorn) ** 27. 9. Dr. Lohmar 4. 10. Matthöfer 27. 9. Maucher 27. 9. Mauk* 27. 9. Frau Dr. Maxsein** 27. 9. Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 5. 10. Dr. von Merkatz** 27. 9. Dr. Mühlhan 27. 9. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an einer Tagung der Beratenden Versammlung des Europarats Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Müller (Aachen-Land) * 28. 9. Dr. Müller (München) ** 27. 9. Neumann (Stelle) 28. 9. Peters (Norden) 5. 10. Pöhler** 27. 9. Rehs 4. 10. Richter** 27. 9. Dr. Rinderspacher** 27. 9. Dr. Rutschke** 27. 9. Russe (Bochum) 4. 10. Sander** 27. 9. Dr. Schmidt (Offenbach) ** 27. 9. Schmidt (Würgendorf) ** 27. 9. Dr. Schulz (Berlin) ** 27. 9. Dr. Schulze-Vorberg 26. 9. Dr. Serres ** 27. 9. Steinhoff 27. 9. Dr. Steinmetz 27. 9. Stooß 27. 9. Dr. Süsterhenn 4. 10. Vogt** 27. 9. Wächter 5. 10. Dr. Wahl ** 27. 9. Walter 12. 10. Wendelborn 28. 9. Weiland 5. 10. Frau Wessel 31. 12. Wienand** 27. 9. Anlage 2 Umdruck 505 Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD zu der Erklärung der Bundesregierung vom 25. September 1968, Der Bundestag wolle beschließen: Der Bundestag stellt fest: 1. Der Deutsche Bundestag hat stets die Bemühungen der Bundesregierungen um eine konsequente und wirksame Friedenspolitik gegenüber allen Staaten unterstützt. Diese Politik ist auf eine europäische Friedensordnung gerichtet. Sie wird fortgesetzt, obgleich sie durch den Einmarsch in die Tschechoslowakei einen empfindlichen Rückschlag erlitten hat. 2. Der Deutsche Bundestag verurteilt den Einmarsch in die Tschechoslowakei als einen völkerrechtswidrigen Gewaltakt. Die Besetzung der CSSR ist ein schweres Hindernis auf dem Wege zu einer europäischen Friedensordnung. 3. Der Einmarsch in die Tschechoslowakei ist auf die einhellige Empörung der ganzen Welt gestoßen. Die Sowjetunion versucht, ihre Verantwortung für die Besetzung der Tschechoslowakei auf andere, auch auf die Bundesrepublik Deutschland, abzuschieben. Ihre haltlosen Beschuldigungen sollen offenkundig von der sowjetischen Aggression ablenken. 10122 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 186. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. September 1968 4. Die Angriffe der Sowjetunion richten sich gegen lebenswichtige Positionen der deutschen Politik, die vertraglich und politisch gemeinsam von den USA, Großbritannien, Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland vertreten werden. 5. Der Deutsche Bundestag wird zu keiner Zeit und unter keinen Umständen davon abgehen, daß das Selbstbestimmungrecht der Völker zentraler Grundsatz der internationalen Politik sein muß und durch keine militärische Macht gebeugt werden darf. Die USA, Großbritannien, Frankreich und die Bundesrepublik Deutschland haben sich im Deutschlandvertrag völkerrechtlich bindend verpflichtet, bis zum Abschluß einer friedensvertraglichen Regelung zusammenwirken, um mit friedlichen Mitteln ihr gemeinsames Ziel zu verwirklichen: Ein wiedervereinigtes Deutschland, das eine freiheitliche, demokratische Verfassung besitzt und in die Gemeinschaft ,der europäischen Völker eingebettet ist. Die Völker Europas werden einen dauerhaften und gerechten Frieden nicht finden, solange unserem Volke ,die Teilung aufgezwungen bleibt. 6. Unsere Verbündeten und die ganz überwiegende Mehrheit der Völker haben bekundet, das sie die Bundesregierung als die einzige deutsche Regierung ansehen, die frei und rechtmäßig gebildet ist. Sie spricht auch für jene, ,denen mitzuwirken bisher versagt ist. Die Anerkennung des anderen Teiles Deutschlands als Ausland oder als zweiter souveräner Staat deutscher Nation kommt nicht in Betracht. 7. Der Deutsche Bundestag wird alle Verhandlungen und Maßnahmen der Bundesregierung unterstützen, die zum Wohle der Menschen im gespaltenen Deutschland und im Interesse des Zusammenhaltes der Nation möglich sind. 8. Der Deutsche Bundestag hält fest am Viermächtestatus für ganz Berlin und weist Versuche, das freie Berlin politisch und rechtlich zu isolieren, zurück. Der Deutsche Bundestag fördert die Bemühungen der Bundesregierung, die drei Westmächte bei ,der Ausübung ihrer Verantwortlichkeiten für die Erhaltung des ungehinderten freien Zugangs nach Berlin sowie der Sicherheit und Lebensfähigkeit der Stadt zu unterstützen. Desgleichen tritt er ,dafür 'ein, daß die engen gewachsenen Bindungen zwischen Berlin und dem Bund gewahrt und gefördert werden. 9. Der Deutsche Bundestag bekräftigt die Erklärung der Bundesregierung vom 13. 12. 1966 über unseren Willen zur Aussöhnung und zum friedlichen Zusammenleben des deutschen Volkes mit dem polnischen Volke und mit den Völkern der CSSR. 10. Sicherheit und Freiheit der Bundesrepublik Deutschland beruhen auf dem atlantischen Bündnis. Der Deutsche Bundestag wird deshalb alle notwendigen Anstrengungen der Bundesregierung unterstützen, die atlantische Allianz zu festigen und zu stärken. Er spricht die Erwartung aus, daß einseitige Verminderungen der Streitkräfte der Allianz in Europa unterbleiben. 11. Der Deutsche Bundestag tritt für internationale Vereinbarungen über gleichwertige Maßnahmen zur Rüstungskontrolle, Rüstungsbegrenzung und Abrüstung ein. Die Bundesrepublik Deutschland hat gegenüber ihren Bündnispartnern von atomaren, biologischen und chemischen Waffen verzichtet und sich entsprechenden internationalen Kontrollen unterworfen. Sie strebt keine nationale Verfügungsgewalt über Atomwaffen und keinen nationalen Besitz an solchen Waffen an. 12. Das Grundgesetz verbietet die Störung des friedlichen Zusammenlebens der Völker und den Angriffskrieg. Die Bundesrepublik Deutschland richtet ihre Politik an den Grundsätzen der Satzung der Vereinten Nationen aus. Der Deutsche Bundestag lehnt Gewalt als Mittel der Politik ab. 13. Kein anderer Staat hat das Recht, sich in die inneren Angelegenheiten der Bundesrepublik Deutschland einzumischen oder gar mit Gewalt zu intervenieren. Gegen eine sowjetische Bedrohung schützt uns das nordatlantische Bündnis. 14. Die bestehenden europäischen Gemeinschaften müssen im Innern ausgebaut, miteinander verschmolzen und erweitert werden. 15. Nur in enger Zusammenarbeit aller Völker Europas wird unser Kontinent eine Ordnung des Friedens schaffen und seinen politischen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und kulturellen Einfluß in ,der Welt wahren und stärken können. Dann erst kann Europa ,den Beitrag zur Lösung der großen Probleme dieser Welt leisten, der von unserem Kontinent erwartet wird. Bonn, den 25. September 1968 Dr. Barzel und Fraktion Schmidt (Hamburg) und Fraktion Anlage 3 Umdruck 506 Antrag der Fraktion der FDP zu der Erklärung der Bundesregierung vom 25. September 1968. Der Bundestag wolle beschließen: Der Bundestag stellt fest: 1. Der Deutsche Bundestag hat stets die Bemühungen der Bundesregierungen um eine konsequente und wirksame Friedenspolitik gegenüber allen Staaten unterstützt. Diese Politik ist auf eine europäische Friedensordnung gerichtet: Sie wird fortgesetzt, obgleich sie durch den Einmarsch in die Tschechoslowakei einen empfindlichen Rückschlag erlitten hat. 2. Der Deutsche Bundestag verurteilt den Einmarsch in die Tschechoslowakei als einen völ- Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 186. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. September 1968 10123 kerrechtswidrigen Gewaltakt. Die Besetzung der CSSR ist ein schweres Hindernis auf dem Wege zu einer europäischen Friedensordnung. 3. Der Einmarsch in die Tschechoslowakei ist auf die einhellige Empörung der ganzen Welt gestoßen. Die Sowjetunion versucht vergeblich, ihre Verantwortung für die Besetzung der Tschechoslowakei auf andere, auch auf die Bundesrepublik Deutschland, abzuschieben. Ihre haltlosen Beschuldigungen sollen offenkundig von der sowjetischen Aggression ablenken. 4. Die Angriffe der Sowjetunion richten sich gegen lebenswichtige Positionen der deutschen Politik, die vertraglich und politisch gemeinsam von den USA, Großbritannien, Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland vertreten werden. 5. Der Deutsche Bundestag wird zu keiner Zeit und unter keinen Umständen davon abgehen, daß das Selbstbestimmungsrecht der Völker zentraler Grundsatz der internationalen Politik sein muß und durch keine militärische Macht gebeugt werden darf. Die USA, Großbritannien, Frankreich und die Bundesrepublik Deutschland haben sich im Deutschlandvertrag völkerrechtlich bindend verpflichtet, bis zum Abschluß einer friedensvertraglichen Regelung zusammenzuwirken, um mit friedlichen Mitteln ihr gemeinsames Ziel zu verwirklichen: Ein wiedervereinigtes Deutschland, das eine freiheitliche, demokratische Verfassung besitzt und in die Gemeinschaft der europäischen Völker eingebettet ist. Die Völker Europas werden einen dauerhaften und gerechten Frieden nicht finden, solange unserem Volke die Teilung aufgezwungen bleibt. 6. Es entspricht dem Willen des ganzen deutschen Volkes und dem Verfassungsauftrag des Grundgesetzes, daß die Bundesrepublik Deutschland den anderen Teil Deutschlands nicht völkerrechtlich als Ausland anerkennt. 7. Der Deutsche Bundestag wird alle Verhandlungen und Maßnahmen der Bundesregierung unterstützen, die zum Wohle der Menschen im gespaltenen Deutschland und im Interesse des Zusammenhaltes der Nation möglich sind. 8. Der Deutsche Bundestag hält fest am Viermächtestatus ganz Berlins und weist Versuche, das freie Berlin politisch und rechtlich zu isolieren, zurück. Der Deutsche Bundestag fördert die Bemühungen der Bundesregierung, die drei Westmächte bei der Ausübung ihrer Verantwortlichkeiten für die Erhaltung des ungehinderten freien Zugangs nach Berlin sowie der Sicherheit und Lebensfähigkeit der Stadt zu unterstützen. Desgleichen tritt er dafür ein, daß die engen Bindungen zwischen Berlin und dem Bund gewahrt und gefördert werden. 9. Der Deutsche Bundestag bekräftigt die Erklärung der Bundesregierung vom 13. 12. 1966 über unseren Willen zur Aussöhnung und zum friedlichen Zusammenleben des deutschen Volkes insbesondere mit dem polnischen Volke und mit den Völkern der CSSR. 10. Sicherheit und Freiheit der Bundesrepublik Deutschland beruhen auf dem atlantischen Bündnis. Der Deutsche Bundestag wird deshalb alle notwendigen Anstrengungen der Bundesregierung unterstützen, die atlantische Allianz zu festigen und zu stärken. Er spricht die Erwartung aus, daß einseitige Verminderungen der Streitkräfte der Allianz in Europa unterbleiben. 11. Der Deutsche Bundestag tritt für internationale Vereinbarungen über gleichwertige Maßnahmen zur Rüstungskontrolle, Rüstungsbegrenzung und Abrüstung ein. Die Bundesrepublik Deutschland hat gegenüber ihren Bündnispartnern auf die Herstellung von atomaren, biologischen und chemischen Waffen verzichtet und sich entsprechenden internationalen Kontrollen unterworfen. Sie strebt keine nationale Verfügungsgewalt über Atomwaffen und keinen nationalen Besitz an solchen Waffen an. 12. Das Grundgesetz verbietet die Störung des friedlichen Zusammenlebens der Völker und den Angriffskrieg. Die Bundesrepublik Deutschland richtet ihre Politik an den Grundsätzen der Satzung der Vereinten Nationen aus. Der Deutsche Bundestag lehnt Gewalt als Mittel der Politik ab. 13. Kein anderer Staat hat das Recht, sich in die inneren Angelegenheiten der Bundesrepublik Deutschland einzumischen oder gar mit Gewalt zu intervenieren. Gegen eine sowjetische Bedrohung mit Gewalt schützt uns das nordatlantische Bündnis. 14. Die bestehenden europäischen Gemeinschaften müssen im Innern ausgebaut, miteinander verschmolzen und erweitert werden. 15. Nur in enger Zusammenarbeit aller Völker Europas wird unser Kontinent eine Ordnung des Friedens schaffen und seinen politischen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und kulturellen Einfluß in der Welt wahren und stärken können. Dann erst kann Europa den Beitrag zur Lösung der großen Probleme dieser Welt leisten, der von unserem Kontinent erwartet wird. Bonn, den 26. September 1968 Mischnick und Fraktoin Anlage 4 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Mick (CDU/CSU) zu Punkt 2 der Tagesordnung. Als ich am heutigen Morgen das Bundeshaus durch den Eingang I betreten wollte, standen dort zwei junge Männer, auf Brust und Rücken ein Pla- 10124 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 186. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. September 1968 kat, in einer Hand eine Sammelbüchse für Spenden für die Verhungernden in Biafra. Ich sah, daß neben dem Bundesaußenminister viele prominente Politiker dieses Hauses ihre Brieftasche oder ihre Geldbörse zückten und überdies den jungen Leuten die Hand gaben. Auf einem, den Abgeordneten überreichten Flugblatt wurde die Bitte geäußert, bei der heutigen Debatte über die Außenpolitik, die ein Beitrag zur internationalen Friedenspolitik sein soll, den Menschenmord in Biafra nicht auszuklammern, weil dadurch noch Millionen Menschenleben zu retten wären. In dem Flugblatt heißt es wörtlich: 1. Verstärkung der humanitären Hilfe. Das Diakonische Werk, die Caritas und das Rote Kreuz haben ein Verpflegungsprogramm gestartet, auf das die biafranische Bevölkerung angewiesen ist. Dazu genügen nicht 5 Millionen DM im Dezember. Um 500 000 Flüchtlingen einen Monat lang täglich eine Mahlzeit geben zu können, werden 221/2 Millionen DM benötigt. Sie brauchen diese Mahlzeit jetzt. 2. Durchsetzung einer wirksamen internationalen Kontrolle zur Vermeidung der befürchteten Massaker und der Aushungerung. Es ist erwiesen, daß die nigerianischen Soldaten von Massakern Abstand nehmen, wenn ausländische Beobachter zusehen können. Die Bundesregierung muß in einer konzertierten Aktion die Zulassung vieler internationaler Beobachter im Kriegsgebiet durchsetzen. Sie sollte Verbindungen zu England, Frankreich, der Schweiz, Osterreich und anderen Staaten aufnehmen, um gemeinsam die mit Sicherheit eintretenden Greueltaten beim und nach dem Überrollen Rest- Biafras zu verhindern. (Wir erinnern an Ekot Ekpene.) Weil ich mir die Meinung dieser jungen Leute und des hinter ihnen stehenden Aktionskomitees Biafra voll zu eigen mache, sehe ich mich verpflichtet, diese Meinung auch dem Deutschen Bundestag mitzuteilen. Deshalb habe ich mich in diese außenpolitische Debatte eingedrängt. Anlage 5 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt vom 26. September 1968 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Schmidhuber (Drucksache V/3277 Fragen 52 und 53) : Trifft es zu, daß das Bundeswirtschaftsministerium die Vorstände der Zechengesellschaften des Steinkohlenbergbaugebietes an der Ruhr aufgefordert hat, bis zum 15. September 1968 definitiv zu erklären, ob ihre Gesellschaften der Gesamtgesellschaft beitreten werden? Ist diese Aufforderung so zu verstehen, daß ein Beitritt zur Gesamtgesellschaft nach dem 15. September 1968 nicht mehr möglich ist? Dies trifft nicht zu. Der Verhandlungskreis „Gesamtgesellschaft" hat am 14. Juni 1968 für den 15. September 1968 lediglich festgelegt, daß die einzelnen Unternehmen des Ruhrbergbaus bis dahin sich im Grundsatz zu den Modalitäten für die Bildung einer Gesamtgesellschaft erklären. Der Termin „15. September" war deshalb gewählt worden, um nach weiteren drei Monaten die notwendige Orientierungshilfe über die Beteiligungsbereitschaft des Ruhrkohlenbergbaues an der Gesamtgesellschaft zu erhalten. Daraus folgt, daß die Bereitschaftserklärung auch jetzt noch möglich ist. Anlage 6 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 26. September 1968 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Hirsch (Drucksache V/3277 [neu] Fragen 81 und 82) : Ist die Bundesregierung bereit, die Bemühungen des Internationalen Piloten-Verbandes für den Abschluß einer Konvention zum Schutze vor Luftpiraterie zu unterstützen? Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, bis zum Inkrafttreten einer solchen Konvention oder entsprechender international wirksamer Maßnahmen deutsche Flugmannschaften, Passagiere und Flugzeuge gegen Piraterieversuche zu schützen? Die Frage wird mit „Ja" beantwortet. Der Internationale Piloten-Verband hat im Hinblick auf den Schutz vor Flugzeugentführungen die weltweite Annahme des „Abkommens über strafbare und bestimmte andere an -Bord von Luftfahrzeugen begangene Handlungen" und des „Internationalen Paktes über staatsbürgerliche und politische Rechte" gefordert. Das Zustimmungsgesetz zu dem Abkommen liegt dem Bundestag zur Beschlußfassung vor. Mit der Unterzeichnung des Paktes durch die Bundesregierung ist noch in diesem Jahre zu rechnen. An Bord von Luftfahrzeugen und vor Beginn des Fluges auf den Flughäfen lassen sich keine wirksamen und zugleich praktisch durchführbaren Maßnahmen zur Verhinderung von Flugzeugentführungen treffen, wie dies schon in der schriftlichen Antwort vom 14. August 1968 auf die Anfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Marx ausgeführt worden ist. Insbesondere würde der Widerstand der Flugzeugbesatzung im allgemeinen zu einer größeren Gefährdung von Flugzeug und Insassen führen als die Entführung selbst. Um Flugzeugentführungen entgegenzuwirken, wird sich die Bundesregierung für eine strenge Ahndung dieses Deliktes einsetzen. Soweit die Täter nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegen, wird sie auf diplomatischem Wege für ihre Bestrafung eintreten. Anlage 7 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 26. September 1968 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Rollmann (Drucksache V/3277 [neu] Fragen 90, 91 und 92) : Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 186. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. September 1968 10125 Aus welchem Grunde wurde eine tarifliche Sonderregelung für den zivilen Luftverkehr auf der Strecke Hannover—Berlin eingeführt? Ist die Bundesregierung bereit, Möglichkeiten für eine allgemeine Senkung der Berlin-Flugtarife zu prüfen und dem Deutschen Bundestag in Kürze darüber Bericht zu erstatten? Ist die Bundesregierung bereit, falls sich eine allgemeine Berlintarif-Senkung nicht realisieren läßt, wenigstens für die Westberliner Bevölkerung als Ausgleich für deren beschränkte Reisemöglichkeiten umfassendere Flugvergünstigungen als bisher zu schaffen? Die Bundesregierung will mit der Verbilligung des Luftverkehrs auf der Strecke Berlin—Hannover möglichst für jedermann im Verkehr von und nach Berlin eine echte Freizügigkeit ohne Kontrollen sicherstellen. Der aus dieser Erwägung festgelegte Flugpreis lehnt sich an den Eisenbahnfahrpreis 2. Klasse an. Die Bundesregierung hat die erhöhten Zuschüsse auf die Strecke Berlin—Hannover beschränkt, weil die hierfür erforderlichen Haushaltsmittel auf dieser Verkehrsrelation den höchsten Nutzen bringen. Der Grundsatz, öffentliche Mittel sparsam und wirtschaftlich mit dem größtmöglichen Nutzen zu verwenden, würde bei erhöhten Zuschüssen für die übrigen Berlin-Strecken nicht gewahrt sein, weil die hierfür erforderlichen Haushaltsmittel das Mehrfache des für die Hannover-Strecke benötigten Betrages ausmachen würden. Wie aus den beiden vorhergehenden Antworten ersichtlich, ist die Bundesregierung der Ansicht, daß mit der weiteren Verbilligung des Luftverkehrs Berlin—Hannover auch für den Berliner mit relativ geringem Einkommen eine echte Freizügigkeit auf der Grundlage des Eisenbahntarifs 2. Klasse geschaffen wurde, und zwar unter Wahrung des Grundsatzes der größtmöglichen Sparsamkeit bei der Verwendung öffentlicher Mittel. Die Bundesregierung ist ferner der Auffassung, daß bei dieser Sachlage nicht von beschränkten Reisemöglichkeiten im Berlin-Reiseverkehr gesprochen werden kann, da auf vielen Verkehrsrelationen — beispielsweise Berlin einerseits, Köln, Frankfurt und Hamburg andererseits — die Fahrzeit im gebrochenen Luft-Eisenbahnverkehr über Hannover diejenige des direkten Eisenbahnverkehrs von und nach Berlin nicht übersteigt, teilweise sogar darunter bleibt. Die Bundesregierung sieht deshalb zur Zeit keinen Anlaß, umfassendere Flugvergünstigungen zu ermöglichen.
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    Rede von Helmut Schmidt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als in den Sommerferien diese Debatte ins Auge gefaßt wurde, handelte es sich eigentlich darum, daß wir der Überzeugung waren, die Veröffentlichung des. deutschsowjetischen Notenwechsels über den von uns vorgeschlagenen Nichtangriffsvertrag oder Gewaltverzichtsaustausch mache eine Bewertung und eine Stellungnahme in diesem Hause notwendig. Inzwischen ist eine Lageveränderung eingetreten durch jenen Akt gewaltsamer Völkerrechtsverletzung, der in seiner Kollektivität — fünf Staaten marschieren über Nacht in einen kleinen Staat ein — in der europäischen Geschichte ohne Beispiel ist.
    Herr Barzel hat soeben zum Schluß, quasi zusammenfassend, einen Satz von Bundeskanzler Adenauer zitiert. Wir haben manches von dem, was Adenauer getan hat, kritisiert. Unter manchem haben wir gelitten. Manches haben wir anerkannt. Dieser Satz, Herr Barzel, kann jeder, muß jeder in diesem Hause unterschreiben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich möchte in einem Satz an die Tage um den 21. August herum erinnern. Wo auch immer damals Deutsche miteinander redeten, redeten sie in Mitgefühl und Sorge über das, was sie täglich, ja stündlich im Rundfunk, in den Zeitungen und im Fernsehen erfuhren. Die Ereignisse in der Tschechoslowakei haben einen Schock ausgelöst.
    Wir müssen uns hier frei von dem Schock fragen, ob diese Ereignisse .für unsere Außen-, Sicherheits- und Deutschlandpolitik eine neue Lage ergeben haben. Wir müssen dies nüchtern, gelassen, abwägend tun, aber ebensosehr zur Festigkeit entschlossen.
    Ich habe die Absicht, zunächst rein analysierend einige Feststellungen zu treffen. Auch wenn sich manches mit dem überschneidet, was soeben der Vorredner und gestern die Regierung erklärt haben, sowie mit dem, was die FDP noch zu erklären wünscht, so sollten doch meines Erachtens Wiederholungen in dieser Debatte nicht vermieden werden; denn es ist notwendig, daß die grundlegende Einigkeit und Geschlossenheit dieses Hauses deutlich wird.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ehe ich mich der Analyse zuwende, komme ich zu einer Vorbemerkung, die ich mit Genugtuung mache. Zur innenpolitischen Bewältigung des 21. August und der folgenden Tage wäre es in jenen Tagen durchaus denkbar gewesen, daß verschiedene Politiker und verschiedene Parteien in der Besorgnis, was die nächste Nacht für Europa und seine Völker bringen würde, je ihre eigene neue Position zu formulieren versucht hätten, z. B. unter dem Schock. Aber das ist nicht geschehen. Opposition und Koalition, Regierung und Parlamentarier, die sich im Auswärtigen Ausschuß, im Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen und in den Fraktionsvorständen mit der Lage befaßten, waren sich einig in der Fortsetzung der Friedenspolitik.
    Jeder von uns hat gewußt und oft genug gesagt, daß unsere Friedenspolitik einen sehr langen Atem brauche. Die Vorstellung ist uns so geläufig, daß wir gar nicht mehr merken, wie wir dieses Wort geradezu selbstverständlich benutzen. Soeben hat es der Vorredner wieder getan. Wir wollten uns nicht durch Rückschläge beirren lassen. Gestern hat das der Bundeskanzler mit Recht in die allgemeine Erinnerung zurückgerufen.
    Ich darf in diesem Zusammenhang zustimmend die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" zitieren — ich weiß nicht, ob einer ihrer Journalisten im Augen-



    Schmidt (Hamburg)

    blick auf der Tribüne sitzt —, in der Alfred Rapp gestern schrieb, daß wir Deutschen gewiß heute in einer schlechteren Lage wären, wenn wir nicht in den letzten Jahren diese eindeutige Friedenspolitik geführt hätten.
    Wir Sozialdemokraten haben in einer langen Oppositionszeit dieses Mindestmaß an Gemeinsamkeit immer wieder verlangt. Ich darf ausnahmsweise mich selbst zitieren:
    Einmütigkeit und Geschlossenheit in der entschiedenen Abwehr sowjetischer Drohungen sowie Einverständnis unter den politischen Kräften der Bundesrepublik über die Notwendigkeiten unserer Außenpolitik bedingen sich gegenseitig.
    Ich sehe im Augenblik nicht, ob Herr Kollege Schulz im Saal ist. — Aha, da ist er. Sie sind derjenige, Herr Schulz, der genau weiß, in welchem Buch das steht; der Satz ist acht Jahre alt. Diese Gemeinsamkeit — und alle Sozialdemokraten haben auf ihre Weise danach verlangt, genauso wie es auf Ihrer Seite und in der Mitte des Hauses solche Stimmen gab — heißt, in den Grundfragen zusammenzustehen. Sie heißt nicht, daß man in allen Einzelheiten zusammenstehen muß. Das -wird ja auch durch den Ablauf der heutigen Debatte wieder klarwerden.
    Aber es wäre auch fehlerhaft, meine Damen und Herren, dem deutschen Volk zu verschweigen, daß es zwei völlig andere Stimmen gegeben hat, zum einen die NPD,

    (Sehr wahr! in der Mitte)

    die am 23. August in ihrem Parteiorgan einen Aufsatz unter dem Titel „Deutsche, Russen und Tschechen" veröffentlichen ließ, einen Aufsatz, in dem man sich der Sowjetführung an den Hals warf und behauptete — ich zitiere —, ein neues Deutschland habe „die Aufgabe, gegebenenfalls Rußland den Rücken zu decken, und zwar wirksamer als heute Ulbricht, Dubcek und Gomulka".

    (Hört! Hört! bei den Regierungsparteien.)

    Zugleich wurde dort das völkerrechtliche Prinzip des Selbstbestimmungsrechts für einige der Völker Europas verleugnet. Denn die nationaldemokratische Zeitung verstieg sich bis zu dem überheblichen Anspruch, alle realen Interessengegensätze mit der Sowjetunion dadurch zu beseitigen, daß sich Deutschland und die Sowjetunion auf Kosten der übrigen ost- und mitteleuropäischen Völker miteinander verständigen würden. Dann beruft man sich dabei fälschlicherweise auf Bismarck, während man doch in Wahrheit bloß von den alten machtpolitischen Motiven des Hitler-Stalin-Paktes ausgeht.

    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und Abgeordneten der FDP.)

    Das ist Herrenvolkarroganz, die wenig dazugelernt hat.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Es ist kein Zufall, daß die andere grundsätzlich abweichende Stimme diejenige der KPD war, die von Ostberlin aus sich in liebedienerischer Weise zum Lautsprecher Ulbrichts macht und den gewaltsamen Einmarsch in ein Land des „sozialistischen Lagers" — wie es dort ja heißt — als eine Tat des „proletarischen Internationalismus" feiert. Die Herren in Ostberlin machen es wahrhaftig den wenigen Kommunisten, die es in der Bundesrepublik Deutschland noch gibt, außerordentlich schwer, Kommunisten zu bleiben und doch in Übereinstimmung mit ihrem Gewissen zu sein.

    (Sehr gut! bei den Regierungsparteien.)

    Man sieht, die Extremisten arbeiten sich immer mal wieder gegenseitig in die Hände. Die SED-Führung hat sogar — Herr Barzel hat, glaube ich, soeben darauf hingewiesen — bei ihren scheinheiligen Begründungen für die Teilnahme ihrer Truppen auch den angeblichen Zionismus angeführt, der sich in Prag betätigt habe. Auch dies ist nur die Wiederaufnahme des Antisemitismus der Nazis, diesmal aus der anderen Himmelsrichtung.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    In Wirklichkeit — damit komme ich zu den Feststellungen zur Lage — ist das Moskauer Wunschbild eines einheitlichen proletarischen Internationalismus längst tot. Dies ist eine wichtige Feststellung. Es gibt keinen sogenannten Weltkommunismus, weder im Sinne des Moskauer Führungsanspruchs über die Kommunisten in der Welt noch etwa im Sinne primitiver antikommunistischer Ideologie. Es gibt keinen Weltkommunismus. Es gibt vielmehr vielerlei verschiedene gesellschaftliche und staatliche Systeme und Zielsetzungen der Kommunisten. Es gibt rechtsstaatlich gesonnene und autokratisch motivierte, es gibt demokratisch gesonnene Kommunisten, und es gibt allerdings bürokratisch-diktatorisch gesonnene. Es gibt nicht nur die Moskauer und die Pekinger Spielart, es gibt Belgrad und Bukarest und Havanna. Es gibt die kommunistischen Parteien Westeuropas, die sich jetzt Togliattis politisches Testament gewiß noch sorgfältiger zu Herzen nehmen als damals. 1964 schrieb Togliatti:
    Wir wissen aber, daß das Nationalgefühl auch nach der Eroberung der Macht ... eine Konstante der sozialistischen Arbeiterbewegung bleibt. Die wirtschaftlichen Fortschritte löschen es nicht aus, sondern geben ihm Nahrung. Auch im sozialistischen Lager muß man sich vielleicht vor der erzwungenen äußeren Uniformität hüten und daran denken, daß die Einheit in der Vielfalt bei voller Autonomie der einzelnen Länder sichergestellt und bewahrt werden muß.
    Manche werden sich in den kommunistischen Lagern an die Worte des toten italienischen kommunistischen Führers jetzt wohl erinnern. Es ist offenkundig geworden: es gibt Kommunisten, die in der Auseinandersetzung mit anderen Kommunisten sogar ihr Leben riskieren wollen, um ihren eigenen politischen Weg gehen zu dürfen. Das erleichtert die Lage Europas keineswegs, sondern macht sie komplizierter. Deshalb ist es gar kein Grund für uns, die wir im Kampf mit dem Kommunismus stehen, in Schadenfreude auszubrechen.
    Eine nächste Feststellung: Der in seinen militärischen Einzelheiten offenbar sehr lange und sehr sorgfältig geplante, in seinen politischen Einzelhei-



    Schmidt (Hamburg)

    ten jedoch keineswegs umsichtig geplante Einmarsch sowie der Zeitpunkt des Einmarsches lassen auf wechselnde Absichten und auf ein Andauern verschiedenartiger Einschätzungen in der obersten sowjetischen Führung schließen. Offenkundig — darauf ist schon hingewiesen worden — hat sich Moskau in der Beurteilung der politischen Situation in der Tschechoslowakei tiefgreifend geirrt. Man muß, auch das wiederhole ich, die Wiederholung falscher Lagebeurteilungen durch die sowjetische • Führung für möglich halten und einkalkulieren.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Mit anderen Worten: Gegenwärtig ist das Tun oder Lassen der sowjetischen Führung schwerer vorherzusehen, als es vordem manchem geschienen haben mag. Noch anders gesagt: Die Moskauer Politik erscheint heute weniger kalkulierbar als vordem.
    Vor allem im Lichte dieser Erkenntnis der geminderten Kalkulierbarkeit gewinnen die Veränderungen der militärischen Lage in Europa ihre politische Bedeutung. Die Veränderungen sind einseitig zugunsten der Sowjetunion erfolgt, und zwar in zwei Etappen:
    Im Zusammenhang mit dem zweiten Sinai-Krieg im vorigen Jahr hat die Sowjetunion an der Südflanke Europas Fuß gefaßt, in Syrien, in der Vereinigten Arabischen Republik und in Algerien. Sie hat eine bedeutende Flotte im Mittelmeer stationiert.
    Zum anderen hat die Sowjetunion in diesem Jahr unter der kaum ernst gemeinten Tarnung fortgesetzter Manöver die Zahl ihrer westlich des eigenen sowjetischen Territoriums stationierten Truppen zunächst um die Hälfte vermehrt. Man muß dazu wissen, daß früher 20 sowjetische Divisionen in der DDR gestanden waren, zwei in Polen und vier in Ungarn. Dieses Potential ist jetzt etwa um die Hälfte vermehrt. Diese Vermehrung heißt noch nicht, daß die sowjetischen Streitkräfte insgesamt vermehrt sind; vielleicht sind dafür jetzt in Sowjetrußland entsprechend weniger Truppen. Ich kann das so genau nicht übersehen; dafür gibt es andere, die das zu prüfen haben, Einrichtungen, die wir haben und die wir im Bündnis gemeinsam haben. Wir wissen auch noch nicht, wie viele der sowjetischen Divisionen endgültig in der CSSR bleiben werden. Jedenfalls aber bedeutet die räumliche Vorverlegung derjenigen, die dort bleiben werden, eine Verkürzung der Aufmarschzeiten für den theoretisch zu denkenden Fall eines militärisch ausgetragenen Ost-West-Konfliktes. Demgegenüber hat es sicher auf seiten des Nordatlantikpaktes keinerlei Veränderung der bisherigen Dislozierung der Truppen gegeben, auch keine Verstärkung in Mitteleuropa.
    Man muß deshalb am heutigen Tage die Verteilung der militärischen Kräfte auf beiden Seiten Europas als zuungunsten des Westens verändert beurteilei. An diese Feststellung muß aber die zweite unmittelbar anschließen; beide zusammen ergeben erst den Überblick: Insgesamt besteht, insbesondere im Hinblick auf die globalen strategischen Waffen der Sowjetunion und der Vereinigten Staaten, das Gleichgewicht der auf Europa wirkenden östlichen
    und westlichen militärischen Kräfte fort, so wie es vorher bestand.
    Was aber die westlichen militärischen Kräfte angeht: Der entscheidende Teil, oder sagen wir: ein entscheidender Teil, mehrere entscheidende Teile befinden sich außerhalb Europas und geographisch weit von Europa entfernt. Deswegen hängt das Gleichgewicht entscheidend von der Glaubwürdigkeit des Einsatzes dieser entfernten Kräfte zugunsten der gemeinsamen Verteidigung Europas ab. Diese Abhängigkeit ist gar nicht neu; aber sie ist jetzt noch sichtbarer geworden, als sie es für manche in den letzten Jahren gewesen ist.
    Deshalb also die erneuten Erklärungen des amerikanischen Präsidenten vom 9. und 10. September, die wir begrüßen. Der Bundeskanzler hat gestern zitiert, was Präsident Johnson am 10. September sagte — ich wiederhole es —:
    Was uns angeht, — uns Amerikaner —
    so habe ich unmißverständlich klargemacht, daß wir in Gebieten unserer gemeinsamen Verantwortung, wie z. B. Berlin, den Gebrauch von Gewalt und die Drohung mit Gewalt nicht dulden werden.
    So weit Präsident Johnson. — Ich glaube, daß diese Feststellung der amerikanischen Regierung zur Beurteilung der gegenwärtigen Lage durchaus hinzugehört, weil sie nämlich zur Glaubwürdigkeit die Eindeutigkeit hinzufügt. Wir sind für die ausdrückliche Betonung Berlins, die gestern schon Herr Kiesinger hervorgehoben hat, besonders dankbar; denn sie gibt uns Gewißheit, daß die Deutschen in ihrer Treue zu Berlin und zu den Berlinern auch heute nicht allein stehen in der Welt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich habe in den Vereinigten Staaten nirgendwo Anlaß gefunden, daran zu zweifeln, daß die Staaten auch nach der November-Wahl an dieser Position festhalten wollen und festhalten werden, gleichgültig, ob nun Richard Nixon oder ob Hubert Humphrey ins Weiße Haus einziehen wird. Diese Kontinuität ist besonders wichtig, weil die neue Lage eben auch durch die Interventionsdrohungen der Sowjetunion gekennzeichnet ist, die Moskau seit dem vorigen November in zunehmendem Maße gegen uns richtet. Der Versuch einer gewaltsamen Intervention der Sowjetunion gegen die Bundesrepublik oder Berlin träfe auf die Beistandsgarantien aus den Artikeln 5 und 6 des Nordatlantik-Vertrages, gleichgültig, ob sich ein solcher Interventionsversuch auf den künstlichen Anschein eines Rechtes aus den Artikeln 53 und 107 der UNO-Charta oder auf das Potsdamer Abkommen zu stützen sucht. Die USA, England und andere haben das dankenswerterweise gerade in der vorigen Woche ganz klargemacht.
    Im übrigen hat bisher niemand das Potsdamer Abkommen, das ja ein Abkommen zwischen den zunächst dreien, dann später vieren der damaligen Siegermächte war, schlimmer verletzt als die So-



    Schmidt (Hamburg)

    wjetunion selbst, indem sie die DDR zur aktiven Beteiligung an der militärischen Besetzung eines souveränen Staates verleitet hat.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Was die sogenannten Feindstaatenartikeln 53 und 107 der UNO-Charta angeht: sie gewähren niemandem ein zusätzliches Recht. Ihr einziger Zweck damals 1945 war, die von den Siegermächten gegründete UNO nicht mit den Problemen der Waffenstillstände und der Friedensverträge mit Rumänien, Ungarn, Italien, Deutschland oder Japan zu belasten. Einer der höchsten UNO-Beamten in New York hat mir vor einigen Tagen, als ich drüben war, gesagt: Eine Begründung einer gewaltsamen sowjetischen Intervention mit Hilfe dieser Artikel sei absurd. Und er hat hinzugefügt: Das könne man doch schon daran sehen, daß sonst mit gleichem Recht die Vereinigten Staaten z. B. gegen Ungarn intervenieren könnten. Und ich füge hinzu: wahrscheinlich mit noch viel mehr Recht gegen die DDR wegen ihres Völkerrechtsbruches gegenüber der Tschechoslowakei.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die sowjetische Interventionsdrohung ist denn auch — der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU hat das eben sehr aufgefächert klargemacht — vornehmlich als ein Mittel ihrer psychologischen Kampagne gegen die Bundesrepublik Deutschland zu verstehen, die nicht unterschätzt werden darf. Die Sowjetunion versucht uns stärker als zuvor von unseren Freunden und Verbündeten zu isolieren. Freilich war das schon immer im Rahmen der von Moskau erhofften Zersetzung der NATO ein Ziel der Moskauer Politik.
    Gegenwärtig ist diese Kampagne für Moskau aus zusätzlichen Gründen noch wichtiger geworden, um nämlich von den Ereignissen in der Tschechoslowakei abzulenken. Die Ereignisse in der Tschechoslowakei sind ja nicht abgeschlossen, da geschieht ja jeden Tag immer noch etwas, jeden Tag, und morgen kann wieder etwas geschehen, das uns beunruhigt und das andere beunruhigen muß, und davon will man ablenken, um die Intervention wenigstens nachträglich mit der Behauptung zu rechtfertigen, Prag sei durch den angeblichen „westlichen Imperialismus" oder durch die „aggressive Bundesrepublik" — oder wie sie es nennen — bedroht gewesen. Sie' brauchen die Kampagne aber vor allem, um die offiziell noch nicht zugegebene Absicht zu begründen, einen Teil der sowjetischen Truppen auf unbestimmte Zukunft in der CSSR zu belassen, und schließlich brauchen sie die Kampagne, um die Völker in den Staaten des Warschauer Paktes wenigstens durch die künstlich neu angefachte Furcht vor den Deutschen zu einigen.
    Diese letztere Absicht führt mich zu einigen Bemerkungen zur Lage in Osteuropa. Unsere Friedenspolitik, die aktive Friedenspolitik, die mit der sogenannten Friedensnote des damaligen Außenministers Gerhard Schröder am 26. März 1966 unter der Beteiligung und später auch der parlamentarischen Zustimmung der damaligen sozialdemokratischen Opposition zunächst noch tastend begonnen worden ist, die dann seit dem Dezember 1966 durch Außenminister Willy Brandt ausgeweitet, vertieft wurde und ihren heutigen eindeutigen Umriß erhielt, hat in der ganzen Welt Früchte getragen, auch im Osten.
    Ich habe schon im Sommer 1966, das war noch unter dem Regiment des Antonin Novotny, in Prag keinen hohen KP- oder Staatsfunktionär getroffen, der tatsächlich irgendeine Angst vor uns Deutschen gehabt hätte, obwohl seine offizielle Propaganda genau das Gegenteil sagte. Inzwischen gilt das nun genauso für die kommunistischen Führer in vielen anderen Städten und Staaten Osteuropas. Sie tun so, als ob sie Angst haben müßten vor uns und suggerieren das ihrer öffentlichen Meinung, obwohl sie selber in Wahrheit vor uns keine Angst haben. Und längst, wie wir wissen, gilt für die italienischen oder französischen, für die holländischen oder schwedischen Kommunisten, daß ihnen kein Mensch erzählen kann, Europa müsse Angst vor der Bundesrepublik Deutschland haben.
    Es ist richtig, daß die Abwesenheit von Furcht vor Deutschland jene von Nation zu Nation, von Staat zu Staat sich verschiedenartig abspielenden geistigen, politischen, wirtschaftspolitischen Entwicklungen in den kommunistischen Staaten und Parteien begünstigt hat. Tatsächlich ist die jeweilige nationale Entwicklung der kommunistischen Parteien in Osteuropa allerdings schon lange im Gange. Der Wille zur Selbstbestimmung der Völker an Stelle von Fremdbestimmung, der Wille zur Souveränität und zur eigenständigen Ausprägung von Gesellschaft und Staat ist eben auf die Dauer nicht zu beseitigen. Das Zentralkomitee des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens hat Ende August erklärt:
    Die Besetzung der CSSR ist kein zufälliger Irrtum, sondern das Ergebnis hartnäckiger Bemühungen, die innerhalb des Sozialismus bestehenden Widersprüche und Konflikte, die sich um das Wesen, um den Charakter und um die Entwicklungsaussichten der sozialistischen Gesellschaftsbeziehungen sowie um die Politik der sozialistischen und antiimperialistischen Kräfte auf internationaler Ebene konzentrieren, durch wachsende Anwendung der Gewalt aus der Welt zu schaffen, um auf diese Weise die bereits überlebten Verhältnisse und Einrichtungen weiter zu erhalten.
    Ich zitiere diese Feststellungen aus kommunistischem Munde über andere Kommunisten wegen der darin geradezu selbstverständlich erscheinenden Erwähnung der Verschiedenartigkeit gesellschaftlicher Konzepte innerhalb des Kommunismus. Die Konzepte müssen ja verschieden sein, die Probleme in den Völkern und Staaten sind ja verschieden, die geistige Tradition ist verschieden, die nationale Geschichte ist verschieden, und ebenso sind die jeweilige Wirtschaftsstruktur, der Technisierungsstand oder, marxistisch gesprochen — Sie



    Schmidt (Hamburg)

    haben auch marxistisch geredet, Herr Barzel, heute morgen, zu unserem Erstaunen — —

    (Abg. Dr. Barzel: An einer Stelle!) — einmal, ich mache es auch nur einmal! —,


    (Heiterkeit)

    die Produktionsverhältnisse verschieden. Auch die Kommunisten in Europa, meine Damen und Herren, können auf die Dauer Gedankenfreiheit, Freiheit der Information, Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und Reisefreiheit sehr schlecht entbehren.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Und weil das so ist, deswegen erleiden heute — nach dem Einmarsch in die Tschechoslowakei, wo sich doch alles dies zu entwickeln schien — die kommunistischen Parteien Westeuropas so schwere Beeinträchtigungen und — das sollten wir nicht übersehen — sind heute und wohl auch in Zukunft die kommunistischen Parteien Westeuropas nicht mehr länger geeignet, als Instrumente sowjetischer Außenpolitik benutzt zu werden.
    Wir müssen wohl zur Kenntnis nehmen, .daß durch ,die Ergebnisse in der Tschechoslowakei diese Entwicklungen in einer Reihe östlicher Staaten zunächst unterbrochen werden. Ich meine die Entwicklung zu etwas mehr Freiheit, etwas moderneren Wirtschaftssystemen. Wir wissen nicht, wie lange diese Unterbrechung dauern wird, und wir können auch gar nichts tun, um die Frist dieser Unterbrechung abzukürzen. Wir dürfen in diesem Sinne gar nichts tun wollen, denn wir dürfen und wir wollen uns ja in 'niemandes Angelegenheiten einmischen, so wie wir auch nicht dulden wollen, daß andere sich in unsere Angelegenheiten einmischen.
    Es zeigt sich an dieser Stelle erneut, daß die Aufspaltung Europas in zwei Lager der sowjetischen Führung in dem Lager, in dem sie dominiert, in dem sie ihre Hegemonie ausübt, sehr viel Spielraum gibt für die Anwendung ihrer Macht. Das war 1956 in Ungarn so, und das ist 1968 noch nicht anders. Und etwas, was viele Menschen vielleicht nicht verstehen, muß man in diesem Zusammenhang betonen: Auch die NATO kann daran nichts ändern; die NATO ist ein Bündnis zur Selbstverteidigung und nicht zur Verteidigung von Dritten.
    Die Aufspaltung der Welt in zwei Lager ist ein Übel für die Menschheit; sie bedroht auf die Dauer die Existenz; sie kann ,auf die Dauer nicht unsere letzte Weisheit bleiben. Deshalb sind wir und bleiben wir für gleichwertige und gleichzeitige Beschränkung und Kontrolle der Rüstungen. Es ist wider die Vernunft, daß in Europa heute das höchste Maß an Zerstörungskraft angesammelt ist, das es hier jemals gegeben hat, einschließlich des zweiten Weltkrieges jeweils gegeben hat.
    Aber niemand wird uns ,dazu verleiten, im Vorwege einseitig unsere Bündnisgenossen zu verlassen und einseitig unsere Sicherheit aufs Spiel zusetzen. Aus einer ähnlichen Erkenntnis hatten ja auch die kommunistischen Führer in der CSSR keineswegs im Sinn, ihr Bündnissystem zu verlassen. Und 'der Außenminister hat im Juni hier in diesem Hause gesagt: „So, wie die Dinge in der Welt liegen, erklären wir denen, die es hören wollen, mit allem Freimut, daß wir für das Bedürfnis der CSSR, an ihren Bündnisbindungen festzuhalten, durchaus Verständnis haben."
    Die Tschechoslowaken wollten innerhalb der sowjetischen Interessensphäre sein. Wie aber auch immer die Sowjetunion ihre Interessensphäre verstehen mag: niemand darf — ich nehme Gedanken auf, die der Bundesaußenminister in Genf aussprach —, die universalen Prinzipien des Völkerrechts verletzen: Souveränität, territoriale Integrität, Gewaltlosigkeit, Selbstbestimmungsrecht und Menschenrechte. Solange die sowjetischen Divisionen auf dem Boden der CSSR bleiben, ,die sie nicht eingeladen hat — für diese Einladung ist der Beweis ja immer noch nicht einmal versucht worden —, solange die Truppen 'auf dem Boden der CSSR stehen, bleiben diese Prinzipien des Völkerrechts verletzt.
    Es gibt also in Europa eine Sphäre, ich würde nicht sagen, sowjetischer Interessen, es gibt eine Sphäre sowjetischer Dominanz. Das ist ganz klargeworden. Und ihr steht gegenüber nicht eine Sphäre amerikanischer Dominanz in Europa, wohl aber eine Sphäre westlicher gemeinsamer Verteidigungsinteressen. In dieser Sphäre gemeinsamer westlicher Interessen hat in den letzten Jahren ein spürbare und bedenkliche Beeinträchtigung der politischen Zusammenarbeit stattgefunden, die gleichzeitig von einer parallelen Erscheinung im Osten begleitet war. Wir erinnern uns an das Stichwort von der Erosion der Allianzen, wir erinnern uns unter diesem Stichwort vor allen Dingen an das Stagnieren der EWG, an die Verweigerung des britischen Beitritts, an den Rückzug der französischen Streitkräfte aus der militärischen Organisation des Bündnisses — nicht aus dem Bündnis selbst —, und wir erinnern uns an die innerwestlichen Auseinandersetzungen um unsere deutschen Interessen im Zusammenhang mit dem Non-Proliferations-Vertrag.
    Alles deutet jetzt darauf hin, daß der Erosionsprozeß im Warschauer Pakt und im Comecon der kommunistischen Staaten, der ja ohnehin langsamer vor sich ging als der Auflösungsprozeß hier im Westen, daß der östliche Erosionsprozeß jetzt zunächst zum Stillstand gebracht worden ist. Um so mehr müssen wir mithelfen, daß der westliche Erosionsprozeß zum Stillstand gebracht wird. Denn wir bleiben auf die Funktionstüchtigkeit unseres westlichen Bündnisses angewiesen. Wir kennen dabei die besondere Situation Frankreichs in diesem Bündnis. Wir sind innerhalb des Bündnisses diejenigen, die die engste Verbindung mit Frankreich halten müssen. Nur wir können das tun.
    Mit Interesse habe ich gelesen, wie Herr Kollege Strauß mit Hartnäckigkeit in seinem soeben erschienenen Buch sich erneut für das „Modell", wie er sagt, einer „Europäischen Verteidigungsgemeinschaft" einsetzt, wobei er keineswegs auf das amerikanische Bündnis verzichten will. Mit Interesse verfolgen wir ebenso den an den Präsidenten de Gaulle gerichteten Appell der CSU aus Bad Berneck. Es gibt wohl kaum einen Kollegen in diesem Hause, dessen Hoffnungen nicht in Richtung auf ein poli-



    Schmidt (Hamburg)

    tisch vereinigtes Europa gingen. Ich sage: Hoffnung. Es tut uns weh, daß wir statt dessen nicht Erwartungen sagen können. Auch im Lichte der CSSR-Krise haben wir, Herr Stücklen, bisher aus Paris nichts vernommen, das uns in dieser Beziehung zu realen Erwartungen berechtigen könnte. Auf Hoffnungen und Appelle allein, meine lieben Kollegen aus Bad Berneck, kann man unsere Sicherheit nicht gründen.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Stücklen: Das wollen wir auch nicht!)

    — Ich weiß, daß Sie das nicht wollen. Ich möchte nur, daß wir in dem, was wir als Fürsprecher der deutschen Politik sagen, immer wägen, wie weit auch möglich gemacht werden kann, was wir sagen, wie weit es realistisch ist, wie weit es konkret möglich ist.

    (Abg. Stücklen: Sie haben doch bei der aktiven Friedensoffensive auch den Optimismus, daß Sie trotz aller Schwierigkeiten irgendwann und irgendwie zum Ziel kommen! Warum geben Sie das in Richtung Westen auf?)

    - Lieber Herr Stücklen, ich will nicht polemisieren. Ich wehre mich dagegen, in diesem Zusammenhang ein Optimist zu sein. Ich will auch kein Pessimist sein. Ich meine, man soll sehr sorgfältig und nüchtern die Tatsachen und die Wirklichkeiten ins Auge fassen und sie weder durch eine rosarote noch durch eine schwarze Brille betrachten.

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der SPD: Blau-weiß!)

    Was konkret gegenüber den Franzosen möglich sein sollte — lassen Sie mich dazu etwas sagen —, das wäre eine gemeinsame, eine bilaterale deutschfranzösische Anstrengung zur Analyse der neuen Sicherheitslage, zur Überprüfung der bisherigen Pläne und Absichten. Ich höre, daß die Außenminister der beiden Länder darüber im Gespräch sind. Wir wünschen ernstlich solch ein Gespräch und den Willen zum gegenseitigen Verständnis. Es wird sich ja schon an diesem Wochenende zeigen, wie weit die französische Regierung zu diesen und jenen Vorschlägen Interesse bekundet.
    Meine Freunde und ich haben in den letzten Jahren viele Male in diesem Hause verlangt, daß jede Möglichkeit genutzt werde, um zu einer engen Verzahnung mit Frankreich, z. B. auf konventionellmilitärischem Gebiet oder auf rüstungstechnischem Gebiet, zu kommen. Aber es tut mir leid, heute hinzufügen zu müssen, daß die Chancen dafür augenblicklich noch kleiner erscheinen als früher, wenn ich nach Paris schaue und höre, was dort gesprochen wird.
    Wir verstehen sehr gut die französische Überzeugung, daß das Denken in Blöcken und Lagern die Zukunft nicht fruchtbarer machen kann als die Gegenwart. Aber ebenso untauglich ist — das sagen wir unseren französischen Freunden — die Vorstellung, daß jeder Staat oder nur einige Staaten oder nur ein einziger Staat des Westens allein das Denken und die Struktur der Blöcke und Lager überwinden kann. Wir können uns den Luxus nicht leisten, den sterilen Streit darüber fortzuführen, ob Europa eine Addition seiner Staaten sei oder ob es erst aus deren Integration erwachsen werde. Europa würde sonst das Objekt der Interessenentscheidung der Supermächte, meine Damen und Herren,

    (Beifall bei den Regierungsparteien) oder des Ausgleichs ihrer Interessenkonflikte.

    Europa ist mehr — in dieser Überzeugung treffen wir uns doch mit den französischen Nachbarn — als ein bloß historischer oder geographischer Begriff. Die Staaten auf diesem Kontingent bedürfen heute mehr denn je der Bereitschaft, miteinander zusammenzuarbeiten, wobei die bisher geschaffenen und bestehenden Institutionen niemand hemmen müssen und wobei deren geographische Begrenztheit auch keine Grenze sein muß.
    Die Bundesregierung hat sich gestern zum Fortschritt in den westeuropäischen Institutionen erklärt. Wir sind einverstanden und unterstreichen
    mit großem Nachdruck die Notwendigkeit des Beitritts Englands, Dänemarks, Norwegens und aller, die beitreten wollen. Schon in den letzten Jahren, aber gegenwärtig wieder, besteht in Europa die Gefahr — das möchte ich in diesem Zusammenhang auch sagen dürfen —, daß sich einige im Westen, daß sich andere im Norden und vielleicht wieder andere im Süden Europas zu der Illusion verleiten lassen, ihre Sicherheit, die Sicherheit ihrer Staaten sei nicht sonderlich berührt, wenn etwa das westliche Mitteleuropa vom Osten her unter zunehmenden Druck geriete.
    Mit Interesse hören wir deshalb gerade heute von jüngsten englischen Erwägungen, unabhängig von dem organisatorischen Rahmen der nordatlantischen Organisation in einen Meinungsaustausch auf dem Verteidigungsgebiet einzutreten, um, wie es in London offenbar geheißen hat, auf diesem Gebiet eine europäische Identität anzustreben. Wie wir hörten, wird dort erwogen, einen solchen Meinungsaustausch notfalls auch ohne französische Beteiligung anzuregen. Vielleicht — ich sage das mit allem Bedacht — ist dies ein Anlaß, unserem französischen Partner zu sagen, auch wir in Bonn könnten uns eines Tages gezwungen sehen — unabhängig von unserem tiefverwurzelten inneren Willen, unser besonderes Verhältnis zu Frankreich aufrechtzuerhalten —, auf bestimmten Gebieten eine engere Zusammenarbeit mit anderen europäischen Staaten einzuleiten;

    (Beifall bei der SPD und bei der FDP)

    denn unsere eigene Lage verbietet uns, so zu handeln, als käme es auf diese anderen Staaten und als käme es auf das Bündnis nicht mehr an.

    (Beifall bei der SPD und bei der FDP.)

    Auf jeden Fall muß das Westbündnis als Ganzes seine Lage prüfen. Erst wenn man gemeinsam die neue militärische Lage geprüft hat, kann man gemeinsam zu Konsequenzen kommen. Es ist möglich, daß die Franzosen bei der Prüfung der Lage nicht mitmachen wollen oder daß sie bei den Konsequenzen nicht mitziehen wollen. Die Sicherheit



    Schmidt (Hamburg)

    unseres Landes und die Sicherheit unserer Bündnispartner würde uns in einem solchen Falle zwingen, auch ohne französische Beteiligung zu Beschlüssen zu gelangen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Bei der Prüfung ist mir die protokollarische Ebene, auf der sie geschieht, weniger wichtig als die Aufgabenstellung an sich und die gemeinsame Einsicht in ihre Notwendigkeit.
    Dabei ist von vornherein unzweifelhaft, daß die amerikanische Regierung gleicherweise von dieser Notwendigkeit ausgeht. Ebenso aber ist klar zu erkennen — und ich bewege mich hier sehr weitgehend auf denselben Linien, auf denen soeben der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU über Amerika sprach —, daß viele Amerikaner Sorge haben vor einem möglichen ,,Overcommitment", wie sie es nennen, oder um es ins Deutsche zu übertragen: Sie haben Sorge vor allzu weitreichenden Verpflichtungen. Sie wollen keine zusätzlichen Kastanien aus dem Feuer zu holen verpflichtet werden.
    Bei manchen Amerikanern kann diese Sorge, die sich nicht zuletzt aus dem für Amerika selbst immer weniger erträglichen Krieg in Vietnam ergibt, in einen neuen Isolationismus einmünden. Wer eine solche Entwicklung vermeiden helfen will — und wir müssen das wollen —, der wird Verständnis dafür aufzubringen haben, daß die Amerikaner generell dann für die gemeinsame Verteidigung mehr tun wollen, wenn auch ihre europäischen Partner mehr tun.
    In diesem Sinne haben uns allerdings in den letzten Wochen und Tagen die Amerikaner nahezulegen versucht, daß die Bundesrepublik Deutschland bei einer erneuten Festigung des Bündnisses innerhalb Europas eine Art von Führung übernehmen solle. Wir hielten das allerdings aus mehreren Gründen für falsch, und das müssen unsere amerikanischen Freunde verstehen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die Amerikaner leiden nicht nur an Vietnam, ohne bisher klar zu sehen, wie sie diesen Krieg beenden können oder wie der nächste Präsident es kann. Sie stehen auch vor schweren inneren Problemen, die ihre Kraft erfordern. Sie stehen außerdem mit ihrer Zahlungsbilanz wegen des großen außeramerikanischen Engagements vor sehr erheblichen Sorgen. Herr Barzel hatte völlig recht mit den Hinweisen auf diesem Gebiet. Auch ich meine, auch wir meinen, daß das Zahlungsbilanzproblem innerhalb der Allianz, das durch Verteidigungsanstrengungen zugunsten des gemeinsamen Bündnisses außerhalb des jeweiligen Heimatlandes entsteht, in Zukunft nicht mehr wie bisher als ein finanztechnisches Problem behandelt werden darf. Man muß es vielmehr als ein Strukturproblem des Bündnisses von hohem politischem Stellenwert sehen.
    In diesem Zusamenhang, da ich über Amerika spreche, lassen Sie mich eine Bemerkung über die Abgeordnetendiplomatie machen, meine Damen und Herren.

    (Heiterkeit.)

    Es hat ja gestern auch ein anderer über dieses Thema extemporiert; es wird mir deswegen nicht` versagt sein. Ich glaube, daß es in bezug auf Länder, zu dienen ein Staat diplomatische Beziehungen hat, amtliche Einrichtungen geben sollte, wenn man mit diesen Regierungen irgend etwas klären will.

    (Beifall bei der SPD.)

    Zweitens glaube ich, es ist unerhört wichtig, daß Abgeordnete dieses Hauses nicht nur mit den Ländern, mit denen wir Beziehungen haben, sondern auch mit solchen, mit denen wir keine oder noch keine Beziehungen haben, Kontakte und Gespräche pflegen.

    (Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP.)

    Das ist beides notwendig, nur sollte man dabei dramatische Effekte vermeiden.

    (Abg. Dr. Althammer: Sich vor allem nicht vorzeitig in der Öffentlichkeit äußern!)

    — Können Sie Ihren Zuruf noch 'etwas präzisieren? Das würde mir das Vergnügen der Antwort vergrößern.

    (Heiterkeit. — Abg. Dr. Althammer: Sie . wissen wohl, was ich gemeint habe!)

    — Nein, ich weiß nicht, was Sie gemeint haben; Sie müssen schon präzise werden.

    (Abg. Dr. Althammer: Es war gemeint, ob eine gemeinsame Verlautbarung der Westmächte hinsichtlich der sowjetischen Interventionsklausel verhindert wurde!)

    — Jetzt verstehe 'ich Sie gar nicht mehr, und ich muß sagen — —

    (Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal] : Weitermachen!)

    - Wenn er auf dem Gebiet Sorgen hat, soll er sie
    doch ausbreiten. Wenn Sie meinen, Herr Kollege,
    daß sie nicht hier ,auszubreiten wären, dann müssen Sie sie im Auswärtigen Ausschuß lausbreiten.

    (Abg. Dr. Althammer: Gerne!)

    Ich will zu meinen Schlußfolgerungen kommen.
    Erstens. Wir müssen erwarten und darauf hinwirken, daß 'die anderen Bündnispartner und wir gemeinsam die veränderte Lage in Europa prüfen. Wenn diese Prüfung dazu führt, daß z. B. auf dem Gebiet der gemeinsamen Verteidigungsplanung Konsequenzen gezogen werden müssen, dann müssen 'auch wir zu 'diesen Konsequenzen bereit sein. Aber wir sehen keinen Sinn darin, heute Milliardenbeträge .für zusätzliche Rüstungsanstrengungen zu nennen, ehe die im Bündnis vereinigten Regierungen miteinander gesprochen haben und ehe es einen Beschluß im Rahmen des Bündnisses gibt über das, was nötig ist.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wenn es im Rahmen des Bündnisses zu Beschlüssen kommt, .so wird der Deutsche Bundestag dazu bereit sein müssen — und das darf ich hier für meine Fraktion ausdrücklich erklären —, unser Teil auf uns zu nehmen und das zu tun, was dann notwen-



    Schmidt (Hamburg)

    dig ist, und zwar — um ein Wort des Bundesverteidigungsministers, das er im gleichen Zusammenhang gebraucht hat, hier hinzuzufügen — „Nicht mehr, aber auch nicht weniger". Ich warne vor voreiligen großen Worten oder Zahlen. Die Sozialdemokratie hält den gestern vom Bundeskanzler erwähnten Kabinettsentschluß, wonach der Verteidigungsetat in der mittelfristigen Finanzplanung insofern unter einem Vorbehalt steht, für angemessen und gegenwärtig auch für ausreichend.
    Zweitens. Wir sind gewiß, daß das militärische Gleichgewicht gewahrt bleiben kann und gewahrt bleiben wird und daß deshalb unsere 'Sicherheit, die Sicherheit unseres Volkes und unserer Verbündeten, auch in Zukunft nicht geringer sein wird, als sie bisher war.
    Drittens. Wir bekräftigen den Beschluß des Deutschen Bundestages vom 20. Juni dieses selben Jahres, der in prägnanter Kürze die Bundesregierung aufgefordert hat, sich um die Festigung der westlichen Zusammenschlüsse auf wirtschaftlichem und militärischem Gebiet zu bemühen, und der in ebenso eindeutiger Prägnanz darauf hingewiesen hat, daß eine europäische Friedensordnung nur erreichbar ist, wenn alle Beteiligten bereit sind, ihren Beitrag zu leisten.
    Dieser Beschluß wurde vor der tschechoslowakischen Krise gefaßt. Er ist unverändert gültig. Der Bundestag hat damals bedauert, daß unsere Friedenspolitik in einigen Hauptstädten des Ostens nach wie vor mißverstanden, verzerrt dargestellt, durch provokatorische Gegenmaßnahmen entstellt wird, und die Bundesregierung aufgefordert, sich nicht beirren zu lassen. Das war im Juni richtig und das ist heute genauso richtig.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Viertens. Wir wissen, daß die Chancen zur Normalisierung unserer Beziehungen mit einigen Staaten in Osteuropa für eine gegenwärtig noch nicht absehbare Zeit verringert sind. Ähnlich wie Staatspräsident de Gaulle und andere Staatsmänner des Westens es in den letzten Wochen ausgesprochen haben, gehen auch wir von der Überzeugung aus, daß es zutiefst unvernünftig wäre, das Ziel der Normalisierung, das Ziel einer europäischen Friedensordnung aufzugeben. Wir unterstreichen die Regierungserklärung in diesem Punkte nachdrücklich.
    Fünftens. Der Friede muß organisiert werden. Solange der Osten Europas zur Kooperation, zur Zusammenarbeit mit dem übrigen Europa bei der Organisierung des Friedens nicht imstande ist, muß das übrige Europa versuchen, jenes Maß an eigener innerer Zusammenarbeit zu erreichen, das notwendig ist, um nicht nur die Koexistenz mit dem Osten zu gewährleisten, sondern auch um darüber hinaus Ansätze und vorbereitete Positionen zu schaffen für spätere, stärker auf Kooperation angelegte Beziehungen auch zu Osteuropa.

    (Zuruf rechts: Sehr gut!)

    Auf jeden Fall müssen die Ereignisse der letzten
    Wochen im Norden, im Süden und im Westen
    Europas jede Regierung mindestens zu einem intensiven Meinungsaustausch unter den Regierungen und, so möchten wir wünschen, zu gegenseitiger Abstimmung des Handelns unter den Regierungen führen, auch wenn es dafür einen institutionalisierten Rahmen weder gibt noch geben muß, meine Damen und Herren.
    Sechstens. Wir würden dem Staatsratsvorsitzenden in Ostberlin einen kostenlosen Gefallen tun, wenn wir unsere Bereitschaft zu Gesprächen mit Regierungsvertretern der DDR kategorisch widerriefen.

    (Zuruf rechts: Sehr richtig!)

    Wer Gefahrenherde sieht, muß selbst unter Überwindung größten eigenen Widerwillens es für seine Pflicht halten, zur Beseitigung der Gefahrenherde alles zu tun, was ihm selbst möglich ist. Das liegt auch im Interesse unserer Nachbarn. Kollege Wehner hat jüngst gesagt:
    Wir brauchen uns dabei nicht auf den Kopf zu stellen und nicht zu heucheln. Wir müssen uns nichts vormachen, was wir von diesen Leuten halten.
    Ich möchte dem zustimmen, ebenso wie meine Fraktion der Bundesregierung zustimmt, die gestern durch den Mund des Regierungschefs erklärt hat, an ihren Vorschlägen gegenüber der DDR-Regierung festhalten zu wollen.
    Wir wissen, daß unsere Landsleute in beiden Teilen des Vaterlandes von der jüngsten Entwicklung tief bekümmert und besorgt sind. Darin sind wir gerade in diesen Tagen in beiden Teilen des Landes sehr nahe beieinander.
    Siebtens. Wer Normalisierung und wer Frieden will, darf sich nicht zu Handlungen oder zu Worten hinreißen lassen, die andere herausfordern könnten, selbst dann nicht, wenn der andere uns herausfordern will. Nichts könnte der Propaganda Moskaus oder Ostberlins mehr nützen, als wenn wir in der Bundesrepublik durch unser Reden und unser Tun den Anschein zuließen, als ob auch nur ein Anflug von Wahrheit diesen Anschuldigungen zugrunde läge. Deswegen sind wir besonders dankbar für den Ton und die Sprache, die die Regierungserklärung gestern gefunden hat.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich füge hier ein, daß es aus dem gleichen Grunde vernünftig war, z. B. das Manöver „Schwarzer Löwe" mehr in das Innere des Landes zu verlegen, obgleich es das gute Recht jedes Staates ist, auf seinem eigenen Gelände Manöver abzuhalten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die Verlegung der Manöver hat übrigens der Bundeswehr zusätzliche Leistungen abgefordert. Um so mehr verdienen die Manöverergebnisse die Anerkennung, die hier schon mehrfach ausgesprochen worden ist.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Achtens. Wer die Spaltung Europas und die Spaltung unserer Nation schließlich überwinden will, kann dies nur erreichen, wenn seine eigene Politik stetig und konsequent und kalkulierbar für die an-



    Schmidt (Hamburg)

    deren bleibt. Das ist doch die Kehrseite unserer Klage über die abnehmende Kalkulierbarkeit der sowjetischen Politik, daß wir wissen: Unsere eigene POlitik muß vorhersehbar bleiben für die, die mit uns im politischen Wechselspiel stehen.
    Deshalb erklären wir: Sosehr wir Sozialdemokraten auf der einen Seite alles tun werden, was für die Sicherheit unsere Volkes notwendig sein wird, sosehr halten wir auf der anderen Seite an den Vorschlägen für einen allgemeinen Gewaltverzicht in Europa und für eine europäische Friedensordnung fest.
    Ich möchte hier nachdrücklich die Ausführungen unterstreichen, welche die Bundesregierung durch den Mund des Außenministers am 3. September auf der Konferenz der Nichtkernwaffenstaaten in Genf gemacht hat:
    Die Bundesregierung hat sich dafür eingesetzt, daß aus Europa eine Zone der Entspannung wird als Vorstufe einer dauerhaften Friedensordnung. Sie hat vorgeschlagen: Abbau der Konfrontation, wechselseitigen Verzicht auf Gewalt, Normalisierung der Beziehungen mit den Staaten Ost- und Südosteuropas, geregeltes Nebeneinander auf deutschem Boden, erleichterten Austausch in Kultur, Wirtschaft und Wissenschaft.
    Der Außenminister hat dann weiter ausgeführt:
    Diesen Bemühungen ist ein schwerer Schlag versetzt worden. Dennoch bleiben wir bereit, für eine europäische Zone friedlicher Nachbarschaft zu wirken, die allmählich zu konstruktivem Miteinander führt und in der die gefährliche Konfrontation abgebaut werden kann. Wir befürworten daher weiterhin einen ausgewogenen gegenseitigen Abbau der Truppenkontingente, mit dem auch eine angemessene Regelung des Problems der in dieser Region stationierten Kernwaffen verbunden werden könnte.
    Ich darf feststellen, daß die einhellige Zustimmung, die diese Genfer Rede des Außenministers vor den Regierungsvertretern von über 90 Staaten der Welt fand, ein deutliches Zeichen dafür ist, wie sehr eben die ganze Welt die Stetigkeit unserer Friedenspolitik auch gerade nach der tschechoslowakischen Krise begrüßt und für notwendig hält.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

    Neuntens. Ein Wort zum Nonproliferationsvertrag. Die CDU/CSU-Fraktion hat ihre Worte hier sehr sorgfältig gewählt, und wir tun das auch.
    Die Bundesregierung hat am 27. April 1967 vor diesem Hause erklärt — Herr Barzel hat daran erinnert —, welche Kriterien für ihre Unterschrift maßgebend sein werden. Wir wollen an diesen Kriterien nichts ändern. Jedoch erscheint uns die gegenwärtige Situation in Europa heute noch weniger geeignet, auf diesen Vertrag einzugehen, als sie es schon vorher wegen der bis dahin noch nicht ganz klaren Interpretationen war. Verträge kann man nur im Vertrauen darauf schließen, daß ihr Inhalt gegenseitig respektiert wird. Wo schon der Inhalt noch nicht ganz klar ist und wo es darüber hinaus gar am Willen zur Respektierung des Rechts zu fehlen scheint, kann die Geschäftsgrundlage für einen internationalen Vertrag ernsthaft in Frage gestellt sein. Das gilt, wie wir in Genf erfahren haben, ganz gewiß nicht nur für unser Land allein. Ich möchte aber in diesem Zusammenhang jedermann nachdrücklich davor warnen, gegenwärtig endgültige Erklärungen über die Unterschrift oder Nichtunterschrift abzugeben.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Scheel: Sehr richtig!)

    So viel zu den Schlußfolgerungen zur äußeren Lage.
    Wir müssen uns jedoch auch wohl fragen, ob die gegenwärtige äußere Lage uns zu innenpolitischen Konsequenzen führen muß. Ich denke: nicht nur die wirtschaftspolitische, sondern auch die innenpolitische Situation insgesamt ist zur Zeit in unserem Lande von guter Stabilität. Es gibt gewiß die eine und die andere wichtige Ausnahme. Ich muß hier nochmals auf die NPD zu sprechen kommen. Der Einzug von NPD-Abgeordneten in einige unserer Landtage und die Gefahr ihres Einzugs in den Deutschen Bundestag beeinträchtigen in zunehmender und gefährlicher Weise bei unseren Freunden und Verbündeten — —

    (Abg. Lücke: Wahlrechtsreform!)

    — Lassen Sie mich bitten den Satz zu Ende sprechen; ich will nachher gern auf einen Zwischenruf eingehen. — Es besteht die Gefahr, daß sich das ausdehnt. Dadurch wird die Freundschaft und die Vertrauensbasis gefährdet, auf der unser Bündnis mit unseren Partnern beruht.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Das Ausmaß von Besorgnis in den uns verbündeten Staaten wegen dieser Entwicklung kann sich vielleicht mancher unserer Bürger zu Hause nicht richtig vorstellen, und deswegen muß es ihm von dieser Stelle aus gesagt werden. Egal in welchem Wahlgang, ob zum Rathaus oder zum Landtag oder hier zum Deutschen Bundestag: jede für die NPD abgegebene Stimme zerstört Vertrauen bei unseren Verbündeten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wir brauchen aber dieses Vertrauen unserer Verbündeten. Ohne Freunde und ohne Bündnisgenossen könnten wir weder unsere Sicherheit noch unsere Freiheit in Europa aufrechterhalten.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Wer sich auf dem ultrarechten Flügel einbildet, die Bundesrepublik Deutschland könne auf eigene Faust ihre Sicherheit aufrechterhalten, der ist ein gefährlicher Narr.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Das sollte jeder wissen, der zur Wahl geht, ehe er solche Narren wählt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien und bei Abgeordneten der FDP.)




    Schmidt (Hamburg)

    Lassen Sie mich zu der Frage zurückkommen, ob unsere innenpolitische Struktur auch auf die Dauer solchen außenpolitischen Belastungen gewachsen ist, wie wir sie in diesem Sommer erleben. Wir alle wissen, daß dies nicht die letzte Belastung ist, die wir erleben werden.
    Viele Deutsche haben in den letzten Wochen — das will ich hier einflechten — Hochachtung vor der freiwilligen Disziplin und vor der Klugheit empfunden, die unsere tschechoslowakischen Nachbarn unter schwerster Belastung aufgebracht haben. Die Tschechen und die Slowaken hatten die innere Gewißheit, daß die politische Führung ihres Landes eindeutig und für jedermann im Lande durchsichtig auf dem Wege des Fortschreitens zu mehr Freiheit und Gerechtigkeit war. Diese Überzeugung hat die Einigkeit von Volk und politischer Führung bewirkt, unabhängig davon, ob der einzelne Kommunist war oder ob er es nicht war.
    Es kann sein, daß für uns in den nächsten Monaten und vielleicht in den nächsten Jahren außenpolitische Fortschritte nicht möglich sind. Deshalb sollten wir uns vielleicht mehr noch als bisher auf den Fortschritt im Innern unseres Hauses konzentrieren. Wir müssen unserem eigenen Volk noch mehr als bisher die Gewißheit geben, daß wir auf einem stetigen Wege zu mehr Freiheit sind, zu mehr Gerechtigkeit, zu mehr Teilhabe des einzelnen am Ganzen. Keiner von uns darf sich den großen gesellschaftspolitischen Aufgaben verschließen, die uns bewegen: die gerechte Verteilung des wirtschaftlichen Wachstums und damit der Vermögen, das Mitreden und Mitbestimmen der vielen, die Hochschul- und die Studienreform oder die Fragen der Wissenschaft und der Bildung. Alle unsere Bemühungen um Sicherheit und Frieden haben auf die Dauer nur dann Erfolg, wenn es uns gelingt, die innere Ordnung zu wahren und Freiheit und Gerechtigkeit für den einzelnen zu mehren.

    (Beifall bei der SPD.)

    Stabilität eines Staates nach außen hängt ab von der Stabilität im Innern, und Stabilität der Demokratie hängt ab von dem Fortschritt der Gesellschaft, die demokratisch verfaßt ist. Alle Gesellschaften haben in ihrer Entwicklung immer wieder mit schwerwiegenden Konflikten zu tun. Viele Gesellschaften heute z. B. haben an ihren Hochschulen ungelöste Konflikte. Wir sind darin keineswegs allein. Das kann uns nicht darüber trösten, daß uns auf dem Gebiet offenbar noch nicht sehr viel gelungen ist. Wenn man ins Ausland kommt, so ist dieses Universitätsthema für einen deutschen Politiker in vielen Fällen eines der wichtigsten Gesprächsthemata. Ich will im Zusammenhang damit sagen, daß es mir wohltut, im Ausland häufig zu hören, daß die deutsche akademische Jugend heute offenbar zwar mancherlei seltsame und unbequeme politische Zielsetzungen im Sinn habe, wie gut es aber doch sei, daß sie jedenfalls nicht einen Rückfall in die Pseudoideale des nationalsozialistischen Unrechtsstaates im Sinne habe.

    (Beifall bei der SPD. — Zuruf von der Mitte: Sie schwankt von einem Extrem ins andere!)

    Ich möchte zum Schluß auf die Erklärung der Bundesregierung zurückkommen, Herr Bundeskanzler, der wir zustimmen und in der Sie wiederholt haben, daß wir ebenso wie unsere Verbündeten eine weitschauende Entspannungspolitik nur auf der Grundlage der eigenen Freiheit und Sicherheit und auf der Grundlage des Atlantischen Bündnisses führen können.
    Dazu darf ich zitieren, was der Abgeordnete Herbert Wehner am 30. Juni 1960 von dieser Stelle aus gesagt hat:
    Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands geht davon aus, daß das europäische und das atlantische Vertragssystem, dem die Bundesrepublik Deutschland angehört, Grundlage und Rahmen für alle Bemühungen der deutschen Außen- und Wiedervereinigungspolitik ist.
    Das galt damals, und das gilt heute, und, ich nehme an, das galt damals und gilt heute unter Einschluß aller Fraktionen dieses Hauses, so wie die Lage damals war und wie sie heute immer noch ist.
    Es mag sein — Herr Barzel hat das, quasi im Vorwege für die FDP sprechend, angekündigt —, daß wir im übrigen nicht in allen Punkten einig sein werden, wenn wir heute abend auseinandergehen. Es ist der sehr ernsthafte Versuch gemacht worden, zwischen allen drei Fraktionen in der gegenwärtigen Phase der deutschen Sicherheits- und außenpolitischen Gefährdung eine gemeinsame Plattform des Deutschen Bundestages zu erarbeiten. Wir waren beinahe so weit, daß wir die Hoffnung hatten, wir könnten uns voll und ganz einigen. Jetzt stellt sich heraus, daß in einem Punkt das wohl doch nicht möglich ist.
    Vielleicht sollten wir bei der Gelegenheit einmal einen Blick auf die Schwierigkeit werfen, eine Einigkeit unter zwei Parteien herzustellen, die einer Regierungskoalition angehören.

    (Lachen in der Mitte.)

    Um so schwieriger muß es sein, unter Dreien eine Einigung zu finden mit einer Opposition, die diese Koalition gar nicht schön findet.

    (Abg. Dr. Barzel: Aber die übt erst noch!)

    Es ist ein schwieriges Unterfangen, auch wenn man sich ganz ernsthaft und gutwillig von allen drei Seiten bemüht, eine gemeinsam zu akzeptierende Plattform zu finden. Das ist ein schwieriges Unterfangen. Ich bin gleichwohl sehr froh darüber, daß offenbar die FDP-Fraktion ihren Dissens nur auf einen einzigen unter insgesamt 15 Punkten beziehen will.

    (Zuruf von der FDP: Es ist der wichtigste!)

    — Nein, das ist nicht der wichtigste. Jetzt überschätzen Sie wirklich in einer Lage, in der Deutschland bedroht und gefährdet ist, die langfristigen Aspekte einer Politik, die doch erst dann wieder Früchte tragen kann, Herr Kollege, wenn die gegenwärtige Bedrohung zurückgenommen sein wird.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Aber ich wollte die Bedeutung Ihrer Bedenken damit nicht verkleinert haben; ich nehme Sie ernst, und ich nehme Ihre Bedenken ernst.



    Schmidt (Hamburg)

    Lassen Sie mich abschließend sagen — und ich glaube, daß auch dies Gedanken sind, in denen wir völlig miteinander übereinstimmen, ob wir in der Mitte, auf der Linken oder auf der Rechten dieses Hauses sitzen —: Wir alle haben Vertrauen in die Urteilsfähigkeit unseres Volkes in außenpolitischen Konflikten wie in innenpolitischen Konflikten. Wir setzen unser Vertrauen darein, daß dieses Volk sich nicht von den Ultrarechten oder von den Ultralinken zu Experimenten mit seiner Freiheit und seiner Sicherheit verleiten lassen wird. Die Demokratie ist heute im Bewußtsein unseres Volkes stärker verankert als jemals in früheren Generationen.
    Diese Verankerung der Demokratie im Bewußtsein der heute lebenden Deutschen steht und fällt ganz gewiß nicht mit einer zeitbedingten Koalition in diesem Hause. Die Zeit der gegenwärtigen Koalition wird in einem Jahr abgelaufen sein. Aber nicht abgelaufen wird sein und nicht zu Ende gehen darf die gemeinsame Bemühung aller Demokraten um die Bewahrung der Sicherheit und der Freiheit unserer Demokratie nach innen und nach außen.

    (Allgemeiner Beifall.)

    Unser Volk stimmt in seiner überwältigenden Mehrheit mit der Friedenspolitik überein, die wir hier heute gemeinsam bekunden. Unser Volk will vor neuen Kriegen sicher sein. Wir haben zu viele Kriege erlebt. Dieses Volk will den Frieden.

    (Anhaltender lebhafter Beifall.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Scheel.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Walter Scheel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zu Anfang Herrn Kollegen Schmidt für die Ernsthaftigkeit danken, mit der .er in der letzten Phase seiner Darlegungen über die Pflichten dieses Hauses gesprochen hat, aber auch über die Zusammenarbeit dieses Hauses, über die Notwendigkeit der Zusammenarbeit gerade unter einer Bedrohung, unter der wir alle stehen.
    Wir müssen gemeinsam anerkennen, daß der eklatante Völkerrechtsbruch der Sowjetunion ein ernster Rückschlag für die Friedenspolitik gewesen ist, die wir gemeinsam getragen haben. Wir alle haben ja doch ,die Hoffnung gehabt, daß die Epoche des Kalten Krieges beendet sei. Diese Hoffnung scheint verfrüht gewesen zu sein. Vor allem für die junge Generation, für die es ein begeisterndes Ziel gewesen ist, die Zusammenarbeit auch zwischen den beiden Teilen Europas, zwischen West- und Osteuropa, zu intensivieren, 'ist dieses Ziel in eine weite Ferne gerückt, und sie ist enttäuscht.
    Mit den Panzern der Sowjets ist wieder die eiskalte politische Atmosphäre aus den fünfziger Jahren eingezogen, von denen Herr Dr. Barzel heute morgen gesprochen hat. Der Haß, das Mißtrauen, die Angst und die Resignation beherrschen viele politische Diskussionen. Wir 'in der Bundesrepublik vor allem müssen uns fragen, ob denn unsere europäische Friedenspolitik, 'unsere Osteuropa-Politik richtig war oder ob sie, wie manche heute schnell sagen, gescheitert ist, diese europäische Friedenspolitik, die schon 1961 mit dem Wechsel 'im Außenministerium begonnen hat und die in dem langsam entspannteren politischen Klima auch Erfolge sichtbar machen konnte. Heute wagt man ja kaum noch von „Entspannung" zu reden. Aber es ist nun einmal so, daß diese Art von Politik nur wirksam sein kann, wenn sie in einem politisch einigermaßen ,entspannten Klima arbeiten kann.
    Meine Damen und Herren, wie kam es zu den Ereignissen, die uns diesen Rückschlag beschert haben? Ist es vielleicht so, daß die Politik der Sowjetunion, wie in den letzten Tagen in der Presse häufig zu lesen war, rational nicht berechenbar oder nicht mehr berechenbar ist? — Ich weiß nicht, ob diese Vermutung richtig ist. Sie wissen, daß ich im Juli dieses Jahres in der gespanntesten Zeit in der Tschechoslowakei gewesen bin. Weil idle Zeit so gespannt war, habe ich von meinem Besuch — ich bin auf Einladung dort gewesen — keinerlei publizistisches Aufheben gemacht; denn das hätte sicherlich ,dem gemeinsamen Ziel aller Europäer nicht gedient.
    Aber ich habe in jenen Tagen in vielen Gesprächen festgestellt, daß die kommunistischen Führer der Tschechoslowakei bei ihren politischen Absichten nicht .das Ziel verfolgten, etwa aus der wirtschaftlichen Organisation der sozialistischen Staaten Osteuropas, aus der Comecon-Organisation, auszuscheiden, und daß es noch viel weniger ihre Absicht war, aus 'der militärischen Organisation, dem Warschauer Pakt, auszuscheiden. Was sie wollten, war der Versuch, zwischen der Tschechoslowakei — und in einem weiteren Sinne auch zwischen Osteuropa und Westeuropa — ein Mehr an Beziehungen herzustellen. Bei dieser Sachlage fragt man sich, warum denn die Sowjetunion in die Tschechoslowakei eingefallen ist, zumal sie doch in Fällen vorher, in denen europäische Länder den erfolgreichen Versuch unternommen haben, sich von der Sowjetunion 'zu lösen, das nicht tat: 'ich meine im Fall Jugoslawien und im Fall Rumänien.
    Nun, meine Damen und Herren, es gibt Unterschiede zwischen den jeweiligen Entwicklungen in Jugoslawien, Rumänien und der Tschechoslowakei. Jugoslawien hatte sich sehr früh — zu einer Zeit, als die Sowjetunion noch schwach war — unter heftigen persönlichen Fehden von der Kommandozentrale Moskau gelöst, übrigens zu einem Zeitpunkt, als es den Warschauer Pakt noch nicht gab. Bei Rumänien ist es anders gewesen: Rumänien hat das für sich erkämpfte Stück außenpolitischer Bewegungsfreiheit durch eine härtere politische Linie im Innern kompensiert, ja geradezu überkompensiert. Rumänien verficht, was manche immer wieder vergessen, im Innern die härteste politische Linie, den härtesten Stalinismus von allen Sowjetblock-Staaten. Daher empfand die Sowjetunion offenbar nicht die Provokation, die für sie von der Tschechoslowakei ausging; denn die Tschechoslowakei schien in ihrer Entwicklung für die Machtinteressen der Sowjets gefährlicher zu sein.
    In erster Linie war für sie der Bazillus der ideologischen Aufweichung gefährlich. Es hatte doch so



    Scheel
    merkwürdig literarisch mit einer Konferenz über Kafka begonnen, mit einer Konferenz kommunistischer Literaten über Kafka, die der Frage galt, ob Kafka wohl in die Gruppe der kommunistischen Schriftsteller eingereiht werden könne. Man kam zu der Überzeugung: ja. Derjenige, der Kafka kennt, wird sagen: Dieses war ein sensationelles Ergebnis eines Denkprozesses kommunistischer Literaten.
    Damit fing es an; und es war eine gerade Linie, die danach zu dem Manifest der 2000 Worte führte, das dann die eigentliche Ursache für den Schock der Sowjetunion war. Man sprach in der Tschechoslowakei von mehr Demokratie, von der Freiheit der Meinung und der Garantie der Meinungsfreiheit, davon, daß es keine Zensur mehr geben dürfe. Man hatte die Zensur abgeschafft; man praktizierte die Freizügigkeit der Persönlichkeit, man konnte reisen — eigentlich nur noch durch Devisenbestimmungen etwas behindert —, man wollte mehr Liberalismus in der Wirtschaft, um die Effektivität, um die Leistungskraft der Wirtschaft zu erhöhen. Und die schlimmste Sünde von allen: man diskutierte ernsthaft über das Mehrparteiensystem als einer geeigneten Grundlage einer fortschrittlichen Politik.
    Meine verehrten Damen und Herren, das allerdings, kombiniert mit den Angriffen z. B. des Generalstabschefs der tschechischen Armee auf den Warschauer Pakt — wenn er dann auch abgesetzt wurde und aus dem Zentralkomitee der KP ausscheiden mußte — und kombiniert mit der Tatsache, daß auf den Straßen in Prag Unterschriften gesammelt wurden, die die Neutralisierung der Tschechoslowakei forderten, — das zusammengenommen stellte die russische Führung allerdings vor eine Entscheidung, der sie sicherlich gern ausgewichen wäre, nämlich vor die Entscheidung, jetzt entweder als eine geistige Führungsmacht einer weltweiten Ideologie oder als Führungsgruppe mit nacktem imperialistischem russischem, wenn man will, sogar nationalrussischem Ziel zu handeln. Die Sowjetunion hat sich entschieden, als imperialistische Macht zu handeln, d. h. ihre Machtpolitik vor ihre ideologischen Ambitionen zu stellen. Sie tat das, obgleich die sowjetische Führung wußte, welche Nachteile sie bei diesem Verhalten in Kauf nehmen muß:
    Erstens unterliegt es heute keinem Zweifel, daß die Sowjetunion die geistige Führungsrolle im internationalen Kommunismus verloren hat.
    Zweitens: Die Kluft, die zwischen Jugoslawien und Rumänien auf der einen Seite und der Sowjetunion auf der anderen Seite besteht, wird sich nicht mehr schließen — bei aller Vorsicht, die diese Staaten heute anwenden, weil sie sich gefährdet glauben. Sie werden aber alles versuchen, diesen Abstand zu stabilisieren, und sie werden sicherlich keine Brücken zu bauen versuchen.
    Drittens: Der Sowjetblock, soweit er unter der Führung der Sowjetunion steht, ist in der dritten Welt, in Südamerika, in Afrika und in Asien, zunehmend einer Isolierung ausgesetzt, wie alle Besucher in diesen Ländern heute schon zu berichten wissen.
    Viertens: Die inneren Spannungen innerhalb des Warschauer Paktes, die ja schon vorhanden waren, bevor der Überfall auf die Tschechoslowakei begann, haben nicht nachgelassen, sie haben im Gegenteil zugenommen; denn wer von uns könnte glauben, daß die anderen Warschauer-Pakt-Staaten — von der DDR will ich einmal absehen — frohen Herzens an der Seite der Sowjetunion nach Prag marschiert wären? Am allerwenigsten die Ungarn, die ja wußten, wie es aussieht, wenn man in das eigene Land mit Panzern einbricht. Diese Spannungen, meine Damen und Herren, lassen sich so leicht nicht mehr überwinden.
    Fünftens: Es wird nach meiner festen Überzeugung eine Umgruppierung der Kräftegruppen im Kreml geben. Denn lassen wir uns nicht täuschen: diejenigen, die der Sowjetunion diese weltweite Blamage eingebrockt haben — und es w a r eine weltweite Blamage; nicht nur, daß der Akt als solcher bei allen Menschen auf der Erde Abscheu erweckte, auch die politische Vorbereitung war eine Blamage für die Sowjetunion, die ja nicht einmal, wie soll ich sagen, „im Ausschreibungsverfahren" in der Lage war, einen einzigen Tschechen, einen einzigen Slowaken zu finden, der bereit gewesen wäre, eine Regierung auf den Bajonetten der Sowjettruppen zu bilden —, diejenigen also, die mit Mehrheit die Entscheidung zu dieser Blamage herbeigeführt haben, mögen zwar jetzt ihre Machtstellung noch brutaler demonstrieren als vorher, aber sie werden dennoch auch innerhalb der sowjetischen Führungsstruktur an Einfluß einbüßen. Am Ende wird sich der besonnene, der vernünftige Flügel stärker durchsetzen.
    Sie haben die Berichte über die geistige Verfassung der russischen Soldaten gelesen, die in die Tschechoslowakei einmarschiert sind und die dort an Ort und Stelle gesehen haben, was es heißt, ein wehrloses Volk aus blankem Machtinteresse zu überfallen. Die geistige Verfassung dieser Soldaten wird mehr zurückwirken, als die sowjetische Führung mit ihrem militärischen Überfall jetzt bewirkt hat.
    Und sechstens: Unter der Oberfläche, und das ist überall sichtbar, wächst im gesamten Sowjetblock der Drang nach dem reformierten, demokratischen Kommunismus, den die Reformer in Prag praktizieren wollten.
    Trotz aller dieser Nachteile und trotz der Aussicht, daß die Strukturwandlung nicht abzubrechen ist, die im Sowjetblock vorher so virulent sichtbar war, entschied sich der Kreml für die Aggression. Und im grellen Licht dieser Aggression erkannten wir alle klarer, was in der leicht dunstigen Atmosphäre der Entspannungspolitik vorher zu verschwimmen schien: nämlich die harte, unbeugsame Entschlossenheit der Sowjetunion, den politischen und den militärischen Status quo in Europa mit allen Mitteln zu verteidigen. Die Beispiele kannten wir: 1953 die DDR, 1956 Ungarn und jetzt die Tschechoslowakei. Und die Frage, vor der wir stehen, ist doch: Was wird morgen sein? Wie beurteilen wir die Lage, in der wir uns jetzt befinden? Werden



    Scheel
    es andere sozialistische Staaten sein, die der Aggression ausgesetzt sind, oder werden wir gefährdet sein, die wir dem anderen Machtlager dieser Welt angehören?
    Meine Damen und Herren, es zeigt sich bei der Beurteilung der Vorgänge der letzten Monate, daß sich seit 1945 nichts als so 'dauerhaft 'erwiesen hat wie die gegenseitige Respektierung der Einflußsphären, die sogenannte Lübeck-Triester-Linie, von der man sagt, daß sie in Jalta von den Jalta-Signatarmächten verabredet worden sei. Ich weiß, daß dieses Gerücht nicht zu beweisen ist; ich will auch unterstellen, daß es nicht richtig ist. Aber ich glaube doch, die tatsächlichen Abläufe der geschichtlichen Entwicklung der letzten Jahre geben denen recht, die sagen: Diese Abgrenzung der Interessensphären besteht in jedem Falle, und die Haltung der Supermächte ist verständlich, die diese Interessensphären respektieren, weil nämlich die 'direkte Konfrontation zweier Mächte mit einem solchen Potential an atomarer Ausrüstung zu einer Gefährdung führen würde, ,die beide nicht bereit sind, auf sich zu nehmen. Insoweit sind diese Interessensphären ein Element unserer eigenen Sicherheit gewesen, und sie sind es noch. Aber diese beiden Blöcke, die ein Element unserer Sicherheit sind — neben anderen Elementen selbstverständlich —, sind auf der anderen Seite ein Hindernis dafür, daß wir zu einer Intensivierung der politischen, der wirtschaftlichen Zusammenarbeit in Europa kommen, einer Zusammenarbeit zwischen West- und Osteuropa, von der heute fortschrittliche Wissenschaftler und Politiker — auch der osteuropäischen Staaten — sagen, daß sie nötig sei, wenn man für ganz Europa in Wahrheit eine Zukunft bauen wolle.
    In dieser Krise der letzten Monate hat sich eines nun erwiesen: Die Theorie, daß die Zusammenarbeit ganz Europas zuwege gebracht werden könnte über die Kooperation der Vaterländer, hat sich als irrig herausgestellt. Nicht nur, daß das schon in Westeuropa sehr schwierig wäre, sondern auch die Machtstruktur in Osteuropa läßt diese Theorie nicht Wirklichkeit werden. Die Sowjetunion wird es nicht zulassen, daß lein 'einzelner osteuropäischer Staat seine Beziehungen zu Westeuropa, isoliert vom Rest, 'intensiviert und auf einen besonderen Sockel stellt.
    Meine Damen und Herren, der 21. August hat uns auch vor Augen geführt, wie kompliziert und wie komplex zugleich die deutsche Frage ist. Denn in allen Phasen der Reformbewegung und der Bekämpfung der Reformbewegung in der Tschechoslowakei, in allen Phasen hat das Deutschlandproblem als Gesamtproblem eine eminent große Rolle gespielt. Es ist kaum ein Tag vergangen, wie Sie ja selbstimmer wieder erlebt haben, angefangen von der Januar-Sitzung des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei, an dem nicht die Politik der beiden Teile Deutschlands, der Regierungen der beiden Teile Deutschlands in Prag, in Warschau und in Moskau heftig diskutiert worden ist. Und der Einmarsch von deutschen Soldaten der DDR in Prag symbolisiert geradezu, wie groß der Einfluß der deutschen Frage als Gesamtproblem auf die dramatischen Ereignisse dieses Sommers gewesen ist. Bei genauerem Hinschauen erkennen wir, in welchem Maße auch — bewußt oder unbewußt — die Politik der Bundesrepublik die Vorgänge beeinflußt hat.
    In einer Lage wie der, in der wir uns befinden, fällt es jedem schwer, der dazu zu sprechen hat, nicht Emotionen zu verfallen, denen man mit Recht nachgeben könnte. Aber es tut uns, die wir die Verantwortung haben für das Schicksal unseres Teiles Deutschland, not, Besonnenheit zu wahren in allem, was wir sprechen, und in allem, was wir tun, zumal die Sowjetunion uns in erster Linie verantwortlich machen möchte, uns beschuldigt, die Verantwortung zu tragen für die Maßnahmen, die sie selber getroffen hat. Es ist heute morgen schon gesagt worden, daß diese Propagandatiraden so unglaubwürdig sind und daß das Verhalten der Bundesrepublik Deutschland so seriös, so richtig gewesen ist, daß sich die Sowjetunion in aller Welt mit dieser Art der Propaganda sicherlich keine zusätzliche Glaubwürdigkeit verschaffen kann, wenn sie davon spricht, daß die Truppen, die sie entsandt hatte, ihre Aufgabe, ihre „edle Mission" bis zum Ende „zum Wohle des Friedens" erfüllen müßten. Das ist ein so blanker Zynismus, daß man es einfach nicht lesen kann, ohne daß einem Schauer über den Rücken laufen.
    Meine Damen und Herren, aus dieser Haltung jedoch entsteht etwas sehr Gefährliches. Aus der Schwäche, in der sich die Sowjetunion befindet, entsteht der aus der politisch-psychologischen Schwäche in der Welt und aus dem eigenen Schuldgefühl geborene arrogante Anspruch der Sowjetunion auf das Recht zur Intervention nicht nur in der Bundesrepublik, sondern in einer ganzen Anzahl von Staaten dieser Welt. Ich meine, hier gilt es, Festigkeit zu zeigen, nicht nur für uns, sondern auch um unsere Verbündeten davon zu überzeugen, daß es mehr braucht als das, was bisher dazu gesagt worden ist. Denn die skurille Auslegung der UNO-Charta, welche die Grundlage solchen Anspruches ist, ist noch nicht eindeutig widerlegt. Auch was der Generalsekretär der UNO zu diesem Problem gesagt hat, kann mich nicht befriedigen.

    (Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)

    Ich meine, wir sollten hier einmal feststellen, daß wir niemandem in der Welt — niemandem! — eine Intervention in die inneren Angelegenheiten der Bundesrepublik zubilligen,

    (allgemeiner Beifall)

    keinem einzelnen Staat, auch keiner Gruppe von Staaten. Meine Damen und Herren, das muß gesagt werden. Ich meine, wir wissen doch genau, was wir zu tun bereit sind, um all überall dem Frieden zu dienen. Um des Friedens willen viel zu tun, das sollte für einen Deutschen nicht schwer zu entscheiden sein. Deshalb wollen wir uns nicht zum Popanz einer hektischen Propaganda machen lassen, die an Zynismus kaum 'noch zu überbieten ist. Hier gilt es, unsere Verbündeten weiß Gott noch stärker zu engagieren.



    Scheel
    Die Bundesregierung hat sich mach der Meinung meiner Fraktion in der kritischen Zeit richtig verhalten. Der Bundesaußenminister, gedeckt auch durch den Bundeskanzler, hat keine Hysterie, keine Panikmache geduldet, zur Ruhe und Besonnenheit gemahnt. Die Bundesregierung hat, sogar in den ersten Tagen und Wochen, als die Wogen der öffentlichen Meinung noch nicht geglättet waren, auch zu dem gestanden, was wenige Tage vorher ein Hoffnungsschimmer in unserer Deutschlandpolitik zu sein schien, nämlich zu der Verabredung von Ministergesprächen zwischen Ministern der Bundesrepubik und Ministern der DDR. Ich glaube, es ist richtig — ich begrüße die Bestätigung dieser Haltung durch den Fraktionsvorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei —, daß wir dieses Thema auf der Tagesordnung halten. Daß man Außenpolitik mit Erfolg nur in einer gewissen Abhängigkeit von der politischen Atmosphäre, in der man sich befindet, treiben kann, ist selbstverständlich; ich kann also nicht immer und zu jeder Zeit alles erreichen. Aber das Ziel muß im Blickpunkt bleiben.

    (Beifall bei der FDP.)

    Darin hat die Bundesregierung die Unterstützung der Opposition, auch bei ihrem Bemühen, die Lage zu entschärfen und nüchtern Konsequenzen aus der veränderten außenpolitischen Situation zu ziehen.
    In diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren, möchte ich zu der vorbereiteten Entschließung des Bundestages ein paar Worte sagen. Herr Schmidt hat schon erwähnt, daß sich die Fraktionen des Bundestages Mühe gegeben haben, zu einer gemeinsamen Erklärung des Bundestages zu kommen. Die Gemeinsamkeit der parlamentarisch Verantwortlichen in einer solchen Zeit ist für das Volk ein Wert an sich. Wir haben uns unsererseits bemüht, zu dieser Gemeinsamkeit zu kommen. Aber es gibt eine gewisse Grenze, wo die Gemeinsamkeit nicht die unterschiedliche Auffassung überdecken darf. Das sind die Grenzen der Auffassungen im Prinzip. Es hat einen Punkt in dieser Entschließung gegeben, der auch durch die gutwilligste Mitwirkung bei der Erarbeitung einer gemeinsamen- Entschließung von uns nicht akzeptiert werden konnte. Alle übrigen 14 Punkte der Entschließung fanden unsere Billigung. Ein Punkt, der Punkt 6, jedoch konnte unsere Billigung nicht finden. Dieser Punkt in der Entschließung der Fraktionen der CDU/CSU und SPD lautet:
    Unsere Verbündeten und die ganz überwiegende Mehrheit der Völker haben bekundet, daß sie die Bundesregierung als die einzige deutsche Regierung ansehen, die frei und rechtmäßig gebildet ist.
    Soweit, so gut. Aber das brauchen wir nicht erst bestätigen zu lassen, das wissen wir ja selbst wohl am allerbesten, daß wir frei und rechtmäßig gebildet sind. Jetzt kommt der Satz:
    Sie spricht auch für jene, denen mitzuwirken bisher versagt ist.
    Meine Damen und Herren, das ist, in welcher sprachlichen Form auch immer, der Anspruch des Alleinvertretungsrechts für alle Deutschen im internationalen Geschäft.

    (Abg. Rösing: Das ist von Herrn Heuss! Das ist im Parlamentarischen Rat in die Präambel gekommen!)

    — Herr Kollege, Sie täuschen sich außerordentlich! In der Präambel steht nichts dergleichen. In der Präambel steht — wenn Sie den Wortlaut da haben, können Sie das nachlesen —, daß die Abgeordneten des Parlamentarischen Rates bei der Abfassung des Grundgesetzes in ihrer Verantwortung auch für diejenigen, die bis dahin nicht handeln und nicht sprechen konnten, gehandelt haben. Das ist der Wortlaut.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Können sie denn heute sprechen?)

    — Sie müssen gleich den nächsten Satz mitsehen. Es heißt nämlich in der Folge: daher sind wir verpflichtet, die Wiedervereinigung zu vollenden. Sie kennen die Formel.